Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Lastkraftwagen einer Gebietskörperschaft wird insoweit noch ausschließlich zum Wegbau verwendet, als er auch zur Beförderung des Düngers zur Düngung der Straßenbäume und zur Beförderung des abgeernteten Obstes dieser Straßenbäume dient.

Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, daß Steuerbefreiungsvorschriften eng auszulegen sind.

Auch bei mehrfacher widerrechtlicher Benutzung eines Fahrzeugs innerhalb eines (Zeit-) Monats ist die Kraftfahrzeugsteuer für den Mindestentrichtungszeitraum von einem Monat nur einmal festzusetzen; dies gilt auch dann, wenn die widerrechtliche Benutzung in zwei Kalendermonate fällt.

KraftStG 1955 I 1 Abs. 2, § 2 Nr. 1, § 5 Nr. 3, § 13 Abs. 2, 4; (KraftStG 1961 i. d. F. des KraftStändG

 

Normenkette

KraftStG § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 2 Nr. 3, § 5/3, § 13/2, § 13/5

 

Tatbestand

Es ist streitig, ob ein LKW einer Gebietskörperschaft insoweit noch ausschließlich zum Wegebau im Sinne des § 2 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1955 (im folgenden KraftStG) verwendet wird, wenn er auch zur Beförderung des Düngers zur Düngung der Straßenbäume und zur Beförderung des abgeernteten Obstes dieser Straßenbäume dient.

I. - Das Halten eines handelsüblichen LKW war vom Finanzamt auf Grund der Versicherung der Bgin., daß das Fahrzeug ausschließlich zum Wegebau verwendet werde, von der Kraftfahrzeugsteuer befreit worden. Nach Feststellung des Finanzamts waren mit dem Fahrzeug u. a. am 21. Mai 1959 sechs Sack Dünger zur Düngung von Straßenbäumen und am 14. September, 15. September und 6. Oktober 1959 leere und mit äpfeln gefüllte Obstkisten befördert worden. Das Obst war von Obstbäumen an kreiseigenen Straßen geerntet worden.

Das Finanzamt erblickte hierin eine steuerschädliche Verwendung des Fahrzeugs im Sinne des § 1 Abs. 2 KraftStG und erhob für die Monate Mai, September und Oktober 1959 je eine Monats- Kraftfahrzeugsteuer nach. Die Einsprüche waren erfolglos, da das Finanzamt in den Einspruchsentscheidungen die Auffassung vertrat, daß das Fahrzeug wegen der o. a. Fahrten nicht mehr ausschließlich zum Wegebau verwendet worden sei.

Mit ihren Rechtsmitteln hatte die Bgin. vor allem geltend gemacht, unter Wegebau seien der Bau und die Unterhaltung der Straßen, aber auch Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu verstehen. Auch die Bepflanzung der Straßenränder diene durch die Markierung der Verkehrssicherheit und sei deshalb nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes - BayStrWG - vom 11. Juli 1958 (GVBl S. 147) als Zubehör Straßenbestandteil. Als Trägerin der Straßenbaulast sei sie nach Art. 9 BayStrWG zur Instandhaltung aller Straßenzugehörungen, also auch der Straßenobstbäume, verpflichtet.

Das Finanzgericht hat die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und der Berufung mit seinem in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1962 S. 557 veröffentlichten Urteil II 130, 131/61 vom 27. Februar 1962 stattgegeben.

Der Vorsteher des Finanzamts stützte seine Rb. im wesentlichen darauf, daß die Befreiungsvorschriften des KraftStG im Zweifel eng auszulegen seien. Nach allgemeinem Sprachgebrauch diene ein Fahrzeug nicht mehr ausschließlich und unmittelbar dem Wegebau, wenn es nicht nur für die Errichtung, Erhaltung und Pflege des Straßenkörpers selbst (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 BayStrWG) verwendet werde. Auch ein Beschluß der Verkehrsteuerreferenten (vgl. Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1956 S. 64), wonach nur aus Zweckmäßigkeitsgründen gewisse Teile des Straßenzubehörs, nämlich nur die Beschilderung der Verkehrswege und die Fahrbahnmarkierungen, in die Steuerbefreiung des § 2 Nr. 1 KraftStG einbezogen worden seien, beweise deren enge Handhabung und eindeutige Abgrenzung hinsichtlich der Einbeziehung des Straßenzubehörs in die Kraftfahrzeugsteuervergünstigung.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts kann keinen Erfolg haben.

