Leitsatz (amtlich)

Wer betriebliche Bareinnahmen und Barausgaben ohne Führung eines Kassenkontos unmittelbar über Privatkonto als Entnahmen und Einlagen bucht, kann die Vergünstigung des § 10a EStG mangels ordnungsmäßiger Buchführung nicht in Anspruch nehmen.

 

Normenkette

EStG § 10a

 

Tatbestand

Nach der Feststellung des Betriebsprüfers hat der Steuerpflichtige als selbständiger Handelsvertreter in den Jahren 1962 und 1963 keine Geschäftskasse und kein Kassenkonto geführt. Alle baren Geschäftsvorfälle hat er als Entnahmen oder als Einlagen über das Privatkonto gebucht. In den Jahren 1962 und 1963 haben die Bareinnahmen 838 DM und 1 839 DM, die Barausgaben 7 805 DM und 10 847 DM betragen. Im Jahre 1962 hat der Steuerpflichtige ein aus Entnahmen gebildetes privates Sparkonto von 25 000 DM in das Betriebsvermögen eingelegt.

Für die Jahre 1962 und 1963 nahm der Steuerpflichtige die Steuerbegünstigung für nicht entnommenen Gewinn gemäß § 10a EStG in Anspruch. Das FA, das die Vergünstigung für das Jahr 1962 zunächst gewährt hatte, versagte sie in der berichtigten Veranlagung, weil die Buchführung nicht ordnungsmäßig sei. Desgleichen gewährte es dem Steuerpflichtigen bei der erstmaligen Veranlagung für 1963 die Vergünstigung nicht.

Die Klage blieb erfolglos. Eine ordnungsmäßige Buchführung, so führt das FG aus, setze vor allem auch eine ordnungsmäßige Kassenführung voraus. Der Steuerpflichtige habe weder eine Geschäftskasse noch ein Kassenbuch geführt, obwohl sein Barverkehr nicht unerheblich gewesen sei. Die Buchführung verletze auch den Grundsatz der Wahrheit und Klarheit, weil sie die Geschäftsvorfälle nicht nach ihrem wirklichen Ablauf widerspiegele und sei deshalb nicht ordnungsmäßig. Ob sich der Steuerpflichtige bei der Einrichtung der Buchführung auf die Auskunft einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verlassen habe, sei unerheblich. Was die Einlage des Sparkontos angehe, so sei nach den Grundsätzen der Entscheidung des BFH VI 10/60 S vom 15. Juli 1960 (BFH 71, 625, BStBl III 1960, 484) erheblich, ob das Wirtschaftsgut bestimmt oder geeignet sei, dem Betrieb zu dienen. Einem privaten Sparguthaben fehle aber diese Betriebsbezogenheit, wenn im Betrieb das Geld nicht benötigt werde. Der Steuerpflichtige habe nicht ausreichend dargelegt, daß vernünftige wirtschaftliche Gründe ihn veranlaßt hatten, das Sparguthaben, nachdem er die Sparmittel zunächst dem Betriebsvermögen entnommen hatte, wieder in das Betriebsvermögen einzulegen.

Mit seiner Revision rügt der Steuerpflichtige unrichtige Anwendung des § 10a EStG. Er macht geltend, es treffe nicht zu, daß eine Buchführung ohne Kassenkonto und ohne Kassenführung ohne weiteres nicht ordnungsmäßig sei. Seine Buchführung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Wahrheit und Klarheit. Durch die Einschaltung eines Kassenkontos würde sogar die Fiktion eines Barverkehrs erzeugt worden sein. Steuerlich habe eine ordnungsmäßige Buchführung den Zweck, das Betriebsergebnis richtig auszuweisen, das sei bei ihm der Fall. Das Sparguthaben habe er in den Betrieb eingelegt, um nachfolgende Investitionen finanzieren zu können; außerdem habe er einen betrieblichen Kraftwagen anschaffen wollen. Die Einlage sei also nicht willkürlich gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Ob die Einbuchung des Sparguthabens als Einlage anzuerkennen ist, kann dahingestellt bleiben; denn jedenfalls konnte das FG die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ohne Rechtsverstoß verneinen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Führung eines Kassenbuchs und einer Geschäftskasse eine wesentliche Voraussetzung einer ordnungsmäßigen Buchführung. Im Urteil des Senats VI 245/65 vom 14. Dezember 1966 (BFH 87, 616, BStBl III 1967, 247) wird bemerkt, daß "die einwandfreie Kassenführung ein wesentlicher Teil einer kaufmännischen Buchführung ist". Das Fehlen von Kassenaufzeichnungen ist zwar nicht immer und ausnahmslos schädlich, z. B. dann nicht, wenn der bare Zahlungsverkehr keine ins Gewicht fallende Rolle spielt. Bei dem Umfang, den die baren Ausgaben im Streitfall hatten, konnte das FG aber annehmen, daß hier kein derartiger Ausnahmefall gegeben sei.

