Entscheidungsstichwort (Thema)

Reise eines wissenschaftlichen Assistenten / Dozenten im Fach katholische Theologie nach Israel bzw. in den Vorderen Orient

 

Leitsatz (NV)

Die Reise eines wissenschaftlichen Assistenten/Dozenten im Fach katholische Theologie nach Israel bzw. in den Vorderen Orient zu religionsgeschichtlich bedeutsamen Zielen ist nach den für Auslandsgruppenreisen entwickelten Rechtsgrundsätzen zu beurteilen. Die dadurch anfallenden Kosten sind deshalb keine Werbungskosten, wenn die jeweilige Reise programmgemäß auch ein allgemein-touristisches Interesse befriedigt.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis zum 30. September des Streitjahres wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für katholische Theologie und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule W; er befaßte sich schwerpunktmäßig mit dem Alten Testament. Ab dem 1. Oktober des Streitjahres 1977 war der Kläger hauptberuflich Dozent am Institut für Lehrerfortbildung in X (an dem er bis dahin nebenberuflich Vorträge gehalten hatte); im Nebenberuf war er seit diesem Zeitpunkt Lehrbeauftrager an der Hochschule Y und an der katholischen Fachhochschule Z.

In der Zeit vom 24. März bis zum 7. April des Streitjahres nahm der Kläger an einer vom katholischen Bibelwerk organisierten ,,biblischen Studienreise" nach Israel teil. Die Reise begann und endete in Tel Aviv und führte zu historisch und religionsgeschichtlich bedeutsamen Orten und Landschaften Israels; ein Reisetag - in Jerusalem - stand den Reiseteilnehmern zur freien Verfügung. Die Reise, an der ca. 30 Personen (Historiker, Lehrer und Geistliche, aber auch interessierte Laien) teilnahmen, wurde in den Monaten Januar bis März des Streitjahres in einem vom katholischen Bibelwerk organisierten Seminar vorbereitet.

In der Zeit vom 22. Juli bis zum 20. August des Streitjahres nahm der Kläger an einer (von ihm als sog. ,,Mesopotamien-Reise" bezeichneten) Reise in den Vorderen Orient teil. Sie wurde von . . . organisiert und führte nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) in erster Linie zu solchen Orten, an denen durch archäologische Ausgrabungen noch Denkmäler derjenigen Völker zu finden sind, die im Laufe der Geschichte militärischen, ökonomischen, kulturellen und religiösen Einfluß auf das Israel der alttestamentarischen Zeit genommen haben. Der Kläger besuchte in diesem Zusammenhang u. a. berühmte Heiligtümer der Christenheit und des Islam (z. B. die Hagia Sophia und andere Moscheen in Istanbul; den Berg Ararat; Sehenswürdigkeiten in - der heiligen Stadt der Schiiten - Quom sowie in Bagdad, Ankara und Teheran).

Zum Nachweis der beruflichen Veranlassung der Reisen legte der Kläger eine von Prof. Dr. . . . unterzeichnete Bescheinigung vor, die u. a. wie folgt lautete: ,,Um seine archäologischen, historischen, landeskundlichen und theologischen Kenntnisse bezüglich des Alten Testaments und seiner Umwelt zu vertiefen, unternahm Herr . . . im Frühjahr eine Studienreise nach Israel . . . und im Sommer eine Studienreise nach Mesopotamien. Die auf diesen Reisen gewonnenen Erkenntnisse fanden in vielfältiger Weise Eingang in die seitdem von Herrn . . . durchgeführten Seminare. Die von Herrn . . . unternommenen Studienreisen waren nicht nur für ihn persönlich, sondern auch für seine Lehrtätigkeit von großem Gewinn."

Die für beide Reisen insgesamt . . . DM betragenden Aufwendungen machte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung des Streitjahres als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Während der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) deren Berücksichtigung ablehnte, gab das FG der nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobenen Klage überwiegend statt. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe die Israel- und auch die ,,Mesopotamien"-Reise aus beruflichem Anlaß unternommen. Ein Teil der Aufwendungen betreffe allerdings die Einkünfte aus selbständiger Arbeit und sei durch die vom FA im Streitjahr angesetzte Betriebsausgabenpauschale von 1 200 DM abgegolten. Der auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entfallende Teil sei jedoch als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Werbungskosten seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) alle durch den Beruf veranlaßten Aufwendungen (Urteile vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368, und vom 20. Dezember 1985 VI R 45/84, BFHE 146, 233, BStBl II 1986, 459). Eine Ausnahme gelte nur, wenn die Aufwendungen gleichermaßen den Beruf des Steuerpflichtigen förderten und auch dessen Lebensführung dienten. Diese ,,gemischten" Aufwendungen seien steuerlich nur zu berücksichtigen, wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiege und der Gesichtspunkt der Lebensführung von ganz untergeordneter Bedeutung sei (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, und BFH-Urteil vom 16. Oktober 1986 IV R 138/83, BFHE 148, 262, BStBl II 1987, 208); in allen anderen Fällen gelte das in § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) enthaltene Aufteilungs- und Abzugsverbot.

