Entscheidungsstichwort (Thema)

Kürzung des Werbungskostenabzugs bei Einräumung eines Nutzungsrechts (Wohnrecht) gegen Zahlung eines Einmalbetrags

 

Leitsatz (NV)

Wird für Veranlagungszeiträume vor 1987 ein Nutzungsrecht (Wohnrecht) gegen Zahlung eines Einmalbetrags eingeräumt, der den Kapitalwert des Nutzungsrechts um mehr als ein Drittel unterschreitet, liegt eine teilweise unentgeltliche Nutzungsüberlassung vor; die Werbungskosten sind entsprechend zu kürzen (siehe auch Senatsurteile vom 15. Dezember 1992 IX R 13/90 BStBl 1993, 490; vom 15. Dezember 1992 IX R 72/89 BFH/NV 1993, 521; vom 23. März 1993 IX R 130/92, BStBl II 1993, 606.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1, 2 Alt. 2, § 9 Abs. 1; BewG §§ 13-14

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Sie haben im Jahre 1976 ein Zweifamilienhaus zu einem Kaufpreis von 81000 DM erworben. Gegen eine Zahlung von 25000 DM haben sie den Eltern der Klägerin - die damals (1976) 58 Jahre (Vater) und 53 Jahre (Mutter) waren - ein lebenslängliches dingliches Wohnrecht an allen Räumen des Erdgeschosses und ein Mitbenutzungsrecht an Räumlichkeiten im ersten Obergeschoß (Dusche), dem Keller (Waschküche) und dem Hausgarten eingeräumt. Den jährlichen Nutzungswert des Wohnungsrechts haben die Kläger in der notariellen Urkunde mit 2400 DM angegeben.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) kürzte bei der Einkommensteuerfestsetzung 1985 die Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung um 3131 DM (= 19,27 v.H. von 16248 DM) der auf die Wohnung der Eltern der Kl

ägerin entfallenden Aufwendungen des Streitjahres mit der Begründung, das Wohnungsrecht sei teilweise unentgeltlich eingeräumt worden. Der Kapitalwert des Wohnungsrechts habe bei seiner Bestellung im Jahre 1976 gemäß § 14 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) 30967 DM betragen (Jahreswert 2400 DM x 12,903 Verfielfältiger nach Anlage 9 BewG). Da die Eltern der Klägerin hierfür nur 25000 DM gezahlt hätten, sei davon auszugehen, daß das Wohnungsrecht aus persönlichen (privaten) Gründen zu 19,27 v.H. unentgeltlich eingeräumt worden sei, wenn der Jahreswert von 2400 DM zutreffe. Dies habe eine entsprechende Kürzung der auf diese Wohnung entfallenden Werbungskosten zur Folge.

Mit ihrer Klage wendeten sich die Kläger gegen die Kürzung der Werbungskosten.

Das FA hat während des Klageverfahrens für das Streitjahr einen hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrages und der Kinderfreibeträge vorläufigen Änderungsbescheid erlassen (Einkommensteuerbescheid vom 16. September 1991). Die Kläger haben diesen Bescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht.

Die Klage hatte Erfolg.

Das FA rügt mit seiner vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision die Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 Nrn.1, 2, 7, § 21 Abs. 1 und 2 2. Alternative des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1985 sowie § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG 1987.

Das FG habe § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG 1987 (sog. 50 v.H.-Grenze) rechtsfehlerhaft auch auf das Streitjahr 1985 ausgedehnt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr.2 FGO).

1. a) Eine teilweise unentgeltliche Nutzungsüberlassung einer Wohnung mit der Folge, daß eine dem Einnahmeverzicht entsprechende Kürzung der Werbungskosten vorzunehmen ist, liegt nach der Rechtsprechung des Senats vor, wenn die vereinbarte und gezahlte Miete erheblich niedriger als die ortsübliche Marktmiete ist. Dies ist für Veranlagungszeiträume vor 1987 stets anzunehmen, wenn die ortsübliche Miete um mehr als ein Drittel unterschritten wird. Liegt die Vertragsmiete lediglich bis einschließlich einem Drittel unter der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Wohnungsüberlassung als vollentgeltlich zu beurteilen; die Werbungskosten sind in diesem Fall nicht zu kürzen. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Ausführungen unter 1. bis 3. in seiner Entscheidung vom 15. Dezember 1992 IX R 13/90 (BFHE 170, 162, BStBl II 1993, 490).

b) Die in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze gelten entsprechend auch im Streitfall, in dem das Nutzungsrecht durch Zahlung eines Einmalbetrags eingeräumt wurde. Ob in diesem Fall das Nutzungsrecht teilweise unentgeltlich begründet wurde, beurteilt sich auf der Grundlage des nach den §§ 13, 14 i.V.m. § 1 BewG zu ermittelnden Kapitalwertes des Wohnungsrechts. Dieser ist zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (§ 14 Abs. 3 BewG i.V.m. Anlage 9) auf der Grundlage des ortsüblichen Mietzinses (§ 15 Abs. 2 BewG) zu ermitteln und dem tatsächlich gezahlten Entgelt gegenüberzustellen. Wird hierbei der Kapitalwert des Nutzungsrechts um mehr als ein Drittel unterschritten, liegt eine teilweise unentgeltliche Nutzungsüberlassung vor; die Werbungskosten sind entsprechend zu kürzen.

2. Da das FG von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, ist das Urteil aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

Das FG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß sich die Frage, ob das dingliche Wohnungsrecht teilweise unentgeltlich eingeräumt wurde, grundsätzlich danach beurteilt, ob das für die Wohnrechtsbestellung vereinbarte und gezahlte Entgelt von 25000 DM den nach dem BewG zu ermittelnden Kapitalwert des Wohnungsrechts unterschreitet. Das FG hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, um wieviel vom Hundert im Streitfall diese Differenz beträgt. Die Streitsache wird zum Nachholen der entsprechenden Feststellungen und zur erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419209

BFH/NV 1993, 723

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