Leitsatz (amtlich)

Die Buchführung einer KG, bei deren Gründung eine Eröffnungsbilanz nicht aufgestellt wurde, ist auch dann nicht ordnungsmäßig, wenn ein Einzelunternehmer die KG im Laufe eines Wirtschaftsjahres durch Aufnahme seiner Kinder unter Schenkung der Kommanditanteile gründete.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 10d; HGB § 39

 

Tatbestand

Streitig ist die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, wenn ein Einzelunternehmer im Laufe eines Wirtschaftsjahres durch Aufnahme seiner Kinder unter Schenkung der Kommanditanteile eine KG gründete und eine Eröffnungsbilanz der KG nicht aufgestellt wurde.

Die beiden Gesellschafterinnen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer KG, wurden von ihrer Mutter, der damaligen Alleininhaberin des Unternehmens der Klägerin, durch notariellen Vertrag vom 1. August 1964 mit Wirkung vom gleichen Tage als Kommanditistinnnen in das Unternehmen aufgenommen, während die Mutter Komplementärin wurde. Sie schenkte ihren beiden Töchtern je 50 000 DM, die von ihrem Kapitalkonto als Kommanditeinlagen umgebucht wurden. Am Gewinn und Verlust sollten die Komplementärin mit 90 % und die Kommanditistinnen mit je 5 % beteiligt sein. Geschäftsjahr war wie bisher das Kalenderjahr. Das erste Geschäftsjahr der Klägerin lief bis zum 31. Dezember 1964. Eine Abschlußbilanz des bisherigen Einzelunternehmens und eine Eröffnungsbilanz der Klägerin wurden nicht aufgestellt.

Für 1964 sollte das Jahresergebnis zeitanteilig mit 7/12 und 5/12 auf das Einzelunternehmen und die Klägerin verteilt werden. Dementsprechend erklärte die Klägerin für das Rumpfwirtschaftsjahr 5/12 des Jahresverlustes als Verlust der KG. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA). Das FA stellte aber gleichzeitig fest, daß der Gewinn nicht aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt sei, weil eine Bilanz auf den 1. August 1964 fehle. Einspruch und Klage gegen diese Feststellung blieben ohne Erfolg.

Das FG führte aus, nach § 39 Abs. 1 HGB habe jeder Kaufmann bei Beginn seines Handelsgewerbes eine Bilanz aufzustellen. Handelsrechtlich bedeute auch die Gründung einer KG den Beginn eines Handelsgewerbes, selbst wenn die KG unter Eintritt eines oder mehrerer Gesellschafter in ein bestehendes Einzelunternehmen gegründet werde (Schlegelberger-Hildebrandt, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 39 RdNr. 7). Fehle diese Anfangsbilanz, so liege ein schwerwiegender Mangel der Buchführung vor. Die Klägerin habe diesen Mangel nicht durch nachträgliche Erstellung der Bilanz auf den 1. August 1964 im Jahre 1969 heilen können. Bilanzen müßten innerhalb angemessener Frist nach dem Bilanzstichtag aufgestellt werden. Davon könne nach Ablauf von fünf Jahren keine Rede mehr sein (Hinweis auf Urteil des BFH vom 5. März 1965 VI 154/63 U, BFHE 82, 104, BStBl III 1965, 285). Daran ändere nichts, daß eine Bestandsaufnahme des Vorratsvermögens auf den 1. August 1964 gemacht worden sein möge. Zur Bilanzaufstellung gehöre nicht nur die Erstellung der Inventuren, sondern auch ihre abschließende Auswertung.

