Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtliches Gehör; Löschungsbewilligung für Sicherungshypothek bei Aussetzung der Vollziehung

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Angabe der verletzten Rechtsnorm im Revisionsverfahren.

2. Zur Entscheidungserheblichkeit einer Verletzung rechtlichen Gehörs.

3. Die Erteilung einer Löschungsbewilligung für eine Sicherungshypothek bei Aussetzung der Vollziehung der dieser zugrundeliegenden Steuerbeträge bestimmt sich nach Ermessensgrundsätzen. Dabei sind die Grundsätze zu berücksichtigen, die die Rechtsprechung für die Frage der Sicherungsleistung im Falle der Aussetzung der Vollziehung entwickelt hat.

 

Normenkette

AO 1977 § 251 Abs. 1, § 257; FGO § 119 Nr. 3, § 120 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Auf Antrag des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) wurde am 23. Dezember 1976 wegen rückständiger Steuerschulden, Verspätungszuschläge und Säumniszuschläge des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) in Höhe von insgesamt 374 300,11 DM auf dessen Grundstück eine Sicherungshypothek im Grundbuch eingetragen. Das FA erteilte in der Folgezeit hinsichtlich dieser Zwangshypothek Löschungsbewilligungen über insgesamt 287 131,31 DM. Nach Durchführung dieser Löschungen beantragte der Kläger beim FA, ihm im Hinblick auf ausgesprochene Aussetzungen der Vollziehung auch für den verbleibenden Betrag der Zwangshypothek von 87 168,80 DM eine Löschungsbewilligung zu erteilen. Das FA lehnte dies ab.

Die Beschwerde des Klägers hatte teilweise Erfolg. Die zuständige Oberfinanzdirektion (OFD) wies mit Entscheidung vom 19. November 1979 das FA an, in Höhe eines Teilbetrags von 28 056 DM eine weitere Löschungsbewilligung zu erteilen; im übrigen wies sie die Beschwerde als unbegründet zurück. Die OFD führte aus:

In Höhe der noch vollstreckbaren Steuerrückstände von 24 543,83 DM sowie der dinglich gesicherten Säumniszuschläge von 2 799 DM könne eine Löschungsbewilligung schon deshalb nicht erteilt werden, weil insoweit die Voraussetzungen für eine Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 257 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht gegeben seien. Die Frage, ob hinsichtlich der ausgesetzten Beträge die Löschung der Hypothek bewilligt werden könne, sei nach Ermessensgrundsätzen zu beurteilen. Dabei sei davon auszugehen, daß eine Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen dann gerechtfertigt sei, wenn kein Bedürfnis für eine Sicherheitsleistung bestehe. Die Aussetzung der Vollziehung von Steuerbeträgen rechtfertige nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann die Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen, wenn entweder nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen oder aufgrund der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs das Verlangen nach Sicherheitsleistung ermessensmißbräuchlich wäre. Im Streitfall sei schon im Hinblick auf die Höhe der Steuernachforderungen anzunehmen, daß deren Entrichtung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers ohne Sicherheitsleistung gefährdet sei. Unzumutbar sei eine Sicherheitsleistung lediglich insoweit, als die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte so gewichtig seien, daß mit Gewißheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozeßausgang zu erwarten sei (BFH-Beschluß vom 22. Dezember 1969 V B 115-116/69, BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127). Das sei nach den Berechnungen des FA bei Steuerrückständen in Höhe von 28 056 DM der Fall, weshalb das FA in dieser Höhe die Löschung der Sicherungshypothek zu bewilligen habe. Bei den übrigen noch gesicherten Steuern und Abgaben sei noch nicht absehbar, ob eine Minderung der Rückstände aufgrund der eingelegten Rechtsbehelfe zu erwarten sei. Eine Löschungsbewilligung könne daher insoweit nicht erteilt werden.

