Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Vermittlungsagent ist nicht verpflichtet, die Provisionsforderung vor Ausführung des vermittelten Geschäfts in der Bilanz auszuweisen, sofern die Provision von der Ausführung des Geschäfts abhängig gemacht wird.

 

Normenkette

EStG § 5

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) betreibt das Geschäft eines Handlungsagenten. Streitig ist für 1949 und 1950, ob noch nicht zugeflossene Provisionen für vermittelte und angezeigte Geschäfte in der Bilanz ausgewiesen werden müssen. Die OHG vertritt zwei Firmen. Für die Provisionsberechnungen mit der Firma A. sind nach ihrer Darstellung lediglich die getätigten Lieferungen maßgebend. Es seien folgende drei Voraussetzungen für die Entstehung des Provisionsanspruchs notwendig:

Der Auftrag des Kunden müsse durch mittelbare oder unmittelbare Vermittlung der Bfin. an die Firma A. weitergeleitet werden.

Das Geschäft müsse durch die Firma A. ausgeführt sein.

Die Zahlung müsse durch den Kunden geleistet sein.

Hinsichtlich der Vertragsbedingungen mit der Firma B. enthalten die Akten keine Unterlagen.

Die Bfin. vertritt den Standpunkt, daß der Provisionsanspruch noch nicht aktivierungsfähig sei, solange nicht mindestens das Geschäft durch die Lieferfirma ausgeführt sei. Die Bfin. habe die Provisionsansprüche für Aufträge, die bis zum Bilanzstichtag ausgeführt gewesen seien, aktiviert, obwohl ein Rechtsanspruch der Provision erst dann entstehe, wenn der Kunde bezahlt habe.

Die Vorbehörden lehnten die Auffassung der Bfin. ab und stützten sich hierbei auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 839,840/38 vom 15. Februar 1939, Slg. Bd. 46 S. 143, Reichssteuerblatt (RStBl.) 1939 S. 606. Sie haben in den Steuerbilanzen folgende Provisionsforderungen für vermittelte und angezeigte, aber noch nicht durchgeführte Geschäfte aktiviert:

1. Januar 1949 (Eröffnungsbilanz) ------------ 2 000 DM, 31. Dezember 1949 --------------------------- 1 800 DM, 31. Dezember 1950 ----------------------------- 5 000 DM.Das Finanzgericht begründete seine Ansicht u. a. wie folgt:

Mit der Vermittlung und Anzeige des Geschäfts habe der Agent das seinerseits Erforderliche getan. Seine Aufwendungen sei der entsprechende Ertrag gegenüberzustellen. Die später zufließenden Einnahmen gehörten wirtschaftlich in das Geschäftsjahr, in das die eigene Gegenleistung des Agenten falle. Der Gewinn sei nicht erst dann verwirklicht, wenn geliefert worden sei und die Zahlungen der Kunden bei der Lieferfirma oder die Provisionen beim Agenten eingingen. Der Fall liege ähnlich wie bei später fällig werdenden Miet- und Pachteinnahmen eines Kaufmanns. Mit dem Geschäftsabschluß und der Anzeige sei die Tätigkeit der Bfin. in der Hauptsache abgeschlossen. Noch ausstehende wesentliche Leistungsverpflichtungen des Agenten gegenüber dem Geschäftsherrn, seien im Streitfalle nicht gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtsbeschwerde (Rb.) ergibt folgendes:

Der Reichsfinanzhof hat in der Entscheidung VI 839, 840/38 vom 15. Februar 1939 folgende Grundsätze aufgestellt: "Hat ein Handlungsagent ein Geschäft vermittelt und den Abschluß dem Geschäftsherrn angezeigt, so muß er die aus diesem Geschäft anfallende Provision unter den Forderungen seiner Bilanz ausweisen. Den aus den Bedingtheiten des Provisionsanspruchs, insbesondere dem Aufschub der Fälligkeit, für den Eingang der Provision drohenden Gefahren, kann nur durch Rückstellungen nach Maßgabe der Gefahrenhöhe Rechnung getragen werden. Diesen Grundsätzen der Betriebswirtschaftslehre stehen die bürgerlich- rechtlichen Vorschriften des § 88 HGB nicht entgegen". Gleichzeitig hat der Reichsfinanzhof ausgesprochen, an dem in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 924/36 vom 16. Dezember 1936, Steuer und Wirtschaft (StuW) 1937 Nr. 87 (irrtümlich 16. November 1936), zugelassenen Wahlrecht könne nicht festgehalten werden.

