Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rückstellung des Pächters eines Unternehmens für die Verpflichtung, das übernommene Anlagevermögen in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten, ausgeschiedene Wirtschaftsgüter zu ersetzen und bei Beendigung des Pachtverhältnisses einen technisch fortentwickelten Betrieb zurückzugeben, ist grundsätzlich keine Dauerschuld im Sinne des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 in Verbindung mit § 8 Ziff. 1 GewStG.

 

Normenkette

GewStG § 8 Ziff. 1, § 12 Abs. 2 Ziff. 1

 

Tatbestand

Die GmbH (Bgin.) wurde im Jahre 1948 von den Gesellschaftern der X.-OHG mit einem Stammkapital von 450.000 DM gegründet; die Gesellschafter sind an beiden Firmen zu je 50 v. H. beteiligt. Später sind die Anteile auf die Nachkommen der Gründer übergegangen und zum Teil eingezogen worden.

Zwischen der OHG und der Bgin. wurde bei deren Gründung ein Pachtvertrag geschlossen, wonach die GmbH von der OHG das Elektrizitätswerk in A., die gesamten Fabrikgebäude in B., C. und D., die bei den Fabriken bestehenden Wassernutzungsrechte sowie die in diesen Betrieben vorhandenen Maschinen, Betriebseinrichtungsgegenstände, Geschäftsausstattungen und Fahrzeuge pachtete. Die GmbH hat für die gepachteten Wirtschaftsgüter u. a. die Verpflichtung übernommen, die Grundstücke und das sonstige bewegliche Anlagevermögen dauernd in ordnungsmäßigem betriebsfähigem Zustand zu erhalten und für Gegenstände, die durch Gebrauch ausscheiden, in Verlust geraten oder untergehen, Ersatz zu beschaffen, dem Fortschritt der Technik und der Betriebsorganisation durch eine Weiterentwicklung der Betriebe Rechnung zu tragen, und bei Beendigung des Pachtverhältnisses einen technisch fortentwickelten modernen Betrieb zurückzugeben. Bei der Endabrechnung ist der Unterschiedsbetrag der Werte für das bewegliche Anlagekapital und für die Gebäudezugänge von demjenigen Vertragsbeteiligten zu vergüten, für welchen sich ein höherer Saldo ergibt.

Die Verpächterin (OHG) führt in ihren Steuerbilanzen ab 31. Dezember 1949 die verpachteten Wirtschaftsgüter (Gleis- und Wasserkraftanlagen, Maschinen, Einrichtungsgegenstände, Geschäftsausstattung und Fahrzeuge) mit unveränderten Werten weiter und nimmt keine Absetzung für Abnutzung (AfA) in Anspruch. Außerdem hat sie noch in den Jahren 1949 bis 1951 Maschinen und Einrichtungsgegenstände, deren Buchwert am 31. Dezember 1951 300.000 DM betrug, angeschafft und diese im Rahmen des angelaufenen Pachtvertrages an die Bgin. verpachtet. Diese neu angeschafften Wirtschaftsgüter werden in den Steuerbilanzen ab 31. Dezember 1951 ebenfalls mit unveränderten Werten weitergeführt.

Die Bgin. weist die gepachteten Gegenstände in ihren Bilanzen nicht aus. Die von ihr als Pächterin neu angeschafften Ersatzgegenstände wurden von ihr aktiviert und die AfA jährlich berücksichtigt. Die OHG hat diese Ersatzgegenstände in ihren Bilanzen nicht aufgenommen. Die jährlichen Zuführungen zur Rückgaberückstellung (Pachtendkonto) werden unter Berücksichtigung der angefallenen normalen AfA und der übernommenen Modernisierungsverpflichtung wie folgt berechnet: a) normale AfA von den gepachteten Gegenständen, b) Erhöhung der normalen AfA für das abgelaufene Geschäftsjahr auf Grund des gestiegenen Preisindexes, c) Erhöhung der in den früheren Jahren zugeführten Rückstellungsbeträge infolge Steigens des Preisindexes im abgelaufenen Jahr.

Bei den Feststellungen der Einheitswerte des Betriebsvermögens auf 1. Januar 1950 bis 1. Januar 1953 wurden die Rückstellungen als Schuldposten berücksichtigt und bei den Gewerbesteuerveranlagungen 1950 bis 1953 beim Gewerbekapital als Dauerschulden im Sinne des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG hinzugerechnet. Hieran hat der Steuerausschuß in der Einspruchsentscheidung festgehalten.

