Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwischenvermietung von Sozialwohnungen

 

Leitsatz (NV)

Der Senat hält daran fest, daß eine in die Vermietung von Sozialwohnungen eingeschaltete Verwaltungsgesellschaft wegen der persönlichen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen des Verfügungsberechtigten zur Gebrauchsüberlassung der Wohnungen an wohnberechtigte Personen nur die Rechtsstellung eines weisungsgebundenen Beauftragten erlangt (Urteile in BFHE 140, 379, BStBl II 1984, 400 und in BFHE 140, 387, BStBl II 1984, 404). Da der Verwaltungsgesellschaft die Wohnungen nichtsteuerbar überlassen werden, liegen die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Steuerbefreiung der Umsätze aus der Vermietung nicht vor.

 

Normenkette

UStG 1973 § 4 Nr. 12, § 9 S. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 15a

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 25.09.1987; Aktenzeichen 1 BvR 274/87)

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Grundstücksgemeinschaft, hatte 1974 ein Gebäude mit Sozialwohnungen errichtet und an eine Wohnungsverwaltungsgesellschaft mit dem Recht der Untervermietung vermietet. Diese vermietete die Wohnungen im eigenen Namen an Endmieter. Die Klägerin verzichtete 1975 auf die Steuerfreiheit der Mietumsätze an die Wohnungsverwaltungsgesellschaft und begehrte den Abzug der ihr bei der Hauserrichtung in Rechnung gestellten USt als Vorsteuerbeträge. Dies lehnte das FA ab. Das FG gab der gegen den USt-Bescheid 1975 gerichteten Klage überwiegend statt und ließ 9/10 der im Jahre 1974 angefallenen Vorsteuer zum Abzug zu. Die Revision des FA hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Das FG hat zu Unrecht angenommen, daß die Voraussetzungen für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 15 a UStG 1973) nach dem Verzicht der Klägerin auf die Steuerfreiheit der Mietumsätze gegenüber der Wohnungsverwaltungsgesellschaft vorgelegen haben. Der Verzicht (§ 9 Satz 1 UStG 1973) hatte keine Wirkung, weil über die Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin die gegenüber den Endmietern ausgeführten Vermietungsumsätze entscheiden.

1. Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 a UStG 1973 kommt in Betracht, wenn sich bei einem Wirtschaftsgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb des Berichtigungszeitraums ändern. War eine Steuer gemäß § 15 Abs. 2 UStG 1973 - wie im Streitfall - vom Vorsteuerabzug im Veranlagungszeitraum 1974 ausgeschlossen, weil die bezogenen Leistungen erstmalig zur Ausführung steuerfreier Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 12 UStG 1973 verwendet worden waren, setzt eine Vorsteuerberichtigung nach § 15 a UStG 1973 im Streitjahr 1975 voraus, daß in diesem Veranlagungszeitraum eine steuerpflichtige Verwendung des Leistungsbezugs gegeben ist. Zur Beurteilung der Frage, ob bezogene Leistungen zur Ausführung steuerfreier oder steuerpflichtiger Umsätze verwendet worden sind, und zur Auslegung des § 15 Abs. 1 und 2 UStG 1973 in diesem Punkt hat der Senat im Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75 (BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388) ausgeführt, § 15 UStG 1973 werde vom Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung der Leistungsbezüge und der mit ihrer Hilfe ausgeführten Umsätze beherrscht. Dieses Zuordnungsprinzip sei auch dann anzuwenden, wenn der Unternehmer den über den Vorsteuerabzug entscheidenden Umsatz nicht selbst ausführe, sondern durch eine andere Person (Mittelsperson) mit Hilfe der ihr zur Verfügung gestellten Leistungsbezüge ausführen lasse und ihm das wirtschaftliche Ergebnis des auf diese Weise auf die Mittelsperson verlagerten Umsatzes zufließe.

Zum Bereich der sogenannten Zwischenvermietungen hat der erkennende Senat entschieden, bei Errichtung von Gebäuden richte sich die Abziehbarkeit der in diesem Zusammenhang beim Eigentümer angefallenen Vorsteuerbeträge bei Einschaltung einer Mittelsperson in den Vermietungsvorgang danach, ob die (im eigenen Namen auftretende) Mittelsperson steuerpflichtige oder (zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führende) steuerfreie Vermietungsumsätze bewirke. Hierauf komme es nämlich an, wenn zwischen Eigentümer und Mittelsperson kein Mietverhältnis (mit steuerpflichtigen Mietumsätzen des Eigentümers), sondern ein Geschäftsbesorgungsverhältnis bestehe.

