Leitsatz (amtlich)

Die sachlichen Voraussetzungen für einen Erlaß von Leistungen auf die HGA als öffentliche Last gemäß § 132 LAG sind nur dann gegeben, wenn das belastete Grundstück unmittelbar für mildtätige Zwecke oder unmittelbar für die Zwecke einer Krankenanstalt oder Bewahrungsanstalt der in § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG genannten Art benutzt wird. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit ist nicht erfüllt, wenn das belastete Grundstück landwirtschaftlich genutzt wird, und zwar selbst dann nicht, wenn dies in Eigenbewirtschaftung geschieht und die landwirtschaftlichen Erzeugnisse fast ausschließlich in der Anstaltsküche verwendet werden.

 

Normenkette

StAnpG § 1 Abs. 2, §§ 17-19; GemV § 2 Abs. 1; GemV § 6; GemV § 7; GemV § 8; GemV § 10; GemV § 11; GemV § 15; LAG §§ 129, 131-132; 17. AbgabenDV-LA § 19

 

Tatbestand

Die Abgabeschuldnerin (Revisionsbeklagte), eine Kirchengemeinde, betreibt auf einem ihrer Grundstücke ein Krankenhaus. Andere ihr gehörige Grundstücke dienen der Landwirtschaft. Die Erzeugnisse des Gutsbetriebes werden ausschließlich in der Küche des Krankenhauses verwendet. Die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke sind - unanfechtbar - mit Hypothekengewinnabgabe (HGA) belastet. Die Abgabeschuldnerin beantragte gemäß § 132 LAG für den Erlaßzeitraum 1956 bis 1958 den Erlaß der Zins- und Tilgungsleistungen, die für die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke zu entrichten waren. Das FA lehnte den Antrag ab.

Der Einspruch war ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung führte das FA (Revisionskläger) aus, § 19 Abs. 3 der 17. AbgabenDV-LA verlange, daß das Erfordernis der Unmittelbarkeit auch für Zwecke der Krankenanstalten gelte. Ein Erlaß der Leistungen bei nur mittelbarer Nutzung des belasteten Grundstücks sei nicht vorgesehen und entspreche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers.

Die Berufung hatte Erfolg. Das FG hob den ablehnenden Bescheid des FA sowie die Einspruchsentscheidung auf und verurteilte das FA, 96,9 v. H. der in den Jahren 1956 bis 1958 fällig gewordenen Zins- und Tilgungsleistungen der HGA zu erlassen.

Das FG sah nicht nur die persönlichen, sondern auch die sachlichen Voraussetzungen eines Erlasses nach § 132 LAG als gegeben an. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG sei die Unmittelbarkeit ausschließlich bei Benutzung des Grundstücks für mildtätige Zwecke, nicht aber für Zwecke einer Kranken- oder Bewahrungsanstalt Voraussetzung eines HGA-Erlasses. Das Wort "unmittelbar" gelte, da es dem "entweder" folge und nach dem "oder" nicht wiederholt werde, nur für die erste Alternative der begünstigten Zwecke, nicht aber für die hier in Frage kommende zweite Alternative. Wenn in § 19 Abs. 3 der 17. AbgabenDV-LA als Voraussetzung der Vergünstigung die Unmittelbarkeit der Benutzung "für die begünstigten Zwecke", also offenbar für beide Alternativen der Gesetzesvorschrift, genannt werde, so werde dies durch die gesetzliche Ermächtigung in § 132 Abs. 3 LAG nicht gedeckt.

Der für die in § 19 Abs. 3 der 17. AbgabenDV-LA getroffene Regelung angegebene Grund, daß durch das Erfordernis der Unmittelbarkeit in beiden Alternativen des § 132 LAG die gleiche Regelung wie bei der Grundsteuer erzielt werde, könne eine Abweichung vom Wortlaut des LAG nicht rechtfertigen.

