Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerblicher Grundstückshandel; keine rückwirkende Einbeziehung von früheren Veräußerungen im Rahmen der Vermögensverwaltung

 

Leitsatz (NV)

1. Wird ein Mietwohngrundstück 20 Jahre nach Anschaffung in 8 Eigentumswohnungen aufgeteilt und werden diese veräußert, so handelt es sich grundsätzlich um Akte der Vermögensverwaltung. Es besteht keine Vermutung einer Anschaffung in zumindest bedingter Veräußerungsabsicht, durch die eine rechtliche Zuordnung zum Bild des "marktmäßigen Umschlags" ermöglicht würde.

2. Dem "Bild des Gewerbebetriebes" können nur diejenigen "maßgebenden Tätigkeiten (Ankauf, Bebauung, Verkauf)" zugeordnet werden, die in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen.

3. In die rechtliche gebotene Gesamtschau aller Aktivitäten auf dem Grundstücksmarkt können solche Verkäufe nicht einbezogen werden, bei denen bereits feststeht, daß sie für sich gesehen nicht Gegenstand eines gewerblichen Grundstückhandels sind.

4. Der steuerrechtliche neutrale Verkauf von Eigentumswohnungen aus einem größeren zur Vermietung errichteten Gebäude wird nicht dadurch rückwirkend im steuerrechtlichen Sinne gewerblich, daß der Verkäufer zwei Jahre später "in ganz anderem Zusammenhang" einen gewerblichen Grundstückshandel aufnimmt (vgl. BFH- Urteil vom 22. Mai 1987 III R 212/83, BFH/NV 1987, 717).

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Architekt. Er hat u. a. folgende Grundstücke erworben, teilweise bebaut oder modernisiert und veräußert:

Objekt Anschaffung Bebauung Aufteilung in ETW Verkauf

1. A-Weg 1961 1962/1963 31. 3. bzw. 30. 6. 1983 8 ETW 1. 9. 1983

an D-GmbH

2. B 1964 1966/1967 1978: 1 EFH

16 Einfamilienhäuser 1979: 1 EFH

1980: 3 EFH

1983: 2 EFH

1984: 1 EFH

1987: 1 EFH

3. C-Weg 1980 (nach 1985: 9 ETW

14 ETW umfangreichen 1986: 1 ETW

Modernisierungen) 1988: 1 ETW

1989: 1 ETW

Das Grundstück in ... , A-Weg, war mit einem 20jährigen Belegungsrecht zugunsten der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) belastet, das am 30. Juni 1983 ausgelaufen war. Im unmittelbaren zeitlichen Anschluß hieran teilte der Kläger das Gebäude in Eigentumswohnungen auf und veräußerte diese an die D GmbH.

Der Kläger erklärte aus den Objekten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und behandelte sämtliche Veräußerungen als Vorgänge der privaten Vermögensverwaltung.

Nach einer Außenprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Betätigung des Klägers auf dem Immobilienmarkt -- ausgenommen den Erwerb und die Veräußerung der Einfamilienhäuser in B -- als gewerblichen Grundstückshandel an und erließ Gewerbesteuer- Meßbescheide für die Streitjahre 1983 und 1985.

Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Verkauf des "aus 10 Eigentumswohnungen bestehenden Objektes" in ... , A-Weg, "in Verbindung mit der Veräußerung der Eigentumswohnungen C-Weg" sei eine gewerbliche Betätigung. Der Kläger habe eine selbständige Tätigkeit ausgeübt, indem er auf eigene Rechnung die Eigentumswohnungen entweder "durch Aufteilung errichtet oder umfangreich modernisiert und wieder verkauft" habe. "Dabei" habe der Kläger mit der "mindestens bedingten Absicht gehandelt, bei einer eventuellen späteren Ver äußerung einzelner oder aller Wohnungen Gewinn zu erzielen". Dafür spreche die Tatsache, daß das Objekt A-Weg vor dem Verkauf in Eigentumswohnungen aufgeteilt worden sei, da einzelne Eigentumswohnungen sich besser vermarkten ließen als ein einziges Gesamtobjekt mit 10 Wohnungen. Zwar habe sich der Verkauf des Objektes A- Weg in einem Akt vollzogen. Indes sei der Vorgang "aus einer Gesamtschau der Ereignisse"zu würdigen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß die Eigentumswohnungen unmittelbar nach Ablauf des Belegungsrechts der Bundesrepublik veräußert worden seien. Der Verkauf von insgesamt 10 Wohnungen im Jahre 1983 sowie der weiteren Wohnungen im Jahre 1985 sei somit nachhaltig gewesen. Eine Minderung des Gewinns um den ausgefallenen Kaufpreisanteil beim Objekt A-Weg scheide aus.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts und das Unterlassen einer Beweiserhebung. Die Wohnungen des Objekts A-Weg seien von ihm ohne vorherige Modernisierung in Eigentumswohnungen umgewandelt und "in einem Block an einen Käufer" veräußert worden. Er habe sich in den Jahren 1961/1963 eine Vermögensanlage mit langfristiger Vermietung geschaffen. Die bloße Aufteilung eines Mietwohngrundstücks in Eigentumswohnungen und deren Verkauf gehörten mangels zusätzlicher Baumaßnahmen zur nichtsteuerbaren Vermögensverwaltung. Zwischen den Grundstücksgeschäften betreffend die Objekte A-Weg und C-Weg bestehe kein sachlicher Zusammenhang. Es gehe nicht an, aus dem Verkauf von neun Eigentumswohnungen im Jahre 1985 rückbeziehend an eine Veräußerungsabsicht hinsichtlich eines in den Jahren 1961 bis 1963 angeschafften Objekts zu schließen.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil und die Gewerbesteuer-Meßbescheide für 1983 und 1985 vom 12. August 1988 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat es für zweckmäßig erachtet, den Rechtsstreit betreffend den Gewerbesteuer-Meßbetrag 1985 zur gesonderten Entscheidung abzutrennen (§ 73 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 121 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Hinsichtlich des Streitjahres 1983 ist die Revision begründet.

