Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat tritt der Rechtsauffassung des RFH in der Entscheidung VI 704/39 vom 10. Januar 1940, Slg. Bd. 48 S. 95, RStBl 1940 S. 134, bei, daß es für die Gewerbesteuer einer von der Einkommensteuerveranlagung unabhängigen Gewinnermittlung bedarf, die den besonderen Bestimmungen des Gewerbesteuerrechts Rechnung trägt.

Bei der Errechnung des Gewerbeertrags einer OHG können keine Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen der Gesellschaft gegenüber Gesellschafter-Geschäftsführern zu Lasten des Ertrages gebildet werden.

 

Normenkette

GewStG § 7; GewStDV § 10; GewStR Abschn. 39-40; EStG § 15 Nr. 2; AO § 215

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist eine offene Handelsgesellschaft. Sie besteht aus zwei Gesellschaftern, die mit 80 % und mit 20 % am Kapital beteiligt sind. Beide Gesellschafter sind vertretungsberechtigte Geschäftsführer. Im Jahre 1953 gab die Bfin. dem mit 20 % beteiligten Gesellschafter ein Versorgungsversprechen, das eine Altersrente ab dem 65. Lebensjahr, eine Invalidenrente und eine Witwen- und Waisenrente umfaßt. Die Altersrente soll monatlich 500 DM betragen. Wegen dieser Pensionszusage bildete die Bfin. in 1953 entsprechend dem Ergebnis eines versicherungsmathematischen Gutachtens eine Rückstellung in Höhe von 23.846,40 DM. Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung rechnete das Finanzamt übereinstimmend mit der Bfin. dem Bilanzgewinn von 106.477,75 DM den Teil der Rückstellung zu, der den Kapitalanteil des aus dem Pensionsversprechen berechtigten Gesellschafters belastet (4.769,30 DM) und gelangte damit zu einem Gewinn aus Gewerbebetrieb von 111.246 DM. Bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages rechnete das Finanzamt unter Abweichung von der einkommensteuerlichen Gewinnfeststellung bei der Ermittlung des Gewerbeertrages die Pensionsrückstellung in voller Höhe dem Gewinn hinzu und ging demgemäß von einem Gewinn aus Gewerbebetrieb von 130.324 DM aus. Das Finanzamt war der Ansicht, daß die Grundsätze der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 750/39 vom 13. März 1940 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1940 S. 474) bei der Gewerbesteuer, die eine Sachsteuer sei, nicht angewandt werden könnten. Die Berufung war ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte im einzelnen folgendes aus:

Nach § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) sei zur Errechnung des Gewerbeertrages von dem Gewinn aus dem Gewerbebetrieb auszugehen, der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu ermitteln sei. Dazu bestimme § 17 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV), daß als Gewinn der Gewinn im Sinne der §§ 4 bis 7 d EStG gelte. Das bedeute nicht, daß der Gewerbeertrag nicht grundsätzlich selbständig zu ermitteln sei. Es sie vielmehr in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs der Grundsatz anerkannt, daß die Vorschriften des EStG, die mit dem Charakter der Gewerbesteuer als Sachsteuer nicht zu vereinbaren seien, bei der Ermittlung des Gewinnes für die Zwecke der Gewerbesteuer nicht angewendet werden dürften (siehe hierzu die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 99/52 U vom 10. Oktober 1952, Slg. Bd. 57 S. 236, Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 III S. 94, und I 30/54 U vom 7. Mai 1954, Slg. Bd. 59 S. 113, BStBl 1954 III S. 252). Nach der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 704/39 vom 10. Januar 1940, Slg. Bd. 48 S. 95, RStBl 1940 S. 134, liege das Wesen der Gewerbesteuer im Gegensatz zur Einkommensteuer in der Erfassung eines Betriebes als solchen, losgelöst von der Person des Unternehmers. Die an sich zu erstrebende Einheitlichkeit finde ihre Grenze in dem besonderen Wesen und den besonderen Zwecken der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer.

