Entscheidungsstichwort (Thema)

Umrechnung des tatsächlichen Gesamtumsatzes auf einen Jahresgesamtumsatz (§ 19 Abs. 4 Satz 3 UStG 1980 a.F.)

 

Leitsatz (NV)

1. Hat der Unternehmer seine gewerbliche Tätigkeit im Laufe des Kalenderjahres durch Geschäftsveräußerung beendet, darf vor Umrechnung des tatsächlichen Gesamtumsatzes in einen Jahresgesamtumsatz der tatsächliche Gesamtumsatz nicht um Umsätze aus dem im Rahmen der Geschäftsveräußerung erfolgten Verkauf von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens (Warenlager) gekürzt werden.

2. Zur Kostenentscheidung nach Zeitabschnitten.

 

Normenkette

UStG 1980 i.d.F. vor dem Änderungsgesetz vom 25. Juli 1988, § 19 Abs. 4 S. 3; FGO § 135 Abs. 2, § 136 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb bis zum 30. April 1983 einen . . .laden. Die laufenden Umsätze im Jahre 1983 beliefen sich auf 6484 DM. Zum 1. Mai 1983 verkaufte sie ihr Geschäft mit Anlage- und Umlaufvermögen für 15000 DM (ohne Umsatzsteuer).

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 1983 erklärte die Klägerin eine Steuer in Höhe von 2227 DM. Den (davon abzuziehenden) Steuerabzugsbetrag gemäß § 19 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 i.d.F. bis zum Änderungsgesetz vom 25. Juli 1988 - USt

G 1980 a.F. - berechnete sie wie folgt:

Umsatz 1. Januar bis 30. April 1983 6484 DM

Umrechnung auf 1 Jahr (12/5) 15561 DM

Geschäftsveräußerung 15000 DM

Jahresgesamtumsatz 30561 DM

Vomhundertsatz 59 x 2227 DM

= Steuerabzugsbetrag ./. 1314 DM

Umsatzsteuer 913 DM

Bei der Veranlagung der Klägerin zur Umsatzsteuer addierte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den laufenden Umsatz und den Umsatz aus der Geschäftsveräußerung zu dem Betrag von 21484 DM und rechnete diesen Betrag in einen Jahresgesamtumsatz von 51561 DM (12/5) um. Danach ergab sich ein Vomhundertsatz von 17 (Steuerabzugsbetrag 378,59 DM). Das FA setzte demgemäß die Umsatzsteuer auf 1849 DM fest (Bescheid vom 5. April 1984). Der hiergegen erhobene Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die Klägerin Festsetzung der Umsatzsteuer entsprechend ihrer Erklärung beantragt, statt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1987, 213). Zur Begründung führte das FG aus: Der zeitlichen Umrechnung des tatsächlichen Gesamtumsatzes in einen Jahresgesamtumsatz (§ 19 Abs. 4 Satz 3 UStG 1980 a.F.) seien nach der Natur der Sache nur laufende Umsätze, nicht aber einmalige Lieferungen und sonstige Leistungen (z.B. die Veräußerung des gesamten Unternehmensvermögens) zugänglich. Bei außerordentlichen Vorgängen scheide die Annahme, das Entgelt werde um so höher ausfallen, je länger die nichtunternehmerische Tätigkeit andauere, aus. Dies gelte nicht nur für Umsätze des Anlagevermögens, sondern auch für solche des Umlaufvermögens. Es könne nicht damit gerechnet werden, daß die bei Geschäftsveräußerung vorhandenen Waren im Falle der Fortführung des Geschäftes umgehend hätten abgesetzt werden können, oder daß das bei Geschäftsveräußerung vorhandene Warenlager noch mehrmals hätte umgeschlagen werden können.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 19 Abs. 4 Satz 3 UStG 1980 a.F. Während des Revisionsverfahrens änderte das FA gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) die Steuerfestsetzung zugunsten der Klägerin (Bescheid vom 9. September 1986). Den Steuerabzugsbetrag berechnet es nunmehr wie folgt:

Umsatz 1. Januar bis 30. April 1983 6484,00 DM

(Teil-)Entgelt für Warenbestand 7676,00 DM

insgesamt 14160,00 DM

Umrechnung auf ein Jahr (12/5) 33984,00 DM

(Teil-)Entgelt für Anlagevermögen 7322,00 DM

Jahresgesamtumsatz 41306,00 DM

Vomhundertsatz 38 x 2227,66 DM

= Steuerabzugsbetrag ./. 846,26 DM

Umsatzsteuer 1381,00 DM

Das FA hält an der Auffassung fest, die Umsätze aus der Geschäftsveräußerung gehörten zum ,,tatsächlichen Gesamtumsatz" i.S. des § 19 Abs. 4 Satz 3 UStG 1980 a.F. Aus Gründen sachlicher Unbilligkeit lasse es jedoch die Umsätze aus der Veräußerung des Anlagevermögens unberücksichtigt.

Die Klägerin begehrt Zurückweisung der Revision. Sie ist der Auffassung, die vom FG gefundene Gesetzesauslegung entspreche der Sachlogik. Hingegen gebe es für eine unterschiedliche Berücksichtigung von Anlage- und Umlaufvermögen im Gesetzeswortlaut keine Anhaltspunkte.