Motive eines Gesetzes könnten nur insoweit bei der Entscheidung über seine Anwendung herangezogen werden, als sie mit dem vom inneren Willen des Gesetzgebers losgelösten, also objektivierten gesetzgeberischen Willen - dem Gesetzeswortlaut - übereinstimmten. Gerade dies sei jedoch hier nicht der Fall, da der Gleichregelung mit § 4 GrStG der Wortlaut von § 132 LAG entgegenstehe. Die dem § 4 GrStG angepaßte Anwendung des § 132 LAG wäre also eine Ausdehnung einer gesetzlichen Vorschrift zu Lasten der Abgabepflichtigen, die unzulässig und daher abzulehnen sei.

Die Revision des FA wird auf unrichtige Anwendung geltenden Rechts, insbesondere auf unrichtige Anwendung des § 132 LAG und des § 19 der 17. AbgabenDV-LA gestützt. Zur Auslegung dieser Vorschriften könne nach Ansicht des FA die grundsteuerliche Regelung herangezogen werden.

Im übrigen lasse § 19 Abs. 3 der 17. AbgabenDV-LA, soweit hierin die unmittelbare Benutzung der Grundstücke für die begünstigten Zwecke zum Ausdruck gebracht werde, keine die Rechte des Abgabeschuldners einschränkende Gesetzesänderung erkennen. Ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück, dessen Erträge einem Krankenhaus zugeführt würden, diene nicht den Zwecken einer Krankenanstalt; denn das Krankenhaus sei zur Erfüllung seiner satzungsmäßigen Aufgaben nicht auf die Unterhaltung eines landwirtschaftlichen Betriebes angewiesen. Daß das FG eine nur mittelbare Nutzung eines Grundstücks als Benutzung des Grundstücks für die Zwecke eines Krankenhauses ansehe, nur weil die Erzeugnisse dem Krankenhaus zuflössen, beruhe nach Ansicht des FA auf einer unrichtigen Auslegung des Gesetzes. Diese sehr weitgehende Auslegung ergebe die Notwendigkeit einer Abgrenzung, die das Gesetz ohne Zweifel unterstellt habe. Insofern könne § 19 Abs. 3 der 17. AbgabenDV-LA, soweit sich diese Bestimmung auf die Unmittelbarkeit der Benutzung beziehe, als Abgrenzungsvorschrift im Sinne des Gesetzes angesehen werden, die keineswegs eine Änderung des Gesetzes herbeiführe, sondern nur das vom Gesetz gewollte Maß bestimme.

Die Revisionsbeklagte (Kirchengemeinde) führte aus, das FG habe in der angefochtenen Entscheidung überzeugend dargetan, daß auch die sachlichen Voraussetzungen für den Erlaß der Abgabeleistungen nach § 132 LAG erfüllt seien, daß insbesondere die Vorschriften des Grundsteuerrechts nicht angewendet werden könnte.

Sowohl der RFH wie auch der BFH hätten erklärt, daß auch land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundbesitz unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen könne (RFH-Urteil III A 378/34 vom 25. Juli 1935, RStBl 1935, 1493, BFH-Urteil III 290/57 U vom 7. Februar 1958, BFH 66, 479 -, BStBl III 1958, 185). Eine an sich nach dem Gesetzeswortlaut zu gewährende Befreiung von der Grundsteuer könne in solchen Fällen nur deshalb nicht erfolgen, weil ihr die einschränkende Vorschrift des § 25 Abs. 1 GrStDV entgegenstehe. Weder aus dem Gesetzestext noch aus Ausführungsbestimmungen oder aus Kommentaren gehe hervor, daß diese die Grundsteuervergünstigung einengenden Vorschriften auf das Erlaßverfahren nach § 132 LAG Anwendung finden sollten. Selbst wenn man annehmen wollte, daß eine unmittelbare Benutzung für die Zwecke einer Krankenanstalt gefordert würde, müßte man das Vorliegen dieser Voraussetzung nach den erwähnten Urteilen des RFH und des BFH bejahen, woraus keineswegs zu folgern sei, daß auch die Vorschrift des § 25 Abs. 1 GrStDV Anwendung finden müsse. Aus der Entstehungsgeschichte des § 132 LAG gehe nicht zwingend hervor, daß die gleiche gesetzliche Regelung bei Befreiung von der Grundsteuer und dem Erlaß von HGA-Leistungen vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen sei.

