Entscheidungsstichwort (Thema)

Objektverbrauch nach Ehescheidung

 

Leitsatz (NV)

Erwirbt ein Miteigentümer-Ehegatte nach der Scheidung den hälftigen Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten hinzu, so kann er als nunmehriger Alleineigentümer die erhöhten Absetzungen gemäß § 7b EStG nur von der Hälfte der Höchstbemessungsgrundlage für das begünstigte Objekt in Anspruch nehmen. Diese in ständiger Rechtsprechung vertretene Beurteilung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

EStG § 7b Abs. 1, 5-6, § 26 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb gemeinsam mit ihrem früheren Ehemann im Jahre 1978 u.a. eine Eigentumswohnung zu je 1/2 Miteigentumsanteil. Mit notarielle beurkundetem Vertrag vom 3. August 1982 erwarb die Klägerin den Miteigentumsanteil ihres früheren Ehemanns an der seit 1981 von ihr allein genutzten Wohnung hinzu. Am 16. August 1982 wurde die Ehe der seit Ende 1981 dauernd getrennt lebenden Eheleute geschieden.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1982 (Streitjahr) machte die Klägerin für die Eigentumswohnung erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG in Höhe von 7500 DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte im Hinblick auf den ursprünglichen hälftigen Miteigentumsanteil der Klägerin lediglich erhöhte Absetzungen in Höhe von 3750 DM.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Die Klägerin könne erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG für die gesamte Eigentumswohnung und nicht nur für ihren ursprünglichen Miteigentumsanteil beanspruchen. Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) lasse sich aus der Vorschrift des § 7b Abs. 6 EStG nicht entnehmen, daß im Falle der Vereinigung von Miteigentumsanteilen diese Anteile als Objekte i.S. des § 7b EStG in der Hand des Erwerbers fortbestünden. Erwerbe ein Miteigentümer-Ehegatte den Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten hinzu, gingen die Miteigentumsanteile unter; es entstehe Alleineigentum an dem Objekt i.S. des § 7b Abs. 1 und 2 EStG. Die Auslegung des Gesetzes in dem Sinne, daß im Falle der Vereinigung der Miteigentumsanteile in einer Hand Begünstigungsobjekt das Bauwerk selbst werde, werde auch dem Zweck des Gesetzes, den Erwerb von Wohnungseigentum zu fördern, besser gerecht. Darüber hinaus benachteilige die gegenteilige Auffassung des BFH Ehegatten ohne sachlichen Grund im Falle des Scheiterns der Ehe.

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung des § 7b Abs. 5 und 6 EStG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG in rechtsfehlerhafter Anwendung von § 7b Abs. 5 und 6 EStG davon ausgegangen ist, der Klägerin stünden erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG nicht nur für ihren ursprünglichen Miteigentumsanteil, sondern für die gesamte Eigentumswohnung zu.

1. Erhöhte Absetzungen werden nach § 7b Abs. 5 Satz 1 EStG grundsätzlich nur für ein Einfamilienhaus oder ein Zweifamilienhaus oder eine Eigentumswohnung gewährt. Eheleute, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen, können erhöhte Absetzungen für insgesamt zwei begünstigte Objekte in Anspruch nehmen.

Ist ein Bauwerk mehreren Steuerpflichtigen zuzurechnen, so wird der Anteil eines Steuerpflichtigen hieran einem begünstigten Objekt gleichgestellt (§ 7b Abs. 6 Satz 1 EStG). Dies gilt nicht, wenn ein Bauwerk ausschließlich dem Steuerpflichtigen sowie seinem Ehegatten zuzurechnen ist und die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen (Abs. 6 Satz 2).

Erfüllen Ehegatten nicht mehr die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 20. Juli 1982 VIII R 162/81, BFHE 137, 247, BStBl II 1983, 198; vom 29. September 1982 VIII R 225/81, BFHE 137, 414, BStBl II 1983, 293; vom 22. Oktober 1985 IX R 145/83, BFHE 145, 518, BStBl II 1986, 387; vom 27. November 1990 IX R 186/87, BFH/NV 1991, 305; vgl. auch Senatsentscheidung vom 21. Februar 1991 IX R 199/87, BFHE 163, 557, BStBl II 1991, 570) § 7b Abs. 6 Satz 2 EStG nicht anwendbar, mit der Folge, daß jeder Anteil der beiden Eheleute an einem ihnen gemeinsam gehörenden Bauwerk als ein begünstigtes Objekt entsprechend der Grundregel des Abs. 6 Satz 1 EStG zu behandeln ist. Eheleute sind danach wieder anderen Steuerpflichtigen gleichgestellt, die einen Anteil an einem Bauwerk erworben haben. Bei jedem Ehegatten tritt nunmehr Objektverbrauch aufgrund seines Anteils ein; denn der bisher durch § 7b Abs. 6 Satz 2 EStG suspendierte Objektverbrauch lebt nun wieder auf.

Dieser Objektverbrauch steht der Gewährung erhöhter Absetzungen nach § 7b EStG für ein anderes Objekt als den ursprünglichen Miteigentumsanteil entgegen. Dies gilt entgegen der Auffassung des FG unabhängig davon, ob der Miteigentümer-Ehegatte den Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten hinzuerwirbt und auf diese Weise Alleineigentum an der Eigentumswohnung entsteht; zutreffend weist das FA nämlich darauf hin, daß sich für die Klägerin das Objekt i.S. des § 7b EStG in dem Veranlagungszeitraum - auf ihren Miteigentumsanteil - konkretisiert hat, in dem sie sich erstmals für die erhöhten Absetzungen gemäß § 7b EStG entschieden hat und sich diese Vergünstigungen bei ihr steuerlich ausgewirkt haben (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 1979 VIII R 23/78, BFHE 129, 357, BStBl II 1980, 199 zu § 7b Abs. 6 Satz 1 EStG 1974; BFH-Beschluß vom 5. April 1990 IX B 201/89, BFH/NV 1990, 766).

Diese, an dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 7b Abs. 6 Satz 2 EStG orientierte Beurteilung läßt auch keine ungerechtfertigte Benachteiligung von Eheleuten erkennen (vgl. Senatsentscheidung in BFHE 145, 518, BStBl II 1986, 387). Das verfassungsrechtliche Gebot, Ehe und Familie unter besonderen Schutz zu stellen (Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -), verbietet es nicht, die die Eheleute gegenüber nichtverheirateten Paaren bevorzugende Ausnahmeregel des § 7b Abs. 6 Satz 2 EStG in ihrem Anwendungsbereich auf die Zeit des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft zu begrenzen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn den Eheleuten mit der Möglichkeit einer beliebigen eigentumsrechtlichen Zuordnung Gestaltungsformen an die Hand gegeben sind, die die Begünstigung auch für den Fall einer Beeinträchtigung der Ehe erreichbar bleiben läßt (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 26. Februar 1993 2 BvR 164/92, Steuer-Eildienst - StEd - 1993, 182; vom 19. August 1986 1 BvR 448/86, Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst - DStZ/E - 1986, 326).

2. Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG sind bei der Klägerin entfallen, nachdem sie seit Ende 1981 von ihrem früheren Ehemann getrennt lebte. Damit trat bei ihr Objektverbrauch aufgrund ihres Anteils an der Eigentumswohnung ein, für den sie seit 1978 erhöhte Absetzungen in Anspruch genommen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419204

BFH/NV 1994, 92

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