Die Klage, mit der der Kläger die Erteilung der Löschungsbewilligung auch hinsichtlich des noch bestehenden Restbetrags der Zwangshypothek von 59 112 DM begehrte, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) beurteilte ebenso wie die OFD die Frage der Erteilung der Löschungsbewilligung im Streitfall nach den §§ 251 Abs. 1, 257 Abs. 1 und 2 AO 1977. Es führte aus, hinsichtlich der noch vollstreckbaren Steuern und Säumniszuschläge könne die Vollstreckungsmaßnahme der Zwangshypothek nicht aufgehoben und eine Löschungsbewilligung nicht erteilt werden. Bezüglich der Beträge, deretwegen die Vollziehung ausgesetzt sei, habe für die Finanzbehörden keine Verpflichtung bestanden, die getroffenen Vollziehungsmaßnahmen aufzuheben. Sie hätten vielmehr nach Ermessensgrundsätzen zu beurteilen gehabt, ob ein Sicherungsbedürfnis für die ausgesetzten Beträge bestand. Das Gericht habe diese Beurteilung nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur auf eine Ermessensüberschreitung und einen Ermessensfehlgebrauch hin zu überprüfen.

Die OFD habe bei ihrer Entscheidung von dem Ermessen keinen fehlerhaften Gebrauch gemacht, denn das Verlangen nach Sicherheitsleistung sei aufgrund der gesamten Umstände des Falles weder nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers noch aufgrund der Erfolgsaussichten der Rechtsbehelfe ermessensmißbräuchlich gewesen. Vielmehr habe die wirtschaftliche Lage des Klägers die Steuerforderungen als gefährdet erscheinen lassen. Nach den zum Teil in den Vollstreckungsakten abgelegten Presseberichten sei der Kläger nämlich im Juli 1976 wegen Eidesdelikten und anderen durch das Landgericht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er habe eine Kaution für seine Freilassung von . . . entrichten müssen. Nach der Aufhebung dieses Urteils durch den Bundesgerichtshof (BGH) sei er dann im Jahre 1978 in einem erneuten Prozeß von dem Landgericht zu einer - geringeren - Freiheitsstrafe verurteilt worden. Sein Vertreter habe das FA gebeten, die Einkommensteuervorauszahlung des Klägers auf 0 DM herabzusetzen, weil dieser seinen Beruf nicht ausübe. Zuletzt sei der Kläger dann durch ein anderes Landgericht, nachdem das vorangegangene Strafurteil erneut aufgehoben worden sei, zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden.

Unter diesen Umständen habe die OFD ermessensgerecht gehandelt, wenn sie die Löschung des Restbetrags der Zwangshypothek wegen der Beträge, für welche die Aussetzung der Vollziehung gewährt worden sei, abgelehnt habe. Denn sie habe davon ausgehen können, daß die wirtschaftliche Lage des Klägers die Steuerforderungen als gefährdet erscheinen lasse. Sie habe auch zu Recht verneint, daß die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide so gewichtig seien, daß mit Gewißheit oder doch mit großer Wahrscheinlichkeit ein für den Kläger günstiger Prozeßausgang zu erwarten sei.

Mit der Revision wendet sich der Kläger im wesentlichen gegen die Umstände und die Form der vom FA gegen ihn ergriffenen Maßnahmen, insbesondere gegen die vom FA veranlaßte Eintragung der Sicherungshypothek am 23. Dezmber 1976. Ferner macht er geltend, er schulde dem FA nichts, er habe vielmehr erhebliche Steuererstattungsansprüche.

Wenn das FG sich in der angefochtenen Entscheidung auf in den Vollstreckungsakten abgelegte Presseberichte berufe, so sei damit sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Es sei ihm nicht bekannt gewesen, daß in den Vollstreckungsakten Presseberichte enthalten seien. Deshalb habe er zu diesen nicht Stellung genommen. Die Presseberichte, die auf einer reißerischen Darstellung beruhten, seien falsch. Richtig sei nur, daß er unschuldig verurteilt worden sei.