Hätte der Gesetzgeber die grundsteuerliche Regelung beabsichtigt, wäre es ein leichtes gewesen, diesem Willen durch einen entsprechenden Zusatz Ausdruck zu verleihen. Daß dies nicht geschehen sei, beweise, daß den Krankenanstalten, die nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG von der Körperschaftsteuer befreit seien, auf Antrag die HGA-Leistungen zu erlassen seien, sofern das Grundstück für die Zwecke der Krankenanstalt benutzt werde.

Nach den Bescheinigungen des FA sei das von der Revisionsbeklagten betriebene Krankenhaus für die Jahre 1956 bis 1958 und auch für das Jahr 1958 nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG von der Körperschaftsteuer befreit. Die Benutzung des Grundbesitzes für die Zwecke der Krankenanstalt sei unbestritten.

Der BdF hat gemäß § 122 Abs. 2 FGO seinen Beitritt zum Revisionsverfahren erklärt. Zur Ergänzung der Revisionsbegründung des FA hat er auf die Entstehungsgeschichte des § 132 LAG hingewiesen, die seiner Auffassung nach für die in diesem Verfahren zu entscheidende Frage von besonderer Bedeutung sei. In dem ersten Entwurf eines Gesetzes über einen allgemeinen Lastenausgleich habe es eine dem § 132 LAG entsprechende Vorschrift nicht gegeben. Erst bei den Beratungen des Unterausschusses "Währungsgewinnabgaben" des Ausschusses für den Lastenausgleich sei die Frage erörtert worden, ob für den Grundbesitz mildtätiger Unternehmen eine Befreiung von der HGA erfolgen solle. Im Protokoll Nr. 15 über die 15. Sitzung des Unterausschusses "Währungsgewinnabgaben" vom 3. Oktober 1951 heiße es unter "zu § 104":

"Ferner wurde eine Eingabe der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege vom 21.9.1951 erörtert. In dieser Eingabe wird für den Grundbesitz gemeinnütziger und mildtätiger Unternehmen, mindestens aber für den Grundbesitz mildtätiger Unternehmen, in erster Linie die völlige Befreiung von der Hypothekengewinnabgabe nach dem Vorbild des für die Vermögensabgabe geltenden § 14 Ziffer 8 und in zweiter Linie ein Erlaß der laufenden Leistungen, soweit 'die Einziehung der Abgabe die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung der Aufgaben des Antragstellers gefährden würde', gewünscht...".

Im Protokoll Nr. 19 über die 19. Sitzung dieses Unterausschusses am 9. November 1951 heiße es dann unter "zu § 104 a":

"Für mildtätige Unternehmen - vgl. Protokoll über die 15. Sitzung vom 3.10.1951 zu § 104 - soll als neuer § 104a eine besondere Vergünstigungsvorschrift etwa des folgenden Inhalts aufgenommen werden:

'Gehörte das Grundstück am Währungsstichtag einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich mildtätigen Zwecken dient, so werden die fälligen Zinsen und Tilgungsbeträge auf Antrag so lange erlassen, wie das Grundstück von dem genannten Eigentümer für mildtätige Zwecke benutzt wird.'

Die Vergünstigung soll sich also - analog der Grundsteuer - nur auf unmittelbar für einen mildtätigen Zweck benutzen Grundbesitz, nicht aber auf Verwaltungsgebäude usw. mildtätiger Unternehmen beziehen."

