Leitsatz (amtlich)

1. Das Anbringen eines Hilfsantrags des Klageverfahrens als Hauptantrag im Revisionsverfahren ist eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung.

2. Negative Einkünfte einer Inländischen KG aus einer Italienischen Betriebsstätte können weder in die deutsche Besteuerung einbezogen noch wegen Fehlens eines Progressionsvorbehaits im DBA-Italien bei der Anwendung und Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigt werden.

 

Normenkette

FGO § 123; DBA ITA Art. 3 Abs. 3, Art. 11 Nr. 1c; EStG (1963) § 2 Abs. 2, § 32 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Im zweiten Rechtsgang ist (nur noch) streitig, ob der Verlust aus einer in Italien betriebenen Gaststätte bei der einheitlichen Gewinnfeststellung zu berücksichtigen ist.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte ... in Italien in untergemieteten Räumen die Gaststätte CB im Stile einer bayerischen Gastwirtschaft eingerichtet und zu deren Führung die Vermieter, die Eheleute U, verpflichtet. Frau U war als Inhaberin der italienischen Gaststättenkonzession aufgetreten. Die Kosten der Konzessionserteilung trug die Klägerin; sie hinterlegte zugunsten der Frau U eine Kaution für Steuern und Gebühren bei den italienischen Behörden. Die Klägerin zahlte an die Eheleute U ein festes Gehalt, stellte einen deutschen Geschäftsführer für das CB an und entlohnte auch das italienische Personal. Das Bier wurde auf Rechnung der Klägerin aus der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) geliefert; diese kaufte die größeren Warenmengen auf eigene Rechnung, verwertete bei der Abwicklung der CB die Warenrestbestände und zahlte auch den Großteil der in Italien angefallenen Steuern. Während des Betriebs der Gaststätte (7. Juni bis 17. September ...) erlitt die Klägerin einen Verlust ..., den sie in ihre Gewinnermittlung einbezog.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) behandelte die Gaststätte CB als Zweigniederlassung und Betriebsstätte der Klägerin und ließ den Verlust bei der Gewinnfeststellung für das Streitjahr unberücksichtigt.

In seiner Einspruchsentscheidung setzte das FA den Gewinn der Klägerin höher fest. Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) im ersten Rechtsgang als unzulässig, weil verspätet, ab. Der Bundesfinanzhof -- BFH -- (Urteil vom 21. März 1974 IV R 22/70) hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück ... Im zweiten Rechtsgang hielt das FG die Klage für zulässig, wies sie aber als unbegründet ab.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision der Klägerin ist zulässig.

Das Vorbringen der Klägerin in der Revisionsbegründung läßt im wesentlichen erkennen, inwieweit das FG-Urteil im zweiten Rechtszug angefochten werden soll, die Klägerin also beschwert ist, und inwieweit sie eine Änderung der angefochtenen Entscheidung erstrebt. Damit ist den Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) -- gerade noch -- genügt.

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die negativen Einkünfte der Klägerin aus ihrer italienischen Betriebsstätte weder in die deutsche Besteuerung einbezogen noch bei der Anwendung und Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigt.

1. Der Senat behandelt den Revisionsantrag der Klägerin zu 2. -- ebenso wie dies in den Vorinstanzen geschehen ist -- als Hilfsantrag, nicht als (zweiten) selbständigen Hauptantrag. Das Anbringen eines Hilfsantrags des Klageverfahrens als Hauptantrag im Revisionsverfahren wäre eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung (vgl. § 123 FGO; Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 18. September 1958 II ZR 332/56, BGHZ 28, 131, 137).

2. Der Hauptantrag der Klägerin ist unbegründet.

Mit Recht hat das FG den auf die ausländische Betriebsstätte der Klägerin entfallenden Verlust bei der Gewinnfeststellung unberücksichtigt gelassen. Diese (negativen) Einkünfte unterliegen nicht der deutschen Besteuerung (Art. 3 Abs. 3 i. V. m. Art. 11 Nr. 1 Buchst. c des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und Italien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung anderer Fragen auf dem Gebiete der direkten Steuern -- DBA-Italien -- vom 31. Oktober 1925, RGBl II 1925, 1146, wieder in Kraft gesetzt aufgrund des Vertrages zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der italienischen Regierung vom 20. November 1952, Bekanntmachung des Bundesministers des Auswärtigen vom 23. Dezember 1952, BGBl II 1952, 986). Das räumt die Klägerin unter 1. ihrer Revisionsbegründung ausdrücklich ein. Ihr weiteres Vorbringen in diesem Zusammenhang, insbesondere bezüglich einer "Bürgschaft für die Lieferungen" muß der Senat bei seiner Entscheidung außer Betracht lassen. Es handelt sich dabei -- entgegen der Auffassung der Klägerin -- um neues Vorbringen, das vom FG nicht festgestellt worden ist und deshalb in der Revisionsinstanz unberücksichtigt zu bleiben hat (§ 118 Abs. 2 FGO).