Die Billigung der Ermessensentscheidung der OFD vom 19. November 1979 durch das FG sei rechtsfehlerhaft. Denn das FG stelle dabei auf Ergebnisse ab, die nach der Beschwerdeentscheidung der OFD gelegen hätten und somit nicht Gegenstand der Ermessensentscheidung der OFD gewesen seien. So sei z. B. das vom FG angeführte Urteil des Landgerichts erst am 23. Oktober 1981 ergangen. Das vom FG aufgezeigte nachfolgende Situationsbild könne die Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzverwaltung gegen ihn nicht rechtfertigen. Die Tatsache seiner strafgerichtlichen Verurteilung besage nichts über seine wirtschaftliche Lage; zu dieser habe auch das FG nicht Stellung genommen.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Verwaltungsentscheidungen, das FA zu verurteilen, seine Zustimmung zur Löschung der noch in Höhe des Teilbetrags von 59 112,80 DM eingetragenen Sicherungshypothek zu erteilen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist zulässig.

Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO muß die Revisionsbegründung oder die Revision neben einem bestimmten Antrag die verletzte Rechtsnorm enthalten und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Fehlt es an der Angabe eines so bezeichneten Revisionsgrundes, so ist die Revision nicht in der gesetzlichen Form begründet worden (§ 124 Satz 1 FGO), demzufolge unzulässig (§ 124 Satz 2 FGO) und deshalb durch Beschluß zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO). Die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm setzt nicht unbedingt die Angabe eines bestimmten Paragraphen voraus. Es muß aber eindeutig erkennbar sein, welche Normen, allgemeine Rechtsregeln, Rechtsprinzipien oder Erfahrungssätze der Revisionskläger für verletzt hält (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 1968 II R 118/67, BFHE 94, 116, BStBl II 1969, 84; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 120 FGO Tz. 52). Die Revisionsbegründung muß ferner aus sich selbst heraus erkennen lassen, daß sich der Revisionskläger zumindest kurz und unter Überprüfung seines eigenen Standpunktes mit den Gründen, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht, auseinandersetzt (vgl. BFH-Beschluß vom 6. Oktober 1982 I R 71/82, BFHE 136, 521, BStbl II 1983, 48, und Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 120 Anm. 11 D mit zahlreichen Rechtsprechungshinweisen).

Der weitaus umfangreichste Teil der Revisionsbegründung des Klägers entspricht diesen Anforderungen nicht. Mit ihm wendet sich der Kläger gegen die ihn betreffenden Maßnahmen des FA, insbesondere gegen die zu Weihnachten 1976 veranlaßte Eintragung einer Zwangshypothek. Insoweit wird nicht eindeutig erkennbar, welche Normen oder Rechtsgrundsätze dadurch verletzt sein sollen, und es fehlt an einer Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des FG. Denn die Vollstreckungsmaßnahme zu Weihnachten 1976 war nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung. Das FG hatte in seinem Urteil nur über den Antrag auf Löschung des noch bestehenden Restbetrags der Zwangshypothek zu entscheiden. Es hat lediglich die Ablehnung der begehrten Löschungsbewilligung durch das FA und die OFD für rechtmäßig erklärt. Zur Rechtmäßigkeit der Eintragung der Zwangshypothek hat es entgegen dem Revisionsvorbringen nicht Stellung genommen.

Die Revision ist aber zulässig, weil der Kläger darüber hinaus noch die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, §§ 96 Abs. 2, 119 Nr. 3 FGO) und die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des FG hinsichtlich der von ihm überprüften behördlichen Ermessensentscheidung rügt. Der Kläger hat in der Revisionsbegründung die Tatsachen bezeichnet, die seiner Ansicht nach den Verfahrensmangel - Verletzung rechtlichen Gehörs - ergeben. Diese Rüge ist schlüssig erhoben. Denn der Kläger hat ausgeführt, daß er sich zu den in den Vollstreckungsakten enthaltenen Presseberichten, die das FG verwertet hat, nicht hat äußern können. Ferner ergibt sich aus seinem Vorbringen, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte (vgl. zu diesem Erfordernis: Urteil des erkennenden Senats vom 3. Februar 1982 VII R 101/79, BFHE 135, 167, BStBl II 1982, 355), nämlich, daß die Presseberichte auf einer reißerischen Darstellung beruhten und falsch seien. Die Frage, ob dieses Vorbringen entscheidungserheblich ist, berührt die Begründetheit, nicht aber die Zulässigkeit der erhobenen Verfahrensrüge und der Revision. Auch soweit der Kläger hinsichtlich der Ermessensentscheidung rügt, das FG habe für seine Entscheidung auf Ereignisse abgestellt, die die OFD nicht habe berücksichtigen können, reicht das zur Bezeichnung der von der Vorinstanz angeblich verletzten Rechtsgrundsätze über die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen (§ 102 FGO) aus.