Nach diesen Grundsätzen seien auch zu Informationszwecken unternommene Auslandsgruppenreisen zu beurteilen (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 27. November 1978 Gr S 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213; BFH-Urteile vom 23. Oktober 1981 VI R 71/78, BFHE 134, 325, BStBl II 1982, 69, und in BFHE 148, 262, BStBl II 1987, 208). Die dadurch entstandenen Aufwendungen seien nur dann Werbungskosten, wenn nach dem Programm und der tatsächlichen Gestaltung der Reise die Verfolgung privater Interessen nahezu ausgeschlossen sei. Der hiernach erforderliche unmittelbare Bezug zum Beruf fehle, wenn die Reise im Interesse einer allgemeinen Information oder einer allgemeinen beruflichen Fortbildung unternommen werde; notwendig sei vielmehr eine - anhand objektiver Merkmale genügend klar feststellbare - unmittelbare und (nahezu) ausschließliche Veranlassung durch besondere berufliche Bedürfnisse oder Gegebenheiten.

Diese treffe im Streitfall zu. Der Kläger habe zur Überzeugung des FG dargetan, daß für ihn der Anlaß zur Teilnahme an den Reisen ausschließlich ein durch seine Lehrtätigkeit begründetes berufliches Interesse am besseren Verstehen von Bibeltexten gewesen sei; daß die Reisen - für sich betrachtet - als private Bildungsreisen anzusehen seien und bei anderen Reiseteilnehmern womöglich ein solches Interesse im Vordergrund gestanden habe, könne nicht dem Kläger angelastet werden.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 12 EStG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.

1. Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 EStG sind nach der Rechtsprechung des Senats alle durch den Beruf veranlaßten Aufwendungen (z. B. Urteil in BFHE 134, 325, BStBl II 1982, 69); hierzu können auch die Kosten für die Teilnahme an einer Auslandsgruppenreise zählen.

Keine Werbungskosten, sondern Aufwendungen für die Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 EStG liegen jedoch nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 vor, wenn die Aufwendungen für die Teilnahme an einer solchen Reise nicht objektiv durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlaßt worden sind, insbesondere wenn mit der Reise programmgemäß auch ein allgemein-touristisches Interesse befriedigt wird, das nicht von untergeordneter Bedeutung ist (ständige Rechtsprechung, z. B. Urteile des Senats in BFHE 134, 325, BStBl II 1982, 69, und vom 1. Dezember 1989 VI R 135/86, BFH/NV 1990, 558).

Die Feststellung und Gewichtung der für einen beruflichen oder privaten Anlaß der Reise sprechenden Merkmale ist Aufgabe des FG als der steuergerichtlichen Tatsacheninstanz. Dem BFH als Revisionsinstanz obliegt jedoch die Prüfung, ob das FG die vom Großen Senat des BFH für maßgeblich erachteten Kriterien zutreffend erkannt hat und ob die Würdigung des FG anhand dieser Gesichtspunkte möglich und das aus ihr abgeleitete Ergebnis zutreffend ist (BFHE 134, 325, BStBl II 1982, 69). Hiernach kann die Entscheidung der Vorinstanz keinen Bestand haben.

Aus den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) ergibt sich, daß die vom Kläger unternommenen Reisen - für sich betrachtet - typische Auslandsgruppenreisen waren, wie sie der Große Senat in seiner Entscheidung in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 behandelt hat. Führen solche Gruppenreisen - wie im Streitfall - zu einer Vielzahl touristisch attraktiver Stätten, deren Besuch für jeden anderen, nicht dem Berufskreis des ,,Fachreise"-Teilnehmers angehörenden Touristen reizvoll und interessant wäre, so gehören die dadurch entstandenen Aufwendungen grundsätzlich zu den nichtabziehbaren Kosten der Lebensführung. § 12 Nr. 1 EStG verbietet es, bei Gruppenreisen, die für jeden interessierten Reisenden eine Förderung der Allgemeinbildung bewirken und einen Erlebniswert vermitteln, die Reisekosten bei demjenigen, der auch eine berufliche Beziehung herzustellen vermag, zum Abzug zuzulassen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z. B. Urteil in BFH/NV 1990, 558).

Etwas anderes gilt - wie auch das FG nicht verkannt hat - nur, wenn die Reise nahezu ausschließlich durch besondere berufliche Gegebenheiten veranlaßt ist (vgl. dazu die Beispiele im Urteil in BFHE 134, 325, BStBl II 1982, 69). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das FG jedoch zu Unrecht bejaht. Der Kläger unternahm die Reise nach den Feststellungen des FG im Interesse eines besseren Verständnisses von alttestamentarischen Bibeltexten; die Kenntnis des geschichtlichen Hintergrundes sollte ihm die Möglichkeit vermitteln, seine Lehrtätigkeit überzeugender ausüben zu können. Die hierin zum Ausdruck kommende allgemeine Förderung des Berufs reicht jedoch nach § 12 Nr. 1 EStG nicht aus, um den Aufwendungen für eine Reise zu auch allgemeintouristisch interessanten Zielen den Charakter von Werbungskosten zu geben (vgl. dazu Urteil in BFH/NV 1990, 558).

2. Die Sache ist spruchreif. Auf die Revision des FA war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417386

BFH/NV 1991, 371

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