Die Klägerin erklärt, dem Antrag des FA, den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, werde nicht entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 1983 vom 9. September 1986.

1. Der Senat legt die Erklärung der Klägerin, dem Antrag des FA, den Umsatzsteuerbescheid vom 9. September 1986 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, ,,werde nicht entgegengetreten", als Antrag i.S. des § 68 FGO aus.

2. Der Senat vermag nicht der Auffassung des FG zur Auslegung des § 19 Abs. 4 Satz 3 UStG 1980 a.F., soweit diese nach Änderung des Steuerbescheids noch entscheidungserheblich ist, zu folgen.

a) Gemäß § 19 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Satz2 UStG 1980 a.F. liegt dem für die Berechnung des Steuerabzugsbetrages maßgeblichen Vomhundertsatz der sog. Gesamtumsatz zugrunde. Zum Gesamtumsatz zählt auch der Umsatz aus einer Geschäftsveräußerung. Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeführt, so ist gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 UStG 1980 a.F. der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen.

b) Es bedarf keiner Erörterung der Frage, ob vor der Umrechnung des tatsächlichen Gesamtumsatzes in einen Jahresgesamtumsatz der tatsächliche Gesamtumsatz um Umsätze aus dem Verkauf von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zu kürzen ist. Da das FA durch den gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Umsatzsteuerbescheid 1983 insoweit dem Begehren der Klägerin entsprochen hat, ist nur noch darüber zu befinden, ob auch die Umsätze aus der Veräußerung des Warenbestandes vor der Umrechnung vom tatsächlichen Gesamtumsatz abzuziehen sind.

c) Der Wortlaut des § 19 Abs. 4 Satz 3 UStG 1980 a.F. spricht für eine schematische Umrechnung nach Zeitanteilen, da die Vorschrift keine Anhaltspunkte für andere zu berücksichtigende Kriterien enthält. Andererseits schließt es der Wortsinn des Ausdrucks ,,umrechnen" nicht aus, Gesichtspunkten, die sich aus der Natur der umzurechnenden Werte ergeben, Rechnung zu tragen.

Entgegen der Ansicht des FG ist jedoch der Senat der Auffassung, daß es keine zwingenden Gründe dafür gibt, vor der Umrechnung des tatsächlichen Gesamtumsatzes in einen Jahresgesamtumsatz die Umsätze aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens, insbesondere des Warenlagers, vom tatsäch- lichen Gesamtumsatz abzuziehen. Das FG kommt zu seiner gegenteiligen Auffassung aufgrund der Erwägung, es könne nicht damit gerechnet werden, daß die im Rahmen der Geschäftsveräußerung verkauften Waren im Falle der Fortführung des Geschäfts umgehend hätten abgesetzt werden können, oder daß das bei Geschäftsveräußerung vorhandene Warenlager noch mehrmals hätte umgeschlagen werden können, und deshalb seien außerordentliche Umsätze nach der Natur der Sache einer zeitlichen Hochrechnung nicht zugänglich. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß Sonderverkäufe des Umlaufvermögens, insbesondere der Verkauf des gesamten Warenlagers im Rahmen einer Geschäftsveräußerung, einer besonderen Preisgestaltung unterliegen und daher mit dem Verkauf im regulären Geschäftsbetrieb in einem maßgeblichen Punkt nicht vergleichbar sind. Der Preis des Warenlagers im Rahmen einer Geschäftsveräußerung dürfte - berechnet auf der Basis von Händlereinkaufspreisen und unter Berücksichtigung von Abschlägen - regelmäßig unterhalb der Summe der regulären Verkaufspreise der einzelnen Waren liegen. Allein dieser Gesichtspunkt der Unvergleichbarkeit schließt es aus, im Falle der Geschäftsveräußerung dem tatsächlichen Gesamtumsatz als Basis für den hochgerechneten Gesamtjahresumsatz jede Sachgesetzlichkeit abzusprechen. Der Senat verkennt nicht, daß die Umrechnung in Einzelfällen zu nicht adäquaten Ergebnissen führen kann. Zu einem solchen kann es z.B. kommen, wenn ein Betrieb mit saisonal bedingten Umsatzschwankungen nach Ablauf der Saison veräußert wird. Das Gesetz sieht auch hierfür keine Gewichtung oder Bereinigung des hochzurechnenden tatsächlichen Gesamtumsatzes vor. Daraus ist zu schließen, daß es dem Gesetzgeber auf eine einfache und schematische Berechnung des Steuerabzugsbetrages und eine nur grobe Differenzierung bei der Bemessung der Steuervergünstigung ankam. An diese gesetzliche Wertung sind die Gerichte gebunden.

3. Das Urteil des FG war daher aufzuheben. Die Sache ist zur Entscheidung reif. Die Klage gegen den zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Umsatzsteuerbescheid 1983 vom 9. September 1986 war abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2, § 136 Abs. 1 FGO. Im Hinblick auf den Teilabhilfebescheid des FA und die daraus folgenden unterschiedlichen Streitwerte hat der Senat die Kostenentscheidung nach Zeitabschnitten getroffen (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 6. Juni 1984 II R 184/81, BFHE 141, 333, 338, BStBl II 1985, 261).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417747

BFH/NV 1993, 56

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