Leitsatz (amtlich)

Werden stille Reserven mit Hilfe einer Rücklage für Ersatzbeschaffung auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen, so können erhöhte Absetzungen nach § 14 BerlinFG (1976) nur von dem nach der Übertragung verbleibenden Buchwert in Anspruch genommen werden.

 

Orientierungssatz

1. Ausführungen, Literatur und BFH-Rechtsprechung zur teleologischen Auslegung des § 14 BerlinFG, zum systematischen Zusammenhang dieser Norm mit den allgemeinen Abschreibungsvorschriften des Ertragsteuerrechts, zur Maßgeblichkeit des steuerrechtlichen Anschaffungskostenbegriffs oder Herstellungskostenbegriffs und zum Bewertungsvorbehalt des § 5 Abs. 4 EStG.

2. Gebäude, in denen lediglich Tätigkeiten ausgeübt werden, die der Erhaltung von fertigen Wirtschaftsgütern ohne substanzmäßige Vervollständigung (Wiederherstellung) dienen, sind nicht gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2a, cc und ee BerlinFG 1976 begünstigt. Hiervon sind jedoch solche Gebäude abzugrenzen, in denen sich Einrichtungen zur Vornahme größerer und gründlicher Überholungsarbeiten an Kraftfahrzeugen befinden. Da mit Tätigkeiten dieser Art regelmäßig ein Substanzeingriff einhergeht, ist es unschädlich, wenn daneben laufende Instandsetzungsarbeiten vorgenommen werden (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).

3. Beteiligte eines Rechtsstreits, der die einheitliche Gewinnfeststellung für eine atypisch stille Gesellschaft betrifft, können nur der Inhaber des Handelsgewerbes und die atypisch stillen Gesellschafter sein (vgl. BFH-Urteil vom 12.11.1985 VIII R 364/83).

4. Auch wenn vom FG eine Beiladung zu Unrecht erfolgte, bleibt der Beigeladene am Revisionsverfahren beteiligt (vgl. BFH-Rechtsprechung).

5. Bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung besteht die verfahrensrechtliche Selbständigkeit der einzelnen Besteuerungsgrundlagen nicht nur im Verhältnis der verschiedenen Komponenten des Gesamtgewinns einer Personenvereinigung zueinander. Sie kann vielmehr auch im Hinblick auf die umstrittene Höhe des laufenden Gewinns gegenüber der nicht im Streit befindlichen Feststellung, daß eine Mitunternehmerschaft vorgelegen habe, anzunehmen sein, wenn sich aus der Klageschrift ergibt, daß nur erstere Feststellung Gegenstand des Klageverfahrens sein soll (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

BerlinFG § 14 Abs. 1 Fassung: 1976-02-18; EStG §§ 4-5, 7; BerlinFG § 14 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a DBuchst. cc Fassung: 1976-02-18; BerlinFG § 14 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a DBuchst. ee Fassung: 1976-02-18; EStR Abschn. 35; FGO § 65 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 122 Abs. 1, § 57 Nr. 1; AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a; FGO § 60; AO 1977 § 179 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin (Entscheidung vom 24.08.1984; Aktenzeichen V 247/81)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob die Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen nach § 14 des Berlinförderungsgesetzes 1976 (BerlinFG 1976) in der Fassung vom 18.Februar 1976 (BGBl I, 353, BStBl I 1976, 102) um die Übertragung von Rücklagen für Ersatzbeschaffung nach Absch.35 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) zu kürzen ist.

M.S., die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ist Erbin ihres im Jahre 1980 verstorbenen Ehemannes G.S. Dieser betrieb zunächst auf dem Grundstück G-Straße in Berlin eine Kraftfahrzeug-Reparaturwerkstatt und nahm im Jahr 1975 den Beigeladenen E.K. als stillen Gesellschafter auf.

