Entscheidungsstichwort (Thema)

Statthaftigkeit eines Grundurteils

 

Leitsatz (NV)

1. Ergeht ein Urteil seiner Bezeichnung nach als Grundurteil, der Urteilsformel nach jedoch als Endurteil, so ist es regelmäßig als Endurteil zu behandeln.

2. Durch ein Grundurteil gemäß §99 Abs. 1 FGO darf nur über den Grund eines Steueranspruchs entschieden werden, nicht über dessen Höhe. Das aber ist der Fall, wenn das FG statt der unbeschränkten Steuerpflicht des Steuerpflichtigen dessen beschränkte Steuerpflicht annimmt.

3. Ein nicht statthaftes Grundurteil gemäß §99 Abs. 1 FGO kann nicht in ein statthaftes Zwischenurteil gemäß §99 Abs. 2 FGO umgedeutet werden.

4. Der Erlaß eines nicht statthaften Grundurteils stellt einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar.

5. Es ist zweifelhaft, daß sich die Rechtmäßigkeit der Feststellung einer Steuerrate nach der Selbstberechnungsverordnung der ehemaligen DDR aufrechterhalten läßt, indem die der Festsetzung zugrunde liegende unbeschränkte Steuerpflicht in der ehemaligen DDR durch eine beschränkte Steuerpflicht in der Bundesrepublik saldierend "ausgetauscht" wird.

 

Normenkette

FGO § 99 Abs. 1-2; AO DDR § 144 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Gründe

I. Steuerraten für 1984 (beide Kläger) sowie für 1985 bis 1989 (Klägerin)

Soweit das FG über die Steuerraten für 1984 zugunsten beider Kläger und für 1985 bis 1989 zugunsten der Klägerin entschieden hat, ist die Revision des FA unbegründet.

1. Das FG hat ausweislich der Bezeichnung seines Urteils sowie der Entscheidungsgründe durch Grundurteil i.S. von §99 Abs. 1 FGO entschieden und hierdurch der Klage stattgegeben. Das wäre, wenn es insoweit auf die Bezeichnung und die Gründe ankäme, unzulässig gewesen. Denn ein Zwischenurteil ist nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen statthaft. Für den Fall eines Grundurteils gemäß §99 Abs. 1 FGO bedeutet dies, daß vorerst nur über den Grund eines Steueranspruchs entschieden wird und die Frage über die Höhe dieses Anspruchs einer weiteren Entscheidung vorbehalten bleibt. Hat die Klage indes, wie in dem bezeichneten Umfang auch im vorliegenden Streitfall, von vornherein insgesamt Erfolg, so bleibt für eine Entscheidung zur Höhe des Steueranspruchs kein Raum mehr. In der Sache kann und darf deshalb auch kein Urteil über den Grund eines Steueranspruchs ergehen, vielmehr ergeht dann sogleich ein Endurteil (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 14. Juli 1982 II R 1/81, BFHE 136, 506, BStBl II 1983, 25; vom 12. Juni 1986 V R 93/76, BFH/NV 1987, 781; H. F. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §99 FGO Rz. 22; ferner Senatsurteil vom 5. März 1974 I R 91/72, BFHE 111, 460, BStBl II 1974, 359, 361 zum umgekehrten Fall der Klageabweisung).

Das so ergangene Urteil des FG ist dennoch nicht aufzuheben. Um welche Art von Urteil es sich handelt, bestimmt sich regelmäßig nicht nach dessen Bezeichnung, auch nicht nach den Entscheidungsgründen, sondern nach dem Inhalt. Dabei ist die Urteilsformel jedenfalls dann allein ausschlaggebend, wenn sie als solche keinen Anlaß zu Zweifeln und Mißdeutungen gibt (vgl. BFH-Beschluß vom 14. September 1967 V S 9/67, BFHE 89, 332, BStBl III 1967, 615; Urteile vom 29. Juli 1986 VII R 8/79, BFH/NV 1987, 193; vom 17. November 1992 VIII R 35/91, BFH/NV 1993, 316; H. F. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., §95 FGO Rz. 24, m.w.N.; siehe zur Auslegung eines Grundurteils auch Bundesgerichtshof -- BGH --, Urteil vom 17. Oktober 1990 VIII ZR 213/89, Wertpapier-Mitteilungen 1991, 106). So verhält es sich auch im Streitfall. Es ist zweifelsfrei, daß das FG über die Klage betreffend die Steuerraten 1984 hinsichtlich beider Kläger und betreffend die Steuerraten 1985 bis 1989 betreffend die Klägerin abschließend entscheiden wollte.

