Leitsatz (amtlich)

Eine als Sonderausgabe abziehbare dauernde Last liegt nicht vor, wenn wiederkehrende Leistungen ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach Entgelt für eine Nutzungsüberlassung sind.

 

Orientierungssatz

1. Entgeltlich im Austausch mit einer Gegenleistung übernommene dauernde Lasten können nur insoweit als Sonderausgaben abgezogen werden, als der Wert der wiederkehrenden Leistungen den Wert der Gegenleistung übersteigt (vgl. BFH-Rechtsprechung). Den Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung ist auch die Nutzung einer mit Wohnrecht belasteten Wohnung gegen Entgelt durch den Eigentümer zuzuordnen. An der in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorausgesetzten wirtschaftlichen Belastung des Steuerpflichtigen fehlt es auch dann, wenn die Gegenleistung für seine Aufwendungen in einer schuldrechtlichen Überlassung zur Nutzung besteht.

2. Der Nutzungswert eines unter dem Vorbehalt des Wohnrechts veräußerten Einfamilienhauses ist dem Wohnberechtigten zuzurechnen, soweit dieser das Haus oder eine Wohnung weiterhin nutzt. Dem Wohnberechtigten steht es grundsätzlich frei, ob er das mit dem Nutzungsrecht belastete Einfamilienhaus selbst nutzen oder es entgeltlich oder unentgeltlich einem Dritten zum Gebrauch überlassen will. Dritter in diesem Sinne kann auch der Eigentümer sein (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG 1977 § 10 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 21 Abs. 2 Alt. 1

 

Tatbestand

Die Mutter des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger), Frau W, war zu 1/2 Miteigentümerin des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks ...weg 34 in B. Die andere Hälfte gehörte der Erbengemeinschaft nach dem Vater des Klägers, die aus dem Kläger, seiner Mutter und seiner Schwester, Frau S, bestand.

Durch notariellen "Auseinandersetzungs- und Übertragungsvertrag" vom 12.Juni 1972 hatten Frau W und die Erbengemeinschaft ihre Eigentumsanteile auf den Kläger übertragen. Frau W erhielt als Gegenleistung u.a. ein lebenslängliches unentgeltliches, dinglich gesichertes Wohnrecht an drei Räumen im Obergeschoß des Einfamilienhauses mit der Maßgabe, daß sie die Ausübung des Wohnrechts entgeltlich oder unentgeltlich anderen Personen überlassen durfte.

Am 15.Februar 1978 trafen der Kläger und seine Mutter die folgende privatschriftliche Vereinbarung:

"1. W. verzichtet ab 01. 03. 1978 lebenslänglich auf die Ausübung des ihr

zustehenden dinglichen Wohnrechtes ...

2. Das dingliche Wohnrecht bleibt bestehen.

3. Als Gegenleistung verpflichtet sich ... (Kläger), eine gleichwertige

Wohnung zur Verfügung zu stellen. Das geschieht in der Weise, daß er die

Kaltmiete einer entspr. Mietwohnung abzüglich der gewährten öffentlichen

Wohngelder übernimmt.

4. Die Bestimmungen des § 323 ZPO bleiben bestehen.

5. Durch die Anmietung der Wohnung ... ergibt sich ... eine monatliche

Verpflichtung von z.Zt. 225 DM ..."

Unter Hinweis auf Abschn.87 Abs.3 und Abschn.123 Abs.3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1978 machte der Kläger die in Erfüllung der vorgenannten Vereinbarung geleisteten Zahlungen in Höhe von 2 250 DM als Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1977 (dauernde Last) geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte den beantragten Abzug in dem angefochtenen Steuerbescheid ab mit der Begründung, die Aufwendungen seien Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung; der Kläger habe diese Aufwendungen getätigt, um zusätzliche Räume seines Einfamilienhauses zu eigenen Wohnzwecken nutzen zu können. Diese Werbungskosten kämen nach § 21a Abs.3 EStG 1977 nicht zum Zuge.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und zur Begründung u.a. ausgeführt:

Die Zahlungen des Klägers an seine Mutter seien als dauernde Last abziehbar. Der Verpflichtungsgrund ergebe sich aus dem Vertrag vom 15.Februar 1978. § 12 Nr.2 EStG stehe dem Abzug nicht entgegen, weil den Zahlungen des Klägers eine angemessene Gegenleistung in Gestalt des Verzichts auf die Ausübung des Wohnrechts gegenüberstehe. Wie bei der Anmietung zusätzlichen Wohnraums handele es sich um einen Vorgang in der Privatsphäre des Klägers; der Vorgang stehe nicht im Zusammenhang mit seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Nach § 10 Abs.1 Nr.1 EStG 1977 können als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden "die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben". Voraussetzung ist, daß diese Aufwendungen weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind. Die Aufwendungen des Klägers sind, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, keine Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (Nutzung des Einfamilienhauses, § 21a EStG 1977). Indes kann entgegen der Auffassung des FG eine dauernde Last deswegen nicht anerkannt werden, weil den Zahlungen die Nutzungsüberlassung durch die kraft ihres dinglichen Wohnrechts hierzu befugte Mutter gegenübersteht.