Nach dem Enteignungsbeschluß des Baulandbeschaffungsamtes Berlin vom 19.September 1972 betreffend das Grundstück G-Straße erhielt G.S. als Ersatz eine Teilfläche des Grundstücks R-Straße sowie eine Bargeldleistung, für die er in der Bilanz zum 31.Dezember 1974 gemäß Abschn.35 EStR eine Rücklage für Ersatzbeschaffung in Höhe von 88 245,52 DM bildete. Nach Fertigstellung des auf dem Grundstück R-Straße errichteten Werkstatt- und Bürogebäudes am 30.September 1975 übertrug G.S. die stille Rücklage auf die Herstellungsaufwendungen (597 837,82 DM) des neuen Betriebsgebäudes.

Nachdem G.S. bis zum 31.Dezember 1976 für das Betriebsgebäude R-Straße bereits erhöhte Absetzungen nach § 14 BerlinFG 1976 in Höhe von insgesamt 321 494,55 DM in Anspruch genommen hatte, schöpfte er im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung 1977 auf der Grundlage der ungekürzten Herstellungsaufwendungen den danach noch verbleibenden Abschreibungsbetrag gemäß § 14 Abs.1 Satz 1 BerlinFG 1976 in voller Höhe aus.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) am 2.Dezember 1980 einen nach den §§ 164 Abs.2, 181 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Feststellungsbescheid 1977, in dem u.a. die erhöhten Absetzungen in Höhe von 75 v.H. der auf das Betriebsgebäude R-Straße übertragenen stillen Reserven (75 v.H. x 88 245,52 DM *= 66 184 DM) nicht anerkannt wurden.

Der hiergegen erhobene Einspruch wurde insoweit als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klage hatte Erfolg. Das Urteil der Vorinstanz ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 103 abgedruckt.

Mit der hiergegen erhobenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Da Beteiligte eines Rechtsstreits, der die einheitliche Gewinnfeststellung für eine atypisch stille Gesellschaft betrifft, nur der Inhaber des Handelsgeschäfts und die atypisch stillen Gesellschafter sein können (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12.November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311), hat das Finanzgericht (FG) die Klageschrift --entsprechend ihrem allgemeinen Wortsinn-- zutreffend dahin ausgelegt, daß die Klage von M.S., der Alleinerbin des im Jahre 1980 verstorbenen, vormaligen Inhabers des Handelsgeschäfts, persönlich erhoben wurde. Ob im Hinblick auf die Person des E.K. die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung (§ 60 Abs.3 i.V.m. § 48 Abs.1 FGO) infolge der Vollbeendigung der atypisch stillen Gesellschaft gegeben sind (vgl. hierzu BFH-Beschluß vom 24.November 1988 VIII B 90/87, BFHE 155, 32, BStBl II 1989, 145), kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht beurteilt werden. Hierzu bedarf es jedoch keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung durch den Senat, da auch dann, wenn man davon ausginge, daß die Beiladung zu Unrecht erfolgte, der Beigeladene am Revisionsverfahren beteiligt bliebe (§ 122 Abs.1 FGO; BFH-Urteile vom 27.Mai 1981 I R 112/79, BFHE 133, 526, BStBl II 1982, 192; vom 18.Mai 1973 III R 73-75/72, BFHE 109, 373, BStBl II 1973, 676).

2. Dem Senat ist weiterhin aus verfahrensrechtlichen Gründen eine Stellungnahme dazu verwehrt, ob zwischen G.S. und dem Beigeladenen im Streitjahr eine Mitunternehmerschaft in Form einer atypisch stillen Gesellschaft bestanden hat und damit die Voraussetzungen für die Feststellung der gewerblichen Einkünfte im Rahmen des Gewinnfeststellungsverfahrens (§§ 179, 180 Abs.1 Nr.2a AO 1977; Urteil in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311) vorlagen.