Das Finanzgericht ist der Ansicht, daß sich die Pacht stark einem Darlehen nähere. Die Pächterin erlange das wirtschaftliche Eigentum an den Pachtgütern; der Pachtvertrag wirke betriebswirtschaftlich wie wenn sie eine langfristige Schuld aufgenommen und die Anlagegüter angeschafft hätte. Habe der Pächter die Gefahr der Verschlechterung der überlassenen Wirtschaftsgüter zu tragen, so könnten die übernommenen und zu aktivierenden Anlagewerte und die entsprechenden, der Substanzerhaltungsrückstellung zugeführten Beträge wirtschaftlich als fremde, der Verstärkung des Betriebskapitals dienende Mittel angesehen werden und die zur Erfüllung der Rückgabeverpflichtung gebildete Rückstellung demgemäß als Dauerschuld. Da aber bei Annahme einer Dauerschuld der volle Wert der verpachteten Wirtschaftsgüter nur wegen der irrtümlichen Beurteilung der Rechtslage durch das Finanzamt (Aktivierung bei der Verpächterin) sowohl bei der Verpächterin als auch bei der Pächterin als Gewerbekapital erfaßt werden würde, während die verpachteten Wirtschaftsgüter vermindert um die AfA bei richtiger Beurteilung nur das Gewerbekapital der Pächterin erhöhen würden, erscheine es gerechtfertigt, von der Hinzurechnung des Pachtendkontos zum Einheitswert des Betriebsvermögens der Pächterin in jedem Fall abzusehen.

Hiergegen hat der Vorsteher des Finanzamts Rb. eingelegt. Es entspreche dem geltenden Gewerbesteuerrecht, daß die Darlehnsforderung zum Gewerbekapital des Gläubigers gehöre und außerdem die Darlehnsschuld, soweit es sich um eine Dauerschuld handele, auch dem Gewerbekapital des Schuldners hinzugerechnet werde. Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Im Anschluß an das Urteil des Bundesfinanzhofs I 197/57 S vom 11. August 1959 (BStBl 1959 III S. 428, Slg. Bd. 69 S. 447) geht er davon aus, daß für die Frage, ob eine Dauerschuld vorliege, in erster Linie der Charakter der Schuld entscheidend sei, der sie als zum laufenden Geschäftsgang oder zum Dauerbetriebskapital gehörig ausweise. Die Erneuerungsverpflichtung sei eine Verpflichtung, die zum laufenden Geschäftsgang gehöre, nicht anders als die Verpflichtung zur Entrichtung einer Barpacht. Die Erneuerungsverpflichtung sei eine Verpflichtung, die laufend zu erfüllen sei. Die Höhe der jeweils zu erfüllenden Verpflichtung könne allerdings in den einzelnen Jahren unterschiedlich sein. Wenn die Rechtsprechung die Bildung von Erneuerungsrückstellungen zugelassen habe, so geschehe dies nicht in letzter Linie deswegen, um eine periodengerechte Abgrenzung des Jahresgewinnes zu ermöglichen. Die Verpflichtung, laufend die erforderlichen Ersatzbeschaffungen vorzunehmen, verliere nicht schon dadurch ihren Charakter als laufende Geschäftsverbindlichkeit, daß bereits vor dem Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung die Bildung von Rückstellungen zugelassen werde. Etwas anderes könne nur insoweit gelten, als der Pächter mit seinen fälligen Ersatzbeschaffungen länger als ein Jahr im Rückstand geblieben sei. In diesem Falle müsse der (vom erkennenden Senat ausgesprochene) Grundsatz gelten, daß eine laufende Verbindlichkeit zur Dauerschuld werden könne, wenn sie nicht "laufend", d. h. im Zeitpunkt der normalen Zahlungsverpflichtung, abgedeckt werde.

 

Entscheidungsgründe

Obwohl dem Finanzgericht darin zuzustimmen ist, daß die Erneuerungsverpflichtung (Pachtendkonto) nicht als Dauerschuld im Sinne des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 in Verbindung mit § 8 Ziff. 1 GewStG dem Gewerbekapital zuzurechnen ist, führt die Rb. zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Wie der erkennende Senat in dem Urteil I 51/61 S vom 2. November 1965 (BStBl 1966 III S. 61) ausgeführt hat, ist bei Pachtverträgen grundsätzlich davon auszugehen, daß neben dem rechtlichen Eigentum auch das wirtschaftliche Eigentum an den verpachteten Anlagegegenständen bei dem Verpächter verbleibt. Das gilt entsprechend auch hinsichtlich der ersatzweise beschafften Pachtgegenstände. Der Pächter ist deshalb nicht berechtigt, gepachtetes Anlagevermögen in seinen Bilanzen zu aktivieren. Ist der Pächter verpflichtet, die erforderlichen Ersatzbeschaffungen vorzunehmen (vgl. § 588 BGB), so sind die Ersatzbeschaffungsaufwendungen zum Pachtentgelt zu rechnen. Der Pächter ist berechtigt, bereits vor der jeweiligen Ersatzbeschaffung Rückstellungen zu bilden, deren Höhe durch die Abnutzung der gepachteten Güter während der Pachtzeit bestimmt wird.