2. Die Revision ist nicht begründet.

a) Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs greift nicht durch. Zwar ist nach § 119 Nr. 3 FGO ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war. Es wird aber mit Recht allgemein angenommen, daß die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs nicht in jedem Falle zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz ohne rechtliche Prüfung führen müsse. Die sachlich-rechtliche Prüfung ist dem Revisionsgericht vielmehr nur dann verwehrt, wenn sich der Beteiligte insgesamt zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht äußern konnte. Dagegen ist die Versagung des rechtlichen Gehörs bei einer einzelnen tatsächlichen Feststellung unschädlich, wenn es unter revisionsrechtlicher Betrachtung auf diese Feststellung materiell-rechtlich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ankommen konnte. Alsdann bleibt nach § 126 Abs. 4 FGO die Entscheidung des Revisionsgerichts möglich, daß sich die Vorentscheidung trotz einer Verletzung des rechtlichen Gehörs aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 1967 III 343/63, BFHE 90, 519, BStBl II 1968, 208; Gräber, a. a. O., § 119 Anm. 6; Tipke/Kruse, a. a. O., § 119 FGO Tz. 10).

Im Streitfall handelte es sich bei den vom FG herangezogenen Presseberichten über die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers, zu denen dieser nicht gehört worden ist, um eine Einzeltatsache. Sie ist vom FG, wie sich aus dem Urteilszusammenhang ergibt, als bekräftigendes Argument dafür angeführt worden, daß die Entscheidung der OFD, im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage des Klägers auf die erlangte Sicherheit nicht zu verzichten, nicht ermessenswidrig war. Da es in diesem Zusammenhang lediglich um die gerichtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung der OFD gemäß § 102 FGO geht und es hierfür, wie der Kläger zutreffend vorträgt, auf die von der Behörde angestellten Ermessenserwägungen ankommt, ist unter revisionsrechtlicher Betrachtung kein rechtlicher Gesichtspunkt denkbar, wonach es ohne die Berücksichtigung der vom Kläger gerügten Feststellung zu einer anderen Beurteilung der behördlichen Ermessensentscheidung kommen könnte. Hinzu kommt, daß die Tatsache der Verurteilung des Klägers, die das FG allein angeführt hat, vom Kläger nicht bestritten wird. Ob die Verurteilung, wie der Kläger behauptet, zu Unrecht erfolgt ist, hat auf dessen wirtschaftliche Situation, auf die die Ermessensentscheidung der OFD abstellt und an die das FG anknüpft, keine Auswirkung.

Im übrigen verlangt nach der Rechtsprechung des BFH das Gebot des rechtlichen Gehörs nicht, daß das FG dem Steuerpflichtigen mitteilt, welche Steuerakten ihm vorliegen und welche Teile aus diesen Akten es voraussichtlich verwerten wird. Da das FA kraft gesetzlicher Vorschrift (§ 71 Abs. 2 FGO) die den Streitfall betreffenden Steuerakten dem FG vorzulegen hat, kann das FG - wie es im Streitfall hinsichtlich der Vollstreckungsakten geschehen ist - diese auch von sich aus anfordern, ohne den Kläger darüber zu unterrichten. Der Kläger hat die Möglichkeit, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, indem er in Ausübung seines Rechts auf Akteneinsicht (§ 78 Abs. 1 FGO) feststellt, welche Akten dem FG vorliegen, und was sie beinhalten (vgl. BFH-Urteile vom 10. Januar 1968 I R 47/66, BFHE 91, 338, BStBl II 1968, 349, und vom 18. April 1975 III R 159/72, BFHE 115, 527, BStbl II 1975, 741). Diese Auffassung ist im Schrifttum für den Fall auf Bedenken gestoßen, daß das Gericht aus den Akten bisher völlig unerörterte Dinge ,,ausgräbt" (Gräber, a. a. O., § 119 Anm. 6B, S. 386). Der Senat braucht weder zu entscheiden, ob diese Betrachtung für die im Streitfall vom FG herangezogenen Presseberichte zutrifft, noch braucht er zu der hier angeschnittenen Rechtsfrage abschließend Stellung zu nehmen. Denn auch im Falle der Verletzung des rechtlichen Gehörs wäre diese - wie im vorstehenden Absatz ausgeführt - nicht entscheidungserheblich.