Nach Auffassung des BdF ergäben demnach die Gesetzesmotive, daß die gleiche gesetzliche Regelung bei Befreiung von der Grundsteuer und dem Erlaß von HGA-Leistungen vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen sei. Der BdF wies ferner auf das Protokoll Nr. 24 und die 24. Sitzung des Unterausschusses "Währungsgewinnabgaben" vom 4. Februar 1952 hin, in dem es "zu § 104 a" heiße:

"Unter der Voraussetzung, daß das Grundstück selbst mildtätigen Zwecken dient, soll der Erlaß auch gewährt werden, wenn es einem kirchlichen oder gemeinnützigen Unternehmen gehört. Die in Betracht kommenden Unternehmen sollen in Anlehnung an § 14 Nr. 13 umschrieben werden."

Im Zwischentext der 2. Lesung vom 15. Februar 1952 habe der damalige § 166 Abs. 1 wie folgt gelautet:

"Erlaß bei Grundstücken, die mildtätigen Zwecken dienen

(1) Gehörte das Grundstück am 21. Juni 1948 einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft oder einer solchen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken diente, so werden die fälligen Leistungen auf Antrag so lange erlassen, wie das Grundstück von diesem Eigentümer unmittelbar für mildtätige Zwecke benutzt wird.

(2) ...

(3) ...

(4) ..."

Die Erweiterung dieser Vorschrift auch auf die Grundstücke, die für die Zwecke einer solchen Krankenanstalt oder Bewahrungsanstalt benutzt werden, die in besonderem Maße der minderbemittelten Bevölkerung dient, sei auf Grund des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, DP und BPP, FU (BPP-Z) - Umdruck Nr. 532 vom 14. Mai 1952 - erfolgt. Diesen Initiativantrag habe der Deutsche Bundestag in seiner 212. Sitzung am 15. Mai 1952 (Sitzungsprotokoll S. 9334 B) ohne Aussprache und demnach ohne Begründung angenommen. Er habe die Fassung enthalten, in der § 132 LAG vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden sei. Dabei habe offensichtlich auch bei den Grundstücken, die für die Zwecke einer Krankenanstalt oder Bewahrungsanstalt benutzt würden, der Leistungserlaß ebenfalls nur insoweit gewährt werden sollen, als die Grundstücke den begünstigten Zwecken unmittelbar dienten. Denn es wäre unlogisch, wenn subsidiär in diese Vergünstigung miteinbezogene Tatbestände in größerem Umfange begünstigt werden sollten als solche Tatbestände, für die diese Vergünstigung primär vorgesehen gewesen sei.

Aus diesen Ausführungen gehe klar hervor, daß bei der Schaffung des § 132 LAG beabsichtigt gewesen sei, die bei der HGA für eine Vergünstigung vorgesehenen Tatbestände analog der Regelung bei der Grundsteuer abzugrenzen. Nach Auffassung des BdF sei die vom FG angenommene Auslegung des Wortlauts des § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG keineswegs zwingend. Vielmehr dürfte es sich um eine etwas "verunglückte" Formulierung der Vorschrift durch den Gesetzgeber handeln. Da der Wortsinn der Vorschrift somit nicht eindeutig sei, müßten bei ihrer Auslegung nach der Rechtsprechung auch ihr Zweck und ihre Entstehungsgeschichte herangezogen werden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet.

Die in dem LAG getroffene Regelung der HGA kennt - im Gegensatz zur Regelung der Vermögensabgabe - keine persönliche Befreiung der Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen. Diese werden bei der HGA grundsätzlich wie alle übrigen Abgabeschuldner zur Abgabe herangezogen. Das Gesetz sieht unter den in § 132 LAG aufgestellten Voraussetzungen nur einen jeweils für einen Erlaßzeitraum (vgl. § 132 Abs. 3 in Verbindung mit § 129 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 LAG) auszusprechenden Erlaß der fälligen Zins- und Tilgungsleistungen vor. In § 132 Abs. 1 Nr. 1 LAG sind die sogenannten persönlichen Erlaßvoraussetzungen geregelt, deren Vorliegen im Streitfall unbestritten und unbedenklich zu bejahen ist. Die in § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG geforderten sogenannten sachlichen Erlaßvoraussetzungen glaubte das FG deshalb als gegeben ansehen zu können, weil nach seiner Auslegung dieser Vorschrift aus der Satzstellung des Wortes "unmittelbar" geschlossen werden müsse, daß sich die Unmittelbarkeit nur auf die mildtätigen Zwecke, nicht aber auch auf die Zwecke der Krankenanstalten usw. beziehe; es genüge somit, daß die im Streitfall für den landwirtschaftlichen Betrieb des Krankenhauses benutzten Grundstücke mittelbar dem Krankenhaus dienten, und zwar dadurch, daß die Erzeugnisse des Grundstücks ausschließlich in der Küche des Krankenhauses verwendet würden. Dieser rein grammatischen Auslegung folgt der Senat nicht.