Das Halten von Wegebau-Kraftfahrzeugen ist nach § 2 Nr. 1 KraftStG nur steuerbefreit, solange diese Fahrzeuge für eine der dort genannten Gebietskörperschaften zugelassen sind und ausschließlich zum Wegebau verwendet werden. Die Bgin. ist überörtlicher Gemeindeverband und Träger der Straßenbaulasten für die hier in Betracht kommenden Kreisstraßen (Art. 41 BayStrWG) kraftfahrzeugsteuerrechtlich den begünstigten Körperschaften zuzurechnen.

"Ausschließlichkeit" bedeutet zunächst lediglich, daß die Steuervergünstigung dem Grundsatz nach nur dann und nur so lange gilt, als das Fahrzeug tatsächlich zu dem begünstigten Zweck, im Streitfall also zum Wegebau verwendet wird; dieses Merkmal bedeutet aber für sich allein nicht - wie das Finanzgericht zutreffend bemerkt -, daß der Begriff des Wegebaus eng auszulegen sei. Auch die weitere Voraussetzung, die Verwendung "zum" Wegebau, fordert nicht besondere Einrichtungen und eine besondere Bauart, die das Fahrzeug nur für Wegebau-, nicht auch für andere Zwecke verwendbar machen würden. Lediglich die allgemeine Bauart und die sonstige Beschaffenheit des Fahrzeugs müssen dessen unmittelbare Verwendung zum Wegebau zulassen. Deshalb kann z. B. wie im Streitfall auch das Halten eines handelsüblichen LKW - als objektiv und unmittelbar zum Wegebau, etwa zur Beförderung von Wegebaumaterial, geeignet - steuerbegünstigt sein, nicht dagegen das Halten eines handelsüblichen Personenkraftwagens. Nur aus diesen Gründen hatte der Reichsfinanzhof in dem Urteil II A 340/25 vom 23. Juni 1925 (Slg. Bd. 16 S. 347; Mrozek-Kartei, Kraftfahrzeugsteuergesetz alte Fassung, § 2 Nr. 3 Rechtsspruch 3) die Steuerbefreiung für das Halten eines PKW abgelehnt (vgl. ausdrücklich auch ergänzend Urteil des Reichsfinanzhofs II A 370/26 vom 5. Oktober 1926, Slg. Bd. 19 S. 301; Mrozek-Kartei, Kraftfahrzeugsteuergesetz alte Fassung, § 2 Nr. 3, Rechtssprüche 6, 7). Die ausschließliche dienstliche Benutzung eines PKW durch Straßenaufsichtsbeamte könnte im übrigen allenfalls als nur mittelbar dem Wegebau dienlich bezeichnet werden (vgl. ferner auch Egly, Kraftfahrzeugsteuer-Kommentar, 2. Aufl., 1964 Teil II Abschn. 15a Abs. 2 und Abschn. 15b Abs. 2 S. 146 f.). Es trifft aber zu, daß bei der Anwendung von Befreiungsvorschriften der Wille des Gesetzes, nur bestimmt umrissene Sachverhalte von der Besteuerung auszunehmen, bei der Abgrenzung des Befreiungstatbestandes entsprechend genau zu beachten ist. Andererseits hat der Senat bereits in einer ebenfalls zur Kraftfahrzeugsteuer ergangenen Entscheidung (II 238/58 U vom 23. November 1960, BStBl 1961 III S. 71, Slg. Bd. 72 S. 190, 194) betont, daß Befreiungsvorschriften nicht nur deshalb, weil es sich um Ausnahmevorschriften handelt, unter allen Umständen eng - oder gar, wie das Finanzamt meint, "sehr eng" - auszulegen seien (vgl. auch Egly, a. a. O., Abschn. 10d S. 122). Vielmehr sind, wenn der Wortlaut Zweifel läßt, auch Befreiungsvorschriften unter sinnvoller Würdigung des mit der Ausnahmebestimmung verfolgten Zweckes anzuwenden (vgl. insoweit auch das Urteil des Senats zur Beförderungsteuer II 125/61 U vom 24. Juni 1964, BStBl 1964 III S. 446 Rechtssatz 3 und S. 447 rechte Spalte oben, Slg. Bd. 79 S. 579, 582). Durch § 2 Nr. 1 KraftStG (= § 2 Nr. 3 KraftStG 1961 = § 2 Nr. 3, 3a KraftStG 1961 in der Fassung des änderungsgesetzes vom 17. März 1964, BGBl I S. 145, BStBl 1964 I S. 243 - KraftStändG 1964 -) sollen aber Gebietskörperschaften für ihre im Dienst des öffentlichen Wohls erforderlichen Fahrzeuge bei Beachtung gewisser Voraussetzungen steuerlich entlastet werden.

