Leitsatz (amtlich)

Gewerbliche Tierzucht oder gewerbliche Tierhaltung i. S. des § 2 a EStG 1971 ist jede Tierzucht oder Tierhaltung, der nach den Vorschriften des § 13 Abs. 1 EStG i. V. m. §§ 51 und 51 a BewG keine landwirtschaftlichen Nutzflächen als Futtergrundlage zur Verfügung stehen.

 

Normenkette

EStG 1971 §§ 2a, 13 Abs. 1; EStG 1975 § 15 Abs. 2; BewG §§ 51, 51a

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Sie ist am 17. März 1970 gegründet worden. Nach § 2 des Gesellschaftsvertrags ist ihr Zweck in den Streitjahren 1971 und 1972 gewesen "... die Errichtung und der Betrieb einer Musteranlage für Schweinemast und die Durchführung aller damit zusammenhängenden Geschäfte". Beteiligt an ihr waren die X-GmbH als Komplementärin sowie vier Kommanditisten. Die Komplementärin der Klägerin war zugleich Komplementärin bei der Kommanditgesellschaft X-GmbH & Co. Diese Gesellschaft ist mit Vertrag vom 14. Januar 1970 errichtet worden. Ihr Zweck war auf den Import und den Vertrieb von Fertigställen für landwirtschaftliche Tierhaltung gerichtet.

Die Klägerin unterhielt in den Streitjahren eine Musterfarm, in der durchschnittlich pro Jahr etwa 2 000 Schweine in insgesamt 12 Fertigställen gehalten wurden.

Das FA hatte zunächst in den nach § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen Feststellungsbescheiden 1971 und 1972 die Verluste der Klägerin in der erklärten Höhe als solche aus Gewerbebetrieb festgestellt. Später erließ das FA vorläufige Ergänzungsbescheide nach § 216 AO, in denen es die Verluste als solche aus gewerblicher Tierhaltung i. S. des § 2 a EStG 1971 feststellte.

Dagegen wandte sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruch mit der Klage. Mit der Klage machte sie im wesentlichen geltend:

§ 2 a EStG 1971 sei verfassungswidrig. Er durchbräche in unzulässiger Weise das das Einkommensteuersystem prägende Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die verfassungskonforme Auslegung des § 2 a EStG 1971 müsse dazu führen, daß nur auf der Inanspruchnahme von Abschreibungen nach § 6 Abs. 2 EStG 1971 beruhende Verluste nicht ausgeglichen werden dürfen.

Sie, die Klägerin, habe wohl Schweinehaltung, aber keine gewerbliche Tierhaltung nach § 2 a EStG 1971 betrieben. Die Musterfarm habe von Anfang an dem Ziel, Fertigställe bzw. Farmanlagen zu vertreiben, dienen sollen. Für den erfolgreichen Vertrieb sei notwendig gewesen, mit Hilfe der Schweinehaltung verschiedene Experimente durchzuführen, um so den optimalen Einsatz der Anlagen herausfinden zu können.

Das FG wies die Klage insoweit als unbegründet ab, als mit ihr die Streichung der Feststellung begehrt wurde, daß es sich bei den erklärten Verlusten um Verluste nach § 2 a EStG 1971 handele. Das FG ging davon aus, daß die Klägerin in den Streitjahren eine gewerbliche Tierhaltung im Sinne der angeführten Vorschrift geführt habe und keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift bestünden, soweit diese Frage im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren geprüft werden könne (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 24. Juli 1975 IV B 38/75, BFHE 116, 273, BStBl II 1975, 774).

Mit der Revision lassen die Klägerin und der beigeladene Gesellschafter vortragen:

§ 2 a EStG 1971 sei vom Gesetzgeber aus agrarund wirtschaftspolitischen Gründen in das Gesetz eingefügt worden. Zweck des Gesetzes sei es gewesen, die Begünstigung der gewerblichen Tierhaltung zu unterbinden, die darin liege, daß sie ihre Verluste mit anderen Einkünften ausgleichen könne und damit gegenüber der Tierhaltung landwirtschaftlicher Betriebe einen Konkurrenzvorteil besitze. Diese ausdrückliche Zweckbestimmung erfülle § 2 a EStG 1971 jedoch nicht, wenn die Bestimmung die Erprobung und das Angebot geeigneter Ställe für landwirtschaftliche Betriebe verhindere.

Das FG habe den Vortrag und das Beweisangebot unberücksichtigt gelassen, daß die Gesellschafter zu keinem Zeitpunkt, weder vor noch nach der Errichtung der KG, die im Gesellschaftsvertag genannte Tätigkeit "Errichtung und Betrieb einer Musteranlage für Schweinemast sowie die Durchführung aller damit zusammenhängenden Geschäfte" im Sinne gehabt hätten.

Die Tatsache, daß das eigentliche Geschäftsziel nicht verwirklicht worden sei, sei kein Grund für eine andere Beurteilung, nämlich den Tierhaltungszweck anstelle des Stallvertriebszweckes anzunehmen. Die Möglichkeit eines Mißerfolges liege am Beginn einer jeglichen gewerblichen Tätigkeit.

Die Klägerin beantragt, die endgültigen Feststellungsbescheide 1971 und 1972 vom 25. Juni 1976 insoweit aufzuheben, als in ihnen die Verluste der KG als solche im Sinne des § 2 a EStG 1971 bezeichnet seien.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. FA und FG sind zutreffend davon ausgegangen, daß die Verluste der Klägerin in den Streitjahren 1971 und 1972 in den angefochtenen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheiden als Verluste aus gewerblicher Tierhaltung nach § 2 a EStG 1971 festzustellen waren.