3. Auch der Hilfsantrag der Klägerin kann keinen Erfolg haben.

Dem FG sind bei seinen rechtlichen Erwägungen, der in Italien erwirtschaftete Verlust der Klägerin scheide aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer aus und damit entfalle zugleich eine Feststellung dieses Verlustes in dem Gewinnfeststellungsverfahren, keine Rechtsfehler unterlaufen. Die Zuteilung der Besteuerung der Einkünfte aus einer italienischen Betriebsstätte an Italien läßt diese Einkommensteile in der Bundesrepublik steuerfrei sein. Schon der Reichsfinanzhof (RFH) hat daraus gefolgert, daß (nur) das zu versteuernde Einkommen, das bei Nichtberücksichtigung der dem ausländischen Staat zugewiesenen Einkommensteile zur Besteuerung in der Bundesrepublik verbleibt, dem sich aus dem Tarif ergebenden Steuersatz zu unterwerfen sei (Urteil vom 10. März 1937 VI A 71/37, RStBl 1937, 486). An dieser Auffassung hat der BFH festgehalten (vgl. Urteil vom 9. November 1966 I 29/65, BFHE 87, 273, BStBl III 1967, 88). Zu einer Änderung dieser Rechtsprechung besteht auch nach nochmaliger Prüfung kein Anlaß. Die nach einem DBA von der (deutschen) Steuer befreiten Einkünfte fallen nach dem im Streitfall maßgebenden Einkommensteuergesetz 1961 in der für 1963 geltenden Fassung (EStG) nicht unter den zu versteuernden Einkommensbetrag im Sinne der Einkommensteuertabelle. Dieser setzt sich vielmehr nur aus den von der Steuerbefreiung nicht erfaßten Einkünften zusammen. Dabei ist es gleichgültig, ob die ausländischen Einkünfte positiv oder negativ sind. Die Freistellung von der Steuer führt damit bei dem gegebenen progressiven Steuertarif grundsätzlich auch zu einer Begünstigung der übrigen Einkünfte des Steuerpflichtigen (vgl. dazu Blümich/Falk/Haas/Uelner, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 32b Anm. 6; Hellwig, Der Progressionsvorbehalt in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1971, 590, insbesondere unter II). Die Einkommensteuer bemißt sich nach dem Einkommen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat (§ 2 Abs. 2 EStG). Das zu versteuernde Einkommen (§ 32 Abs. 1 EStG) bestimmt sich nach dem Einkommen i. S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 EStG abzüglich bestimmter Freibeträge und sonstiger abzuziehender Beträge. Die nach dem DBA-Italien bei der deutschen Besteuerung nicht zu berücksichtigenden Einkommensteile gehören nicht zum Einkommen und dürfen deshalb auch nicht die Bemessung der Einkommensteuer, auch nicht die Ermittlung des Steuertarifs, beeinflussen.

An dieser Rechtslage im Streitfall ändert es nichts, daß in die neueren DBA in der Regel ein sog. Progressionsvorbehalt aufgenommen worden ist, der es zuläßt, daß der Wohnsitzstaat die Steuern von den ihm überlassenen Einkünften nach dem Steuersatz erheben kann, der sich für das Gesamteinkommen der Steuerpflichtigen (§ 2 Abs. 1 EStG) ergibt (vgl. z. B. Art. 23 A des Musterabkommens der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (1977) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens; Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA-Niederlande; Art. 19 Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweden; Art. 15 Abs. 3 DBA-Österreich). Das DBA-Italien, das eines der ältesten DBA ist, enthält einen solchen Progressionsvorbehalt nicht. Deshalb kann auch der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des Senats vom 25. Mai 1970 I R 109/68 (BFHE 99, 367, BStBl II 1970, 660) keinen Erfolg haben. Diese Entscheidung betraf einen Streitfall, der -- worauf das FA zu Recht hinweist -- die Rechtswirkungen eines Progressionsvorbehalts (Art. 15 Abs. 3 DBA-Österreich) auf den inländischen Steuertarif betraf. Die darin enthaltenen, von der Klägerin wörtlich wiedergegebenen Sätze sind nur im Zusammenhang mit dem Bestehen eines Progressionsvorbehalts in diesem DBA zu verstehen. Sie können nicht gelten, wenn es an einem ausdrücklichen Progressionsvorbehalt in einem DBA -- wie im Streitfall in dem DBA-Italien -- überhaupt fehlt.

Andere Rechtsgrundlagen, die eine Berücksichtigung der Verluste der Klägerin aus ihrer Betriebsstätte in Italien zulassen könnten, gibt es, wie das FG zutreffend dargelegt hat, nicht. § 32b EStG in der heutigen Fassung ist erst durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl I 1974, 1769, BStBl I 1974, 530) in das EStG aufgenommen worden. Die Vorschrift kann jedoch -- abgesehen von ihrem Inkrafttreten nach dem Streitjahr -- nicht angewendet werden, weil die Regelung im DBA-Italien (fehlender Progressionsvorbehalt) dem § 32b EStG 1975 vorgeht (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats vom 20. Oktober 1982 I R 104/79, und auch Abschn. 185 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien 1975).

 

Fundstellen

Haufe-Index 74603

BStBl II 1983, 382

BFHE 1982, 478

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