Leitsatz (amtlich)

Eine gemäß § 3 Nr. 8 EStG 1965 steuerfreie Entschädigung für Schäden am Vermögen, die nach §§ 142, 146 des Bundesentschädigungsgesetzes i. d. F. vom 14. September 1965 (BGBl I 1965, 1315) gewährt wird, gehört nicht zum Gewerbeertrag i. S. des § 7 GewStG.

 

Normenkette

GewStG § 7; EStG 1965 § 3 Nr. 8

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Entschädigung nach §§ 142, 146 des Bundesentschädigungsgesetzes i. d. F. vom 14. September 1965 - BEG - (BGBl I 1965, 1315) bei der Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 7 GewStG anzusetzen ist.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der Verlagsgesellschaft X. Diese verlegte und vertrieb u. a. eine katholische Wochenzeitschrift. Anfang August 1939 wurde die Herausgabe dieser Zeitschrift von den nationalsozialistischen Machthabern verboten. In den Jahren 1940 bis 1942 mußte das Erscheinen weiterer katholischer Schriften eingestellt werden. Aufgrund eines Vergleichs zwischen der Klägerin und dem Land B erhielt die Klägerin im Jahr 1966 für Schäden am Vermögen (Gewinnverlust) durch Verbot der Wochenzeitschrift eine Entschädigung nach §§ 142, 146 BEG in Höhe von ...DM.

Bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags 1966 erfaßte der Beklagte und Revisionskläger (FA) diesen Betrag als Gewerbeertrag. Er vertrat dabei im Anschluß an eine Steuerfahndungsprüfung die Auffassung, daß die Entschädigung gemäß § 3 Nr. 8 des EStG zwar nicht der Einkommensteuer unterliege, daß jedoch diese an die natürliche Person geknüpfte Befreiungsvorschrift im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrages wegen des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer nicht anzuwenden sei.

