Leitsatz (amtlich)

Über die Frage, ob der die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung einer KG im Verlustjahr feststellende Feststellungsbescheid wirksam geworden ist, kann im Einkommensteuerverfahren der Gesellschafter entschieden werden.

 

Normenkette

FGO in der vor 1977 geltenden Fassung § 42 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren Gesellschafter der X GmbH u. Co. KG. Über das Vermögen der KG wurde im August 1968 das Konkursverfahren eröffnet. Das Betriebsfinanzamt stellte den Verlust der KG für das Wirtschaftsjahr 1968 nach Erklärung fest. Im Berechnungsbogen verneinte das Betriebsfinanzamt die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung der KG im Verlustjahr 1968. Der den Klägern zugestellte Gewinnfeststellungsbescheid und die dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Wohnsitzfinanzamt - FA -) übersandten Mitteilungen über die Gewinnfeststellung enthielten keinen Hinweis auf die Nichtordnungsmäßigkeit der Buchführung. Das Betriebsfinanzamt teilte dem FA am 11. März und 22. Juni 1971 und den Klägern am 30. März und 23. Juni 1971 gesondert mit, daß der Verlust 1968 nicht auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt worden sei.

Nach der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1968 verblieben nicht mit anderen Einkünften ausgeglichene Verlustanteile für die Kläger. Den beantragten Abzug dieser Beträge bei der Einkommensteuerveranlagung der Kläger für 1970 nach § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) ließ das FA mangels Ordnungsmäßigkeit der Buchführung der KG nicht zu. Da das FA über die Einsprüche nicht in angemessener Frist entschied, erhoben die Kläger Untätigkeitsklage nach § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die jedoch erfolglos blieb.

Das FG hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Da die fehlende Oranungsmäßigkeit der Buchführung im Berechnungsbogen verneint worden sei, sei lediglich die Bekanntgabe des Feststellungsbescheids an die Kläger unvollständig gewesen. Die Bekanntgabe der Feststellung der fehlenden Ordnungsmäßigkeit der Buchführung habe nachgeholt werden können und sei auch durch die an die Kläger gerichteten Schreiben nachgeholt worden. Im übrigen hätte das Betriebsfinanzamt den Feststellungsbescheid insoweit nach § 216 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) ergänzen können. Die den Klägern zugesandten Mitteilungen genügten inhaltlich den Erfordernissen eines Ergänzungsbescheids.

Hiergegen richtet sich die Revision mit folgender Begründung: Die Feststellung der fehlenden Ordnungsmäßigkeit der Buchführung der KG im Berechnungsbogen werde erst mit der Bekanntgabe wirksam. Aus § 91 Abs. 1 AO folge, daß der bekanntgegebene Bescheid so wirksam wird, wie er bekanntgegeben wurde. Das FA müsse das als verbindlich gegen sich gelten lassen, was es dem Adressaten erklärt hat. Da der Feststellungsbescheid 1968 vom 18. September 1970 keinerlei Einschränkungen der Abzugsfähigkeit der Verluste enthalte, könne das FA den Abzug nicht versagen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG vom 30. Oktober 1975 aufzuheben und bei den Veranlagungen zur Einkommensteuer für das Jahr 1970 die beantragten Verlustabzüge zu berücksichtigen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FA hat die Vergünstigung des § 10 d EStG bei der Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer 1970 zu Recht verweigert.

Über die strittige Frage, ob die Verweigerung der Vergünstigung im Einkommensteuerverfahren auf einem wirksamen Feststellungsbescheid oder Ergänzungsbescheid beruht, kann im Streitverfahren über die Einkommensteuer entschieden werden. § 42 Abs. 2 FGO in der vor 1977 geltenden Fassung steht nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist dem Steuerpflichtigen verwehrt, die Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheids durch Anfechtung des Folgebescheids geltend zu machen. Die Frage, ob der Feststellungsbescheid durch Bekanntgabe wirksam geworden ist (§§ 91, 219 AO), betrifft nicht die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids, wohl aber die Rechtmäßigkeit des Folgebescheids (§ 218 AO; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 219 AO Anm. 1).

Da die Verluste, deren Abzug die Kläger gemäß § 10 d EStG geltend machen, im Rahmen der KG entstanden sind, ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß die Entscheidung über die Zulässigkeit des Verlustabzugs vom FA erst getroffen werden kann, wenn das Betriebsfinanzamt eine Festellung hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung der KG im Verlustjahr nach §§ 215, 216 AO getroffen hat (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Juni 1963 VI 189/62 U, BFHE 77, 469, BStBl III 1963, 491). Zu Recht hat das FG auch entschieden, daß ein solcher Bescheid vorgelegen hat. Allerdings enthielt der den Klägern zugestellte Feststellungsbescheid keinen Vermerk über die vorhandene oder fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung der KG im Verlustjahr, wie das FG unbestritten festgestellt hat. Daß die Feststellung der fehlenden Ordnungsmäßigkeit im Berechnungsbogen des Betriebsergebnisses der KG getroffen worden war, rechtfertigt eine Entscheidung über die Unzulässigkeit des Verlustabzugs nicht, weil der Berechnungsbogen lediglich die Grundlage des Feststellungsbescheids aber selbst kein Feststellungsbescheid ist. Jedoch war die Ergänzung des Feststellungsbescheids entgegen der Ansicht der Kläger gemäß § 216 Abs. 2 AO möglich (vgl. Urteil des BFH VI 189/62 U). Solche Ergänzungsbescheide hat das Betriebsfinanzamt durch die Zusendung der beiden Schreiben vom 30. März und 23. Juni 1971 erteilt. Denn die Schreiben enthalten alle erforderlichen Angaben zur Feststellung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung der KG im Verlustjahr. Daran ändert auch das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung nichts, das lediglich Bedeutung für die Rechtsmittelfrist hat.

Die Ergänzungsbescheide sind den Klägern auch wirksam zugestellt worden. Da es sich um Teile eines Feststellungsbescheides handelt, waren sie gemäß § 219 Abs. 1 AO einem von den Gesellschaftern genannten Gesellschafter mit Wirkung für und gegen sämtliche Gesellschafter zuzustellen. Im Falle des Konkurses oder der Liquidation der Gesellschaft ist jedoch abweichend davon der Feststellungsbescheid allen Gesellschaftern zuzustellen (vgl. Urteil des BFH vom 13. Juli 1967 IV 191/63, BFHE 90, 87, BStBl III 1967, 790). Dabei sind die Gesellschafter nicht in ihren Rechten verletzt, wenn solche Bescheide anderen Gesellschaftern nicht oder nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sind (vgl. Urteil des BFH vom 31. Mai 1978 I R 76/76, BFHE 125, 332, BStBl II 1978, 600). Die Kläger können sich daher nicht darauf berufen, daß nicht dem Konkursverwalter zugestellt wurde, sofern ihm überhaupt zugestellt werden mußte.

Aus der Tatsache, daß die Mitteilung über die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung der KG in dem ursprünglich den Gesellschaftern zugestellten Feststellungsbescheid fehlte, durften die Kläger nicht schließen, das das Betriebsfinanzamt die Ordnungsmäßigkeit anerkannt habe.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73121

BStBl II 1979, 440

BFHE 1979, 119

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