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen i. S. des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Die Tätigkeit muß die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllen und darf sich nach den Umständen des Einzelfalls nicht als private Vermögensverwaltung darstellen. Die Absicht, gewerbliche Gewinne zu erzielen, muß durch eine Tätigkeit verfolgt werden, die nach allgemeiner Auffassung als unternehmerisch gewertet wird (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. Januar 1972 GrS 10/70, BFHE 106, 84, BStBl II 1972, 700, unter 2.). Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und der nicht steuerbaren Sphäre ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C. I.).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wird die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb überschritten, wenn die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt (Beschluß in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C. I.).

2. Auf dieser Rechtsgrundlage hat sich zur einkommen- und gewerbesteuerrechtlichen Beurteilung des gewerblichen Grundstückshandels eine umfangreiche Judikatur entwickelt. Hiernach erzielt ein Steuerpflichtiger durch den An- und Verkauf von nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Grundstücken -- unter weiteren Voraussetzungen -- Einkünfte aus Gewerbebetrieb u. a. dann, wenn er unbebaute oder bebaute Grundstücke, die er in zumindest bedingter Veräußerungsabsicht erworben hat, in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang hiermit -- "wie ein Grundstückshändler" -- wieder veräußert.

Nach Auffassung des Großen Senats des BFH haben die von der Rechtsprechung entwickelten Beweisanzeichen für das Vorliegen eines Gewerbebetriebs -- Zahl der Objekte und der zeitliche Abstand der maßgebenden Tätigkeiten (Anschaffung, Bebauung und Verkauf) -- für die Beurteilung am Maßstab des § 15 Abs. 1 EStG eine indizielle Bedeutung. Sie dienen dem Zweck, eine die Gleichheit der Rechtsanwendung gewährleistende Zuordnung zum "Bild des Gewerbebetriebs" -- Handel mit Grund stücken durch marktmäßigen Umschlag erheblicher Sachwerte sowie die Bauunternehmung -- bzw. zur privaten Vermögensverwaltung zu ermöglichen. Eine nichtsteuerbare Vermögensverwaltung ist im Regelfall dann anzunehmen, wenn nicht mehr als drei zu einem Privatvermögen gehörende Wohneinheiten angeschafft und veräußert werden. Nur diejenigen Grundstücksgeschäfte sind als gewerblich zu beurteilen, die in einem solchen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen, daß der Schluß auf einen einheitlichen gewerblichen Betätigungswillen möglich ist (Beschluß in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C. II. 2.).

Die hiernach die Steuerbarkeit gemäß § 2 GewStG, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 15 EStG begründenden einzelnen Grundstücksgeschäfte brauchen nach Art und Durchführung nicht miteinander vergleichbar zu sein; es genügt, daß sie dem Grundstückshandel zuzuordnen sind. Der erforderliche sachliche Zusammenhang (vgl. BFH-Urteil vom 22. Mai 1987 III R 212/83, BFH/NV 1987, 717, 719) zwischen den einzelnen Geschäften wird durch die einen Gewerbebetrieb kennzeichnenden Merkmale hergestellt (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1992 VIII R 9/90, BFH/NV 1993, 656, unter 2. a).