Gegen die Grundsätze der Entscheidung VI 839, 840/38 bestehen Bedenken.

Zur Frage der Gewinnverwirklichung aus schwebenden Geschäften hat die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 4/52 vom 17. Mai 1952, Slg. Bd. 56 S. 536, Bundessteuerblatt (BStBl.) III S. 208, eingehend Stellung genommen. Nach den Grundsätzen dieses Urteils ist die Frage nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden und liegt deshalb im wesentlichen Umfange auf dem Gebiete der Würdigung des Tatbestands. Weitere eingehende Ausführungen zur Gewinnverwirklichung aus schwebenden Geschäften enthält die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 935/30 vom 22. Oktober 1931, Slg. Bd. 29 S. 276, RStBl. 1932 S. 13, die sich auf ein Gutachten des Deutschen Industrie- und Handelstages stützt und die Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 62/49 vom 13. Januar 1950, Steuerrechtskartei Einkommensteuergesetz § 4 Rechtsspruch 9, die die Gewinnverwirklichung bei Bauverträgen zum Gegenstand hat. Beide Entscheidungen messen dem Risiko der Abnahme der Leistung durch den Vertragsgegner entscheidende Bedeutung zu.

Die Entscheidung VI 839, 840/38 fordert eine Aktivierung der Provisionsforderung des Handlungsagenten bereits in einem Zeitpunkt, in dem noch offensteht, ob das vermittelte Geschäft zur Ausführung gelangt. Dieser Auffassung wird man nicht folgen können. Es mag zutreffen, daß bei schwebenden Geschäften im allgemeinen die Forderung aktiviert werden muß, wenn der Kaufmann alles getan hat, was er zu leisten verpflichtet ist, da dieser Zeitpunkt meist auch im wesentlichen mit der Abnahme der Leistung durch den Kunden zusammentrifft. Beim Vermittlungsagenten, dessen Vertragsbedingungen den Bestimmungen des § 88 HGB alter Fassung entsprechen, ist das aber nicht der Fall. Es besteht meist ein recht erhebliches Risiko, ob das Geschäft zur Ausführung gelangt. Solange ein derartiges wesentliches Risiko gegeben ist, wird man nach den Grundsätzen des Urteils des Reichsfinanzhofs VI A 935/30 die Aktivierungspflicht der Provisionsforderung verneinen müssen. Dies gilt auch für den Abschlußagenten, wenn die Ausführung des Geschäfts ebenfalls noch mit ähnlichen erheblichen Unsicherheiten verbunden ist. Es kann zweifelhaft sein, ob dort, wo der Anspruch auf Provision erst nach Eingang der Zahlung des Kunden und nur im Verhältnis des eingegangenen Betrages erworben wird, die Aktivierung der Forderung schon vor diesem Zeitpunkt gefordert werden kann. Diese Frage braucht aber im vorliegenden Falle nicht entschieden zu werden. Auch wenn man die Aktivierungspflicht vor diesem Zeitpunkt verneint, wird im allgemeinen dem Handlungsagenten ein Wahlrecht zuzubilligen sein, schon vorher seine Provisionsforderung in der Bilanz auszuweisen. Der Grundsatz, daß die Frage der Gewinnverwirklichung nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beantworten ist, gilt auch für die Provisionsforderung des Handlungsagenten. Auch hier muß sie stets unter Berücksichtigung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles entschieden werden. Von wesentlicher Bedeutung ist hierbei das Ausmaß des Risikos für die Durchführung des Geschäfts und des Einganges der Zahlungen der Kunden. Bei der Beurteilung des Umfangs dieses Risikos wird man der Auffassung des Handlungsagenten, der seine eigenen Verhältnisse am besten beurteilen kann, wesentliche Beachtung schenken und ihm deshalb im Rahmen dieser Grenzen ein Wahlrecht zubilligen müssen, wie es bereits in der Entscheidung VI A 935/30 vom 22. Oktober 1931 allgemein für schwebende Verträge im einzelnen dargestellt ist. Der Handlungsagent kann jedoch nicht willkürlich in seiner Bilanzierungsmethode wechseln (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 924/36 vom 16. Dezember 1936, StuW 1937 Nr. 87). Der Vermittlungsagent ist somit, wie es im vorliegenden Fall geschehen ist, jedenfalls berechtigt, seine Provisionsforderung bereits in dem Zeitpunkt der Ausführung des Geschäfts durch seinen Auftraggeber zu bilanzieren.

Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Würdigung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407899

BStBl III 1954, 149

BFHE 1954, 624

BFHE 58, 624

BB 1954, 368

DB 1954, 339

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