Wenn es nun auch für die Frage, ob ein Fahrzeug unmittelbar zum Wegebau verwendet wird, kraftfahrzeugsteuerlich maßgebend auf die tatsächlichen Verhältnisse und auf die besonderen Zwecke dieses Steuergesetzes ankommt, so können doch die straßenrechtlichen Vorschriften wertvolle Anhaltspunkte dafür bieten, was als unmittelbare Wegebaumaßnahme zu gelten hat.

Zur Straße im Sinne des bayerischen Straßen- und Wegerechts gehört nach Art. 2 Abs. 1 BayStrWG außer dem eigentlichen Straßenkörper (insbesondere Fahrbahn, Bankette, Gräben, Böschungen, Mittel- und Sicherheitsstreifen) und dem Luftraum darüber jedenfalls auch das sog. Zubehör einschließlich der Bepflanzung, also auch der Straßenbäume (vgl. Siedler-Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, 1960, Art. Tz. 22; Zimniok, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, 1964, 3. Aufl., Art. 2 Anm. 16). Kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht entscheidend ist, ob der Träger der Wegebaulast zum Pflanzen solcher Bäume verpflichtet oder gemäß Art. 30 BayStrWG nur allein befugt ist (vgl. Siedler- Zeitler, a. a. O.; Zimniok, a. a. O., Anm. 17). Entscheidend ist, daß auch die Straßenbäume, wenn sie vorhanden sind - abgesehen von Landschaftsgestaltung und Landschaftsschutz -, vor allem der Böschungsbefestigung dienen und die Aufgabe von Leiteinrichtungen übernehmen; sie geben dem Verkehrsteilnehmer die optische Führung besonders bei Dunkelheit, Nebel und im Winter (vgl. Siedler- Zeitler, a. a. O., Art. 30 Tz. 1, Art. 78 Tz. 4; Zimniok, a. a. O., Art. 30 Anm. 2; Entschl. des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 7. März 1960, Ministerialamtsblatt der bayerischen inneren Verwaltung 1960 S. 294). Als Zubehör der Straße teilen die Straßenbäume grundsätzlich auch das rechtliche Schicksal der Straße in öffentlich-rechtlicher Beziehung (Siedler-Zeitler, a. a. O., Art. 2 Tz. 18; Zimniok, a. a. O., Art. 2 Anm. 14c).

Unter Wegebau auch im Sinne des Kraftfahrzeugsteuerrechts ist nicht nur der (Neu) Bau im engsten Sinne, sondern auch die laufende Unterhaltung der Straßen in einem dem gewöhnlichen Verkehrsbedürfnis und den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit genügenden Zustand zu verstehen (vgl. Art. 9 Abs. 1 BayStrWG). Dabei müssen als Wegebaumaßnahmen alle Maßnahmen einbezogen werden, die sich als Sicherheitsvorkehrungen aus der Anlage und Beschaffenheit der Straße an sich als notwendig erweisen. Ob hierunter zwar das Anbringen von Warnschildern über den Straßenzustand selbst - dies als Wegebaumaßnahme - fällt, ob aber entgegen den Zweifeln des Finanzgerichts nicht auch Maßnahmen der Verkehrssicherungspflicht, insbesondere der polizeilichen Verkehrsregelung, fallen könne, z. B. die allgemeine Verkehrsbeschilderung - wie Wegweiser -, konnte im Streitfall nicht entschieden werden. Jedenfalls sind zu den Sicherheitsvorkehrungen im Sinne von Wegebaumaßnahmen die Herrichtung und Instandhaltung auch all des Zubehörs zu rechnen, das mit dem Straßenbestand selbst in unmittelbarem Zusammenhang steht (vgl. auch Siedler-Zeitler, a. a. O., Art. 9 Tz. 2 und 4).