Die Klage hatte Erfolg. Die Einordnung der Entschädigung unter die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 8 EStG habe zur Folge, so führt das FG aus, daß diese Einnahmen wie Bezüge zu behandeln seien, die nicht unter eine der sieben Einkunftsarten fielen. Sie zählten folglich nicht zu den Einkünften i. S. des § 2 Abs. 3 und 4 EStG - hier also nicht zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (Urteil des BFH vom 14. Januar 1972 VI R 30/69, BFHE 104, 345 [348], BStBl II 1972, 341; Abschn. 5 Abs. 1 EStR 1965; Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., § 2 EStG Anm. 18) -. Sie seien somit auch nicht Gewinn aus Gewerbebetrieb i. S. des § 7 GewStG. Die Entschädigung sei auch nicht aus der Besonderheit der Gewerbesteuer als einer Objektsteuer zum Gewerbeertrag zu zählen. Eine Auslegung des § 7 GewStG, welche dazu führen würde, daß der Gewerbeertrag (ohne Berücksichtigung der Hinzurechnungen und Kürzungen der §§ 8, 9 GewStG) höher sei als der nach den einkommensteuerlichen Vorschriften ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb, sei durch den möglichen Wortsinn des § 7 GewStG nicht gedeckt. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift entspreche der Gewerbeertrag - abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Hinzurechnungen und Kürzungen - dem einkommensteuerlichen Gewinn aus Gewerbebetrieb. Den Ausführungen des BFH im Urteil vom 26. Mai 1971 I R 45/70, BFHE 102, 399, BStBl II 1971, 717), daß generell bei der Gewinnermittlung für die Gewerbesteuer die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden seien, die mit dem Sachsteuercharakter der Gewerbesteuer nicht im Einklang stünden, könne das FG nur mit der Einschränkung folgen, daß der dem Gewerbeertrag zugrunde zu legende Gewinn aber nicht höher sein dürfe als der sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes ergebende Gewinn aus Gewerbebetrieb. Andernfalls würde die steuerbegründende Norm des § 7 GewStG unzulässigerweise extensiv ausgelegt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 7 GewStG. Die Entschädigungsleistung sei gewerblicher Ertrag i. S. des § 7 GewStG, da sie der Abgeltung der das Betriebsvermögen beeinträchtigenden Eingriffe früherer Jahre gedient habe. Bei der von der Veranlagung zur Einkommensteuer losgelösten Gewinnermittlung für die Gewerbesteuer sei die persönliche Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 8 EStG nicht anzuwenden. Die Nichterfassung des Entschädigungsbetrages bei der Gewerbesteuer sei mit ihrem Charakter als Sachsteuer nicht zu vereinbaren. Der vom FG vertretenen Auffassung, daß der Gewerbeertrag niemals höher sein dürfe als der einkommensteuerrechtliche Gewinn, könne nicht gefolgt werden. Aus dem BFH-Urteil vom 9. Dezember 1960 IV 262/60 (StRK, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 128) - wonach sogenannte Vorwegbetriebsausgaben zwar bei der Ermittlung des einkommensteuerechtlichen Gewinns aus Gewerbebetrieb, nicht aber bei der Ermittlung des Gewerbeertrages zum Abzug zuzulassen seien - ergebe sich auch, daß die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, die mit dem Objektsteuercharakter nicht in Einklang zu bringen seien, bei der Ermittlung des Gewerbeertrages auch dann keine Anwendung fänden, wenn dadurch der Gewerbeertrag höher als der einkommensteuerrechtliche Gewinn würde.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie trägt im wesentlichen vor, daß die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 8 EStG auch im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 7 GewStG anzuwenden sei, weil der Gewinn aus Gewerbebetrieb nach Einkommensteuerrecht und nach Gewerbesteuerrecht gleichzufassen sei. Nach dem System des Gewerbesteuerrechts gebe es keine Erweiterung des einkommensteuerrechtlichen Ertrages i. S. des Gewerbesteuergesetzes. Bei Ermittlung des gewerblichen Gewinns (§ 7 GewStG) würden nur Abzüge hinzugerechnet, die bei der Ermittlung des Gewinns nach einkommensteuer- bzw. körperschaftsteuerrechtlichen Regeln statthaft seien und für die Ermittlung des Gewerbeertrages wieder rückgängig gemacht würden. Da die Entschädigung aus der Wiedergutmachung bei der Einkommensteuer nicht abgezogen worden sei, könne systemgerecht auch keine Hinzurechnung bei der Gewerbesteuer in Betracht kommen. Das BFH-Urteil IV 262/60 sei nicht anwendbar. Es handele sich im Streitfall nicht um Betriebsausgaben oder Erträge vor Eröffnung oder nach Einstellung des Betriebes; der Betrieb sei seit Jahren unverändert fortgeführt worden. Die streitige Entschädigung sei zwar zweifelsfrei eine Betriebseinnahme, sie sei aber nicht - wie der BFH im Urteil vom 20. August 1965 VI 154/65 U (BFHE 84, 258, BStBl III 1966, 94) fordere - Ertrag des werbenden Betriebes, da sie, wie § 146 Abs. 2 BEG voraussetze, Entschädigung für den "Schaden am Vermögen" sei. Es handele sich um eine betriebsfremde, gewerbesteuerfreie Einnahme, ähnlich dem Veräußerungsgewinn; sie sei für die zwangsweise Aufgabe des Zeitschriftenverlagsgeschäfts als Teilbetrieb gezahlt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Gewinn aus der Veräußerung und der Aufgabe eines Betriebes oder Teilbetriebes gehört nicht zum Gewerbeertrag i. S. des § 7 GewStG. Der Gewerbesteuer unterliegen dagegen Entschädigungen für die Einschränkung eines Gewerbebetriebes, wobei als Gewerbeertrag nicht nur die Entschädigungen für entgangene oder entgehende Gewinne, sondern auch die Entschädigungen für Eingriffe in das Betriebsvermögen in Betracht kommen (vgl. BFH-Urteile vom 17. Dezember 1975 I R 29/74, BFHE 117, 483, BStBl II 1976, 224, und vom 26. Juni 1975 VIII R 39/74, BFHE 116, 391, BStBl II 1975, 832, mit weiteren Nachweisen).

Das FG brauchte nicht zu prüfen, ob die strittige Entschädigung, wie die Klägerin in der Revisionserwiderung vorträgt, für die Aufgabe eines Betriebes oder Teilbetriebes i. S. des § 16 EStG i. d. F. der Bekanntmachung vom 10. Dezember 1965 -EStG 1965- (BGBl I 1965, 1901, BStBl I 1965, 686) gezahlt wurde und deshalb nicht der Gewerbesteuer unterliegt, denn es hat die Entschädigung zu Recht als steuerfreie Einnahme i. S. des § 3 EStG bei der Ermittlung des der Gewerbesteuer zugrunde zu legenden Gewerbeertrages außer Ansatz gelassen.

