Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Geschäftsführers für Steuerschulden der GmbH

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Frage, inwieweit der Geschäftsführer der GmbH grob fahrlässig handelt, wenn er die Steuerschulden der GmbH nicht im gleichen Umfang wie die übrigen Schulden der GmbH erfüllt.

2. Das FA handelt nicht ermessenswidrig, wenn es bei mehreren als Haftungsschuldner in Betracht kommenden Geschäftsführern einer GmbH denjenigen Geschäftsführer in Anspruch nimmt, der nach der internen Geschäftsverteilung für die Buchhaltung, den Zahlungsverkehr und die steuerlichen Angelegenheiten der GmbH verantwortlich war.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 34, 69, 191 Abs. 1; FGO § 102

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war seit der . . . erfolgten Gründung bis zur Löschung wegen Vermögenslosigkeit . . . Gesellschafterin und Geschäftsführerin der . . . GmbH (GmbH). Im . . . sind der GmbH die Gesellschafter A und B beigetreten, die ebenfalls zu Geschäftsführern bestellt worden sind. Gleichzeitig wurde die Satzung der GmbH dahingehend geändert, daß anstelle der bis dahin geltenden Alleinvertretungsberechtigung jeder Geschäftsführer nur noch gemeinsam mit einem der weiteren Geschäftsführer zur Vertretung berechtigt war. Der Gesellschafter-Geschäftsführer B ist Ende . . . wieder aus der Gesellschaft ausgeschieden. Ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH wurde mangels Masse abgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt schuldete die GmbH dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) aus bestandskräftigen Veranlagungen zur Körperschaftsteuer . . ., zur Umsatzsteuer . . . sowie für die Monate . . . vorangemeldete Umsatzsteuer-Abgaben im Gesamtbetrag von . . . DM.

Mit Teilhaftungsbescheid hat das FA die Klägerin in Höhe von . . . DM in Geschäftsführerhaftung genommen mit der Begründung, die Klägerin habe die ihr als Geschäftsführerin auferlegten Pflichten vorsätzlich, zumindest grob fahrlässig verletzt, indem sie sonstige Gläubiger der GmbH aus den ihr zur Verfügung stehenden Gesellschaftsmitteln zu etwa . . . v. H. besser befriedigt habe als das FA. Unter Berücksichtigung eines Unsicherheitsabschlags von . . . v. H. auf die Abgabenrückstände rechtfertige sich hieraus die Haftungsinanspruchnahme in Höhe eines Teilbetrags von . . . DM.

In der Einspruchsentscheidung, mit der das FA den Einspruch der Klägerin zurückwies, führte das FA ergänzend aus, die Quotenberechnung beruhe auf einer Zahlungsaufstellung, die die Klägerin im Rechtsbehelfsverfahren weisungsgemäß vorgelegt habe. Überdies sei es nicht ermessensfehlerhaft gewesen, den Haftungsanspruch nur gegenüber der Klägerin geltend zu machen; denn nach den getroffenen Feststellungen sei den beiden anderen Geschäftsführern ausdrücklich die Geschäftsführung im technischen Bereich übertragen worden, während die nichttechnischen Angelegenheiten wie Buchhaltung und Zahlungsverkehr in der ausschließlichen Zuständigkeit der Klägerin verblieben seien. Einer der Mitgeschäftsführer habe zudem geltend gemacht, die Klägerin habe auf Befragungen immer wieder versichert, die finanziellen Verpflichtungen seien ordnungsgemäß erledigt.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit der Begründung als unbegründet abgewiesen, die Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin für die Steuerschulden der GmbH sei weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Die Klägerin hafte als Geschäftsführerin der GmbH für deren Steuerschulden, weil sie zumindest grob fahrlässig die ihr zur Verfügung stehenden Mittel der GmbH nicht annähernd gleichmäßig zur Tilgung jeweils aller Geselschaftsverbindlichkeiten einschließlich der Steuerschulden eingesetzt habe. Der Teilhaftungsbescheid begegne auch unter dem Gesichtspunkt der damit verbundenen Ermessensausübung keinen Bedenken.

Dagegen macht die Klägerin mit der vom FG zugelassenen Revision geltend, die alleinige Inanspruchnahme der Klägerin als Geschäftsführerin und die Verschonung der vormaligen Mitgeschäftsführer erweise sich entgegen der Auffassung des FG als Ermessensmißbrauch. Außerdem habe das FG den Begriff der grob fahrlässigen Verletzung der der Klägerin auferlegten Verpflichtungen verkannt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht den Haftungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung bestätigt.

