Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Schuldentilgung nach Konkurs.

2. Auch der während eines Konkurses entstandene gewerbliche Verlust kann nur innerhalb des Fünfjahreszeitraums des § 10d EStG abgezogen werden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, §§ 10d, 33

 

Tatbestand

Der jetzt als Arbeitnehmer tätige Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtige) hatte bei Gewinnermittlung nach § 5 EStG in B. eine Maschinenfabrik betrieben und war damit im August 1951 in Konkurs gegangen. Nachdem er nach Aufhebung des Konkurses im Januar 1957 von einigen Gläubigern erneut in Anspruch genommen worden war, tilgte er auf Grund von Vollstrekkungsmaßnahmen und freiwilligen Vereinbarungen in den folgenden Jahren einen Teil seiner Schulden. 1962 zahlte er an die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) B auf rückständige Beiträge 300 DM, an eine Firma B u. F auf einen vergleichsweise vereinbarten Betrag 600 DM und an die ... Bank ebenfalls auf einen vergleichsweise vereinbarten Betrag 2 970 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte es, anders als für die Vorjahre, bei der Veranlagung für 1962 und im nachfolgenden Einspruchsverfahren ab, diese Aufwendungen als nachträgliche Betriebsausgaben oder als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus:

Die streitigen Aufwendungen seien keine Betriebsausgaben. Die Beiträge an die AOK müßten schon in den früheren Bilanzen, spätestens in der Schlußbilanz, zu Gewinnminderungen geführt haben. Einer erneuten Berücksichtigung stehe auch die Regelung des auf einen Zeitraum von fünf Jahren begrenzten Verlustabzugs entgegen. Unerheblich sei auch, ob der Steuerpflichtige in dem fraglichen Zeitraum vom Verlustabzug Gebrauch gemacht habe oder ob sich ein Verlustabzug überhaupt habe auswirken können.

Die Zahlungen an die Firma B u. F sowie an die ... bank könnten nicht zu nachträglichen Verlusten führen, weil es sich um reine Kapitalrückzahlungen gehandelt habe. Anteilige Zinsleistungen ließen sich auch nicht ausscheiden, da die ursprünglichen Forderungen in Vergleichsbeträge umgewandelt worden seien.

Die Schuldentilgung stelle keine außergewöhnliche Belastung dar; weder die Schuldaufnahme noch die Tilgung seien durch zwangsläufige Umstände herbeigeführt worden. Bei den Einkommensverhältnissen des Steuerpflichtigen - rd. 37 000 DM im Streitjahr - sei die Schuldentilgung keine drückende Last gewesen; bei der Vereinbarung über die Höhe der Zahlungen habe man der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen angemessen Rechnung getragen.

Mit der Revision wird unrichtige Anwendung der §§ 4, 5, 10 d, 33 EStG gerügt und dazu vorgebracht:

Wenn die Vorentscheidung einen Abzug von nachträglichen betrieblichen Verlusten versagt habe, dann stehe dies im Widerspruch zu den Entscheidungen des RFH VI A 690/34 vom 5. Februar 1936 (RStBl 1936, 555) und des BFH VI 66/59 U vom 17. Februar 1961 (BFH 72, 630, BStBl III 1961, 230), wonach ein Verlust nicht vortragsfähig werde, wenn der Steuerpflichtige ihn - wie bei einem Konkurs - voraussichtlich nicht wirtschaftlich trage. Im Streitfall seien zunächst Verluste aus 1949 und 1950 zu Lasten des Vermögens des Steuerpflichtigen gegangen. Die sich durch die Konkurseröffnung ergebenden weiteren Verluste habe er dann nicht mehr tragen können. Deshalb müsse eine spätere Schuldentilgung zu nachträglichen Betriebsausgaben führen. Die Lösung des FG habe zur Folge, daß bei einem späteren Wegfall von Verbindlichkeiten, z. B durch Verjährung, der Konkursschuldner noch einen Gewinn erziele.

