Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

überläßt ein Landwirt den Hof seinem Sohn zur Bewirtschaftung, ohne selbst das Eigentum an den wesentlichen Grundlagen des Betriebes aufzugeben, bleibt er Landwirt. Für die Ermittlung des Gewinns aus dem Wirtschaftsüberlassungsvertrag ist das Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni maßgebend.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 5 Ziff. 1, §§ 13, 21 Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuer-Veranlagung 1952 die Gewinnermittlung bei einem buchführenden Landwirt, der die Selbstbewirtschaftung seines Betriebs im Laufe des Wirtschaftsjahrs aufgab.

Der Bf., der als buchführender Landwirt seinen Hof bis zum 31. Dezember 1952 selbst bewirtschaftete, überließ die Wirtschaftsführung seines "gesamten Hofes mit Inventar" mit Wirkung vom 1. Januar 1953 seinem Sohn auf Grund einer als "Wirtschaftsüberlassungsvertrag" bezeichneten Vereinbarung.

Nach dieser Vereinbarung hatte der Sohn die gewöhnlichen Ausbesserungen, besonders an den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, auf seine Kosten vorzunehmen und das Inventar in ordnungsmäßigem Zustand zu erhalten. Er hatte das Recht, über die einzelnen Inventarstücke im Rahmen einer ordnungsmäßigen Wirtschaftsführung zu verfügen und trug die Gefahr des zufälligen Untergangs wegen der Verschlechterung des Inventars. Ersatzstücke gingen mit der Anschaffung in das Eigentum des Bf. über, zusätzlich angeschafftes Inventar blieb Eigentum des Sohnes. Unentgeltlich wurden bei dieser Gelegenheit auf den Sohn übertragen die betrieblichen Kontoguthaben sowie die am 1. Januar 1953 vorhandenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse, letztere mit der Verpflichtung, bei Beendigung der Wirtschaftsüberlassung die zur Fortführung des Betriebs erforderlichen Erzeugnisse zurückzulassen.

Als Gegenleistung hatte der Sohn jährlich 6.000 DM in bar zu leisten, die auf dem Hof ruhenden öffentlichen Lasten, die Lastenausgleichsabgaben sowie die Einkommen-, Vermögen- und Kirchensteuer seiner Eltern zu tragen und seinen Eltern bestimmte Naturalleistungen zu gewähren, wie sie für gewöhnlich in Altenteilsverträgen vereinbart werden.

Der Bf. stellte keine Bilanz zum 31. Dezember 1952 auf. Die Buchführung wurde bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs 1952/53, dem 30. Juni 1953, fortgeführt und der durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelte Gewinn unter Berücksichtigung gewisser Zu- und Abschläge mit 1/2 vom Bf. als Gewinn für II/1952 erklärt und vom Finanzamt zunächst auch als Besteuerungsgrundlage erkannt.

Eine im November 1955 durchgeführte Betriebsprüfung führte zur Wiederaufrollung der Veranlagung. Das Finanzamt folgte dem Prüfer in der Auffassung, daß der Wirtschaftsüberlassungsvertrag als Pachtvertrag anzusehen sei. Es seien deshalb - im Wege der Schätzung - zwei Rumpfwirtschaftsjahre II/1952 und I/1953 zu bilden (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 31/53 U vom 2. Dezember 1954, BStBl 1955 III S. 44, Slg. Bd. 60 S. 112). Die für den Fall des unentgeltlichen übergangs eines Betriebs zugelassene Zusammenfassung der beiden Rumpfwirtschaftsjahre und die zeitanteilige Aufteilung des so ermittelten Gewinns (Abschnitt 108 EStR 1953) kämen hier nicht in Betracht.

Der Steuerausschuß beim Finanzamt hielt, obwohl auch er im Gegensatz zum Bf. die Vereinbarung nicht als einen unentgeltlichen Betriebsüberlassungsvertrag ansah, zur Vermeidung von Härten die Zusammenfassung der Rumpfwirtschaftsjahre und die zeitanteilige Aufteilung des Gewinns für geboten.

Das Finanzgericht stellte unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung den berichtigten Steuerbescheid vom 8. Januar 1957 wieder her. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus.