Nach der Rechtsprechung des BFH sind im Falle der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften die einzelnen Besteuerungsgrundlagen Regelungsgegenstand des Steuerverwaltungsakts, die --soweit sie eine rechtlich selbständige Würdigung beinhalten und eines rechtlich selbständigen Schicksals fähig sind-- auch als selbständiger Gegenstand eines Klageverfahrens in Betracht kommen. Eine verfahrensrechtliche Selbständigkeit in diesem Sinne besteht nicht nur im Verhältnis der verschiedenen Komponenten des Gesamtgewinns einer Personenvereinigung zueinander (BFH-Urteile vom 20.Januar 1977 IV R 3/75, BFHE 122, 2, BStBl II 1977, 509; vom 10.Februar 1988 VIII R 334/82, BFH/NV 1988, 791); sie kann vielmehr auch im Hinblick auf die --zwischen den Beteiligten umstrittene-- Höhe des laufenden Gewinns (Bilanzgewinns) gegenüber der nicht im Streit befindlichen Feststellung, daß eine Mitunternehmerschaft vorgelegen habe, anzunehmen sein, wenn sich --wie im anhängigen Verfahren-- aus der Klageschrift ergibt, daß nur erstere Feststellung Gegenstand des Klageverfahrens sein soll (BFH-Urteil vom 10.Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544 m.w.N.).

3. Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen nach § 14 BerlinFG 1976 dem Grunde nach gegeben waren (zur erstmaligen Anwendung dieser Gesetzesfassung, vgl. § 31 Abs.1, 7 und 8 BerlinFG 1976).

Nach dieser Vorschrift können für Gebäude, die in Berlin (West) errichtet werden und im eigenen gewerblichen Betrieb zu mehr als 80 v.H. unmittelbar der Wiederherstellung von Wirtschaftsgütern oder der Geschäftsführung (oder Verwaltung) im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit dienen, erhöhte Absetzungen vorgenommen werden (§ 14 Abs.2 Nr.2a, cc und ee BerlinFG 1976). Dabei ist der Begriff der Wiederherstellung im Sinne einer substanzmäßigen Vervollständigung zu verstehen. Dieses (engere) Begriffsverständnis ergibt sich daraus, daß --wie der BFH in den Urteilen vom 27.April 1954 I 118/53, nicht veröffentlicht (NV); vom 16.Mai 1957 IV 65/65 U (BFHE 64, 607, BStBl III 1957, 228) bereits für die in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen insoweit vergleichbare Bewertungsfreiheit gemäß § 7e des Einkommensteuergesetzes (EStG) dargelegt hat-- nach § 14 Abs.2 Nr.2a, aa, bb, cc BerlinFG 1976 Gebäude begünstigt werden, die unmittelbar der Fertigung von Wirtschaftsgütern, der Bearbeitung oder Wiederherstellung von Wirtschaftsgütern dienen. Da es sich aber bei den beiden ersten Vorgängen um Tätigkeiten handelt, mit denen in die Substanz der Wirtschaftsgüter eingegriffen wird, muß --entsprechend dem Willen des Gesetzgebers, der sich mit der Einfügung dieser Tatbestandsgruppen durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Berlinhilfegesetzes vom 19.Juli 1968 (BGBl I, 833, BStBl I 1968, 1006) ausdrücklich an § 7e EStG "anlehnte" (BTDrucks V/3019, S.8)-- eben dieses Merkmal auch für die Auslegung des Begriffs der Wiederherstellung im Sinne von § 14 Abs.2 Nr.2a, cc BerlinFG 1976 herangezogen werden mit der Folge, daß Gebäude, in denen lediglich Tätigkeiten ausgeübt werden, die der Erhaltung von fertigen Wirtschaftsgütern ohne substanzmäßige Vervollständigung dienen, nicht begünstigt sind. Hiervon sind jedoch solche Gebäude abzugrenzen, in denen sich, wovon auch im Streitfall ausgegangen werden muß, Einrichtungen zur Vornahme größerer und gründlicher Überholungsarbeiten an Kraftfahrzeugen befinden. Da mit Tätigkeiten dieser Art regelmäßig ein Substanzeingriff (z.B. Austausch von Fahrzeugteilen) einhergeht, ist es in einem solchen Fall für die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen nach § 14 BerlinFG 1976 auch unschädlich, wenn daneben laufende Instandsetzungsarbeiten (z.B. Reinigen, Schmieren) vorgenommen werden (gleicher Ansicht Sönksen/Söffing, Berlinförderungsgesetz, § 14 Anm.75; George, Berliner Steuerpräferenzen 1983, § 14 Anm.121; vgl. auch Erlaß des Senators für Finanzen vom 9.September 1968 III B - S 1974 - 15/68, Steuer- und Zollblatt Berlin --StZBl.Bln.-- 1968, 1670 Rdnr.9).