Nach § 1 Abs. 2 StAnpG sind bei der Auslegung der Steuergesetze deren Zweck und wirtschaftliche Bedeutung zu berücksichtigen. Wie das BVerfG wiederholt ausgesprochen hat, ist für die Auslegung einer Vorschrift der in ihr zum Ausdruck kommende, objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Die hier vom FG ausschließlich angewendete Methode der grammatischen Auslegung reicht im Streitfall nicht aus, um dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerecht zu werden. Die grammatische Auslegung muß durch die systematische und die teleologische Auslegung ergänzt werden (vgl. auch Entscheidungen des BVerfG Bd. 11 S. 126 ff. [130] - BVerfGE 11, 126 ff. [130] -).

Wie bereits aus der Überschrift des § 132 LAG "Erlaß bei Grundstücken, die mildtätigen Zwecken dienen" hervorgeht und durch den Inhalt des § 132 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LAG bestätigt wird, stellt diese Vorschrift die Erlaßvoraussetzungen auf das Vorliegen besonderer steuerbegünstigter Zwecke ab, und zwar der steuerbegünstigten Zwecke, die Gegenstand der in den §§ 17 bis 19 StAnpG getroffenen Regelung sind und die in der sogenannten GemV näher bestimmt wurden. Sowohl nach den §§ 17 bis 19 StAnpG in der im Zeitpunkt des Inkrafttretens des LAG geltenden und in der heutigen Fassung als auch nach der im Zeitpunkt des Inkrafttretens des LAG geltenden alten GemV vom 16. Dezember 1941 (RStBl 1941, 937) in der Fassung der Anlage 1 der Verordnung zur Änderung der Ersten Verordnung zur Durchführung des KStG vom 16. Oktober 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948 S. 181 - WiGBl 1948, 181 -) wie auch nach der für den Streitfall geltenden GemV vom 24. Dezember 1953 (BGBl I, 1592) ist für die Anerkennung aller dieser steuerbegünstigten Zwecke neben der Ausschließlichkeit die Unmittelbarkeit der Verwirklichung der begünstigten Zwecke gesetzliche Voraussetzung. Dies ergibt sich aus dem jeweils ersten Absatz der §§ 17 bis 19 StAnpG wie auch aus den §§ 1 und 12 der GemV a. F. und den §§ 2 Abs. 1, 11 und 15 GemV n. F. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit, wie dies aus den o. a. Vorschriften und Bestimmungen ersichtlich ist, gilt grundsätzlich bei allen Steuern und Abgaben, wenn für die genannten begünstigten Zwecke Steuervergünstigungen gewährt werden sollen. Allerdings kann durch Gesetz oder Verordnung das Erfordernis der Unmittelbarkeit variiert oder differenziert werden, wie der erkennende Senat im Urteil III 267/62 vom 30. September 1966 (BFH 87, 397, BStBl III 1967, 146) im Hinblick auf die Ausnahmeregelung des § 19 Abs. 4 der 17. AbgabenDV-LA dargetan hat und wie dies sich auch aus § 11 Abs. 2 und 4 GemV n. F. ergibt. Eine solche Sonderregelung läßt jedoch § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG nicht erkennen. Mit dem BdF ist auch der erkennende Senat der Ansicht, daß die Satzstellung des Wortes "unmittelbar" hinter statt vor dem Wort "entweder" auf einer redaktionell ungenauen Formulierung des Textes beruht. Denn die Bezogenheit der Unmittelbarkeit nur auf mildtätige Zwecke, wie dies das FG aufgefaßt wissen möchte, wäre allein schon deshalb überflüssig gewesen, weil gemäß § 18 Abs. 1 StAnpG der Begriff "mildtätige Zwecke" ohnehin nur für solche Zwecke gilt, "die ausschließlich und unmittelbar darauf gerichtet sind, bedürftige Personen zu unterstützen". Der vom Gesetz gebrauchte Begriff "mildtätige Zwecke" beinhaltet bereits das Erfordernis der Unmittelbarkeit.

