Entscheidungsstichwort (Thema)

Veräußerungsgewinn umfaßt negatives Kapitalkonto

 

Leitsatz (NV)

Zum Veräußerungsgewinn bei einer Betriebsveräußerung gehört auch die Übernahme eines negativen Kapitalkontos.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Durch Vertrag vom . . . erwarb der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) auf den 30. April 1982 die Niederlassung A von der Firma B. Es handelt sich dabei um einen Fachhandel für . . . Der Kaufpreis in Höhe von 340 000 DM sollte in 68 monatlichen Raten von je 5000 DM gezahlt werden. Die Verkäuferin trat ihre Ansprüche gegen den Kläger an die Firma V ab, an die der Kläger in der Folgezeit neun Raten zu je 5000 DM erbrachte. Durch Vertrag vom 10. Mai 1983 veräußerte der Kläger den Betrieb zum 30. April 1983 an die Ehefrau des Geschäftsführers der Vorveräußerin mit allen Aktiva und Passiva zu einem Kaufpreis von 295 000 DM, der in 59 monatlichen Raten zu je 5000 DM ab 1. Juni 1983 gezahlt werden sollte. Die Erwerberin leistete keine Zahlungen an den Kläger, sondern erbrachte die bisherigen Monatsraten an die Firma V, die einen Mahnbescheid gegen sie erwirkt hat.

Im Rahmen der gesonderten Feststellung der Einkünfte hat der Kläger für das Jahr 1982 einen Abschluß vorgelegt. Für das Jahr 1983 gab er keine Erklärung ab. Das Finanzamt (FA) schätzte den Gewinn wie folgt:

laufender Gewinn 60 000 DM

Veräußerungsgewinn 295 000 DM.

Nachdem der Kläger im Einspruchsverfahren eine Überschußrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 1983 vorgelegt hatte, änderte das FA in der Einspruchsentscheidung den laufenden Gewinn entsprechend der Gewinnermittlung, hielt aber an einem Veräußerungsgewinn in der bisherigen Höhe fest.

Im Klageverfahren legte der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine schriftliche Erklärung der Erwerberin vor, in der diese bestätigte, es seien weder beim Verkauf der Firma an den Kläger noch beim Rückkauf im Mai 1983 durch sie ,,Gelder geflossen".

Durch das angegriffene Urteil hob das Finanzgericht (FG) den gesonderten Feststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf und wies das FA an, den Gewinn ohne einen Veräußerungsgewinn festzustellen. In den Gründen führte es aus, der Kläger habe bewiesen, daß ein Veräußerungsgewinn nicht entstanden sei. Die Erwerberin habe den im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis nicht bezahlt, sondern die Ansprüche der Firma V übernommen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das FA geltend, das Gericht habe den Sachverhalt nur ungenügend aufgeklärt. Die eidesstattliche Versicherung stimme mit dem Kaufvertrag nicht überein, eine Schlußbilanz und eine Ermittlung des Veräußerungsgewinns seien vom Kläger nicht vorgelegt worden und es sei unklar, welche Vereinbarungen außerhalb des Kaufvertrages zwischen dem Kläger und der Erwerberin getroffen und welche Zahlungen von ihr erbracht worden seien. Im übrigen habe das FG gegen § 16 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verstoßen. Auch wenn die Erwerberin den Kaufpreis durch Übernahme der ausstehenden Verpflichtung des Klägers gegenüber der Firma V entrichtet habe, bleibe ein Veräußerungsgewinn in Höhe des negativen Kapitalkontos, das sich aus Entnahmen des Klägers ergebe; es habe per 31. Dezember 1982 55 731,71 DM betragen. Im Schätzungswege berechnet das FA das negative Kapital zum Veräußerungsstichtag mit rd. 70 000 DM. Nach Auffassung des FA besteht deshalb der Veräußerungsgewinn zumindest in der Übernahme des negativen Kapitals und der von der Erwerberin übernommenen Umsatzsteuerschuld in Höhe von 69 810 DM.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Feststellungen des FG tragen nicht die Rechtsfolgen, die es gezogen hat. Das Gericht hat lediglich festgestellt, daß der im Vertrag vom 10. Mai 1983 vereinbarte Kaufpreis nicht an den Kläger geflossen ist, sondern von der Erwerberin an die Gläubigerin des Klägers gezahlt wurde bzw. in Höhe des Kaufpreises ihr gegenüber bestehende Verpflichtungen des Klägers übernommen worden sind. Zu dieser Feststellung konnte das FG aufgrund der Darstellung des Klägers und der eidesstattlichen Versicherung der Erwerberin kommen. Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß ein Veräußerungsgewinn nicht entstanden ist. Nach § 16 Abs. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebs erzielt werden. Nach Abs. 2 der genannten Vorschrift ist Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt. Dieser ist für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 5 EStG zu ermitteln, wobei übernommene Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, 853). Kommt der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten nicht nach, ist das Gericht nach §§ 96 Abs. 1 FGO, 162 der Abgabenordnung zur Schätzung befugt. Das FG wird deshalb den Wert des Betriebsvermögens zu ermitteln und den Veräußerungspreis gegenüberzustellen haben. Mangels hinreichender Feststellungen durch das FG ist dem Revisionsgericht eine Feststellung des Veräußerungsgewinns nicht möglich. Dies gilt auch für die Umsatzsteuer.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64036

BFH/NV 1992, 593

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