Wenn die Schuldentilgung nicht als gewerblicher Verlust behandelt werde, dann müsse sie nach § 33 EStG berücksichtigt werden. Die Aufwendungen hätten ihre Rechtsgrundlage in § 164 KO. Wegen der Zwangsläufigkeit könne deshalb nicht mehr auf die Schuldaufnahme, sondern nur darauf abgestellt werden, ob der Konkurs grob fahrlässig herbeigeführt worden sei. Dies treffe nicht zu, weil allein die Verhältnisse in B zur Zahlungseinstellung gezwungen hatten. Es könne auch für die Zeit der Schuldentilgung eine Notlage nicht verneint werden; was als zumutbare Eigenbelastung zu gelten habe, sei in § 64 EStDV geregelt.

Zumindest müsse der in der Schuldentilgung enthaltene Zinsanteil, der sich rechnerisch ermitteln lasse, noch als nachträgliche Betriebsausgabe anerkannt werden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

1. Rechtlich zutreffend hat das FG angenommen, daß die Zahlungen des Steuerpflichtigen in 1962 nicht mehr als gewerblicher Verlust in Ansatz gebracht werden können.

a) Da die AOK-Beiträge bereits 1951 bei der Konkurseröffnung rückständig waren und sich nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des FG bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG spätestens in diesem Jahr gewinnmindernd ausgewirkt haben, ist ein nochmaliger Abzug als Betriebsausgabe nicht möglich. Selbst wenn die Gewinnminderung in einen gewerblichen Verlust eingegangen wäre, dann hätte dieser später nur im Wege des Verlustabzugs nach § 10d EStG, und zwar begrenzt auf einen Zeitraum von fünf Jahren, steuerlich berücksichtigt werden können.

Entgegen der Meinung des Steuerpflichtigen läßt sich eine spätere steuerliche Berücksichtigung nicht damit begründen, daß während des Konkurses kein vortragsfähiger Verlust entstehen könne, weil dann noch ungewiß sei, ob der Steuerpflichtige den Verlust wirtschaftlich trage. Für seine Auffassung kann der Steuerpflichtige sich nicht mit Erfolg auf das RFH-Urteil VI A 690/34 vom 5. Februar 1936 (a. a. O.) berufen. Abgesehen davon, daß diese Entscheidung zu einer anderen Gesetzesfassung über den Verlustabzug ergangen ist, kann aus ihr nicht entnommen werden, daß ein Verlustabzug zeitlich unbegrenzt möglich sein soll. Der Steuerpflichtige übersieht auch, daß in den BFH-Urteilen IV 210/62 S vom 7. November 1963 (BFH 78, 172, BStBl III 1964, 70) und IV R 288/66 vom 4. September 1969 (BFH 97, 16, BStBl II 1969, 726) unter ausdrücklicher Änderung der früheren Rechtsprechung ausgesprochen wurde, daß gewerbliche Verluste, die ein Steuerpflichtiger vor und während des Konkurses erlitten hat, grundsätzlich und in vollem Umfange nach § 2 Abs. 2 EStG ausgleichsfähig und nach § 10d EStG abziehbar sind. Der Hinweis des Steuerpflichtigen auf das BFH-Urteil VI 66/59 U vom 17. Februar 1961 (a. a. O.) geht ebenfalls fehl; in der Entscheidung IV 210/62 S wurde bereits ausgeführt, daß es sich dort um einen Sonderfall (Nachlaßkonkurs) handelte. Wie der Senat in seinem Urteil VIII R 235/71 vom 25. Januar 1972 (BFH 104, 435, BStBl II 1972, 345) entschieden hat, ist zwar bei Änderung der Rechtsprechung ein Nachholen des Verlustabzugs möglich, dies jedoch auch nur innerhalb des sich aus § 10d EStG ergebenden Fünfjahreszeitraums. Dieser Zeitraum war jedoch im Streitjahr 1962 abgelaufen.

