Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur einkommensteuerrechtlichen Beurteilung von Altenteilslasten im Zusammenhang mit der übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebes.

Wird ein landwirtschaftlicher Betrieb durch vorweggenommene Erbfolge an den Sohn übertragen und werden dabei die Leistungen des Sohnes an die Eltern nicht nach dem Wert des Betriebes festgesetzt, so sind die vom Sohn übernommenen Altenteilsleistungen Sonderausgaben, sofern der Sohn den übernommenen Betrieb nicht selbst bewirtschaftet, sondern durch Vermietung und Verpachtung nutzt.

 

Normenkette

EStG § 9/1, § 9/1/1, § 10 Abs. 1 Ziff. 1; EStDV §§ 25, 28

 

Tatbestand

Durch übergabevertrag vom 16. April 1953 erhielt der Bf., ein landwirtschaftlicher Oberlehrer, von seinem Vater, einem praktischen Arzt, einen Bauernhof von 19 ha Größe mit einem Einheitswert von 35.000 DM zu Eigentum übertragen. Der Vater war zur Zeit der übergabe 67 Jahre und die Mutter 55 Jahre alt. Der Bf. verpachtete - ebenso wie vorher der Vater - den Hof an drei Landwirte gegen eine Jahrespacht von 6.960 DM. Er übernahm bei der übergabe die folgenden Lasten:

Hypotheken -------------------------- 25.000 DM Barzahlung an den Vater -------------- 3.000 DM Abfindung an zwei Geschwister -------- 6.500 DM.Außerdem hatte er eine Altenteilsrente von 1.200 DM jährlich an den Vater zu leisten, die nach dessen Tode an die Mutter weiter zu zahlen war. Die Höhe der Abfindungen und des Altenteils wurden in einem Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht festgesetzt; Vater und Sohn erklärten sich ausdrücklich damit einverstanden. Sie geben an, beim Abschluß des Hofübergabevertrags von einem Verkehrswert des Bauernhofes von 55.000 DM ausgegangen zu sein; davon seien 5.000 DM auf die Gebäude und 50.000 DM auf die Ländereien entfallen.

Streitig ist, ob der Bf. im Streitjahr 1959 die Rente von 1.200 DM bei der Ermittlung seines Einkommens voll abziehen kann. Das Finanzamt und das Finanzgericht haben nur einen Betrag von 600 DM gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1955 (1959) in Verbindung mit §§ 28 und 25 EStDV 1955 (1959) als Sonderausgaben anerkannt. Das Finanzgericht führte aus, die Vertragsparteien seien von dem Vorkriegswert des Hofes und nicht von dem jetzigen wesentlich höheren Verkehrswert ausgegangen. Der übergabevertrag sei kein Kaufvertrag. Die Altenteilslasten stünden mit den Pachteinnahmen nicht in unmittelbarem Zusammenhang. Eine Veräußerungsrente könne nicht angenommen werden, da Leistung und Gegenleistung nicht gegeneinander abgewogen worden seien. Erst recht läge keine zum Kaufpreis zusätzlich gewährte betriebliche Versorgungsrente vor. Es handle sich vielmehr um eine unentgeltliche Gutsübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, also um einen unentgeltlichen Erwerb. Die Beteiligten hätten die Familienverhältnisse untereinander geregelt. Die Altenteilslasten seien Sonderausgaben, die nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG in Verbindung mit §§ 28 und 25 EStDV mit 50 v. H. absetzbar seien.