Im vorliegenden Fall ist offensichtlich nicht in vollem Umfang nach diesen Grundsätzen verfahren worden. Die Bgin. hat ausweislich des Urteils der Vorinstanz die Ersatzbeschaffungen aktiviert, während diese Aufwendungen nach den vorstehenden Ausführungen dem sogenannten "Pachtendkonto" (der Pachterneuerungsrückstellung) zu belasten gewesen wären. Man darf darum die aktivierten Ersatzbeschaffungen wie aktive Wertberichtigungen zu dem "Pachtendkonto" (Erneuerungsrückstellung) behandeln.

Für die Frage, ob die Erneuerungsrückstellung eine Dauerschuld im Sinne des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG ist, kommt es darauf an, ob der Gegenwert der Schuld der Verstärkung des Betriebskapitals dient und die Verstärkung nicht nur vorübergehend ist. Den Gegensatz hierzu bilden laufende Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsgang eines Unternehmens entstehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 197/57 S vom 11. August 1959 a. a. O.). Entscheidend ist also, ob die "Schuld" zum laufenden Geschäftsgang oder zum Dauerbetriebskapital gehörig anzusehen ist.

Unternehmenspachtverträge sind Pachtverträge im Sinne der §§ 581 ff. BGB, wonach der Pächter verpflichtet ist, dem Verpächter den vereinbarten Pachtzins zu entrichten. Die Zahlung des Pachtzinses ist eine laufende Verpflichtung. Gehört zur Zahlung des Pachtzinses alles, was der Pächter aufbringen muß, um Gebrauch und Nutzung der Pachtgegenstände zu erhalten, so ist hierzu auch die Erfüllung der Erneuerungsverpflichtung zu rechnen. Dem Bundesminister der Finanzen ist darum zuzustimmen, wenn er sagt, daß die Erneuerungsverpflichtung zum laufenden Geschäftsgang gehört und nicht anders zu beurteilen ist, als die Verpflichtung zur Entrichtung einer Barpacht. Die Verpflichtung zur Vornahme der Ersatzbeschaffungen verliert ihren Charakter als laufende Ersatzbeschaffung nicht dadurch, daß vor der Ersatzbeschaffung Rückstellungen gebildet werden dürfen.

Dem Vorsteher des Finanzamts ist zuzugeben, daß das Betriebskapital durch die gepachteten Maschinen etc. verstärkt wird. Für solche nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter gilt die Zurechnungsvorschrift des § 12 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG, die aber nicht zum Zuge kommt, wenn die Wirtschaftsgüter zum Gewerbekapital des überlassenden gehören, es sei denn, daß ihr Wert 2,5 Mio DM übersteigt. Für Pachtverhältnisse besteht diese Sondervorschrift, die neben der eben gegebenen Begründung für die Ablehnung einer Dauerschuld zeigt, daß der gleiche Tatbestand nicht zu einer Zurechnung unter dem Gesichtspunkt der Dauerschuld führen darf. Eine Zurechnung gemäß § 12 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG scheidet im vorliegenden Falle aus, weil die verpachteten Wirtschaftsgüter zum Gewerbekapital der OHG gehören und die Wertgrenzen in den Streitjahren nicht erreicht sind.

Die Vorentscheidung ist aber aufzuheben, weil in den streitigen Gewerbesteuermeßbescheiden Zuschläge nach § 8 Ziff. 6 GewStG enthalten sind; diese Vorschrift ist durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 845/58 vom 24. Januar 1962 (BStBl 1962 I S. 500) für nichtig erklärt worden. Da die Bescheide noch nicht rechtskräftig sind, ist die Nichtigkeit der Vorschrift zu beachten, wie die Bgin. beantragt hat. Außerdem ist bei der Neuberechnung die von der Bgin. im Schriftsatz vom 7. Februar 1961 vorgetragene Berichtigung des Einheitswertes zu beachten. Zur Durchführung der Berechnung geht die Sache an das Finanzamt zurück.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411431

BStBl III 1966, 53

BFHE 1966, 144

BFHE 84, 144

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