Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffungsnaher Aufwand - Abgrenzung zum Erhaltungsaufwand

 

Leitsatz (NV)

1. Wird ein Zweifamilienhaus alsbald nach dem Erwerb grundlegend renoviert, so setzt die Wertung einzelner Maßnahmen als Erhaltungsaufwand mindestens die Feststellung voraus, daß es sich im wesentlichen um Reparaturen gehandelt hat und welche Aufwendungen hierfür im einzelnen angefallen sind. Enthält das FG-Urteil hierzu keine Feststellung, ist es schon deshalb aufzuheben.

2. Wird das nach dem Erwerb sanierte Wohnobjekt noch vor dem Bezug kurze Zeit nach Ablauf der Spekulationsfrist wieder veräußert, bedarf es besonderer Feststellungen zur Absicht der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie zur Frage, ob bestimmte Aufwendungen der nicht steuerbaren Veräußerung zuzuordnen sind.

3. Ein sofortiger Werbungskostenabzug für erhebliche Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen an einem Wohngebäude scheidet grundsätzlich aus, wenn diese im zeitlichen Zusammenhang mit dem verbilligten Erwerb erbracht und dadurch das Gebäude über seinen bisherigen Zustand hinaus erheblich verbessert wurde (Anschluß an BFH-Urteil vom 11. August 1989 IX R 44/86, BFHE 158, 240, BStBl II 1990, 53).

4. Für anschaffungsnahen Aufwand zur Beseitigung verdeckter Mängel kommt ein Abzug als Erhaltungsaufwand nach den allgemeinen Grundsätzen in Betracht.

 

Normenkette

EStG 1977 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nrn. 7, 21, 21a; FGO § 118 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Sie erwarben mit notariellem Vertrag vom 9. Juli 1976 ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes, an einem Hang gelegenes Grundstück zum Kaufpreis von 375 000 DM. Das damals bestehende Mietverhältnis wurde wegen der anschließenden umfangreichen Sanierungsarbeiten Ende August 1976 beendet. Es handelte sich um einen Einbau eines offenen Kamins sowie die Erweiterung einer Terrasse und - nach den Angaben der Kläger - um Arbeiten an der Elektroinstallation, Dachreparatur, Dachrinnenerneuerung, umfangreiche Maßnahmen hinsichtlich der sanitären Einrichtungen, Isolierarbeiten, Erneuerung von Fenstern und Türen, Holzarbeiten und die dadurch erforderlichen Maurer- und Malerarbeiten sowie die Errichtung von Stützmauern. Hierfür wandten die Kläger im Streitjahr 1977 insgesamt den Betrag von 63 871,95 DM und im Streitjahr 1978 den Betrag von 12 294,22 DM auf. Mit Vertrag vom 4. August 1978 verkauften die Kläger dieses Anwesen für 640 000 DM.

Am 7. August 1978 erwarben sie im selben Ort ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück für 925 000 DM, wovon 275 000 DM auf das Gebäude entfielen. Für dessen Instandsetzung und Renovierung wandten sie in den Streitjahren 1978 und 1979 54 324,76 DM bzw. 87 474 DM auf. Diese Aufwendungen entfielen nach der Darstellung der Kläger auf die umfangreiche Trockenlegung im Kellergeschoß, Erneuerung und Instandsetzungen der sanitären Einrichtungen, umfangreiche Instandsetzungen und Auswechslungen sowie Erneuerungsarbeiten und dadurch nötige Isolierarbeiten im Heizungssystem, Erneuerung von Türen und Fenstern, umfangreiche Arbeiten an der Elektroinstallation und dadurch erforderliche Maurer- und Malerarbeiten bzw. Instandsetzungen und Erneuerungen von Fußböden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte die als sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand geltend gemachten Aufwendungen in den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre als nachträgliche Herstellungskosten. Im Einspruchsverfahren erkannte das FA die Aufwendungen für die zusätzlichen Stützmauern bei dem Zweifamilienhaus in Höhe von 25 000 DM als sofort abziehbare Werbungskosten an, da insoweit ein verdeckter Mangel vorgelegen habe. Von dem für das Einfamilienhaus geltend gemachten Erhaltungsaufwand berücksichtigte es 1/10 im Schätzungswege als Werbungskosten.