b) Die angefochtene Entscheidung des FG einschließlich der darin enthaltenen gerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung der OFD ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht haben FG und OFD entschieden, daß hinsichtlich der Steuerrückstände (24 543,83 DM) und Säumniszuschläge (2 799 DM), deren Vollziehung nicht ausgesetzt ist, die Erteilung einer Löschungsbewilligung für die eingetragene Sicherungshypothek nicht in Betracht kommt. Das ergibt sich aus § 251 Abs. 1 AO 1977, wonach die Vollstreckung von Verwaltungsakten, deren Vollziehung nicht ausgesetzt oder gehemmt ist, uneingeschränkt zulässig ist, und aus § 257 AO 1977, der die Einstellung (Abs. 1) und die Aufhebung (Abs. 2) von Vollstreckungsmaßnahmen von Voraussetzungen abhängig macht, die hinsichtlich der weiterhin vollstreckbaren Verwaltungsakte und Rückstände nicht gegeben sind. Das Vorbringen des Klägers, er schulde dem FA nichts und habe gegen dieses sogar Erstattungsansprüche, muß in dem hier vorliegenden Vollstreckungsverfahren so lange ohne Berücksichtigung bleiben, als nicht in den dafür maßgeblichen Rechtsbehelfsverfahren die Steuerverwaltungsakte aufgehoben oder zugunsten des Klägers geändert sind oder ihre Vollziehung ausgesetzt ist (vgl. § 256 AO 1977).

Hinsichtlich der Steuerbeträge, deren Vollziehung ausgesetzt worden ist, ist die Vollstreckung nach § 257 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 einzustellen oder zu beschränken, weil die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des § 251 Abs. 1 AO 1977 weggefallen sind. Der Kläger begehrt aber mit der von ihm beantragten Erteilung einer Löschungsbewilligung mehr, nämlich die Aufhebung einer bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahme (vgl. § 322 Abs. 1 AO 1977, §§ 866 Abs. 1, 867 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, und Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 257 AO 1977 Anm. 32). Hierauf besteht nach § 257 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 nur Anspruch in den Fällen des § 257 Abs. 1 Nr. 2 (Aufhebung des Verwaltungsakts, aus dem vollstreckt wird) und Nr. 3 AO 1977 (Erlöschen des Leistungsanspruchs). Im übrigen bleiben die Vollstreckungsmaßnahmen bestehen, soweit nicht ihre Aufhebung ausdrücklich angeordnet ist (§ 257 Abs. 2 Satz 3 AO 1977). Das bedeutet, daß im Falle der Aussetzung der Vollziehung das FA nicht verpflichtet, aber befugt ist, dem Vollstreckungsschuldner hinsichtlich der bereits eingetragenen Sicherungshypothek eine Löschungsbewilligung zu erteilen. Ob die Löschungsbewilligung erteilt wird, bestimmt sich, wie die OFD und das FG zutreffend ausgeführt haben, nach Ermessensgrundsätzen. Die OFD und das FG sind auch mit Recht davon ausgegangen, daß diese Ermessensentscheidung nach denselben Grundsätzen zu beurteilen ist wie die Anordnung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung. Denn beide Fälle stimmen nach der Interessenlage der Beteiligten, insbesondere des Steuergläubigers, darin überein, daß über die Frage zu entscheiden ist, ob trotz der Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide die Leistung oder Aufrechterhaltung einer Sicherheit zugunsten des FA geboten ist.