Zur Begründung der Revision der Klägerin wird u. a. ausgeführt, für den Beginn der KG sei deshalb keine Eröffnungsbilanz mit Eröffnungsinventar aufgestellt worden, weil die Aufstellung einer solchen Eröffnungsbilanz keine besseren Erkenntnisse gebracht haben würde. Das bisherige Einzelunternehmen sei mit seinem Gesamtbestand in das gemeinschaftliche Unternehmen eingebracht worden. Für die beiden Töchter seien lediglich Formalkonten, abgebucht vom Kapitalkonto der Mutter, eingerichtet worden. Das Vermögen des Unternehmens habe sich durch den Eintritt der beiden Kommanditistinnen nicht verändert. Der Anteil der Beteiligten am Vermögen und am Ergebnis des Jahres 1964 sei so genau festzustellen gewesen, daß es darüber keine Zweifel gegeben habe. Die bisherige Einzelinhaberin und spätere Komplementärin habe über eine ordnungsmäßige Buchführung verfügt. Das Gesamtergebnis aus dieser Buchführung sei als ordnungsmäßig der Besteuerung zugrunde zu legen. Das Gebot des § 39 HGB, wonach jeder Kaufmann eine Eröffnungsbilanz aufzustellen habe, dürfe nicht auf Kommanditisten ausgedehnt werden. Sie seien, jedenfalls handelsrechtlich, nur Kapitalgeber. Für die Verteilung des Jahresergebnisses sei maßgebend, was vertraglich unter den Beteiligten abgemacht worden sei. In der Wirtschaftspraxis habe sich insbesondere bei Personengesellschaften mit zahlreichen Gesellschaftern die Methode eingebürgert, daß nicht immer bei Ausscheiden oder Neueintritt von Gesellschaftern besondere Schlußund Eröffnungsbilanzen aufgestellt würden. Es werde stets vereinbart, das Jahresergebnis zeitanteilig aufzuteilen. Bei § 10d EStG könne es sich nur darum handeln, daß sich der Verlust aus einer ordnungsmäßigen Buchführung ergebe, also mit fortlaufenden vollständigen und richtigen buchhalterischen Eintragungen, mit korrekter Kassenführung und den notwendigen Bestandteilen einer Buchführung, wie Warenbestandsaufnahme usw. Alle diese Bestandteile seien zum 1. Januar und zum 31. Dezember 1964 vorhanden gewesen. - Die Klägerin habe seinerzeit alle Vorbereitungen für eine Bilanz zum 31. Juli 1964 getroffen, man habe aber auf das Fertigstellen der Bilanz wegen der Ergebnisverteilungsabrede verzichtet. Nach Beginn der Betriebsprüfung sei nachträglich noch eine Bilanz zum 31. Juli 1964 aufgestellt und am 4. Juli 1969 dem Betriebsprüfer zur Auswertung übergeben worden. Hilfsweise werde beantragt, die nachträglich erstellte Bilanz auf den 31. Juli 1964 als Schlußbilanz des Einzelunternehmens und Eröffnungsbilanz der KG anzuerkennen. - Das Vermögen der an der Gesellschaft Beteiligten sei durch Vertrag und Vereinbarung so eindeutig abgegrenzt, daß die für die Komplementärin vorliegende ordnungsmäßige Buchführung auch die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft abgebe. Bei Zweifeln an dieser Darstellung werde vorgeschlagen, ein Gutachten des Instituts der Wirtschaftsprüfer einzuholen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision, die nur das Jahr 1964 betrifft, ist nicht begründet.

Das FG hat es mit Recht abgelehnt, die Buchführung der Klägerin für ihr erstes Rumpfwirtschaftsjahr bis zum 31. Dezember 1964 trotz des Fehlens einer Eröffnungsbilanz der KG zum 1. August 1964 als ordnungsmäßig anzuerkennen. Das FG hat sich mit Recht auf § 39 Abs. 1 HGB bezogen, wonach jeder Kaufmann bei dem Beginn seines Handelsgewerbes "seine ... Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen", also eine Eröffnungsbilanz aufzustellen hat. Fehlt der Buchführung eines Unternehmens die Eröffnungsbilanz, kann die Buchführung nicht ordnungsmäßig sein.

Der Einwand der Klägerin, die beiden in das Unternehmen ihrer Mutter aufgenommenen Kommanditistinnen seien nicht Kaufleute, sondern in Wahrheit nur Kapitalgeber, die Bezeichnung als "Mitunternehmer" in § 15 Nr. 2 EStG mache sie noch nicht zu Kaufleuten, ist schon deshalb nicht zutreffend, weil es hier nicht um die Buchführungspflicht der Kommanditistinnen, sondern um die der Klägerin als KG geht. Nicht nur jeder Kaufmann, sondern auch jede Handelsgesellschaft muß eine Eröffnungsbilanz aufstellen.