Im finanzgerichtlichen Verfahren machten die Kläger vor allem geltend, für sämtliche noch strittige Aufwendungen seien bei beiden Objekten versteckte Mängel ursächlich gewesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) schränkten sie entsprechend einer Anregung von dessen Vorsitzenden ihr Begehren insoweit ein, als die Aufwendungen für den Kamineinbau und die Terrassenerweiterung den Herstellungskosten und weitere Beträge von 7 718 DM für das Zweifamilienhaus sowie von insgesamt 11 073 DM für das Einfamilienhaus den nichtabziehbaren Lebenshaltungskosten zuzurechnen seien. Das FG gab der Klage mit dem teilweise in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 497 veröffentlichten Urteil statt. Es führte im wesentlichen aus: Die noch strittigen Kosten bildeten sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand, da sie weder zu den Anschaffungs- noch zu den Herstellungskosten gehörten. Eine Wertung als Nebenkosten der Anschaffung, um das Gebäude bezugsfertig zu machen, entfalle, weil beide Gebäude beim Erwerb objektiv nutzbar gewesen seien. Herstellungskosten in Gestalt einer Generalüberholung seien mangels einer völlig veränderten Nutzungsdauer des Gebäudes nicht gegeben. Auch nachträgliche Herstellungskosten durch Substanzvermehrung oder wesentliche Verbesserung im Sinne von § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) lägen nicht vor. Es seien vielmehr lediglich unterlassene gängige Erhaltungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen nachgeholt worden, wobei die eigentliche Bausubstanz nur geringfügig betroffen gewesen sei.

Anhaltspunkte dafür, daß die Kläger das Zweifamilienhaus von vornherein hätten wieder verkaufen und damit nicht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen wollen, seien nicht ersichtlich. Das FA habe dies nicht behauptet. Das FG sei davon überzeugt, daß die Kläger sich erst zum Verkauf entschlossen hätten, nachdem sich im Frühjahr 1978 herausgestellt gehabt habe, daß das Problem ,,laufender Berg" nicht zu lösen sei.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§§ 7, 9 Abs. 1 Nr. 7, 21 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) und mangelnde Sachaufklärung. Hinsichtlich des Zweifamilienhauses sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anschaffungsnaher Herstellungsaufwand gegeben. Hinsichtlich des Einfamilienhauses kämen sogar Anschaffungskosten in Betracht. Entgegen seiner Sachaufklärungspflicht habe das FG festzustellen unterlassen, daß die Aufwendungen für das Zweifamilienhaus bereits im Jahre 1976 25 000 DM und damit insgesamt 50,58 v. H. des Kaufpreises und für das Einfamilienhaus aufgrund der 1980 angefallenen Aufwendungen von 90 000 DM zusammen rd. 84,72 v. H. des Kaufpreises betragen hätten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Revision greift bereits deshalb durch, weil die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausreichen, um seine Entscheidung zu tragen, daß die strittigen Aufwendungen allein für die Instandhaltung oder Instandsetzung der beiden Gebäude erbracht und deshalb bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zum sofortigen Werbungskostenabzug zuzulassen seien. Aus der Vorentscheidung ergibt sich nicht hinreichend, ob und ggf. inwieweit bereits vorhandene Teile des Gebäudes und zum Gebäude zählende Anlagen und Einrichtungen lediglich repariert oder ob dabei auch in wesentlichem Umfang zusätzliche Teile in das Gebäude eingefügt worden sind. Außerdem hat das FG jeweils nur den von den Klägern geltend gemachten Gesamtaufwand angesetzt, nicht aber festgestellt, welche Beträge für welche Maßnahmen geleistet wurden; das FG-Urteil enthält insoweit auch keine ausdrückliche oder sinngemäße Bezugnahme auf bestimmte Fundstellen in den Akten. Ferner läßt sich weder aus der Vorentscheidung noch aus der Sitzungsniederschrift entnehmen, welche der von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen als der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) dienend fallengelassen worden sind und wie die Abgrenzung vorgenommen wurde. Hierin liegt ein materiell-rechtlicher Fehler der Urteilsfindung, der auch ohne Rüge zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG führen muß (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. das Urteil vom 28. Januar 1987 I R 85 /80, BFHE 150, 120, BStBl II 1987, 616, Ziff. II B 1. der Gründe, m. w. N.).

Das FG-Urteil kann auch aus weiteren Gründen keinen Bestand haben.

Hinsichtlich des Zweifamilienhauses begegnet schon der Ausgangspunkt des FG Bedenken, wonach die Kläger insoweit zunächst die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erstrebt und diese Absicht erst im Frühjahr 1978 aufgegeben hätten. Das FG hat seine Überzeugung hiervon mit dem Hinweis allein auf die anhaltende Reparaturbedürftigkeit des Gebäudes wegen dessen Hanglage nicht schlüssig begründet. Denn diese Begründung schließt nicht aus, daß die Kläger das von ihnen niemals zu Wohnzwecken genutzte Grundstück in spekulativer Absicht erworben und wiederveräußert haben könnten. Mindestens aber hätten insoweit die für 1978 geltend gemachten Aufwendungen daraufhin untersucht werden müssen, ob ein Abzug nicht deshalb ausscheiden könnte, weil ein Zusammenhang mit der nicht einkommensteuerbaren Veräußerung des Objekts anzunehmen wäre (vgl. das Senatsurteil vom 23. Februar 1988 IX R 151 /86, BFH / NV 1989, 485).

Soweit das FG die Voraussetzungen einer zu Herstellungsaufwand führenden Generalüberholung verneint hat, läßt der Senat Zweifel unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 10. Juni 1975 VIII R 114/71 (BFHE 116, 469, BStBl II 1975, 878, Ziff. II 1. der Gründe), und vom 19. August 1986 IX R 80/82 (BFH / NV 1987, 147) unerörtert. Denn jedenfalls hat das FG das Vorliegen anschaffungsnahen Aufwands rechtsfehlerhaft verneint. Wie sich aus dem Urteil IX R 44/86 vom 11. 8. 1989 (BFHE 158, 240, BStBl II 1990, 53) ergibt, hält der Senat an der ständigen BFH-Rechtsprechung fest, daß ein sofortiger Werbungskostenabzug für erhebliche Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen ausscheidet, wenn diese im zeitlichen Zusammenhang mit dem verbilligten Erwerb eines bebauten Grundstücks erbracht und das Gebäude dadurch über seinen bisherigen Zustand hinaus erheblich verbessert wurde. Dabei ist wie im Falle des Senatsurteils vom 10. Februar 1985 IX R 114/83 (BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690) nicht entscheidungserheblich, ob die Aufwendungen bereits deshalb keine sofort abziehbaren Werbungskosten bilden, weil es sich um Nebenkosten der Anschaffung handelt, oder ob dem mit der neueren BFH-Rechtsprechung die Beurteilung als Herstellungsaufwand entgegensteht. Denn im Ergebnis ist die Wertung der strittigen Aufwendungen als Herstellungsaufwand durch das FA entgegen dem FG-Urteil aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, da beide Gebäude durch die Kläger mit verhältnismäßig hohen Aufwendungen von Grund auf modernisiert wurden, so daß sich ihr Wert erheblich erhöht hat. Das wird bei dem wiederveräußerten Zweifamilienhaus schon aufgrund des dabei erzielten Kaufpreises besonders deutlich.

Allerdings kommt für die hier von den Klägern geltend gemachte Beseitigung versteckter Mängel mit der ständigen Rechtsprechung ein Abzug von Erhaltungsaufwand nach den allgemeinen Grundsätzen in Betracht, weil solche Mängel zu keiner Minderung des Kaufpreises geführt haben (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22. August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672). Das FG hat auch hierzu, von seinem Standpunkt aus zu Recht, noch keine Feststellungen getroffen.

Falls oder soweit das FG aufgrund der erneuten Prüfung des Falles wiederum zur Anerkennung sofort abziehbarer Werbungskosten gelangt, wird es unter Beachtung des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots auch zu untersuchen haben, ob das FA die Aufwendungen für die Errichtung weiterer Stützmauern bei dem Zweifamilienhaus zutreffend als Erhaltungsaufwand gewertet hat und den auf das Einfamilienhaus entfallenden Erhaltungsaufwand in Höhe von 1/10 schätzen durfte.

Gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO geht die nicht spruchreife Sache an das FG zurück, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zu übertragen war (§ 143 Abs. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416589

BFH/NV 1990, 436

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