2. Der Nutzungswert eines unter dem Vorbehalt eines Wohnrechts veräußerten Einfamilienhauses ist dem Wohnberechtigten zuzurechnen, soweit dieser das Haus oder eine Wohnung weiterhin nutzt (§ 21 Abs.2 1.Alternative, § 21a EStG; vgl. hierzu Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660; vom 6.August 1985 IX R 68/82, BFH/NV 1987, 232; vom 26.November 1985 IX R 107/84, BFH/NV 1986, 284; vgl. ferner Urteil vom 21.Juli 1988 IX R 86/84, BFHE 154, 108, BStBl II 1988, 938). Die Mutter des Klägers nutzt die ihr zustehenden Räume aufgrund einer gesicherten Rechtsposition (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 29.November 1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366; ständige Rechtsprechung; siehe auch --für einen vergleichbaren Fall-- BFH-Urteil vom 31.März 1987 IX R 46/84, BFH/NV 1987, 500, unter 2.). Ihr steht es grundsätzlich frei, ob sie die mit dem Nutzungsrecht belastete Sache selbst nutzen oder diese entgeltlich oder unentgeltlich einem Dritten zum Gebrauch überlassen will. "Dritter" in diesem Sinne kann auch der Eigentümer sein (BFH-Urteile vom 30.Juli 1985 VIII R 71/81, BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327; vom 20.Januar 1987 IX R 49/82, BFH/NV 1987, 433). Hiernach erzielte der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nur in dem Umfang, in dem er sein Einfamilienhaus aus eigenem Recht nutzte.

3. Die Abziehbarkeit der Zahlungen als dauernde Last ist zu versagen, weil sie im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Nutzungsüberlassung als Gegenleistung stehen. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß die Vereinbarung des Klägers mit seiner Mutter ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach eine entgeltliche Nutzungsüberlassung sei. Dies schließt die Annahme einer als Sonderausgabe abziehbaren dauernden Last (§ 10 Abs.1 Nr.1 EStG 1977) aus.

a) Entgeltlich im Austausch mit einer Gegenleistung übernommene dauernde Lasten können nur insoweit als Sonderausgaben abgezogen werden, als der Wert der wiederkehrenden Leistungen den Wert der Gegenleistung übersteigt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß insoweit Leistung und Gegenleistung lediglich zu einer Vermögensumschichtung führen; der Leistungsaustausch führt dann nicht zu einer Minderung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, der mit dem Abzug als dauernde Last Rechnung getragen werden soll (BFH-Urteil vom 13.August 1985 IX R 10/80, BFHE 144, 423, 425, BStBl II 1985, 709). Die Verrechnung mit dem Wert einer Gegenleistung ist nach ständiger Rechtsprechung insbesondere bei kauf- und darlehensähnlichen Rechtsvorgängen geboten (BFH-Urteil vom 16.September 1965 IV 67/61 S, BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706). Darüber hinaus hat der IX.Senat des BFH in Fortentwicklung dieser Rechtsprechung eine Wertverrechnung in allen Fällen als notwendig angesehen, in denen wiederkehrende Leistungen aufgrund eines gegenwärtigen Vertrages im Austausch mit einer Gegenleistung erbracht werden (Urteil in BFHE 144, 423, BStBl II 1985, 709). Das BFH-Urteil vom 3.Juni 1986 IX R 2/79 (BFHE 146, 442, BStBl II 1986, 674) wendet den verallgemeinerten Rechtsgedanken der Wertverrechnung auf den Fall der Vereinbarung einer lebenslänglichen Versorgung gegen Verzicht auf Zugewinnausgleich an. Eine gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluß vom 18.Februar 1988 1 BvR 930/86, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz 1975, § 10 Abs.1 Nr.1 a, Rechtsspruch 10 a). Das BVerfG führt aus, unter Berücksichtigung von Wortlaut, Sinn und Zweck des § 10 Abs.1 Nr.1 EStG 1975 sowie der einkommensteuerrechtlichen Systematik könne diese Vorschrift in dem Sinne einschränkend ausgelegt werden, daß der Abzug als Sonderausgabe eine wirtschaftliche Belastung voraussetze; eine solche Belastung werde durch die Gegenleistung aufgehoben. Dem schließt sich der erkennende Senat an.

b) Das Urteil in BFHE 144, 423, BStBl II 1985, 709 unterscheidet als Sonderausgaben nichtabziehbare "wiederkehrende Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung" einerseits und --unter Bezugnahme auf das Grundsatzurteil des BFH in BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706-- "Altenteilsleistungen, die im Zusammenhang mit Vermögensübertragungen in vorweggenommener Erbfolge versprochen werden". Der erkennende Senat hält diese Unterscheidung dem Grundsatz nach für rechtlich tragfähig. Bezogen auf den Streitfall ist die Nutzung der mit dem Wohnrecht belasteten Räume gegen Entgelt den "Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung" zuzuordnen. An der in § 10 Abs.1 Nr.1 EStG 1977 vorausgesetzten wirtschaftlichen Belastung des Steuerpflichtigen fehlt es auch dann, wenn die Gegenleistung für seine Aufwendungen in einer schuldrechtlichen Überlassung zur Nutzung besteht (vgl. --für den Fall der Überlassung einer Wohnung durch den Steuerpflichtigen-- BFH-Urteil vom 4.Februar 1986 IX R 4/80, BFH/NV 1986, 600, unter 2.).

c) Der Senat braucht hier nicht zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Nutzungsrechte, die anläßlich von Vermögensübertragungen im Wege vorweggenommener Erbfolge vorbehalten waren, durch dauernde Lasten mit Altenteilscharakter abgelöst werden können. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

4. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben. Die spruchreife Klage ist abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62865

BFH/NV 1989, 50

BStBl II 1990, 13

BFHE 158, 22

BFHE 1990, 22

BB 1990, 41

BB 1990, 41-42 (LT1)

DB 1989, 2461-2462 (LT)

DStR 1989, 710 (KT)

HFR 1990, 77 (LT)

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