Gemäß § 215 Abs. 2 AO waren einheitlich und gesondert festzustellen die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte

1. aus der Land- und Forstwirtschaft

2. aus Gewerbebetrieb

3. aus selbständiger Arbeit

4. aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens, wenn an den Einkünften mehrere beteiligt waren.

Nach § 216 Abs. 1 AO waren in dem Feststellungsbescheid, soweit es für die Besteuerung erforderlich war, auch Feststellungen zu treffen über die Art des Gegenstandes, z. B. darüber, ob es sich um einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, ein Grundstück, ein Betriebsgrundstück, einen gewerblichen Betrieb oder ein Mineralgewinnungsrecht handelte.

Schon daraus ergibt sich, daß im einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid auch festzustellen war, ob es sich um Einkünfte aus gewerblicher Tierhaltung nach § 2 a EStG 1971 handelt. Wenn im übrigen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH über die Frage, ob und in welchem Umfang es sich bei einheitlich festzustellenden Einkünften um begünstigte Einkünfte im Sinne von §§ 14, 16 EStG oder um Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 EStG handelt, im Feststellungsverfahren zu entscheiden ist, muß dies in gleicher Weise für Verluste gelten, die nach § 2 a EStG 1971 nicht abzugsfähig sind.

2. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit und der verfassungskonformen Auslegung des § 2 a EStG 1971 hat der Senat bereits eine Entscheidung getroffen. Er hat im Urteil vom 5. Februar 1981 IV R 163/77 (BFHE 132, 456, BStBl II 1981, 359) die Auffassung vertreten, daß § 2 a EStG 1971 nach seinem eindeutigen Wortlaut alle Verluste aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung ohne jegliche Einschränkung ergreift und daß gegen die so verstandene Vorschrift keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Ob der Senat diese Entscheidung im vorliegenden einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren treffen könnte oder sogar treffen müßte, kann dahingestellt bleiben (vgl. Beschluß in BFHE 116, 273, BStBl II 1975, 774).

3. Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß der Betrieb der Klägerin eine gewerbliche Tierhaltung i. S. des § 2 a EStG 1971 war. Denn gewerbliche Tierhaltung im Sinne dieser Vorschrift ist jede Tierhaltung, der nach den Vorschriften des § 13 Abs. 1 EStG i. V. m. § 51 und § 51 a des Bewertungsgesetzes (BewG) keine eigene landwirtschaftliche Nutzfläche als Futtergrundlage zur Verfügung steht. Die Klägerin besaß keine eigene landwirtschaftliche Nutzfläche als Futtergrundlage ihrer Schweinemast. Ihre Meinung, sie habe mit ihrer Schweinemast zwar ein Gewerbe, aber keine gewerbliche Tierhaltung i. S. des § 2 a EStG 1971 betrieben, ist unzutreffend. Betreibt ein Einzelsteuerpflichtiger oder eine Personengesellschaft nur eine Tierzucht oder eine Tierhaltung, ohne daneben eine andere Tätigkeit auszuüben, so ist diese Tierzucht oder Tierhaltung entweder ein landwirtschaftlicher Betrieb, wenn i. S. des § 13 Abs. 1 EStG ausreichende landwirtschaftliche Nutzflächen als Futtergrundlage zur Verfügung stehen, oder eine gewerbliche Tierzucht oder Tierhaltung i. S. des § 2 a EStG 1971, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Ein Drittes wäre nur dann möglich, wenn die Verluste einer Tierzucht oder Tierhaltung, die für sich die Voraussetzungen eines landwirtschaftlichen Betriebs nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis Satz 5 EStG 1971 i. V. m. § 51 und § 51 a BewG der Sache nach erfüllt, gemäß § 13 Abs. 1 Satz 5 letzter Halbsatz EStG 1971 nur deshalb den gewerblichen Einkünften zugerechnet werden müßten, weil sie von einer Personengesellschaft betrieben wird, die daneben eine gewerbliche Tätigkeit, z. B. eine Großschlachterei, selbst betreibt. Diese dritte Möglichkeit wäre im übrigen auch bei einer GmbH & Co. KG gegeben, die im Gegensatz zur Klägerin eine Tierzucht oder Tierhaltung mit eigenen landwirtschaftlichen Nutzflächen als Futtergrundlage betriebe, wenn man davon ausgeht, daß eine GmbH & Co. KG nach der Geprägetheorie auch einkommensteuerlich nur gewerbliche Einkünfte haben kann.

4. Welche Gründe oder Motive für die Einrichtung einer gewerblichen Tierhaltung einer KG ausschlaggebend waren, ob z. B. der dahinterstehende Zweck die Erprobung neuer Stallanlagen oder die Erprobung und Einführung neuer Futtermittel war, die dann -- wie im Streitfall -- von einer Schwestergesellschaft vertrieben werden sollten, ist für die Anwendung des § 2 a EStG 1971 ohne Bedeutung. Für die Einordnung der Verluste einer gewerblichen Tierzucht oder Tierhaltung unter die Vorschrift des § 2 a EStG 1971 kann -- wie bei allen anderen entsprechenden Vorschriften des EStG -- allein die Erfüllung des objektiven Tatbestandes ausschlaggebend sein. Da unstreitig feststeht, daß die Schweinemast der Klägerin kein landwirtschaftlicher Betrieb war, weil sie keine eigene landwirtschaftliche Nutzfläche als Futtergrundlage besaß, konnte sie nur eine gewerbliche Tierhaltung i. S. des § 2 a EStG 1971 sein.

Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74463

BStBl II 1983, 36

BFHE 1983, 470

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