Der Steuerpflichtige meint, seine Buchführung widerspreche nicht den Tatsachen, sondern gebe sie zutreffend wieder. Dem ist nicht beizustimmen. Daß der Steuerpflichtige betriebliche Bareinnahmen und Barausgaben gehabt hat, steht fest. Der Grundsatz der Wahrheit und Klarheit erfordert, daß alle Vorgänge im betrieblichen Bereich in der Buchführung als solche dargestellt werden. Dieser Grundsatz ist nicht gewahrt, wenn die Vorgänge als auch den privaten Bereich berührend dargestellt werden, indem betriebliche Einnahmen sofort als Entnahmen und betriebliche Ausgaben sofort als Einlagen gebucht werden.

Dem Steuerpflichtigen mag zugegeben werden, daß er durch die Form seiner Buchführung den Gewinn im sachlichen Ergebnis zutreffend ermittelt hat. Das ist aber, wenn es um die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit einer Buchführung geht, nicht allein entscheidend. Eine ordnungsmäßige Buchführung ist auch an bestimmte formale Mindesterfordernisse gebunden, die vor allem sicherstellen sollen, daß alle Vorgänge vollständig, sachlich richtig und zeitgerecht verbucht und belegt sind und ein Sachverständiger schnell und zuverlässig diese Merkmale kontrollieren kann.

Ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, zeichnet lediglich seine betrieblichen Ausgaben und Einnahmen auf. Die Festhaltung eines Guthabens oder Barbestandes und die Aufzeichnung von Einlagen und Entnahmen erübrigt sich, weil es allein auf die betrieblichen Einnahmen und Ausgaben ankommt. Ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelt, muß in seiner Buchführung alle betrieblichen Vorgänge als solche und auch die sich unter Berücksichtigung der Einnahmen und Ausgaben ergebenden Bestände an Guthaben (Bank, Postscheck) und an Bargeld ausweisen. Die Führung einer Kasse ist ein unabdingbarer Teil einer solchen Buchführung, vor allem auch, weil die Kassenführung eine wichtige Kontrollfunktion erfüllt.

Für den Steuerpflichtigen mag seine Art der Verbuchung einfacher und bequemer gewesen sein, wenngleich nicht einzusehen ist, warum die Führung einer Kladde, in der der Steuerpflichtige während seiner Reisen die Geschäftsvorfälle fortlaufend der Zeit nach festhält und nach der Rückkehr in seine Geschäftsbücher überträgt, unzumutbar sein sollte. Auf jeden Fall ist es aber für eine ordnungsmäßige Buchführung im Sinne von §§ 4 Abs. 1 und 5 EStG nicht möglich, für die Aufzeichnung der baren betrieblichen Einnahmen und Ausgaben den für die vereinfachte Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG vorgesehenen Weg einzuschlagen, wenn man die Vergünstigung für nichtentnommenen Gewinn im Sinne von § 10a EStG beanspruchen will und dementsprechend seinen Gewinn auf Grund einer ordnungsmäßigen Buchführung nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermitteln muß. Wer die Vergünstigung für nichtentnommenen Gewinn beansprucht, muß das gesetzliche Erfordernis einer ordnungsmäßigen Buchführung auch formal erfüllen. Auf die klare Scheidung betrieblicher Einnahmen und Ausgaben einerseits und der Entnahmen und Einlagen andererseits kann man insbesondere nicht verzichten, wenn es um die Vergünstigung für nichtentnommenen Gewinn geht, weil dort die klare Trennung von betrieblichen und privaten Einnahmen und Ausgaben ausschlaggebend ist (Urteil des Senats VI 29/62 U vom 13. Dezember 1963, BFH 78, 481, BStBl III 1964, 185; Littmann, Das Einkommensteuer-Recht 8. Aufl. Anm. 21 zu § 10a EStG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 67951

BStBl II 1968, 341

BFHE 1968, 361

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