2. Der Senat hat des weiteren hinsichtlich der hier zu beurteilenden Zwischenvermietung von sog. Sozialwohnungen in den Urteilen in BFHE 140, 379, BStBl II 1984, 400 und in BFHE 140, 387, BStBl II 1984, 404 ausgeführt, das Verhältnis zwischen dem Eigentümer (Verfügungsberechtigten) von mittels öffentlicher Mittel geförderten Wohnungen (Sozialwohnungen) und einer Mittelsperson, die zur (Unter-)Vermietung im eigenen Namen eingeschaltet wird, könne umsatzsteuerrechtlich nur als Geschäftsbesorgung beurteilt werden. Er hat dies gefolgert aus dem Zusammenhang der Regelungen des Wohnungsbindungsgesetzes 1965 über die Zweckbindung (§§ 4 ff.), die Preisbindung (Kostenmiete, §§ 8 ff.) und die Sanktionen der §§ 25 und 26. Durch die Gewährung öffentlicher Mittel werde zwischen der darlehensgebenden Stelle der öffentlichen Hand und dem Darlehensnehmer ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis begründet, welches die Benutzung der geförderten Wohnungen ordne. Der Verfügungsberechtigte könne sich seiner persönlichen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung der Wohnungen an wohnberechtigte Personen nicht entziehen. Wegen der damit verbundenen zivilrechtlichen Wirkungen (Begründung eines Mietverhältnisses in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen) könnten einem vom Verfügungsberechtigten in die Vermietung eingeschalteten Dritten keine Rechte eingeräumt werden, die über die Rechte eines weisungsgebundenen Beauftragten hinausgingen.

Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.

3. Die Angriffe der Klägerin gegen die Rechtsprechung des Senats rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Unzutreffend ist der Einwand der Klägerin, bei der Entscheidung über die Versagung des Vorsteuerabzugs im Fall der Zwischenvermietung von Sozialwohnungen sei das Umsatzsteuerrecht an den Rand gedrängt worden. Der Senat hat das Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer von Sozialwohnungen und der zur Untervermietung eingeschalteten Mittelsperson umsatzsteuerrechtlich nach seinem wirklichen Gehalt beurteilt. Um diesen zu bestimmen, war zu prüfen, welche Rechte der durch das Wohnungsbindungsgesetz in seiner Verfügung über Sozialwohnungen beschränkte Eigentümer der Mittelsperson einräumen konnte.

Die Festsetzung der Umsatzsteuer ohne den begehrten Vorsteuerabzug verletzt auch keine Grundrechte der Klägerin. Auf Art. 3 Abs. 1 GG kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen, weil die Vorschrift keinen Anspruch auf Gleichstellung mit Steuerpflichtigen gewährt, die den Vorsteuerabzug unter vergleichbaren Umständen zu Unrecht erhalten haben (vgl. BFH-Urteil vom 15. Januar 1986 II R 141/83, BFHE 145, 453, BStBl II 1986, 418, m.w.N.). Die Versagung des Vorsteuerabzugs für den Eigentümer von Sozialwohnungen wirkt sich auch nur auf sein von Art. 14 Abs. 1 GG gegen eine Steuerfestsetzung grundsätzlich nicht geschütztes Vermögen aus. Die Steuerfestsetzung stellt keinen betriebsbezogenen Eingriff gegen die Klägerin als Eigentümerin eines Unternehmens dar, sondern knüpft an die Ausübung ihrer Tätigkeit an. Die steuergesetzlich auferlegte Geldleistungspflicht berührt den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG nicht, solange davon keine erdrosselnde Wirkung ausgeht (vgl. dazu Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 17. Juli 1974 1 BvR 51, 160, 285/69, 1 BvL 16, 18, 26/72, BVerfGE 38, 61, 102).

Das FA hat auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, indem es die Umsatzsteuer für 1975 ohne den begehrten Vorsteuerabzug festgesetzt hat. Ausnahmsweise kann die Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung nach dem die gesamte Rechtsordnung herrschenden Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet sein, von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Besteuerungsgrundlagen zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1983 IV R 36/79, BFHE 138, 223, BStBl II 1983, 459, m.w.N.). Das ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige einen Vertrauensschutz für die steuerliche Beurteilung seines von ihm verwirklichten Sachverhalts aufgrund eines bestimmten behördlichen Verhaltens, z.B. einer Zusage, beanspruchen kann (vgl. BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520, m.w.N.). Ob die in dem erwähnten Erlaß des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. November 1975 enthaltenen Regelungen über die Zwischenvermietung von Sozialwohnungen die Finanzbehörden im Rahmen der Steuerfestsetzung gegenüber der Klägerin nach Treu und Glauben binden konnten, braucht nicht entschieden zu werden. Die Klägerin hat den Vertrag über die Überlassung ihrer Sozialwohnungen mit der Wohnungsverwaltungsgesellschaft schon im Oktober 1975 geschlossen, als eine derartige Regelung noch nicht vorhanden war und keine Vertrauensgrundlage bilden konnte.