Das FG hat zu Recht die nach diesen Grundsätzen getroffene Ermessensentscheidung der OFD nicht beanstandet. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschlüsse vom 8. März 1967 VI B 50/66, BFHE 88, 78, BStBl III 1967, 294, und vom 22. Juni 1967 I B 7/67, BFHE 89, 24, BStBl III 1967, 512) ist die OFD bei ihren Ermessenserwägungen davon ausgegangen, daß in aller Regel die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen ist, wenn die wirtschaftliche Lage des Steuerpflichtigen die Steuerforderungen als gefährdet erscheinen läßt, und daß der Begriff der Gefährdung bereits dann erfüllt ist, wenn die Liquiditätslage des Steuerpflichtigen die alsbaldige Begleichung einer Steuerschuld nach ihrer endgültigen gerichtlichen Feststellung fraglich erscheinen läßt. Im Streitfall hat die OFD eine Gefährdung der Steuernachforderungen schon im Hinblick auf deren Höhe bejaht. Sie hat aber unter Berücksichtigung des Beschlusses in BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127 eine Sicherheitsleistung insoweit für unzumutbar angesehen und dementsprechend das FA zur Erteilung der Löschungsbewilligung verpflichtet, als nach den Berechnungen des FA mit einer voraussichtlichen Minderung der durch die Zwangshypothek gesicherten Steuerforderungen zu rechnen war. Hinsichtlich der durch die Hypothek gesicherten Steuern und Abgaben, bei denen nach der Beurteilung der OFD ein Erfolg der eingelegten Rechtsbehelfe noch nicht absehbar war, wurde die Erteilung der Löschungsbewilligung abgelehnt.

Die vorstehenden Ermessenserwägungen der Verwaltung lassen, wie das FG zu Recht ausführt, weder eine Ermessensüberschreitung noch einen Ermessensfehlgebrauch erkennen. Das FG ist bei ihrer gerichtlichen Überprüfung gemäß § 102 FGO der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung der OFD gefolgt. Seine von der Revision beanstandeten Ausführungen zu den aus den Presseberichten hervorgehenden strafgerichtlichen Verurteilungen des Klägers stellen, wie oben ausgeführt, im Hinblick auf die dabei ausgesprochenen Freiheitsstrafen eine Bekräftigung der Auffassung der OFD dar, daß die wirtschaftliche Lage des Klägers die Steuerforderungen als gefährdet erscheinen lasse. Diese Schlußfolgerung hat die OFD zutreffend bereits aus der Höhe der gesicherten Steuerforderungen - im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung 87 168,80 DM - gezogen, so daß es nicht darauf ankommt, ob sie bei ihrer Entscheidung ebenfalls die Verurteilungen des Klägers berücksichtigt hat.

Das FG hat mit diesem Argument entgegen dem Revisionsvorbringen seine Entscheidung nicht auf Ereignisse abgestellt, die zeitlich nach der Beschwerdeentscheidung der OFD liegen. Denn die von ihm angeführten beiden - zuerst ergangenen - Strafurteile und die Revisionsentscheidung des BGH sind vor der Beschwerdeentscheidung der OFD ergangen. Allein das zuletzt ergangene Strafurteil datiert nach dem Vorbringen des Klägers vom Oktober 1981 und damit nach dem Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Das FG hat aber dieses Urteil nur in einem Klammerzusatz erwähnt und damit kenntlich gemacht, daß seine Entscheidung nicht auf diesem Urteil beruht. Da das FG die vom Kläger nicht bestrittene Tatsache der strafgerichtlichen Verurteilungen lediglich im Hinblick auf dessen wirtschaftliche Lage anführt, kommt es nicht darauf an, ob diese Verurteilungen zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sind. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob die Presseberichte, aus denen das FG die Verurteilungen entnommen hat, auf einer reißerischen Darstellung beruhen.

Das FG ist auch hinsichtlich der Frage, inwieweit aufgrund der eingelegten Rechtsbehelfe eine Minderung der gesicherten Steuerforderungen mit Gewißheit oder großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten und deshalb eine Löschung der Sicherungshypothek gerechtfertigt war, den Feststellungen des FA und der OFD gefolgt. Der Kläger hat hiergegen keine substantiierten Einwendungen erhoben. Seine generelle Behauptung, er schulde dem FA nichts und der allgemeine Hinweis auf sein Vorbringen im Revisionsverfahren IV R 234/83 wegen Einkommensteuer 1963 und 1964 vermögen die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen der Verwaltung und der Vorinstanz nicht zu erschüttern.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414699

BFH/NV 1987, 219

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