Mit der Aufgabe der Selbstbewirtschaftung sei der Hof für den Bf. ein "ruhender Betrieb" geworden, für den ein Vermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 2 EStDV 1951 nur noch für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 31. Dezember 1952 vorzunehmen sei. Die Aufteilung des landwirtschaftlichen Wirtschaftsjahrs in Rumpfwirtschaftsjahre führe allerdings zu Unstimmigkeiten insofern, als in die zweite Hälfte des Kalenderjahrs die Ernte, in die erste Hälfte dagegen die Kosten der Frühjahrsbestellung bei nur geringen laufenden Einnahmen fielen. Die Rechtsprechung habe versucht, diesen Unstimmigkeiten zu begegnen. Sie habe deshalb dem Pächter die Verbindung seines eigenen Anfangs- und Endrumpfwirtschaftsjahrs durch Korrektivposten gestattet und später ganz allgemein für die Fälle der Aufgabe der Bewirtschaftung (z. B. durch Tod, Veräußerung oder Verpachtung) den Ansatz eines passiven Ausgleichspostens im Schlußbetriebsvermögen zugelassen, der vom Rechtsnachfolger fortzuführen gewesen sei. Indes sei diese letzte Form als zu weitgehend wieder aufgegeben und dahin erkannt worden (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 915/34 vom 25. März 1936, RStBl 1936 S. 803), daß die Korrektur des Betriebsergebnisses von Rumpfwirtschaftsjahren auf die Fälle zu beschränken sei, in denen - wie beim Pächter und bei unentgeltlichem Erwerb - ein Ausgleich zwischen einem Anfangs- und einem Endrumpfwirtschaftsjahr möglich sei.

Die Kammer sei der Auffassung, daß ein solches Verfahren im Gesetz keine Stütze finde. In jedem Fall müßte es auf die unentgeltliche Betriebsübergabe unter Fortführung der bisherigen Buchwerte beschränkt werden. Das sei hier nicht der Fall, weil nicht das Eigentum, sondern allein die Nutzung übergegangen sei; der unentgeltliche übergang einiger Wirtschaftsgüter ändere hieran nichts. Die entscheidenden Grundlagen des Betriebs (Grund und Boden, Wirtschaftsgebäude, Inventar) seien im Eigentum des Bf. verblieben.

Mit seiner Rb. macht der Bf. geltend, die Zurückbehaltung des Grund und Bodens rechtfertige nicht den Schluß, daß keine unentgeltliche Betriebsübertragung vorliege. Der Betrieb könne nur zum 30. Juni eines Jahres unter überlassung der stehenden Ernte zurückgegeben werden. Unter Fremden wäre weder eine solche Vereinbarung noch die übergabe der vorhandenen Barmittel bei übertragung der Wirtschaftsführung denkbar gewesen. Die überlassungsvereinbarung sei deshalb kein Pachtvertrag.

Nehme man dennoch ein Pachtverhältnis an, so stelle die übergabe der Barmittel einen echten Wertausgleich für die bei Rückübertragung mit zu überlassende Ernte und eine Leistung des Bf. für die Gegenleistung des übernehmers dar, die Bewirtschaftung am 1. Januar 1953 zu übernehmen und an einem 30. Juni aufzugeben (Urteil des Bundesfinanzhofs I 331/56 U vom 1. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 323, Slg. Bd. 65 S. 231). Ohne diese Leistung wäre die Fortführung des Betriebs unmöglich, mindestens aber gefährdet gewesen. Die Leistung müsse daher den ausgewiesenen Gewinn mindern.

Soweit die EStR für bestimmte Fälle allgemeine Billigkeitsmaßnahmen vorsähen, seien auch die Steuergerichte an sie gebunden (Urteile des Bundesfinanzhofs I 39/57 U vom 14. August 1958, BStBl 1958 III S. 409, Slg. Bd. 67 S. 354; VI 134/58 U vom 1. April 1960, BStBl 1960 III S. 231, Slg. Bd. 70 S. 621, und VI 50/60 U vom 2. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 73, Slg. Bd. 72 S.197). Um eine solche Billigkeitsmaßnahme handelte es sich bei dem in Abschnitt 108 EStR 1953 zitierten Erlaß des Reichsministers der Finanzen über die Verbindung der beiden Rumpfwirtschaftsjahre.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.

Der Senat tritt der Vorinstanz darin bei, daß die Feststellung neuer Tatsachen, die zu einer Mehrsteuer von rund 2.000 DM führen, die volle Wiederaufrollung des Steuerfalles nach sich zieht (Urteile des Bundesfinanzhofs I 95 und 110/60 S vom 5. Juni 1962, BStBl 19 III S. 100, Slg. Bd. 76 S. 282, und VI 324/61 U vom 12. Juli 1963, BStBl 1963 III S. 435, Slg. Bd. 77 S. 315).

Der zwischen dem Bf. und seinem Sohn geschlossene Wirtschaftsüberlassungsvertrag mag als ein gemischter Vertrag zur Einleitung der endgültigen Hofübergabe an den Sohn gedacht gewesen sein; ein unentgeltlicher Betriebsüberlassungsvertrag ist er jedenfalls, wie das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum festgestellt hat, nicht. Die wesentlichen Grundlagen des Betriebs, wie Grund und Boden, Wohn- und Wirtschaftsgebäude, Inventar, verblieben beim Bf. Eigentum erwarb sein Sohn lediglich an den am 1. Januar 1953 vorhandenen Vorräten, die jedoch mit einer Rückgabeverpflichtung belastet waren; ferner wurden ihm die betrieblichen Kontoguthaben (53.714,02 DM) abgetreten. Das verwandtschaftliche Verhältnis von Vater und Sohn bestimmt den Vertrag so stark, daß die Vorinstanzen ihn mit Recht als einen Vertrag mit stark ausgeprägten Pachtelementen würdigten und die überlassung der Betriebsmittel als Schenkung (im Wege der vorweggenommenen Erbfolge) ansehen konnten.