Der Haupteinwand der Klägerin, eine Eröffnungsbilanz der KG zum 1. August 1964 hätte keine besseren Erkenntnisse gebracht, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Es trifft zu, daß sich an dem Vermögen des Unternehmens durch den Beitritt der Kommanditistinnen schon deshalb nichts ändern konnte, weil die beiden Kommanditistinnen kein eigenes Vermögen einbrachten, sondern ihre Kommanditeinlagen durch Abbuchung vom Kapitalkonto der bisherigen Einzelunternehmerin im Wege der Schenkung gedeckt wurden. Der Gewinn oder Verlust als Unterschied zwischen dem Betriebsvermögen am Ende des Wirtschaftsjahres gegenüber dem am Anfang des Wirtschaftsjahres kann aber nicht zutreffend ermittelt werden, wenn Eigentümer des Betriebsvermögens am Anfang des Wirtschaftsjahres ein anderer ist als der des Betriebsvermögens am Ende des Wirtschaftsjahres. Weder handelsrechtlich noch steuerrechtlich kann der Unterschied des Betriebsvermögens zwischen Ende und Anfang des Wirtschaftsjahres als Gewinn zugrunde gelegt werden, wenn der Unternehmer am Anfang eine Einzelperson, am Ende aber eine Handelsgesellschaft ist.

Dem weiteren Vorbringen der Klägerin, für die Aufteilung des Gesamtgewinns sei handelsrechtlich die Vereinbarung zwischen den Beteiligten maßgebend, die auch steuerrechtlich beachtet werden müsse, kann gleichfalls keine Bedeutung beigemessen werden. Zu Unrecht bezieht sich die Klägerin auf die Praxis beim Wechsel von Gesellschaftern innerhalb einer bestehenden Personengesellschaft. Sie übersieht, daß Eintritt und Ausscheiden eines Gesellschafters bei einer im übrigen unverändert bestehenden OHG oder KG nicht zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz zwingt, da in diesen Fällen ein Beginn des Handelsgewerbes nicht in Frage steht (Schlegelberger-Hildebrandt, a. a. O.). Mag in diesen Fällen beim Wechsel von Gesellschaftern innerhalb eines Wirtschaftsjahres der Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern ein besonderes Gewicht zukommen, so kann doch im Verhältnis zwischen Einzelunternehmen und aus ihm entstandener Personengesellschaft eine Gewinnverteilung "nach Vereinbarung" nicht anerkannt werden. Eine wie hier "zeitanteilig" vorgenommene Verlustverteilung, nach der den beiden Kommanditistinnen 5 v. H. von 5/12, also je 1/48, des Jahresergebnisses zugerechnet werden sollte, ist eine Schätzung, aber keine aufgrund eines Betriebsvermögensvergleichs zwischen Beginn und Ende des ersten Wirtschaftsjahres der KG aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung vorgenommene, für die handelsrechtliche und steuerrechtliche Behandlung maßgebende Ergebnisrermittlung.

Der Hinweis der Klägerin auf eine angeblich in der Wirtschaftspraxis eingebürgerte Methode, "nicht immer" bei Ausscheiden und Eintritt von Gesellschaftern Schluß- und Eröffnungsbilanzen aufzustellen, muß jedenfalls beim Übergang von Einzelunternehmen zu der aus ihm hervorgehenden Personengesellschaft unbeachtet bleiben. Der Senat würde auch einem Gutachten des Instituts der Wirtschaftsprüfer, dessen Einholung die Klägerin angeregt hat, nicht folgen können, sollte es sich in diesen Fällen trotz Fehlens der Eröffnungsbilanz der KG entgegen den Vorschriften des HGB für die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung aussprechen.

Dem FG ist schließlich auch darin zuzustimmen, daß es die nachträgliche Aufstellung der Bilanz zum 31. August 1964 im Jahre 1969 nicht als Heilung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ansah. Nach § 39 Abs. 2 Satz 2 HGB ist die Aufstellung des Inventars und der Bilanz "innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit zu bewirken". Die Aufstellung der Bilanz muß in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem betroffenen Wirtschaftsjahr stehen. Bei einer Verzögerung von mehr als fünf Jahren kann nicht mehr von einer einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit gesprochen werden (vgl. das BFH-Urteil VI 154/63 U).

 

Fundstellen

Haufe-Index 70707

BStBl II 1974, 65

BFHE 1974, 528

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