3. Das FG hat die vorstehend dargelegten Grundsätze rechtsfehlerhaft angewendet.

Es ist rechtsirrtümlich davon ausgegangen, daß "spätestens mit der Veräußerung der Objekte A-Weg und C-Weg" die Voraussetzungen für die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels erfüllt seien; "der Verkauf des ... Objekts A-Weg in Verbindung mit der Veräußerung der ETW C- Weg" erfülle die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs. Dabei hat es verkannt, daß nicht Veräußerungen als solche, auch wenn Objekte in großer Zahl verkauft werden, den gewerblichen Grundstückshandel begründen, daß sich vielmehr die Zuordnung zum "Bild des Gewerbebetriebs" stets entweder aus dem marktmäßigen Umschlag erheblicher Sachwerte oder aus der gewerblichen Wertschöpfung nach Art eines Bauunternehmens bzw. Bauträgers ergibt (vgl. zum letzteren Senatsurteil vom 24. Januar 1996 X R 255/93, BFHE 180, 51, BStBl II 1996, 303). Für Zwecke dieser Zuordnung müssen die "maßgebenden Tätigkeiten (Ankauf, Bebauung, Verkauf)" in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen.

Aus diesem Grunde ist die das Grundstück A-Weg betreffende Aussage des FG unzutreffend, der Kläger habe "auf eigene Rechnung die Eigentumswohnungen ... durch Aufteilung errichtet ... und wieder verkauft". Es ist auch unerheblich, ob der Kläger "dabei" in der zumindest bedingten Absicht gehandelt hat, "bei einer eventuellen späteren Veräußerung einzelner oder aller Wohnungen Gewinn zu erzielen". Denn die Aufteilung eines Mietwohngrundstücks in Wohnungseigentum ist für sich gesehen weder dem Ankauf noch der Errichtung eines Gebäudes rechtlich gleichzustellen; dies auch nicht unter dem vom FG hervorgehobenen Gesichtspunkt, daß die Eigentumswohnungen marktgängiger sind als das unaufgeteilte Gesamtobjekt. Ist der Steuerpflichtige wesentlich länger als 10 Jahre Eigentümer eines Grundstücks, sind dessen Aufteilung und Veräußerung grundsätzlich Akte der Vermögensverwaltung. Auch wenn nicht generell alle Grundstücke außer Betracht bleiben, die der Steuerpflichtige länger als 10 Jahre im Eigentum hatte (BFH-Urteil vom 17. Februar 1993 X R 108/90, BFH/NV 1994, 84) und letztere zeitliche Grenze nicht starr zu handhaben ist (BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 84), muß bei einem zeitlichen Abstand von 20 Jahren zwischen Anschaffung und Veräußerung ein sachlicher Zusammenhang verneint werden. Unter dieser Voraussetzung besteht keine Vermutung einer Anschaffung in zumindest bedingter Veräußerungsabsicht, durch die eine rechtliche Zuordnung zum Bild des "marktmäßigen Umschlags" ermöglicht wird. Die Aufteilung in Wohn- bzw. Teileigentum als -- vorletzter -- Akt der Vermögensverwaltung vor der Veräußerung hat als solche mangels sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs der maßgeblichen Rechtsvorgänge (Anschaffung und Ver äußerung) untereinander keine Indizwirkung.

Hatte der Kläger das Grundstück A-Weg im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung gehalten und veräußert, ergibt sich die Gewerblichkeit der Aufteilung und Veräußerung entgegen der Auffassung des FG auch nicht "in Verbindung mit der Veräußerung der Eigentumswohnungen C-Weg". Folgt die Einordnung des Grundstückshandels als gewerblich aus einem "planmäßigen Zusammenhang der An- und Verkäufe" (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juli 1991 III R 47/88, BFHE 165, 498, 502, BStBl II 1992, 143), können in die hiernach erforderliche Gesamtschau aller Aktivitäten auf dem Grundstücksmarkt solche Verkäufe nicht einbezogen werden, bei denen bereits feststeht, daß sie für sich gesehen nicht Gegenstand eines gewerblichen Grundstückshandels sind. Aus diesem Grunde hat der BFH mit Urteil vom 22. Mai 1987 III R 212/83 (BFH/NV 1987, 717, unter 2.) entschieden, daß der steuerrechtlich neutrale Verkauf von Eigentumswohnungen aus einem größeren zur Vermietung errichteten Gebäude nicht dadurch rückwirkend im steuerrechtlichen Sinne gewerblich wird, daß der Verkäufer zwei Jahre später "in ganz anderem Zusammenhang" einen gewerblichen Grundstückshandel aufnimmt; es gibt keine "Rückwirkung" einer später begründeten gewerblichen Tätigkeit. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an.

War die Veräußerung der Eigentumswohnungen A-Weg nicht gewerblich, kommt es auf die Frage, ob und aus welchen Gründen der Kläger die Kaufpreisforderung nicht in vollem Umfang realisieren konnte, und auf die in diesem Zusammenhang vom Kläger erhobene Verfahrensrüge nicht an.

4. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist und sich sein Urteil auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist, waren die Vorentscheidung und die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421994

BFH/NV 1997, 396

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge