Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablauf der Festsetzungsfrist durch Umsatzsteuererklärung nicht gehemmt

 

Leitsatz (NV)

Eine Umsatzsteuererklärung ist auch dann kein Antrag auf Steuerfestsetzung i. S. des § 171 Abs. 3 AO 1977, wenn sie zu einem Anspruch auf Auszahlung eines Überschusses führt.

 

Normenkette

AO 1977 § 168 S. 2, § 171 Abs. 3, 14

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine Schlachterei. Am 23. Dezember 1991 ging seine Umsatzsteuererklärung 1984 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) ein. Sie wies einen Überschuß zugunsten des Klägers aus.

Mit Bescheid vom 20. Februar 1992 lehnte das FA die Durchführung der Umsatzsteuerveranlagung für 1984 wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist ab.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) teilte die Rechtsansicht des FA, die Umsatzsteuer 1984 habe wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist zum 31. Dezember 1991 nicht mehr festgesetzt werden dürfen. Zur Begründung führte das FG im wesentlichen aus, die vom Kläger eingereichte Umsatzsteuererklärung, die zu einer Steuervergütung führe, habe mangels Zustimmung durch das FA einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht gleichgestanden. Sie habe auch den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen können. Steuererklärungen, zu deren Abgabe der Steuerpflichtige gesetzlich verpflichtet sei, enthielten keinen Antrag auf Steuerfestsetzung i. S. des § 171 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977).

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, die sich auf Verletzung materiellen Rechts stützt. Der Kläger ist der Auffassung, in der Einreichung der Umsatzsteuererklärung 1984 mit ausreichender Kenntlichmachung des betreffenden Jahres liege ein Antrag auf Steuerfestsetzung i. S. des § 171 Abs. 3 AO 1977. Zudem stehe eine Umsatzsteuerjahreserklärung, in der ein Anspruch auf Auszahlung eines Überschusses ermittelt sei, nach dem AO-Einführungserlaß zu § 168 Tz. 9, 10 (BStBl I 1976, 609) stets einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Die Auffassung des FG, die Umsatzsteuer 1984 dürfe wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr festgesetzt werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Das FG hat zutreffend dargelegt, daß die Festsetzungsfrist am 31. Dezember 1991 endete.

a) Da die Umsatzsteuer 1984 gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 im Kalenderjahr 1984 entstand und der Kläger als Unternehmer nach § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG 1980 zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung 1984 gesetzlich verpflichtet war, begann die Festsetzungsfrist bereits mit Ablauf des Kalenderjahres 1987 (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977). Sie betrug gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 vier Jahre und endete daher am 31. Dezember 1991.

b) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht gehemmt war.

aa) Das FG hat unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Juni 1991 VIII R 54/89 (BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124) dargelegt, daß die im Dezember 1991 abgegebene Umsatzsteuererklärung 1984 kein "Antrag auf Steuerfestsetzung" i. S. des § 171 Abs. 3 AO 1977 ist. Der erkennende Senat hat sich der in diesem BFH-Urteil vertretenen Auffassung und Begründung bereits in seinem Urteil vom 17. September 1992 V R 17/86, unter 5. b (BFH/NV 1993, 279) auch für die Abgabe einer Umsatzsteuererklärung angeschlossen. Hieran hält er fest.

Die Umsatzsteuererklärung 1984 wurde -- entgegen der Auffassung des Klägers -- auch nicht durch die Änderung der ausgedruckten Jahreszahl auf dem -- für einen anderen Besteuerungszeitraum vorgesehenen -- Erklärungsvordruck zu einem "Antrag auf Steuerfestsetzung". Dieser Änderung kommt kein eigenständiger Erklärungsinhalt im Sinne eines Antrages zu. Sie diente lediglich der Zuordnung der abgegebenen Steuererklärung zu einem anderen als dem vorgedruckten Kalenderjahr.

Der Umstand, daß die vom Kläger eingereichte Umsatzsteuererklärung 1984 das Begehren nach Zustimmung gemäß § 168 Satz 2 AO 1977 enthalten könnte, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Ebenso wie die Steuerfestsetzung obliegt eine die Steueranmeldung betreffende Zustimmung, die an keine Form gebunden ist, dem FA von Amts wegen. Als Antrag i. S. des § 171 Abs. 3 AO 1977 sind aber nur solche Willensbekundungen zu verstehen, die ein Tätigwerden der Finanzbehörden außerhalb des infolge der Amtsmaxime ohnehin gebotenen Verwaltungshandelns auslösen sollen (vgl. BFH in BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124 unter 1.). Die Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung oder -jahreserklärung, die zu einem Anspruch auf Auszahlung eines Überschusses führt, gehört nicht hierzu. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß insoweit die rechtliche Beurteilung der Umsatzsteuererklärung nicht davon abhängen kann, ob sie zu einer Steuererstattung oder zu einer noch zu zahlenden Steuer führt.

bb) Eine Ablaufhemmung ergibt sich -- entgegen der Auffassung des Klägers -- ferner nicht aus § 171 Abs. 14 AO 1977. Diese Vorschrift ist im Streitfall nicht einschlägig. Sie ermöglicht es der Finanzbehörde, die Steuerfestsetzung nachzuholen, solange ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO 1977 wegen Zahlung ohne rechtlichen Grund noch nicht durch Zahlungsverjährung erloschen ist (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 171 AO 1977 Tz. 36; Höllig in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 171 Rz. 55). Ein derartiger Erstattungsanspruch wegen rechtsgrundlos gezahlter Steuer stand dem Kläger nicht zu.

2. Die vor Ablauf der Festsetzungsfrist eingereichte Umsatzsteuererklärung 1984 stand schließlich nicht mit ihrem Eingang beim FA gemäß § 168 AO 1977 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kommt einer Steueranmeldung, die -- wie die Umsatzsteuererklärung des Klägers für 1984 -- zu einer Steuererstattung führt, diese Wirkung erst dann zu, wenn die Finanzbehörde ihr zustimmt. Das FA hat der Umsatzsteuererklärung des Klägers für 1984 aber nicht -- insbesondere nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist am 31. Dezember 1991 -- zugestimmt.

Auf den Einführungserlaß des Bundesministers der Finanzen zur AO 1977 vom 1. Oktober 1976 (BStBl I 1976, 576 ff.) beruft sich der Kläger ohne Erfolg. Ebenso wie der den Erlaß ablösende Anwendungserlaß zur AO vom 24. September 1987 (BStBl I 1987, 664 ff.) läßt er es in Nummer 9 zu § 168 zwar zu, aus Vereinfachungsgründen bei Steueranmeldungen, die zu einer Steuererstattung führen, die Zustimmung allgemein zu erteilen, so daß Anmeldungen in diesem Fall bereits bei ihrem Eingang einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehen. Wie das FA eingehend dargelegt hat, war diese Zustimmung aber auf Steueranmeldungen begrenzt, die zu einem Anspruch auf Auszahlung eines Überschusses von bis zu 2 000 DM führen, und war für Umsatzsteuerjahreserklärungen nicht zugelassen worden (vgl. auch Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, 7. Aufl., E § 18 Tz. 66 und 111). Die Umsatzsteuerjahreserklärung des Klägers für 1984 mit einem höheren Überschuß fiel mithin nicht unter die Vereinfachungsregelung.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 1

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