1. Die Klägerin kommt als Geschäftsführerin der GmbH als Haftungsschuldnerin gemäß §§ 69, 34 der Abgabenordnung (AO 1977) für die nicht gezahlten Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuerschulden der GmbH in Betracht.

a) Die Haftung nach § 69 Satz 1 AO 1977 beschränkt sich im Umfang auf den Betrag, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Die Vorschrift hat somit Schadensersatzcharakter (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Juli 1988 VII R 83/87, BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859, 860). Stehen zur Begleichung der Steuerschulden keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so betrifft die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Schmälerung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur einen Teil der Steuerschulden, und zwar in dem Umfang, in dem die Klägerin das FA gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (BFH-Urteile vom 14. Juli 1987 VII R 188/82, BFHE 150, 312, BStBl II 1988, 172; vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776; vom 17. Juli 1985 I R 205/80, BFHE 144, 329, BStBl II 1985, 702 und in BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859). Dies gilt nicht nur für die Umsatzsteuer, sondern auch für die nicht entrichtete Körperschaftsteuer.

Die Feststellungen des FG hinsichtlich des Umfangs der Benachteiligung des FA und des sich daraus ergebenden Schadensersatzbetrages sind von der Revision nicht beanstandet worden und begegnen keinen verfahrensrechtlichen Bedenken, so daß sie für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

b) Aus den den Senat bindenden Feststellungen des FG ergibt sich auch, daß die Klägerin zumindest grob fahrlässig gehandelt hat, indem sie nicht dafür Sorge trug, daß die Steuerschulden aus den beschränkten Mitteln der GmbH wenigstens anteilsmäßig getilgt wurden.

Grob fahrlässig i. S. des § 69 FGO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohem Maße außer acht läßt (BFH-Urteil vom 21. Februar 1989 VII R 165/85, BFHE 156, 46, BStBl II 1989, 491, 493; Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 69 Tz. 9).

Das FG hat zwar nicht ausdrücklich ausgeführt, es habe seiner Annahme, daß die Klägerin zumindest grob fahrlässig gehandelt habe, diese Kriterien zugrundegelegt. Aus den aufgrund seiner Feststellungen gezogenen Schlußfolgerungen ist jedoch zu erkennen, daß es bei seiner Überzeugungsbildung von diesen Kriterien ausgegangen ist. Denn es hat die grobe Fahrlässigkeit der Klägerin daraus hergeleitet, daß diese es bereits bei Übernahme ihrer Geschäftsführertätigkeit unterlassen hat, sich mit den elementarsten handelsrechtlichen Pflichten des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft vertraut zu machen, und keine Erkundigungen über die hierfür zu beachtenden allgemeinen Pflichten des Steuerrechts eingezogen hat. Es begegnet keinen Bedenken, daß das FG hierin eine grobe Fahrlässigkeit gesehen hat. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FG nicht die genaue Kenntnis der Rechtsprechung betreffend die Pflicht zur anteiligen Befriedigung der Steuerschulden von der Klägerin verlangt hat, sondern diese Pflicht als in der elementaren Pflicht des Geschäftsführers enthalten angesehen hat, bei beschränkten Mitteln infolge von Zahlungsschwierigkeiten der GmbH alle Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen. Denn es ist kein Grund ersichtlich, aus dem heraus bei Zahlungsschwierigkeiten gerade eine Benachteiligung des Steuergläubigers gegenüber anderen Gläubigern zu rechtfertigen wäre. Insbesondere kann der Senat der Auffassung der Klägerin nicht folgen, daß eine solche Benachteiligung aus sozialen Gründen zu rechtfertigen sei; es gibt keine rechtliche Grundlage, wonach es bei Zahlungsschwierigkeiten einer GmbH in das Ermessen des Geschäftsführers gestellt wäre, darüber zu entscheiden, welche Gläubiger vor den anderen bevorzugt zu befriedigen sind. Hat die Klägerin dennoch eine solche Entscheidung getroffen und infolgedessen den Steuergläubiger benachteiligt, so muß sie sich die Benachteiligung des Steuergläubigers zumindest als grob fahrlässiges pflichtwidriges Verhalten i. S. des § 69 AO 1977 anrechnen lassen.