4. Die Klägerin kann sich unabhängig von einem nach Treu und Glauben zu beachtenden Vertrauensschutz im Verfahren über die Steuerfestsetzung auch nicht mit Erfolg auf finanzbehördliche Regelungen berufen, in denen dem Bauherrn von öffentlich geförderten Wohnungen bei Einschaltung von Zwischenmietverhältnissen der Vorsteuerabzug unter den gleichen Voraussetzungen gewährt werden soll wie dem Bauherrn im freien Wohnungsbau (vgl. z.B. Erlaß des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 15. November 1982, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1983, 200; Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD - Köln vom 3. Oktober 1984, Der Betrieb - DB - 1984, 2578, m.w.N. auf frühere nichtveröffentlichte Regelungen; Verfügung der OFD Köln vom 7. März 1985, UR 1985, 143). Es handelt sich um abstrakt generelle Regelungen für Finanzbehörden, die sie verpflichten, ihr Ermessen bei der Beurteilung, ob Besteuerungsgrundlagen aus Billigkeitsgründen abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen festzusetzen sind, einheitlich im Sinne der getroffenen Regelung auszuüben. Die Finanzbehörde trifft die Ermessensentscheidung aufgrund der Verwaltungsvorschrift durch einen gegenüber der Steuerfestsetzung rechtlich selbständigen Verwaltungsakt. Die rechtliche Selbständigkeit bleibt erhalten, auch wenn die Ermessensentscheidung aus Billigkeitsgründen mit der Entscheidung über die Steuerfestsetzung - was zulässig ist (§ 163 Abs. 1 Satz 3 AO 1977) - verbunden wird. Die Billigkeitsentscheidung aufgrund von § 163 AO 1977 ist mit der Beschwerde (§ 349 AO 1977) angreifbar und von den FG nur nach Maßgabe des § 102 FGO überprüfbar.

Seit dem Inkrafttreten der AO 1977 am 1. Januar 1977 ist es den FG im Hinblick auf die Trennung von Veranlagungs- und Billigkeitsverfahren (§ 163 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 und § 348 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977) verwehrt, in einer gegen den Steuerbescheid gerichteten Klage oder einem sich anschließenden Revisionsverfahren allgemeine Billigkeitsanweisungen der Verwaltung bei der Steuerfestsetzung mit zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 28. November 1980 VI R 226/77, BFHE 132, 264, BStBl II 1981, 319; vom 12. Juni 1986 V R 75/78, BFHE 146, 569, BStBl II 1986, 721, m.w.N.). Das gilt auch für den Fall, in dem nur eine bestimmte Entscheidung der Billigkeit entspricht (Urteil in BFHE 132, 264, BStBl II 1981, 319, m.w.N.).

Da die Entscheidung des FG auf abweichenden rechtlichen Erwägungen beruht, war sie aufzuheben.

5. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage war abzuweisen.

Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15 a UStG 1973 kommt im Streitjahr nicht in Betracht.

Die bei der Klägerin aus Anlaß der Gebäudeerrichtung angefallenen Umsatzsteuern sind keine nach § 15 Abs. 1 UStG 1973 abziehbaren Vorsteuerbeträge. Dem Abzugsbegehren der Klägerin steht entgegen, daß - auch im Jahre 1975 - die Verwendung der errichteten Räumlichkeiten durch eine nach § 4 Nr. 12 UStG 1973 steuerfreie Vermietung erfolgte. Da die Errichtung der Wohnungen mit öffentlichen Mitteln gefördert worden war, konnte die Klägerin der Verwaltungsgesellschaft nach den Vorschriften des Wohnungsbindungsgesetzes keine Rechte einräumen, die über die Rechte eines weisungsgebundenen Beauftragten hinausgehen.

Dami sind für den Ausschluß der bei der Klägerin anfallenden Vorsteuerbeträge die von der eingeschalteten Verwaltungsgesellschaft bewirkten steuerfreien Vermietungsumsätze maßgebend. Der Senat nimmt wegen der Einzelheiten der Begründung auf die erwähnten Urteile in BFHE 140, 379, BStBl II 1984, 400 und in BFHE 140, 387, BStBl II 1984, 404 Bezug.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414914

BFH/NV 1987, 402

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