Mit Ausnahme des Falles der unentgeltlichen Betriebsüberlassung (§ 5 EStDV) erlaubt auch die Rechtsprechung eine Durchbrechung des Grundsatzes der Individualbesteuerung nicht. Da dieser Fall hier nicht gegeben ist - der Hof ist vom Bf. erst am 1. Juli 1961 an den Sohn übergeben worden -, war vom Bf., der nach wie vor Landwirt war und Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft versteuerte, zum Zwecke der Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1952/53 für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1952 ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden. Dabei war mangels Aufstellung einer Bilanz zum 31. Dezember 1952 das Betriebsvermögen zu diesem Zeitpunkt zu schätzen.

Der Bf. beanstandet das Ergebnis dieser Schätzung insoweit, als es die unentgeltliche überlassung der Vorräte und der Betriebskonten nicht als gewinnmindernd berücksichtigt. Er ersieht dabei, daß es nach seinem eigenen Vorbringen nicht üblich ist, bei Abschluß eines Pacht- oder Wirtschaftsüberlassungsvertrages dem aufziehenden Pächter oder Wirtschafter die zur Bewirtschaftung notwendigen baren Betriebsmittel unentgeltlich zu überlassen. Im Gegenteil hat in der Regel der Pächter dem Verpächter für die übernahme des Feldinventars oder der stehenden Ernte Ersatz zu leisten. Im Streitfall übergab der Bf. seinem Sohn den Betrieb in einem Zeitpunkt, in dem - bis auf die Winterbestellung - weder Feldinventar noch aufstehende Ernte eine solche Ersatzleistung erfordert. Das zeigt, daß der Bf. seinem Sohn entgegen der Regel im Hinblick auf dessen eigene Mittellosigkeit aus verwandtschaftlichen Gründen die Mittel übergab, die erforderlich waren, um die Fortführung der Bewirtschaftung nicht zu gefährden.

Wenn der Bf. nun in der Hingabe dieser Mittel eine vorweggenommene Betriebsausgabe dafür sehen will, daß ihm sein Sohn bei Beendigung der Bewirtschaftung zum 30. Juni eines beliebigen Jahres die aufstehende Ernte überlassen müsse, so kann ihm der Senat darin nicht folgen. Kein Landwirt wird sich dazu verstehen, eine solche Vorleistung seinem Pächter oder Wirtschafter gegenüber zu erbringen, da bei Beginn der Pachtung oder Bewirtschaftung nicht mit ausreichender Sicherheit abzusehen ist, ob die vom Pächter geschuldete Ernte nach vielen Jahren tatsächlich zur Verfügung gestellt werden und die jetzige Vorleistung rechtfertigen wird. Selbst wenn man bei dieser Betrachtung Gründe wie persönliche Untüchtigkeit als Ursache ausscheidet, bleiben immer noch genügend Ereignisse wie Hagelschlag, Trockenheit oder ein übermaß an Niederschlägen übrig, die gegen die üblichkeit einer solchen Vereinbarung sprechen. Die Hingabe der Mittel war daher nur als eine Vorleistung auf die in Aussicht genommene endgültige Hofübergabe zu erklären, die dann später am 1. Juli 1961 erfolgt ist.

Soweit der Bf. die Anwendung des Erlasses des Reichsministers der Finanzen vom 23. Juli 1938 (Abschnitt 108 EStR 1953, Anl. 15) als einer auch von den Steuergerichten zu beachtenden Billigkeitsmaßnahme begehrt, übersieht er, daß im Streitfall die Voraussetzungen, nämlich die unentgeltliche übertragung des Betriebes, nicht vorliegen. Außerdem hat der Senat die Verbindlichkeit dieses Erlasses für die Steuergerichte bereits im Urteil IV 153/63 S vom 7. November 1963 (BStBl 1964 III S. 62, Slg. Bd. 78 S. 159), auf das Bezug genommen wird, verneint.

Gleichwohl mußte die Vorentscheidung aufgehoben werden. Da der Bf. auch nach Abschluß des Wirtschaftsüberlassungsvertrags Landwirt blieb und ihm deshalb die Leistungen seines Sohnes als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zuflossen (§ 21 Abs. 3 EStG), wird das Finanzamt nunmehr seine Einkünfte für das Wirtschaftsjahr 1952/53 nach Maßgabe dieser Entscheidung für den das Kalenderjahr 52 betreffenden Teil und nach Maßgabe des Vertrages für den das Kalenderjahr 1953 betreffenden Teil der zugeflossenen Einkünfte festzustellen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411573

BStBl III 1965, 286

BFHE 1965, 108

BFHE 82, 108

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