4. Die somit entscheidungserhebliche Frage, ob die Bemessungsgrundlage der erhöhten Absetzungen nach § 14 BerlinFG 1976 um die auf das in der R-Straße errichtete Betriebsgebäude übertragene Rücklage für Ersatzbeschaffung (vgl. hierzu Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 7.Aufl., 1988, § 5 Anm.53 ff.) in Höhe von 88 245,52 DM zu kürzen ist, wurde von der Vorinstanz in Übereinstimmung mit dem Urteil des FG Berlin vom 3.Mai 1972 II 88/71 (EFG 1972, 472) verneint.

Die Auffassungen in der Literatur sind geteilt. Während George, a.a.O., Rz.56 (derselbe in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, 15.Aufl., Bd.3, § 14 BerlinFG, Anm.20) und Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, 19.Aufl., § 5 EStG Anm.600a (vgl. auch ohne Verfasser, Der Betrieb --DB-- 1973, 1051) der Ansicht der Vorinstanz zustimmen, wird von folgenden Autoren der gegenteilige Standpunkt eingenommen: Blümich/Falk, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 13.Aufl., Bd.5: Nebengesetze, § 14 BerlinFG, Rz.25; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 6.Aufl. 1987, S.223 und Sönksen/Söffing, a.a.O., § 14 Anm.120 (vgl. auch Finanzverwaltung, Abschn.35 Abs.5 Satz 4 EStR 1987).

Der Senat tritt der letztgenannten Ansicht bei.

a) Bemessungsgrundlage der erhöhten Absetzungen nach § 14 Abs.1 BerlinFG 1976 sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des abnutzbaren Wirtschaftsguts. Da es sich bei dieser Vorschrift, wie insbesondere die Verweisung auf § 7 EStG zeigt, um eine Sondervorschrift für die einkommensteuerrechtliche Gewinnermittlung handelt, sind die in beiden Bestimmungen verwendeten Begriffe der Anschaffungs- und Herstellungskosten nach einheitlichen Grundsätzen auszulegen (Senatsurteil vom 14.November 1972 VIII R 22/68, BFHE 108, 65, BStBl II 1973, 182; vgl. auch BFH-Urteil vom 20.März 1984 IX R 104/82, BFHE 141, 241, BStBl II 1984, 659).

b) Die Herstellungskosten des Betriebsgebäudes R-Straße umfassen alle Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung dieses Wirtschaftsgutes entstehen (BFH-Urteil vom 13.Oktober 1983 IV R 160/78, BFHE 139, 273, BStBl II 1984, 101; vgl. jetzt § 255 Abs.2 des Handelsgesetzbuches --HGB-- n.F.).

aa) Scheidet ein Wirtschaftsgut infolge höherer Gewalt oder eines behördlichen Eingriffs gegen Entschädigung aus dem Betriebsvermögen aus und werden hierbei aufgedeckte stille Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen, so führt dies handelsrechtlich nicht zu einer Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieses Wirtschaftsguts. Der steuerrechtlich niedrigeren Bewertung des Ersatzwirtschaftsguts ist durch eine außerplanmäßige Abschreibung Rechnung zu tragen (§§ 154 Abs.2 Nr.2, 155 Abs.3 Nr.2 des Aktiengesetzes --AktG a.F.--; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaften, Kommentar, 4.Aufl., 1968, § 152 Anm.18, § 153 Anm.39, § 154 Anm.85, § 155 Anm.210; Stellungnahme des Hauptfachausschusses 2/65, Die Wirtschaftsprüfung --WPg-- 1965, 611; zur Rechtslage ab Inkrafttreten des Bilanzrichtlinien-Gesetz --BiRiLiG-- vgl. §§ 247 Abs.3, 254, 273, 279 Abs.2, 281 HGB n.F., dazu Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5.Aufl., § 254 Anm.22, § 255 Anm.77; Beck'scher Bilanzkommentar, 1986, § 254 Anm.23 ff.).

bb) Der Senat braucht im anhängigen Verfahren nicht darauf einzugehen, ob handelsrechtliche Bewertungsvorschriften aufgrund des in § 5 Abs.1 EStG verankerten Maßgeblichkeitsgrundsatzes auch für die Steuerbilanz des Kaufmanns allgemeine Geltung beanspruchen (verneinend für die Rechtslage vor Inkrafttreten des BiRiLiG BFH-Beschluß vom 12.Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620; kritisch hierzu Seeger, Die neue handelsrechtliche Definition der Herstellungskosten und die Bewertungswahlrechte des § 255 HGB: Ihre Bedeutung für die Bewertung in der Steuerbilanz, Steuerberater-Jahrbuch --StbJb-- 1987/88, S.91 ff., 93 ff.; zum Meinungsstand für die Rechtslage nach Inkrafttreten des BiRiLiG Schmidt, a.a.O., § 5 Anm.12b und c, § 6 Anm.5; Döllerer, Handelsbilanz und Steuerbilanz, Betriebs-Berater --BB-- 1987, Beilage 12 S.14) und ob hiervon --als Teil der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung-- auch die für die bilanzielle Behandlung von Ersatzwirtschaftsgütern dargelegten Regeln betroffen wären.

Denn auch dann, wenn man dies unterstellte, wäre nach ständiger Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des BFH mit der Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung und ihrer Übertragung auf das Ersatzwirtschaftsgut eine Minderung der steuerrechtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten verbunden (RFH-Urteil vom 2.April 1930 VI A 514/30, RStBl 1930, 313; BFH-Urteile vom 15.Mai 1975 IV R 138/70, BFHE 116, 122, BStBl II 1975, 692; vom 2.April 1980 IV R 48/78, BFHE 130, 486, BStBl II 1980, 584; vom 9.Dezember 1982 IV R 54/80, BFHE 137, 453, BStBl II 1983, 371), die kraft des in § 5 Abs.4 EStG enthaltenen Bewertungsvorbehalts den handelsrechtlichen Bilanzansatzvorschriften vorginge (Schmidt, a.a.O., § 6 Anm.5b).

Die Geltung dieser steuerrechtlichen Begriffsbestimmung wurde vom IV.Senat des BFH im Urteil vom 5.Februar 1981 IV R 87/77 (BFHE 132, 549, BStBl II 1981, 432) damit begründet, daß die Übertragung stiller Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut den Betriebsinhaber zwar in die Lage versetzen solle, die Entschädigung unversteuert in voller Höhe für die Beschaffung des Ersatzwirtschaftsguts zu verwenden; hiermit sei jedoch nur ein vorübergehender Steuerverzicht verbunden, da der Steuerpflichtige die sonst möglichen Absetzungen zu unterlassen habe. Für den Urteilsfall des IV.Senats hatte dies zur Folge, daß eine Teilwertabschreibung nur auf den nach Übertragung der Rücklage für Ersatzbeschaffung gekürzten Buchwert in Betracht kam.

Der erkennende Senat teilt diese Ansicht. Sie beruht auf der zutreffenden Erwägung, daß --wie sich aus der verallgemeinerungsfähigen Regel des § 6b Abs.5 EStG ergibt (Mathiak, Rechtsprechung zum Bilanzsteuerrecht, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1982, 81)-- die Übertragung stiller Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut nicht nur zu einer Minderung des AfA-Volumens, sondern darüber hinaus auch zu einer Kürzung der für die Absetzung für Abnutzung (AfA) maßgebenden Bemessungsgrundlage führt. Nur diese Auffassung fügt das gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsinstitut der Ersatzbeschaffungsrücklage und der Übertragung der hierbei aufgedeckten stillen Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 18.September 1987 III R 254/84, BFHE 151, 70, BStBl II 1988, 330 m.w.N.) in die Systematik der allgemeinen steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschrift des § 7 EStG ein, nach der --von der Vornahme außergewöhnlicher Absetzungen für Abnutzung abgesehen-- die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines abnutzbaren Wirtschaftsgutes und damit das in dieser Aufwandsgröße verkörperte Absetzungsvolumen auf die betriebsgewöhnliche (§ 7 Abs.1 und 2 EStG) oder auf die gesetzlich typisierte (§ 7 Abs.4 und 5 EStG) Nutzungsdauer zu verteilen sind.

c) Ist mithin davon auszugehen, daß einerseits die Übertragung der Rücklage für Ersatzbeschaffung nach den allgemeinen Regeln über die steuerrechtliche Gewinnermittlung zu einer Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Ersatzwirtschaftsgutes führt und andererseits --wie dargelegt-- diese Begriffsbestimmung grundsätzlich auch für die ertragsteuerrechtlichen Sondervorschriften Gültigkeit beansprucht, so könnte die Gewährung erhöhter AfA nach § 14 BerlinFG 1976 auf der Grundlage ungekürzter Anschaffungs- oder Herstellungskosten nur dann in Betracht kommen, wenn dies nach der wirtschaftspolitischen Zielsetzung dieser Steuervergünstigung geboten wäre (BFHE 132, 549, BStBl II 1981, 432).

Letzteres vermag der Senat jedoch nicht zu erkennen.

aa) Allerdings hat der BFH einen solchen Ausnahmefall für die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG in der Fassung vom 21.Dezember 1954 (BGBl I, 441, BStBl I 1954, 668) --EStG 1955-- als gegeben erachtet, da der Wortlaut dieser Vorschrift die tatsächlichen Herstellungskosten, d.h. die tatsächlich angefallenen Aufwendungen, begünstige und dieses Normverständnis dem Gesetzeszweck, den Wohnungsbau zu fördern, entspreche (BFH-Urteil vom 18.August 1959 I 28/59 U, BFHE 69, 502, BStBl III 1959, 448).

Der Senat ist bei der Entscheidung des Streitfalls an diese Entscheidung bereits deshalb nicht gebunden, weil die Erwägungen des I.Senats ausdrücklich auf einer eigenständigen Auslegung des Herstellungskostenbegriffs im Sinne von § 7b EStG 1955 beruhen, der die Regelung des § 7 EStG, nach der die Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Gesamtdauer der Nutzung des Wirtschaftsguts zu verteilen sind, verdränge (vgl. auch BFH- Urteil vom 25.August 1961 VI 180/60 U, BFHE 73, 593, BStBl III 1961, 482; zu weiteren Besonderheiten des für § 7b EStG geltenden Herstellungskostenbegriffs vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 7b Anm.7a). Demgegenüber sind --wie bereits ausgeführt-- bei der Auslegung des § 14 BerlinFG 1976 grundsätzlich die allgemeinen Begriffsbestimmungen über die steuerrechtliche Gewinnermittlung zu beachten.

bb) Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Deshalb sind Steuerbegünstigungsvorschriften zwar nicht buchstäblich eng auszulegen, jedoch muß der Wille des Gesetzgebers, den zur Entscheidung anstehenden Lebenssachverhalt begünstigen zu wollen, aus dem Gesetz heraus belegt werden können (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. Urteile vom 8.November 1977 VIII R 110/76, BFHE 123, 560, BStBl II 1978, 82; vom 15.Juni 1982 VIII R 24/81, BFHE 137, 243, BStBl II 1983, 194; vom 23.März 1983 II R 213/81, BFHE 138, 471, BStBl II 1983, 604; in BFHE 141, 241, BStBl II 1984, 659; vom 25.Juni 1987 V R 47/79, BFH/NV 1987, 744).

cc) Hiervon ausgehend wäre es zwar denkbar, die Tatbestandsmerkmale der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in § 14 BerlinFG 1976 im Sinne der handelsrechtlichen Begriffsbildung zu verstehen (siehe oben Abschn. 4b aa). Da ein solches Gesetzesverständnis jedoch weder anhand des Gesetzeszwecks noch aufgrund der Systematik der genannten Regelung belegt werden kann, muß diese Auslegung nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen ausscheiden.