Im Falle der Benutzung des Grundstücks für mildtätige Zwecke das Erfordernis der Unmittelbarkeit somit doppelt herauszustellen, demgegenüber aber bei einer Krankenanstalt oder Bewahrungsanstalt der in § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG genannten Art auf das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Benutzung völlig zu verzichten, wäre sinn- und systemwidrig. Bei der objektbezogenen HGA als öffentlicher Last setzt die Erlaßmöglichkeit solche Erlaßgründe voraus, die sich auf das belastete Grundstück beziehen müssen, entweder ausschließlich (vgl. z. B. § 129 LAG) oder zusammen mit persönlichen Gründen (vgl. § 131 LAG). Die für einen Erlaß zu erfüllenden Tatbestandsmerkmale müssen stets für das belastete Grundstück selbst gegeben sein, für das der Erlaß begehrt wird, nicht für ein anderes Grundstück. Ist Erlaßgrund die Benutzung des Grundstücks für mildtätige Zwecke, so muß dieses Grundstück, für das der Erlaß begehrt wird, zu mildtätigen Zwecken benutzt werden. Nichts anderes gilt für den Erlaßgrund der Benutzung des belasteten Grundstücks für Zwecke einer Krankenanstalt oder Bewahrungsanstalt, die im besonderen Maße der minderbemittelten Bevölkerung dient. Liegen diese Voraussetzungen zwar bei einem anderen Grundstück vor, nicht aber bei dem, für das der Erlaß begehrt wird, so sind die Erlaßvoraussetzungen auch dann nicht erfüllt, wenn dieses Grundstück durch seine Nutzungen den Zwecken des anderen Grundstücks, eines Krankenhaus- oder Bewahrungsanstaltsgrundstücks, dient oder sonstwie nützlich ist. Die Frage eines "steuerlich unschädlichen Geschäftsbetriebes" im Sinne der §§ 7 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 GemV n. F. stellt sich hier nicht. Denn jedes Verlagern der Erlaßvoraussetzungen auf ein anderes Grundstück, das seinerseits unmittelbar für die genannten Zwecke benutzt werden mag, während das belastete Grundstück, für das der Erlaß begehrt wird, diese Voraussetzungen selbst nicht erfüllen kann, weil es - wie im Streitfall - für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wird, würde im Hinblick auf die Objektbezogenheit der öffentlichen Last dem Sinne des Gesetzes und Systematik der Regelung der HGA widersprechen.

Die Begünstigung für Zwecke einer Krankenanstalt stellt gegenüber der Begünstigung mildtätiger Zwecke nach dem System der GemV eine Ausnahmeregelung dar. Denn der Betrieb einer Krankenanstalt gehörte zu den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben im Sinne des § 7 Abs. 1 und 3 und des § 9 GemV a. F., die grundsätzlich zur Verneinung der Ausschließlichkeit der Verfolgung des begünstigten Zwecks führten; nur die Ausnahmeregelung des § 11 GemV a. F. führte zur Begünstigung der Krankenanstalten. Entsprechendes gilt für die Regelung in der GemV n. F., die sich aus den §§ 6, 7, 8 Abs. 3 Satz 3, 10 ergibt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber in § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG das sonst überall zu beachtende wesensnotwendige Erfordernis der Unmittelbarkeit bei den dort angeführten Krankenanstalten und Bewahrungsanstalten nicht für erforderlich erachtet haben sollte, während auch nach § 11 GemV n. F. das Erfordernis der Unmittelbarkeit Voraussetzung aller steuerlichen Vergünstigungen für die nach den §§ 17 bis 19 StAnpG und nach der GemV begünstigten Zwecke ist. Diese Systemwidrigkeit auch im Rahmen des GemV-Rechts spricht gegen die rein grammatische Auslegung der Vorinstanz.

