Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffungskosten bei Grundstücksübertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge; AfA-Berechnung

 

Leitsatz (NV)

1. Bei einer Grundstücksübertragung zwischen Familienangehörigen ist ein Veräußerungsvorgang nur gegeben, wenn die beiderseitigen Leistungen nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind und wenn die Beteiligten durch klare und eindeutige Vereinbarungen zum Ausdruck gebracht haben, daß tatsächlich ein auf äquivalenten Leistungen beruhendes Geschäft abgeschlossen ist.

2. Im Unterschied zu Abstandszahlungen führen weder Versorgungsleistungen noch vorbehaltene Rechte zu Anschaffungskosten.

 

Normenkette

EStG § 7; EStDV § 11d

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die miteinander verheiratet sind und zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, bewohnten das auf dem Grundstück . . . errichtete zweigeschossige Gebäude zusammen mit ihren beiden Kindern und der Mutter des Klägers, die bis 1980 Eigentümerin des Grundstücks war. Das Erdgeschoß besteht aus drei Zimmern, Küche und Bad (87,18 qm); im Dachgeschoß (56,48 qm) befanden sich vor dem Umbau durch den Kläger im Jahre 1981 drei Zimmer und eine Küche. Die beiden größeren Räume im Dachgeschoß mit zusammen rd. 30 qm waren seit 1958 an eine . . . firma in . . . als Büro vermietet.

Die Mutter des Klägers kündigte den Mietvertrag mit der Firma am 1. April 1980 zum 1. Oktober 1980. Die Firma räumte die gemieteten Räume - mit Einverständnis des Klägers - erst am 12. Dezember 1980, da sie zuvor keinen geeigneten Ersatz gefunden hatte.

Mit notarieller Vereinbarung vom 26. Juni 1980 veräußerte die Mutter das - als gemischtgenutztes Grundstück mit überwiegendem Gewerbeanteil bewertete - Grundstück, dessen Verkehrswert von dem Bausachverständigen des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) auf . . . DM geschätzt worden ist, an den Kläger zum Kaufpreis von . . . DM. Unter ,,I. Kaufvertrag" ist weiter folgendes vereinbart:

,,1. Die Zahlung des Kaufpreisteilbetrages von . . . DM erfolgt am 1. 7. 1980.

2. Hinsichtlich des Kaufpreisteilbetrages von . . . DM - womit der gesamte Kaufpreis ausgewiesen ist - gewährt der Käufer der Verkäuferin eine Leibrente in Höhe von . . . DM monatlich, deren erste Zahlung am 1. 7. 1980 fällig ist . . . .Die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung der monatlichen Leibrente erlischt mit dem Tode der Verkäuferin, spätestens jedoch am 30. 9. 2000.

3. Die Verkäuferin behält sich - ohne Anrechnung auf den vorgenannten Kaufpreis - den lebenslänglichen und unentgeltlichen Auszug vor, bestehend aus:

a) der Benützung der im ersten Stock gelegenen Wohnung von zwei Zimmern, Küche, Bad, Flur, Mitbenützung des Speichers, Kellers, des Hofes und des Gartens und dem freien Aufenthalt dortselbst,

b) der Verpflichtung des Käufers, die Verkäuferin in ihren alten und kranken Tagen zu pflegen und zu warten, ihre Wohnung und Kleidung sauber und in Ordnung zu halten, ihr die Kost zuzubereiten und zu verabreichen bzw. dafür zu sorgen, daß dies geschieht, und alle erforderlichen Botengänge für sie zu verrichten.

Die Berechtigte ist am . . . 1917 geboren.

Der Jahreswert der Rechte wird zu a) mit . . . DM und zu b) mit . . . DM angegeben.

Die Eintragung des lebenslänglichen und unentgeltlichen Auszugs für die Verkäuferin wird im Grundbuch bewilligt und beantragt.

. . .

5. Die Übergabe erfolgt am 1. 7. 1980. Mit diesem Tage gehen Gefahr, Nutzen und wiederkehrende Leistungen auf den Käufer über, das Eigentum mit der Wahrung des Vertrages im Grundbuch."

Der Kläger als Eigentümer und das Auszugsrecht zugunsten der Mutter wurden am 13. August 1980 im Grundbuch eingetragen.