Zweifellos dienen die Ausrüstung und Instandhaltung von Fahrbahnmarkierungen und Leiteinrichtungen unmittelbar dem Wegebau, zumal auch verkehrsrechtlich die Unterhaltung in einem weiten Rahmen steht (Siedler-Zeitler, a. a. O., Art. 9 Tz. 48 bis 50). Ebenso zweifelsfrei zählen z. B. das Erneuern des Anstrichs an Verkehrszeichen, an Leitplanken oder an der Fahrbahnmarkierung, ebenso das Ausästen von Straßenbäumen zwecks Wiederherstellung ordnungsgemäßer Sichtverhältnisse zur notwendigen Unterhaltung der Straße (vgl. Siedler-Zeitler, a. a. O.). Wenn nun schon sinnvollerweise Obstbäume als Straßenbäume gepflanzt sind und hierdurch vornehmlich die Funktion einer Leiteinrichtung und auch der Böschungsbefestigung erfüllen, so ist es vertretbar und geboten, auch die biologisch sich zwangsläufig hieraus ergebenden weiteren Baumpflegemaßnahmen einschließlich des Düngens und Aberntens noch als unmittelbare Wegebaumaßnahmen zu behandeln. Es ist kein innerer Grund dafür ersichtlich, zwar das Anfahren von Farbe zur Erneuerung der Fahrbahnmarkierungen und das Abfahren der ausgeästeten Zweige von Straßenbäumen als steuerunschädlich, das Anfahren von Dünger und das Abfahren des Straßenobstes zur Dünge- und Erntezeit dagegen als steuerschädlich zu betrachten. Hinsichtlich des Abfahrens des Straßenobstes wird dies besonders deutlich, wenn man berücksichtigt, daß das Beseitigen des verdorbenen und abgefallenen Obstes von der Fahrbahn - also die Beseitigung eines insoweit sinnwidrigen Zustandes - gegebenenfalls als Straßenreinigungsmaßnahme gelten müßte, die - auch mit demselben Fahrzeug ausgeführt - das steuerfreie Halten des ausschließlich für die in § 2 Nr. 1 KraftStG (= § 2 Nr. 3 KraftStG 1961 § 2 Nr. 3, 3a KraftStG 1961 i. d. F. des KraftStändG 1964) bezeichneten Zwecke verwendeten LKW der Gebietskörperschaften nicht beeinträchtigen würde (vgl. Egly, a. a. O., Abschn. 10e, 15a Abs. 4, S. 122, 146).

Abschließend sei bemerkt: Bei widerrechtlicher Benutzung besteht Steuerpflicht nur für die Dauer der widerrechtlichen Benutzung, mindestens für die Dauer eines Monats (§§ 5 Nr. 3, 13 Abs. 2, 4 KraftStG = §§ 5 Nr. 3, 13 Abs. 2, 5 KraftStG 1961 i. d. F. des KraftStändG 1964). Die Steuerschuld entsteht mit Beginn der widerrechtlichen Benutzung (§ 3 des Steueranpassungsgesetzes in Verbindung mit § 1 Abs. 2 KraftStG = § 1 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG 1961 i. d. F. des KraftStändG 1964). Einrichtungszeitraum ist aber nicht der Kalendermonat, sondern der (Zeitmonat (§ 13 KraftStG). Da die dreimalige Benutzung des Fahrzeugs zur Obsternte nach dem Steuerbescheid des Finanzamts vom 22. Februar 1959 zwar in zwei Kalendermonate fiel, aber innerhalb des Mindestentrichtungszeitraums von nur einem Monat stattfand, hätte die Steuer - Widerrechtlichkeit unterstellt - nicht für zwei, sondern nur für einen Mindestrichtungszeitraum festgesetzt werden dürfen (vgl. Egly, a. a. O., Abschn. 61c Abs. 1 und 3, S. 273 f.; Neumann, das Kraftfahrzeugsteuergesetz, 3. Aufl., § 5 Tz. 9).

Demgemäß war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411659

BStBl III 1965, 425

BFHE 1965, 492

BFHE 82, 492

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