Das EStG behandle die Teilhaberschaft an der OHG als selbständigen Betrieb jedes einzelnen Gesellschafters. Die Bilanz der Gesellschaft bilde lediglich die Unterlage zu der für den einzelnen Gesellschafter besonders aufzustellenden Bilanz (sogenannte Bündeltheorie). Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung handle es sich nicht um die Feststellung des Gewinnes oder Verlustes der Gesellschaft als Einheit, sondern um die Feststellung der Einkünfte der einzelnen Gesellschafter aus dem Unternehmen. Der Reichsfinanzhof habe deshalb in seiner Entscheidung VI 704/39 vom 10. Januar 1940 gefordert, daß bei der Gewerbesteuerveranlagung stets zu prüfen sei, ob die Vorgänge, die bei dem einzelnen Gesellschafter zu einem Gewinn oder Verlust geführt hätten, die Gesellschaft selbst berührten. Hiervon ausgehend sei der Reichsfinanzhof in dem Urteil vom 13. März 1940 zu dem Ergebnis gelangt, daß die Pensionsverpflichtung, soweit sie nicht auf den Kapitalanteil des begünstigten Gesellschafter-Geschäftsführers entfalle, bei der Einkommensteuer als eine echte Fremdschuld des einzelnen durch sie belasteten Gesellschafters gegenüber dem Berechtigten anzusehen und demgemäß insoweit die Bildung einer Rückstellung zulässig sei. Einkommensteuerrechtlich sei die Pensionszusage genau so zu würdigen, als wenn sie einem Dritten, Nichtgesellschafter, erteilt worden wäre. Entsprechend der grundsätzlich anderen Betrachtungsweise im Gewerbesteuerrecht könnten diese Gedanken, wie bereits in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs vom 13. März 1940 angedeutet, bei der Ermittlung des dem Gewerbeertrag zugrunde zu legenden Gewinnes nicht Platz greifen.

§ 8 Ziff. 6 GewStG verlange für Kapitalgesellschaften, daß die den Gesellschaftern gewährten Vergütungen wieder zugerechnet würden. Diese Bestimmung behandle wohl nicht die Personengesellschaft. Es dürfe aber ihre innere Beziehung zu § 15 Abs. 2 EStG nicht übersehen werden, wie dies auch in dem Urteil des Reichsfinanzhofs I 125/41 vom 21. Oktober 1941, Slg. Bd. 51 S. 69, RStBl 1941 S. 867, ausgeführt werde. Das Urteil weise darauf hin, daß der an einer Kapitalgesellschaft wesentlich Beteiligte nach dem Gesetz ebenso als Unternehmer behandelt werden müsse wie der Gesellschafter einer Personengesellschaft. In dieser Ansicht des Reichsfinanzhofs komme zum Ausdruck, daß der dem § 8 Ziff. 6 GewStG zugrunde liegende gesetzgeberische Gedanke dem des § 15 Ziff. 2 EStG entspreche.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung des Rechtsproblems ergibt folgendes:

Die gewerbesteuerliche Behandlung von Pensionsrückstellungen für Gesellschafter-Geschäftsführer von offenen Handelsgesellschaften ist in der Literatur umstritten. Es liegen auch gegensätzliche Entscheidungen der Finanzgerichte vor. Siehe hierzu im einzelnen Kirmse "Zur Behandlung von Zuweisungen für Pensionsrückstellungen bei Kapital- und bei Personengesellschaften", Rechts- und Wirtschafts-Praxis-Blattei 14 Steuer-R D Gewerbesteuer II B 40b, sowie Entscheidungen der Finanzgerichte 1956 S. 139 und S. 212.