Gewerbeertrag ist gemäß § 7 GewStG der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem - gewerbesteuerrechtlich maßgebenden - Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Zufolge dieser Verweisung auf die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften ist Einkommen i. S. des § 7 GewStG gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1965 der Gesamtbetrag der Einkünfte - nach Ausgleich von Verlusten und nach Abzug der Sonderausgaben - aus den in § 2 Abs. 3 EStG 1965 bezeichneten Einkunftsarten. Nicht zu den Einkünften und damit auch nicht zum Einkommen gehören Einnahmen, die entweder unter keine Einkunftsart fallen oder aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften als steuerfrei behandelt werden (vgl. BFH-Urteil VI R 30/69 unter Bezugnahme auf Würdinger in Steuer und Wirtschaft 1966 Spalten 673 ff. [678 ff.]). Wie sich aus § 2 Abs. 1 EStG 1965 ergibt, umfaßt der Begriff des Einkommens in § 2 Abs. 2 EStG 1965 lediglich die steuerpflichtigen Einkünfte, da das Einkommen i. S. dieser Vorschrift Bemessungsgrundlage für die (festzusetzende) Einkommen steuer ist. Der der Gewerbesteuer zugrunde zu legende Gewerbeertrag entspricht demnach, abgesehen von den gewerbesteuerrechtlichen Zu- und Abrechnungen, grundsätzlich dem Gewinn aus Gewerbebetrieb, der der Bemessung der Einkommensteuer zugrunde zu legen ist. Gehören Einnahmen nicht zur Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, so zählen sie auch nicht zum Gewerbeertrag des § 7 GewStG. Davon ist nur insoweit abzuweichen, als sich unmittelbar aus dem Gewerbesteuergesetz etwas anderes ergibt oder soweit die Vorschriften des Einkommensteuerrechts mit dem besonderen Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer nicht in Einklang stehen (vgl. insoweit BFH-Urteil vom 29. November 1960 I 73/59 U, BFHE 72, 135, BStBl III 1961, 51) und zwar entgegen der Auffassung des FG auch dann, wenn der dem Gewerbeertrag zugrunde zu legende Betrag höher ist als der der Einkommensteuer zugrunde zu legende Gewinn; s. z. B. BFH-Urteil vom 19. August 1977 IV R 107/74 (BFHE 123, 352, BStBl II 1978, 23).

Die der Klägerin aufgrund der §§ 142, 146 BEG gewährte Entschädigung gehört zu den steuerfreien Einnahmen i. S. des § 3 EStG 1965 und somit nicht zu dem der Gewerbesteuer unterliegenden Gewerbeertrag der Klägerin. Nach § 142 i. V. m. § 146 BEG hat eine juristische Person, Anstalt oder Personenvereinigung (nichtrechtsfähiger Verein, nichtrechtsfähige Handelsgesellschaft) Anspruch auf Entschädigung für Schäden am Eigentum und am Vermögen, wenn sie durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen geschädigt worden ist. Diese Entschädigung ist nach § 3 Nr. 8 EStG 1965 als Kapitalentschädigung, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts gewährt wurde, steuerfrei. Bei der Vorschrift des § 3 Nr. 8 EStG 1965 handelt es sich - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht um eine persönliche, mit dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer nicht zu vereinbarende Steuerbefreiung, sondern um eine sachliche Befreiungsvorschrift (vgl. Herrmann/Heuer, a. a. O., § 3 EStG Anm. 2), die auch für die Gewerbesteuer Geltung hat. Die Vorschrift des § 3 Nr. 8 EStG 1965 betrifft, anders als etwa die persönlichen Steuerbefreiungen des § 4 KStG 1975 (§ 5 KStG 1977) für die dort genannten Rechtssubjekte, nicht bestimmte Personen, die an sich nach § 1 EStG einkommensteuerpflichtig sind. Anknüpfungspunkt für die Steuerbefreiung ist vielmehr die Art der Einnahmen - Entschädigung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts-, auch wenn sich die Befreiungsvorschrift erst bei der Besteuerung einer bestimmten Person auswirkt. Sonstige Gesichtspunkte, die für eine Erfassung der Entschädigung bei der Gewerbesteuer sprechen, sind nicht ersichtlich. Es erscheint vielmehr sinnvoll, den Zweck des Bundesentschädigungsgesetzes, Unrecht wiedergutzumachen, nicht dadurch teilweise in Frage zu stellen, daß ein Teil der aus Steuermitteln geleisteten Entschädigungen den Begünstigten auf dem Weg über die Gewerbesteuer wieder entzogen wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72693

BStBl II 1978, 267

BFHE 1978, 204

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