Das FA sah die Übertragung des Grundstücks auf den Kläger als unentgeltlichen Vorgang im Rahmen einer vorweggenommenen Erbregelung an. Es ermittelte die Vermietungseinkünfte mit . . . DM, indem es anstatt der erhöhten Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur . . . DM - das sind 6/12 der jährlichen Absetzung für Abnutzung (AfA) der Mutter als Rechtsvorgängerin gemäß § 7 Abs. 4 EStG, § 11 d Abs. 1 der Einkommensteuer - Durchführungsverordnung (EStDV) - berücksichtigte.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage teilweise statt und führte im einzelnen aus:

Die Einkünfte aus der Vermietung des Objektes seien als Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln (§§ 21, 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Dem Kläger sei nur der Nutzungswert der Räume im Erdgeschoß zuzurechnen; die Nutzung des Dachgeschosses habe sich die Mutter vorbehalten. Der Kläger könne Absetzungen nach § 7 b EStG vornehmen. Die Anschaffungskosten des Klägers beliefen sich auf . . . DM. Sie setzten sich aus dem Barpreis, dem Barwert der (abgekürzten) Leibrente und aus Grundbuch- und Notarkosten zusammen. Diese Anschaffungskosten seien um den (unstreitigen) Bodenwertanteil als Bemessungsgrundlage der erhöhten Absetzungen zu mindern.

Im Hinblick auf das Wohnrecht der Mutter seien die Anschaffungskosten zunächst um den Barwert des Wohnrechtes zu erhöhen. Unter Abzug des Bodenwertanteils ergäben sich Anschaffungskosten auf das Gebäude von . . . DM, die - entsprechend der vom Kläger genutzten Wohnfläche - als Bemessungsgrundlage für die AfA nach § 7 b EStG zugrunde zu legen sei. Die anteilige AfA der Mutter, die der Kläger gemäß § 11 d EStDV fortführen könne, betrage . . . DM.

Von einer Aufteilung des Ertragsanteils der Leibrente als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung und als Sonderausgaben werde abgesehen, da sich diese Aufteilung nicht auf das zu versteuernde Einkommen auswirke.

Die Reparaturaufwendungen könnten nicht der selbstgenutzten Wohnung zugeordnet werden; die laufenden Aufwendungen könne der Kläger anteilig mit . . . DM abziehen.

Insgesamt ergäben sich Werbungskosten von . . . DM und ein Werbungskostenüberschuß von . . . DM.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Die zwischen dem Kläger und seiner Mutter getroffene Vereinbarung erweist sich entgegen der gewählten Bezeichnung (,,Kaufvertrag") als Übergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge. Mit ihr hat die Mutter ihr Grundstück und damit einen wesentlichen, wenn nicht den wesentlichen Bestandteil ihres Vermögens auf ihren Sohn übertragen.

Ein Kaufvertrag könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn die beiderseitigen Leistungen nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind und wenn die Beteiligten durch eindeutige und klare Vereinbarungen zum Ausdruck gebracht haben, daß tatsächlich ein auf äquivalenten Leistungen beruhendes Geschäft abgeschlossen ist (ähnlich zur Abgrenzung einer Kaufpreisrente - Betriebsausgabe - von einer außerbetrieblichen Versorgungsrente - Sonderausgabe - Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. November 1967 IV 1/65, BFHE 91, 81, BStBl II 1968, 263, und zur Betriebsübertragung BFH-Urteil vom 24. August 1972 VIII R 36/66, BFHE 107, 365, BStBl II 1973, 111).

Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen nicht vor. In dem Vertrag vom 26. Juni 1980 war bei einem Verkehrswert des Grundstücks von 260 000 DM ein ,,Kaufpreis" von 160 000 DM vereinbart worden. Die im nachhinein erstellten Berechnungen der Kläger, die im übrigen auch den Rentenbarwertfaktor vernachlässigen, sind unbeachtlich, da sie im Widerspruch zu den vertraglichen Vereinbarungen stehen.

2. a) Im Anschluß an den Beschluß des Großen Senats vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter Abschn. C II 1. c) sind Versorgungsleistungen, die anläßlich der Übertragung von Vermögen im Wege vorweggenommener Erbfolge vom Übernehmer zugesagt werden, keine Anschaffungskosten, sondern Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG). Die in dem Vertrag vom 26. Juni 1980 vereinbarten Versorgungsleistungen (die abgekürzte Leibrente und die Verpflichtung zur Pflege und Wartung in alten und kranken Tagen) können dementsprechend nicht als Anschaffungskosten für den Erwerb des Grundstücks berücksichtigt werden.