2. Das so verstandene Urteil ist nicht, wie aber vom FA gerügt, im Hinblick auf eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des FG- Spruchkörpers aufzuheben. Wegen der Gründe hierfür wird auf den Senatsbeschluß vom 18. Dezember 1997 I R 68/97 (BFH/NV 1998, 724) verwiesen, durch den die Revision des FA in gleicher Sache betreffend die Streitjahre 1982 und 1983 als unzulässig verworfen worden ist.

3. Das Urteil des FG ist in dem unter I. bezeichneten Umfang auch ansonsten nicht zu beanstanden.

Das FG ist nach umfangreicher Beweisaufnahme und deren umfassender Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, die Kläger seien mit den in Rede stehenden Einkünften in der DDR nicht steuerpflichtig gewesen. Folglich könne ihnen weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht der Vorwurf der Steuerhinterziehung gemacht werden. Diese Sachverhaltsaufklärung und Prüfung erfolgten -- allein -- im Zusammenhang mit der Frage, ob die ursprünglichen Steuerbescheide des FA noch geändert werden durften, weil die erweiterten Verjährungsfristen von 10 (gegenüber regulär nur 2) Jahren gemäß §144 Satz 1 letzter Halbsatz der Abgabenordnung der Deutschen Demokratischen Republik in der Fassung vom 18. September 1970 (AO DDR; Gesetzblatt der DDR -- GBl DDR -- Sonderdruck Nr. 681; BGBl I 1990, 790) gelten (zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift siehe §6 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung der Deutschen Demokratischen Republik vom 22. Juni 1990, GBl DDR Sonderdruck Nr. 1428, BStBl I 1990, 805; Art. 97a §2 Nr. 5 Sätze 1 und 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung -- EGAO 1977 -- in der Fassung des Vertrages vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands -- Einigungsvertrag --, EinigVtr, BGBl II 1990, 885).

a) Gegen diese Einschätzung des FG hat sich das FA im Hinblick auf den objektiven und den subjektiven Hinterziehungsvorwurf gewandt, bezogen auf letzteren jedoch nur, soweit dies den Kläger betrifft. Einwände, die sich auf die Klägerin beziehen, sind nicht geltend gemacht worden. Der erkennende Senat hat folglich keine Veranlassung, insoweit an der Richtigkeit der FG- Entscheidung zu zweifeln.

b) Aber auch im Hinblick auf den Kläger ist das Vorbringen des FA nicht tragfähig. Dabei reicht es ebenfalls aus, auf die Fragen nach dem subjektiven Hinterziehungsvorwurf einzugehen. Fehlt es daran, kommen die erweiterten Verjährungsfristen gemäß §144 AO DDR nicht in Betracht, so daß die angefochtenen Steuerbescheide wegen Eintritts der Verjährung nicht mehr ergehen durften.