Ausgangspunkt der Betrachtung ist die zur Einkommensteuer ergangene Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 750/39 vom 13. März 1940. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Senat bei einer erneuten Würdigung des Rechtsproblems den vom Reichsfinanzhof in diesem Urteil ausgesprochenen Grundsätzen im vollem Umfang folgen würde. Wie bereits in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs zum Ausdruck kommt, können die Grundsätze auf die Gewerbesteuer nicht angewendet werden, da die Rechtslage hier andersartig ist. Wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, werden bei der einheitlichen Gewinnfeststellung die Einkünfte der einzelnen Gesellschafter aus dem Unternehmen rechtskräftig festgestellt, während bei der Gewerbesteuer der Ertrag des Unternehmens in seiner Gesamtheit ermittelt wird. Der Berechnung der Einkommensteuer liegt die sogenannte Bilanzbündeltheorie zugrunde. Es werden nach der Zahl der Gesellschafter aufgespaltene Sonderbilanzen angenommen, während im Gegensatz hierzu gemäß § 2 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG der Gewerbebetrieb, also das Unternehmen in seiner Gesamtheit, Steuergegenstand ist, wobei es für die Betrachtung ohne Bedeutung ist, ob der Betrieb von einer Einzelperson oder einer Personengesellschaft geführt wird. Dieser Unterschied in der Betrachtung kann bei Ermittlung der Einkünfte der einzelnen Gesellschafter und des Gewerbeertrags des Betriebes im ganzen zu einem verschiedenartigen Ergebnis führen, auch wenn die gleichen Bestimmungen des Einkommensteuerrechts zugrunde gelegt werden, wie in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 704/39 vom 10. Januar 1940 im einzelnen dargestellt ist. Der Senat tritt den Rechtsgrundsätzen dieser Entscheidung bei. Siehe auch Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 132/40 vom 21. Mai 1940, Slg. Bd. 48 S. 326, RStBl 1940 S. 667.

Der Unterschied zum Einkommensteuerrecht kommt auch in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 425/53 U vom 4. Mai 1955, Slg. Bd. 60 S. 484, BStBl 1955 III S. 185, bei der Behandlung des Gewerbeverlustes zum Ausdruck. Bei der übergabe des Betriebes einer KG an den Komplementär als Einzelunternehmer wird der Vortrag des bei der KG entstandenen Gewerbeverlustes auf das Einzelunternehmen deswegen abgelehnt, weil ein Unternehmerwechsel vorliege. Gewerbesteuerlich bilden die Gesellschafter der KG die Unternehmer des gesamten Betriebes (siehe hierzu auch Kirmse "Der Kommanditist als Schuldner der Gewerbesteuer" in Rechts- und Wirtschafts-Praxis-Blattei 14 Steuer-R D Gewerbesteuer II B 62 und Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 99/54 U vom 2. August 1955, Slg. Bd. 61 S. 250, BStBl 1955 III S. 294). Es bleibt unberücksichtigt, daß der spätere Einzelunternehmer Komplementär der KG gewesen ist.

Sieht man aber in den Gesellschaftern der OHG die Unternehmer des gesamten Betriebes, so können für sie, d. h. für die Unternehmer nach den allgemeinen Grundsätzen des Bilanzsteuerrechts ebensowenig wie beim Einzelkaufmann Rückstellungen in der Bilanz für ihre Zukunftssicherung gemacht werden.

Dem Finanzgericht ist auch darin beizupflichten, daß für die gewerbesteuerliche Berechnung des Ertrages bei Anwendung des § 15 Ziff. 2 EStG gleichartige Grundsätze, wie sie die Rechtsprechung zu § 8 Ziff. 6 GewStG ausgesprochen hat, gelten müssen. Die Auslegung des § 8 Ziff. 6 GewStG ist umstritten, wie in dem oben mitgeteilten Aufsatz von Kirmse zum Ausdruck kommt. Die Literatur rechnet teilweise die Anwartschaft auf die Pension nicht zu den "gewährten" Vergütungen i. S. dieser Vorschrift. Der Senat ist in einer nunmehr auch zur Veröffentlichung freigegebenen Entscheidung I 41/54 U vom 17. August 1954 (im Auszug wiedergegeben in dem Aufsatz Peltref, Rechts- und Wirtschafts-Praxis-Blattei 14 Steuer-R D Gewerbesteuer II B 40 a und in der Entscheidung des Finanzgerichts Münster I C 8/55 vom 23. Februar 1956, Entscheidungen der Finanzgerichte 1956 S. 139) der Auffassung des Reichsfinanzhofs in der Entscheidung I 125/41 vom 21. Oktober 1941 beigetreten. Er verbleibt bei diesem Grundsatz. Siehe auch Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 188/53 U vom 12. Januar 1954, Slg. Bd. 58 S. 389, BStBl 1954 III S. 60.

Das Finanzgericht ist somit von zutreffenden Rechtsauffassungen ausgegangen. Die Rechtsbeschwerde muß als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408643

BStBl III 1957, 105

BFHE 1957, 275

BFHE 64, 275

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