Auf die übrigen Feststellungen des FG, wonach die Klägerin infolge pflichtwidrig verspäteter Erstellung der Bilanzen Steuererklärungen zu spät abgegeben hat und infolge zu niedriger Umsatzsteuer-Voranmeldungen mit hohen Umsatzsteuer-Abschlußzahlungen belastet wurde, kommt es danach für die Frage der Haftung der Klägerin für den Teilbetrag nicht mehr an. Diese Feststellungen wären nur von Bedeutung, wenn das FA die Klägerin mit einem höheren als dem anteilig berechneten Haftungsbetrag in Anspruch genommen hätte, weil sie bei rechtzeitiger Erfüllung dieser Pflichten auch unter Berücksichtigung der übrigen Verbindlichkeiten noch zu anteilig höheren Zahlungen an das FA in der Lage gewesen wäre. Dies hat das FA jedoch nicht geltend gemacht. Insoweit brauchte daher auch auf die Frage einer möglichen Anrechenbarkeit des Verschuldens des Steuerberaters der GmbH nicht eingegangen zu werden.

Nicht zu beanstanden ist im Ergebnis ferner, daß das FG das Vorliegen grober Fahrlässigkeit bejaht hat, obwohl das wegen Konkursverschleppung eingeleitete Bußgeldverfahren gegen die Klägerin nach § 153 Abs. 2 der Strafprozeßordnung wegen geringfügiger Schuld eingestellt worden ist. Die in jenem Verfahren zu prüfende Schuld der Klägerin bezieht sich nämlich auf andere Tatbestände als den im Streitfall in Rede stehenden, durch die Klägerin verursachten Schaden des FA.

c) Die Haftung der Klägerin ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Geschäftsführer nach dem Eintritt der beiden anderen Geschäftsführer in die Geschäftsführung der GmbH die GmbH nur noch zu zweit vertreten konnten. Denn es kommt für die Haftung des Geschäfsführers nicht auf die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers nach außen oder die interne Geschäftsverteilung an (Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 34 AO 1977 Tz. 47; Tipke / Kruse, a. a. O., § 34 Tz. 11). Es ist vielmehr Aufgabe jedes einzelnen Geschäftsführers, sich im Bedarfsfall die erforderliche Zustimmung des anderen Geschäftsführers zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen zu verschaffen.

2. Im Ergebnis zu Recht hat das FG auch die Ermessensausübung des FA nicht beanstandet, aufgrund derer es die Klägerin und nicht die übrigen Geschäftsführer nach §§ 69, 34, 191 AO 1977 in Anspruch genommen hat.

Rechtsfehlerhaft ist zwar die Annahme des FG, daß das FA die Klägerin schon allein deswegen in Anspruch habe nehmen dürfen, weil sie gemäß § 44 AO 1977 gemeinsam mit den übrigen Geschäftsführern als Gesamtschuldnerin hafte und jeder der Gesamtschuldner die gesamte Leistung schulde (§ 44 Abs. 1 Satz 2). Das FG hat dabei unberücksichtigt gelassen, daß die Inanspruchnahme des Haftenden nach § 191 Abs. 1 AO 1977 eine Ermessensentscheidung des FA ist, die nach § 102 FGO darauf zu überprüfen ist, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. BFH-Urteile vom 13. April 1978 V R 109/75, BFHE 125, 126, BStBl II 1978, 508, und vom 3. Februar 1981 VII R 86/78, BFHE 133, 1, BStBl II 1981, 493). Da im Streitfall die GmbH zur Zahlung der Steuerschulden mangels Masse nicht mehr in der Lage war, mußte das FA im Rahmen seines Auswahlermessens darüber entscheiden, ob es die Geschäftsführer insgesamt oder welche der Geschäftsführer es in Anspruch nahm. Diese Entscheidung hat das FA zumindest in der Einspruchsentscheidung so begründet, daß daraus die angestellten Erwägungen über das Für und Wider der Inanspruchnahme der Klägerin erkennbar sind. Der Begründung ist nicht zu entnehmen, daß das FA sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.

Es hat die Klägerin nicht allein deswegen in Anspruch genommen, weil sie grob fahrlässig gehandelt hat. Dies allein würde nämlich für ihre Inanspruchnahme nicht ausreichen, weil nicht ausgeschlossen ist, daß auch die übrigen Geschäftsführer grob fahrlässig handelten, indem sie ihrerseits nicht für die wenigstens anteilmäßige Tilgung der Steuerschulden sorgten. Die Inanspruchnahme der Klägerin ist aber nicht zu beanstanden, weil der Einspruchsentscheidung unbestritten die Annahme zugrunde liegt, daß die Klägerin im Rahmen der internen Geschäftsaufteilung allein für die Buchhaltung und den Zahlungsverkehr verantwortlich war und sie die steuerlichen Angelegenheiten eigenverantwortlich wahrnahm. Ein Ermessensfehler des FA liegt daher nicht vor.

3. Da das FG somit im Ergebnis zu Recht die Einspruchsentscheidung des FA bestätigt hat, war die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 64060

BFH/NV 1992, 785

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