Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine von der Deutschen Bundespost selbst betriebene Kantine dient unmittelbar einem öffentlichen Dienst oder Gebrauch. Die Kantinenräume sind deshalb grundsteuerfrei.

 

Normenkette

GrStG § 4/1/a, § 6 Abs. 1

 

Tatbestand

In einem der Deutschen Bundespost (Bfin.) gehörenden Dienstgebäude befanden sich auch vier Dienstwohnungen, für die auf den 1. Januar 1952 ein Einheitswert festgestellt worden war. Im Jahre 1955 teilte das Postamt dem Finanzamt mit, drei dieser Wohnungen seien in Diensträume umgewandelt worden. Das Finanzamt stellte fest, daß es sich dabei um einen posteigenen Kantinenbetrieb handelte. Es hielt die Räume, die dem Kantinenbetrieb dienten, für grundsteuerpflichtig und setzte für diese Räume bei den Wertfortschreibungen des Einheitswertes auf den 1. Januar 1953, 1. Januar 1955, 1. Januar 1957 und 1. Januar 1958 einen Wert an, den es nach dem Vielfachen der Jahresrohmiete ermittelte. Der Grundsteuermeßbetrag wurde entsprechend festgesetzt. Die Bescheide über die Wertfortschreibungen und Fortschreibungsveranlagungen auf die genannten Stichtage wurden unanfechtbar. Mit Schreiben vom 20. Januar 1959 beantragte die Oberpostdirektion, die Kantinenräume als Diensträume bei der Einheitsbewertung nicht anzusetzen, weil sie nicht grundsteuerpflichtig seien. Das Finanzamt behandelte diesen Antrag verfahrensmäßig als Antrag auf Wertfortschreibung des Einheitswertbescheides und lehnte ihn ab.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte im wesentlichen folgendes aus: Grundsteuerfreiheit könne die Bfin. nach § 4 Ziff. 1a GrStG für die Kantinenräume nur beanspruchen, wenn diese Räume vom Eigentümer für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch genutzt würden. Darunter sei nach § 4 GrStDV die Ausübung öffentlicher Gewalt (hoheitliche Tätigkeit) oder der Gebrauch für die Allgemeinheit zu verstehen. Der Begriff "hoheitliche Tätigkeit" sei im Grundsteuerrecht der gleiche wie im Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerrecht. Nach der Rechtsprechung lägen Kantinenbetriebe nicht im steuerfreien Aufgabenkreis der Bundespost, weil die persönliche Fürsorge für die Postbediensteten im Vordergrund stehe. Die änderung des Arbeitsrhythmus im Postbetrieb rechtfertige keine andere Beurteilung.

Mit der Rb. rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Das Finanzgericht habe den Begriff der unmittelbaren Benutzung für den öffentlichen Dienst oder Gebrauch im Sinne der §§ 4 bis 6 GrStG verkannt. Es habe insbesondere die Entwicklung der letzten Jahre nicht berücksichtigt, durch die die Bfin. die Aufrechterhaltung und Durchführung eines geänderten Postdienstes gezwungen sei, in den größeren Städten und bei größeren ämtern Kantinen zu unterhalten. Diese seien für eine ungestörte Abwicklung des Post- und Fernmeldedienstes in der heutigen Zeit unentbehrlich.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

I. - Der Fortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1958, in dem der Wert der Kantinenräume enthalten ist, wurde unanfechtbar. Das Finanzamt hat deshalb zu Recht das Schreiben der Bfin. vom 20. Januar 1959 als Antrag auf Wertfortschreibung des Einheitswertes, und zwar für Zwecke der Grundsteuer behandelt. Wie das Finanzgericht zutreffend feststellt, kommt nur eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1959 in Betracht. Eine Fortschreibung kann nur mit Wirkung von einem folgenden Feststellungszeitpunkt ab geschehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 450/59 U vom 26. Oktober 1962, BStBl 1963 III S. 29, Slg. Bd. 76 S. 81).

II. - Die Bfin. begehrt für die Kantinenräume Grundsteuerfreiheit nach § 4 Ziff. 1 a GrStG. Die Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift setzt in subjektiver Beziehung voraus, daß der Grundbesitz dem Bund, einem Land, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband gehört. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Nach dem Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost vom 21. Mai 1953 (BGBl 1953 I S. 225) sind das Eigentum und alle sonstigen Vermögensrechte des Deutschen Reiches, die zum bisherigen Sondervermögen "Deutsche Reichspost" gehörten, mit Wirkung vom 24. Mai 1949 als Sondervermögen "Deutsche Bundespost" Vermögen des Bundes. Dieses Sondervermögen wird nach § 3 des Gesetzes über die Verwaltung der Deutschen Bundespost vom 24. Juli 1953 (BGBl 1953 I S. 676) in eigener Haushalts- und Rechnungsführung verwaltet.