Die Vorschrift des § 14 BerlinFG 1976 geht in ihrer Grundstruktur auf das Fünfte Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) vom 25.März 1959 (BGBl I, 160, BStBl I 1959, 195) zurück. Nach der Begründung des Gesetzes sollten nach dieser Bestimmung zur "Förderung von weiteren ggf. zusätzlichen Investitionen in westberliner Unternehmen" ... für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ... "an Stelle der Absetzungen nach § 7 EStG im Jahr der Anschaffung und Herstellung und den beiden folgenden Wirtschaftsjahren erhöhte Absetzungen bis zu insgesamt 75 v.H. vorgenommen werden" können (BRDrucks 91/59; vgl. auch Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BTDrucks III/949). Nach Auffassung des Senats ist diese Formulierung des Gesetzeszwecks dahin zu verstehen, daß mit der genannten Regelung die Möglichkeit geschaffen werden sollte, das zur Verfügung stehende Abschreibungsvolumen in Höhe von 75 v.H. in den ersten drei Jahren des Abschreibungszeitraums in Anspruch zu nehmen. Der Senat wird in dieser Ansicht dadurch bestärkt, daß mit der in dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) und des Steuererleichterungsgesetzes für Berlin (West) vom 30.Mai 1962 vorgesehenen Neufassung dem Steuerpflichtigen das Recht eingeräumt werden sollte, innerhalb des Begünstigungszeitraumes von vier Jahren die erhöhten "Absetzungen bis zur Höhe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Hervorhebung durch den Senat) vorzunehmen" (BTDrucks IV/435, S.4 und 14). Nach dem schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom 27.Juni 1962 wurde diese Ausdehnung der Abschreibungsvergünstigung mit der Begründung verworfen, daß "die Investitionstätigkeit in Berlin nicht durch Erweiterung der Sonderabschreibungen, sondern durch Gewährung einer Investitionszulage angeregt werden soll" (zu BTDrucks IV/538, S.4).

Da sich auch aus der nachfolgenden Entstehungsgeschichte bis zum Inkrafttreten des BerlinFG 1976 (vgl. hierzu den Überblick bei Sönksen/Söffing, a.a.O., § 14 Anm.2 ff.) keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Investitionsanreiz gemäß § 14 BerlinFG 1976 auf der Grundlage eines von den allgemeinen steuerrechtlichen Begriffen der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abweichenden Verständnisses gewährt werden sollte, könnte die Geltung der handelsrechtlichen Begriffsbestimmungen mithin nur anhand einer systematischen Interpretation erschlossen werden.

Die in diesem Zusammenhang von der Vorinstanz vertretene Auffassung, daß die Zielsetzung des § 14 BerlinFG 1976 keine Überschneidungen zur Übertragung stiller Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut aufweise, die Norm mit anderen Worten im Verhältnis zu diesem Rechtsinstitut eine eigenständige Stellung einnehme, geht bereits deshalb fehl, weil dann, wenn stille Reserven in Höhe der (handelsrechtlichen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten übertragen werden, nach einhelliger Ansicht erhöhte Abschreibungen mangels Abschreibungsvolumen nicht in Betracht kommen (Sönksen/Söffing, a.a.O., § 14 Anm.120).