Mit Recht hat der BdF aber auch auf die Entstehungsgeschichte des § 132 LAG hingewiesen, wonach die gleichfalls objektbezogene Grundsteuer dem Gesetzgeber wesentlichen Anhalt für die ergänzende Erlaßregelung des § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG gegeben haben mag. Wenn demgegenüber die Revisionsbeklagte meint, die körperschaftsteuerrechtliche Regelung habe dem Gesetzgeber als Anhalt gedient, so verkennt sie, daß dies zwar bei der Fassung des § 132 Abs. 1 Nr. 1 LAG zutreffen mag, nicht aber für die sachliche Erlaßvoraussetzung der Nr. 2, die allein durch die Objektbezogenheit der HGA als öffentliche Last charakterisiert ist und insoweit der Grundsteuerregelung ähnelt.

Der Senat kommt nach alledem zu dem Ergebnis, daß § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG nur dahin gehend ausgelegt werden kann, daß bei einem Grundstück, welches für die Zwecke einer Krankenanstalt oder Bewahrungsanstalt der dort genannten Art benutzt wird, die sachlichen Erlaßvoraussetzungen nur dann erfüllt sind, wenn das Grundstück selbst unmittelbar für die Zwecke der Krankenanstalt usw. benutzt wird. Wenn dies vom Verordnungsgeber in § 19 Abs. 3 der 17. AbgabenDV-LA noch einmal ausdrücklich herausgestellt worden ist, so besagt dies nichts anderes als das, was das Gesetz selbst fordert. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz hält sich daher diese Bestimmung im Rahmen der Ermächtigung des § 132 Abs. 3 Satz 1 LAG.

Die sachlichen Erlaßvoraussetzungen des § 132 Abs. 1 Nr. 2 LAG sind hiernach im Streitfall nicht erfüllt, weil das Grundstück, für das der Erlaß begehrt wird, nicht unmittelbar für die Zwecke der Krankenanstalt der Revisionsbeklagten, sondern landwirtschaftlich genutzt wird. Wie im übrigen der Senat im Urteil III R 26/66 vom 22. November 1968 (BFH 94, 414, BStBl II 1969, 205) entschieden hat, ist die Benutzung eines Grundstücks für landwirtschaftliche Zwecke keine solche für einen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck. Ob man im Streitfall von einer nur mittelbaren Nutzung des Grundstücks für abgabebegünstigte Zwecke sprechen könnte, kann auf sich beruhen, da eine nur mittelbare Nutzung die sachlichen Erlaßvoraussetzungen nicht erfüllt.

Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Klage der Kirchengemeinde gegen den Verwaltungsakt, durch den der Erlaßantrag abgelehnt wurde, als unbegründet zurückzuweisen.

Ob ein Erlaß von HGA-Leistungen etwa aus allgemeinen Billigkeitsgründen nach § 131 der Reichsabgabenordnung in Betracht kommen könnte (vgl. hierzu auch das Urteil des erkennenden Senats III 90/62 S vom 23. Juli 1965, BFH 84, 118; BStBl III 1966, 43), kann im anhängigen gerichtlichen Verfahren weder geprüft noch entschieden werden, da diese Frage im Vorverfahren noch nicht untersucht worden ist und als Rechtsbehelf im Vorverfahren nicht der Einspruch, sondern die Beschwerde gegeben wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69427

BStBl II 1971, 372

BFHE 1971, 408

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