III. - Weitere Voraussetzung für die Grundsteuerbefreiung nach § 4 Ziff. 1a GrStG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 GrStG ist in objektiver Hinsicht, daß der Grundbesitz vom Eigentümer unmittelbar für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird. Es ist dem Finanzgericht darin zuzustimmen, daß diese Voraussetzung im Streitfall nicht schon deswegen erfüllt ist, weil die Kantinenräume in den Kantinenrichtlinien als Diensträume bezeichnet werden. Es muß vielmehr festgestellt werden, ob die Kantinenräume tatsächlich unmittelbar für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt werden. Diese Feststellung erübrigt sich, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, auch nicht dadurch, daß in Abschn. 14 GrStR als Beispiel für die Annahme eines öffentlichen Dienstes oder Gebrauches die Bundespost (mit Ausnahme der Einrichtungen zur Personenbeförderung auf Omnibussen, im Linienverkehr und Gelegenheitsverkehr) genannt ist. Das Finanzgericht wies mit Recht darauf hin, daß das GrStG keine Vorschrift enthält, die entsprechend dem § 4 Abs. 1 Ziff. 1 KStG die Bundespost im vollem Umfang von der Steuerpflicht ausnimmt. Es brauchte deshalb auch nicht die Frage entschieden zu werden, ob § 4 Abs. 1 Ziff. 1 KStG für die Sondervermögen des Bundes eine völlige Steuerbefreiung gewährt oder nur insoweit, als sie im Rahmen des ihnen zugewiesenen Aufgabenkreises bleiben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 182/57 U vom 19. August 1958, BStBl 1958 III S. 429, Slg. Bd. 67 S. 409). Eine Befreiung von der Grundsteuer kann für die Bundespost nur unter denselben Voraussetzungen in Betracht kommen wie für andere Bundesverwaltungen, soweit für diese nicht besondere Vorschriften gelten, wie z. B. § 4 Ziff. 1 b GrStG für den Grundbesitz, der zum Bundeseisenbahnvermögen gehört, und § 4 Ziff. 1 c GrStG für den Grundbesitz des Unternehmens "Bundesautobahnen". Schließlich kann sich die Bfin. auch nicht auf § 23 Abs. 2 GrStDV berufen, weil diese Vorschrift nur solche gemeinschaftlichen Speiseräume von der Grundsteuer freistellt, die mit Gemeinschaftsräumen im Sinne des § 5 Ziff. 1 bis 4 GrStG im Zusammenhang stehen.