Der aus dieser Überlegung deutlich werdende systematische Zusammenhang dieser Norm mit den allgemeinen Abschreibungsvorschriften des Ertragssteuerrechts wird nicht nur durch die mit dem Einführungsgesetz zum Einkommensteuerreformgesetz (EG-EStRG) vom 21.Dezember 1974 (BGBl I, 3656, BStBl I 1975, 2) vorgenommene Anpassung an die durch das Einkommensteuerreformgesetz (EStRG) vom 5.August 1974 (BGBl I, 1769, BStBl I 1974, 530) neugefaßte Regelung des § 7a EStG (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 7.August 1986 IV R 137/83, BFHE 147, 224, BStBl II 1986, 910), sondern vor allem durch den Wortlaut der Begünstigungsvorschrift selbst bestätigt. Nach § 14 Abs.1 Satz 1 BerlinFG 1976 können "an Stelle (Hervorhebung durch den Senat) der nach § 7 EStG zu bemessenden Absetzungen für Abnutzung erhöhte Absetzungen bis zur Höhe von insgesamt 75 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorgenommen werden". Da aber die AfA nach § 7 EStG auf der Grundlage der steuerrechtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzunehmen sind mit der Folge, daß die um die übertragenen stillen Reserven geminderten Aufwendungen auf die betriebsgewöhnliche oder gesetzlich typisierte Nutzungsdauer verteilt werden, und andererseits die Vorschrift des § 14 BerlinFG 1976 keinerlei Anhaltspunkte dafür enthält, daß mit ihr nicht nur eine Sonderregelung im Hinblick auf die Erhöhung des Abschreibungssatzes, sondern auch bezüglich der Dauer des Abschreibungszeitraums getroffen werden soll, würde es zu einer dem systematischen Zusammenhang widersprechenden Bevorzugung führen, wenn der Steuerpflichtige, der stille Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut überträgt, infolge der Wahlentscheidung für erhöhte Absetzungen nach § 14 BerlinFG 1976 das danach verbleibende Abschreibungsvolumen innerhalb des fünfjährigen Begünstigungszeitraumes, d.h. unabhängig von der steuerrechtlich maßgeblichen Nutzungsdauer, in vollem Umfang in Anspruch nehmen könnte. Die Systemwidrigkeit eines solchen Ergebnisses würde sich auch daran zeigen, daß die in § 14 Abs.1 Satz 2 BerlinFG 1976 enthaltene Regelung über die Restwertabschreibung (vgl. zum Begriff des Restwerts im Sinne von § 7a Abs.9 EStG, Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 7a EStG Anm.155) im Falle einer Übertragung stiller Reserven in Höhe von mindestens 25 v.H. der ungekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Ersatzwirtschaftsguts bereits aufgrund der nach § 14 Abs.1 Satz 1 BerlinFG 1976 beanspruchbaren erhöhten Absetzungen ins Leere laufen würde.

c) Die sowohl aus dem Gesetzeszweck als auch aus dem systematischen Zusammenhang folgende Maßgeblichkeit des steuerrechtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskostenbegriffs für die erhöhten Absetzungen nach § 14 BerlinFG 1976 wird schließlich auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß nach Auffassung der Finanzverwaltung die Übertragung stiller Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut die Bemessungsgrundlage der Investitionszulage nach § 19 BerlinFG nicht mindert (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 31.Dezember 1986, BStBl I 1987, 51, Tz.55). Abgesehen davon, daß auch bei der Auslegung der in dieser Vorschrift verwendeten Begriffe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten grundsätzlich an die Auslegung anzuknüpfen ist, die diese Begriffe im EStG erfahren haben (BFH-Urteile vom 24.Mai 1968 VI R 6/67, BFHE 92, 400, BStBl II 1968, 574; vom 3.März 1978 III R 46/76, BFHE 125, 73, BStBl II 1978, 413; vom 28.August 1987 III R 88/82, BFHE 151, 191, BStBl II 1987, 789), bedarf es im anhängigen Verfahren keiner Entscheidung darüber, ob der Zweck der Gewährung eines Investitionszuschusses eine Auslegung im Sinne der Ansicht der Finanzverwaltung rechtfertigen könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62950

BFH/NV 1989, 39

BStBl II 1989, 697

BFHE 157, 275

BFHE 1990, 275

BB 1989, 1657-1658 (LT1)

DB 1989, 1900-1902 (ST)

DStR 1989, 517 (KT)

HFR 1989, 616 (LT)

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