Der Bf. rügt in seiner Rb. unrichtige Rechtsanwendung und beantragt, die 1.200 DM voll als Werbungskosten von den Pachteinnahmen abzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der Bf. beruft sich für seine Rechtsauffassung auf Abschnitt 126 Abs. 2 Beispiel B EStR 1951 (und später). Dort werden unter Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 360/34 vom 12. September 1934 (RStBl 1935 S. 157) vereinbarte Altenteilsleistungen, die vom Sohn nach übernahme des väterlichen landwirtschaftlichen Betriebs laufend geleistet werden, zu den Betriebsausgaben bei der Land- und Forstwirtschaft gerechnet. Es ist zweifelhaft, ob diese Rechtsauslegung in den EStR rechtlich einwandfrei ist. Das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 360/34 a. a. O. hatte dazu Stellung zu nehmen, ob Altenteilsleistungen durch die sogenannte landwirtschaftliche Einheitssteuer abgegolten seien (ß 28 a EStG 1931 in Verbindung mit § 1 der Verordnung über das Inkrafttreten der landwirtschaftlichen Einheitssteuer vom 8. Mai 1931, Reichsministerialblatt 1931 S. 344); es betrachtet im Zusammenhang mit der sogenannten landwirtschaftlichen Einheitssteuer die Altenteilslasten sowohl bei einem entgeltlichen als auch bei einem unentgeltlichen Erwerb nicht als Unterhaltsleistungen, sondern als Gegenleistungen des Erwerbers für den übernommenen landwirtschaftlichen Betrieb und leitet daraus her, daß die Altenteilsleistungen mit den Einkünften aus dem landwirtschaftlichen Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stünden und daher durch die landwirtschaftliche Einheitssteuer abgegolten seien. Es kann in Zweifel gezogen werden, ob daraus gefolgert werden darf, daß der Reichsfinanzhof Altenteilslasten allgemein als Betriebsausgaben behandeln wollte. Aber auch wenn man diese Frage bejaht, so bleibt doch zweifelhaft, ob diese Rechtsauffassung bei der jetzigen Gesetzeslage und der inzwischen entwickelten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Behandlung von Lasten, die Kinder im Zusammenhang mit vorweggenommenen Erbschaften übernehmen (vgl. die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 579/53 U vom 4. Mai 1955, BStBl 1955 III S. 302, Slg. Bd. 61 S. 270, betreffend übertragung von Hausgrundstücken an Kinder, und I 232/54 U vom 12. Juli 1955, BStBl 1955 III S. 302, Slg. Bd. 61 S. 272, betreffend übertragung eines Gewerbebetriebs an Kinder), noch aufrechterhalten werden könnte. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unterscheidet bei Renten an die übergebenden Eltern zwischen betrieblichen Veräußerungsrenten und außerbetrieblichen Versorgungsrenten. Veräußerungsrenten werden angenommen, wenn die Höhe der Renten nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen bestimmt ist, also wenn Leistung und Gegenleistung wie zwischen nicht verwandten Personen abgewogen werden. Richtet sich dagegen die Rente weniger nach dem Wert der übertragenen Gegenstände als nach dem, was die Eltern zum angemessenen Lebensunterhalt brauchen, bilden also in erster Linie familiäre Erwägungen die Grundlage für den überlassungsvertrag, so liegt eine außerbetriebliche Versorgungsrente vor, die als Sonderausgabe beim Belasteten abzugsfähig ist.

Der Senat braucht indessen im Streitfall zu der Zweifelsfrage der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altenteilslasten im Zusammenhang mit der übergabe landwirtschaftlicher Betriebe nicht abschließend Stellung zu nehmen. Denn auch wenn man grundsätzlich - in übereinstimmung mit der herrschenden Verwaltungspraxis - Altenteilslasten in der Landwirtschaft nicht als Sonderausgaben, sondern als Betriebsausgaben absetzen lassen wollte, so kann das doch keinesfalls gelten, wenn der übernehmer nicht selbst den landwirtschaftlichen Betrieb fortführt, sondern ihn im ganzen auf längere Zeit verpachtet. In solchen Fällen ist die übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht anders zu behandeln als die übergabe anderer Vermögenswerte, z. B. eines Mietwohngrundstücks. Die Altenteilslasten können dann schon deswegen keine Betriebsausgaben sein, weil solche begrifflich nur im Rahmen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, nicht aber bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Betracht kommen können. Wird der übergebene landwirtschaftliche Betrieb durch Vermietung und Verpachtung genutzt, so ist es gerechtfertigt, die Versorgungsansprüche der Eltern nach den in den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 579/53 U und I 232/54 U a. a. O. aufgestellten Grundsätzen zu beurteilen.

Die Auffassung des Bf., daß seine Leistungen Werbungskosten bei den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung seien, trifft nicht zu. Seine Leistungen an die Eltern sind vielmehr auf dem Gebiet des Vermögens liegende Lasten, die der Bf. im Zusammenhang mit der vorweggenommenen Erbschaftsregelung übernommen hat und die darum, soweit sie Leibrenten sind, nur als Sonderausgaben behandelt werden können.

Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist das Finanzgericht verfahren. Seine Feststellung, daß die Parteien von dem Vorkriegswert des Hofes ausgegangen seien und nicht von dem jetzigen wesentlich höheren Verkehrswert, ist eine Tatsachenwürdigung, die der Preisentwicklung landwirtschaftlicher Güter entspricht und für den Senat bindend ist (§§ 296 Abs. 1, 288 AO). Das Finanzgericht konnte weiter ohne Rechts- und Verfahrensverstoß zu dem Ergebnis kommen, daß der Betrieb unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen worden sei (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 115/59 U vom 6. Oktober 1959, BStBl 1960 III S. 2, Slg. Bd. 70 S. 2). Von diesem Standpunkt aus hat es mit Recht die Altenteilsleistungen als Sonderausgaben beim Erwerber behandelt. Die bis zum Tode der Eltern zu leistende Zahlung des Bf. von 1.200 DM jährlich ist eine außerbetriebliche Versorgungsrente (Leibrente), die nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1955 (1959) nur beschränkt als Sonderausgabe abzugsfähig ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410978

BStBl III 1963, 578

BFHE 1964, 701

BFHE 77, 701

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