Unter öffentlichem Dienst oder Gebrauch im Sinne des § 4 Ziff. 1 a GrStG ist nach § 4 Abs. 1 GrStDV die Ausübung der öffentlichen Gewalt (hoheitliche Tätigkeit) oder der Gebrauch durch die Allgemeinheit zu verstehen. Die GrStDV unterscheidet dabei nicht zwei Einzelbegriffe "öffentlicher Dienst" und "öffentlicher Gebrauch", sondern erklärt diesen Ausdruck als einheitlichen Begriff (Urteil des Bundesfinanzhofs III 440/58 S vom 20. Mai 1960, BStBl 1960 III S. 368, Slg. Bd. 71 S. 318). Unter Ausübung der öffentlichen Gewalt ist nach ständiger Rechtsprechung eine Tätigkeit zu verstehen, durch die eine öffentlich-rechtliche Körperschaft Aufgaben erfüllt, die ihr in ihrer Eigenschaft als Träger der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten sind (vgl. z. B. Gutachten des Reichsfinanzhofs V D 1/37 vom 9. Juli 1937, RStBl 1937 S. 1306; Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs I D 4/49 vom 30. Juli 1949, Slg. Bd. 54 S. 362; Urteil des Bundesfinanzhofs V 57/51 U vom 20. Februar 1953, BStBl 1953 III S. 123, Slg. Bd. 57 S. 310, und das oben erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofs III 440/58 S). Die öffentlich-rechtliche Aufgabe, die der Bfin. als Trägerin der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten ist, ist der Betrieb des Post- und Fernmeldewesens. Entscheidend ist danach, ob der Betrieb einer Kantine unmittelbar der Erfüllung dieser öffentlich-rechtlichen Aufgabe dient (ß 6 Abs. 1 GrStG). Der Reichsfinanzhof hat das für das Körperschaftsteuerrecht verneint, weil bei allen Kantinen die persönliche Fürsorge für die Bediensteten im Vordergrund stehe (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I 258/39 vom 23. April 1940, RStBl 1940 S. 747). Für das Grundsteuerrecht hat der Reichsfinanzhof Einrichtungen der Verwaltung, die dem öffentlichen Dienst nur mittelbar dienen, als grundsteuerpflichtig angesehen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 87/41 vom 16. Oktober 1941, RStBl 1941 S. 975). In diesem Urteil hat der Reichsfinanzhof allerdings bei übernachtungsheimen für Bahnpostbeamte die Grundsteuerpflicht verneint. Er hat es, wie sich aus der Begründung des Urteils klar ergibt, nur deswegen getan, weil durch diese übernachtungsheime ein "bestimmter Zweck in zahlenmäßig genau feststellbaren Einzelfällen für bestimmte Dienstaufgaben bestimmter Beamten" erreicht werden soll. Aus dem Urteil des Reichsfinanzhofs III 87/41 vom 16. Oktober 1941 (a. a. O.) ergibt sich aber der Grundgedanke, daß ein öffentlicher Dienst oder Gebrauch angenommen werden kann, wenn der Grundbesitz zu einem Zweck verwendet wird, durch den bestimmte Dienstaufgaben erfüllt werden sollen. Dabei darf der Begriff der unmittelbaren Benutzung im Sinne des § 6 Abs. 1 GrStG nicht in seinem rein sprachlichen Sinne (ohne jedes Mittel) ausgelegt werden (vgl. Gürsching-Stenger, Kommentar zum Grundsteuergesetz, § 6 Anm. 2). Der erkennende Senat hat bereits im Urteil III 74/54 S vom 22. Oktober 1954 (BStBl 1954 III S. 369, Slg. Bd. 59 S. 413) ausgeführt, daß es eine dem Sinn und Zweck der Grundsteuerbefreiung widersprechende Einengung wäre, wollte man unentbehrliche Hilfsmaßnahmen und Hilfsmittel vom Kreise der Aufgaben steuerbegünstigter Personen ausschließen. Er hat deshalb ein Alters- und Erholungsheim eines Diakonissenmutterhauses, obwohl das Haus nicht selbst unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken diente, von der Grundsteuer freigestellt, weil ein sehr enger Zusammenhang mit den Aufgaben des Mutterhauses bestand. Der Senat billigt allerdings die Auffassung des Reichsfinanzhofs in dem Urteil I 258/39 vom 23. April 1940 (a. a. O.), daß die Steuerbefreiung einer Postkantine nicht allein deswegen gewährt werden kann, weil die Bundespost die Kantine in Erfüllung ihrer Fürsorgepflicht für ihre Beamten und Angestellten unterhält; denn die Fürsorgepflicht für Beamte, Angestellte usw. ist kein Befreiungstatbestand des Grundsteuerrechtes, und sie besteht für jeden öffentlichen und privaten Betrieb. Infolge der Entwicklung der Verhältnisse unterhält jedoch die Deutsche Bundespost die Kantinen heute nicht mehr allein wegen dieser Fürsorgepflicht. Sie muß sie vielmehr in erster Linie unterhalten, um einen geregelten Postbetrieb aufrechterhalten zu können. Das gilt besonders in größeren Städten, wo die Beamten und Angestellten zum Teil sehr weit entfernt von den Dienststellen wohnen, so daß sie ihr Mittagessen nicht zu Hause einnehmen können. Der Senat trägt deshalb keine Bedenken, unter diesen Voraussetzungen einen Kantinenbetrieb als ein unentbehrliches Hilfsmittel anzuerkennen, ohne den die Bundespost ihre hoheitliche Tätigkeit heute nicht mehr erfüllen kann. Der Kantinenbetrieb hängt so eng mit dem Aufgabenkreis oder Deutschen Bundespost zusammen, daß die Kantinenräume als unmittelbar für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt anzusehen sind. Sie sind deshalb nach §§ 4 Ziff. 1 a, 6 Abs. 1 GrStG von der Grundsteuer freizustellen. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist jedoch, daß die Kantine von der Deutschen Bundespost selbst betrieben wird. Ist ein solcher Kantinenbetrieb verpachtet, so dient er nicht unmittelbar einem öffentlichen Dienst oder Gebrauch.

Die Vorentscheidungen waren deshalb aufzuheben. Die Sache geht an das Finanzamt zurück. Dieses wird den Einheitswert des Grundstückes auf den 1. Januar 1959 fortzuschreiben und dabei die Kantinenräume außer Ansatz zu lassen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424018

BStBl III 1963, 571

BFHE 1964, 686

BFHE 77, 686

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