Ebenso kann der Wert des der Mutter vorbehaltenen Wohnrechts nicht als Anschaffungskosten angesetzt werden. Die Einräumung des Nutzungsrechtes stellt keine Gegenleistung des Übernehmers für die Übertragung des Grundstücks dar; sie mindert vielmehr von vornherein das übertragene Vermögen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Wie sich aus Abschn. C II. 1. Buchst. c), 2. Buchst. b) der Gründe des Beschlusses des Großen Senats vom 5. Juli 1990 (in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) ergibt, wird an dieser Rechtsauffassung festgehalten.

b) Anschaffungskosten bilden dagegen die Barzahlung in Höhe von . . . DM. Leistet der Vermögensübernehmer an den Übergeber eine Abstandszahlung, so erbringt jener eigene Aufwendungen, um das Vermögen übertragen zu erhalten (BFH-Beschluß in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter Abschn. C II 2. a, c).

Zu den Anschaffungskosten eines Wirtschaftsgutes gehören außer dem Anschaffungspreis auch die Anschaffungsnebenkosten, d. h., alle Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Wirtschaftsgutes stehen, soweit sie diesem einzeln zugeordnet werden können. Bei einem Grundstückserwerb sind dies insbesondere die Gebühren für die notarielle Beurkundung und für die Eintragung in das Grundbuch, im Streitfall Aufwendungen in Höhe von . . . DM. Da diese Aufwendungen getätigt werden, um das Grundstück von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen, stellen sie auch bei einem teilentgeltlichen Erwerb in voller Höhe Anschaffungskosten dar; sie sind nicht nur anteilig zu berücksichtigen (zu vorstehendem vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 1990 XI R 2/85, BFH/NV 1991, 383).

3. Die Übertragung des Grundstücks ist in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten (vgl. - auch zum folgenden - Senatsurteil vom 5. Juni 1991 XI R 3/84, BFH/NV 1991, 679). Dazu sind die von dem Kläger geleisteten Anschaffungskosten zum Verkehrswert des Grundstücks abzüglich des Wertes des der Mutter vorbehaltenen Wohnrechtes in das Verhältnis zu setzen.

Die gesamte dem Kläger zustehende AfA errechnet sich aus der anteiligen von ihm nach § 11 d EStDV fortzuführenden AfA der Mutter und der auf die eigenen Anschaffungskosten entfallenden Gebäude-AfA. Dieser Gesamtbetrag ist jedoch um den AfA-Anteil zu kürzen, der auf die der Mutter überlassenen Wohnung entfällt.

Danach ergibt sich folgende Berechnung:

a) AfA auf die eigenen Anschaffungskosten:

Anschaffungskosten für das Grundstück ... DM

Bodenwertanteil ... DM

Anschaffungskosten Gebäude ... DM

AfA gemäß § 7 b EStG (5 %) ... DM

b) AfA nach § 11 d EStDV:

AfA der Mutter nach § 7 Abs. 4 EStG ... DM

unentgeltlicher Erwerb ... DM

Die Berechnung des anteiligen unentgeltlichen Erwerbs ergibt sich aus dem Verhältnis der Anschaffungskosten zu dem um den Barwert des Wohnrechts verminderten Verkehrswert.

AfA für ein halbes Jahr ... DM

c) Gesamt-AfA ... DM

Davon entfällt auf den selbst genutzten Teil ... %

AfA insgesamt ... DM

d) Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung belaufen sich demnach auf ... DM:

Mietwert ... DM

laufende Aufwendungen (anteilig) ... DM

AfA ... DM

e) Sollten der Mutter - entgegen der vertraglichen Regelung - keine Wohnung, sondern nur einzelne Räume überlassen worden sein, so wäre dem Kläger der Nutzungswert des ganzen Hauses zuzurechnen, so daß sich bei Einnahmen von . . . DM und Werbungskosten in Höhe von . . . DM Einkünfte in Höhe von . . . DM ergäben.

4. Da der angefochtene Bescheid, in dem das FA die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit ./. . . . DM angesetzt hatte, nicht verbösert werden darf, muß es - selbst bei Berücksichtigung des nicht als Sonderausgabe abgezogenen Ertragsanteils der Leibrente - bei der bisherigen Steuerfestsetzung bleiben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63607

BFH/NV 1992, 169

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