Hat hiernach ein in Konkurs geratener Steuerpflichtiger die Möglichkeit, bei ihm vor oder während des Konkurses entstandene betriebliche Verluste durch Verlustausgleich oder Verlustabzug steuerlich berücksichtigen zu lassen, dann kann es nicht mehr darauf ankommen, ob im Einzelfall davon Gebrauch gemacht wird oder werden kann. Fehlt es an anderen Einkünften oder ist der Zeitraum für den Verlustabzug abgelaufen, so liegt es nicht anders als bei Steuerpflichtigen, die nicht Konkursschuldner sind oder waren. Bei diesen aber können betriebliche Verluste später steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden.

Von einer Anwendung dieser Grundsätze kann nicht mit der Begründung abgesehen werden, daß nach unausgenutztem Ablauf des Zeitraums für den Verlustvortrag bei einem späteren Erlaß von Verbindlichkeiten Gewinnverwirklichungen möglich sind. Die gesetzliche Regelung über die steuerliche Berücksichtigung von gewerblichen Verlusten ist eindeutig und abschließend. Wird sie nicht ausgenutzt, dann bleiben für die späteren Jahre die Gewinnermittlungsvorschriften nach § 4 Abs. 1 und § 5 EStG maßgebend. Wenn sich aus dem Erlaß von Verbindlichkeiten Gewinne ergeben, dann müssen sie, abgesehen von dem im Streitfall nicht in Betracht kommenden Sanierungsgewinn, der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gewinnmehrung bei einem laufenden oder einem sich in Liquidation befindlichen Unternehmen eintritt. Denn für den Fall der Liquidation, sei es mit oder ohne Konkurs, gibt es keine besonderen Gewinnermittlungsvorschriften.

b) Da die Zahlungen an die Firma B u. F so wie an die ... bank nach den tatsächlichen und insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des FG Kapitalrückzahlungen waren, konnten sie keine Betriebsausgaben sein und deshalb auch nicht zu nachträglichen betrieblichen Verlusten führen (vgl. BFH-Urteil VI 347/61 vom 17. November 1964, StRK, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 869).

c) Wenn der Steuerpflichtige geltend macht, von den streitigen Zahlungen müsse wenigstens ein darin enthaltener Kosten- oder Zinsanteil als nachträglicher betrieblicher Aufwand behandelt werden, so kann er damit ebenfalls keinen Erfolg haben.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG wurden an die AOK rückständige Beiträge gezahlt. Mit der Behauptung, es seien auch Kosten und Zinsen gezahlt worden, kann der Steuerpflichtige in der Revision nicht mehr gehört werden, weil er damit neues tatsächliches Vorbringen einführt.

Hinsichtlich der Zahlungen an die Firma B u. F sowie die ... bank ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, daß spätestens nach der vergleichsweisen Umwandlung und Herabsetzung der Schulden nicht mehr zwischen Kapitalrückzahlung und Zinsleistung unterschieden werden könne. Damit hat das FG im Rahmen der ihm zustehenden freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) einen Sachverhalt festgestellt und gewürdigt. Der BFH ist daran gebunden, da weder ein Rechtsirrtum oder Verfahrensmangel noch ein Verstoß gegen die Denkgesetze durch das FG erkennbar ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Entgegen der Meinung des Steuerpflichtigen muß bei Zahlungen nach einem Vergleich nicht unbedingt nach Kapital- und Zinsleistung aufgeteilt werden. Maßgebend ist vielmehr, was die Vergleichspartner gewollt und zum Ausdruck gebracht haben. Der Steuerpflichtige selbst hat nicht behauptet, daß die von ihm jetzt herausgestellte Unterscheidung bei den Vergleichen vereinbart worden wäre. Dagegen spricht im übrigen, daß der Steuerpflichtige zur Schätzung greifen muß, um Kapital- und angebliche Zinsleistung aufzuteilen.

2. Ohne Rechtsverstoß hat das FG angenommen, daß die Ausgaben zur Schuldentilgung nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Die Tilgung von Geschäftsschulden ist keine außergewöhnliche Belastung (vgl. BFH-Urteil VI 206/61 vom 14. Dezember 1962, HFR 1963, 206).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413335

BStBl II 1972, 946

BFHE 1973, 138

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