Die Überlegungen des FG zu diesen Fragen des subjektiven Hinterziehungsvorwurfs liegen überwiegend auf tatsächlichem Gebiet. Solange sie nicht gegen die Denkgesetze der Logik verstoßen, stellen sie sich für den erkennenden Senat im Rahmen des Revisionsverfahrens als bindend dar (vgl. §118 Abs. 2 FGO). Das FA hat nichts dafür geltend gemacht, aus dem sich ein derartiger Verstoß ergeben könnte, auch nicht durch die angeführten Belegstellen aus den Akten und die Beanstandung, das FG habe seiner Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt (§96 FGO). Vielmehr setzt es seine eigene Beweiswürdigung lediglich an die Stelle jener des FG. Das aber genügt nicht (vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §120 Rz. 41, m.N.). Das FG hat sich mit den vom FA angeführten Zeugenaussagen und den beigezogenen und tatrichterlich festgestellten Unterlagen intensiv auseinandergesetzt und diese aus seiner (maßgeblichen) Sicht einer (vertretbaren) Wertung unterzogen. Ausschlaggebend ist allein, daß das FG im Rahmen dieser seiner tatrichterlichen Beweiswürdigung zu dem von ihm als richtig erachteten Ergebnis gelangen konnte, daß es dies mußte, ist nicht erforderlich.

c) In Anbetracht dessen brauchte auf das Vorbringen des FA im übrigen nicht mehr eingegangen zu werden.

II. Steuerraten für 1985 bis 1989 (Kläger)

Soweit das FG durch Grundurteil über die Steuerraten betreffend den Kläger für 1985 bis 1989 entschieden hat, sind hingegen die Revisionen sowohl des Klägers als auch des FA begründet.

1. Das Urteil des FG ist insoweit bereits deshalb ersatzlos aufzuheben, weil der Erlaß eines Grundurteils als Zwischenurteil unzulässig war. Darin liegt ein von Amts wegen rügelos zu berücksichtigender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens (Senatsurteil vom 14. Mai 1980 I R 135/77, BFHE 131, 194, BStBl II 1980, 695).

a) Ein Zwischenurteil ist, wie erwähnt (sub I.1.), nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen statthaft. Erwägungen prozeßökonomischer Art können das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht ersetzen. Selbständig anfechtbare Zwischenurteile dürfen deshalb -- von dem hier nicht gegebenen Fall des §97 FGO bei einem Streit über die Zulässigkeit der Klage abgesehen -- nur über den Grund der Klage nach §99 Abs. 1 FGO sowie über entscheidungserhebliche Sach- und Rechtsfragen nach §99 Abs. 2 FGO ergehen. Im Urteilsfall hat das FG bezogen auf die gegen den Kläger festgesetzten Steuerraten für 1985 bis 1989 nicht nur nach der ausdrücklichen Urteilsbezeichnung sowie der dazu gegebenen Begründung, sondern vor allem auch nach der (im Zweifel maßgeblichen, siehe oben unter I.1.) Tenorierung ein Grundurteil i.S. von §99 Abs. 1 FGO erlassen.

b) Zum Grund der Klage können zwar auch die im Streitfall in Rede stehenden Fragen nach der Verjährung von Steueransprüchen und -- damit verbunden -- den Möglichkeiten, Steuerbescheide zu ändern, gehören. Gleiches gilt für die Fragen nach dem Vorliegen einer unbeschränkten oder einer beschränkten Steuerpflicht (vgl. im einzelen H. F. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O. §99 FGO Rz. 17 ff., m.w.N.). Sie betreffen den materiellen Steueranspruch des FA (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 1982 II R 1/81, BFHE 136, 506, BStBl II 1983, 25). Die alternative Entscheidung des FG gegen die Einbeziehung bestimmter Einkünfte der Kläger in deren unbeschränkte Steuerpflicht in der ehemaligen DDR und stattdessen für die Einbeziehung dieser Einkünfte in eine vom FG angenommene beschränkte Steuerpflicht nur des Klägers in der Bundesrepublik berührt indes zwangsläufig die zwischen den Beteiligten ebenfalls streitigen Fragen über die Höhe des Steueranspruchs. Denn danach richtet sich die Abzugsfähigkeit der in Streit stehenden Betriebsausgaben (vgl. §9 des Einkommensteuergesetzes der DDR -- EStG DDR -- vom 18. September 1970, GBl DDR Sonderdruck N. 670; §6 der Verordnung über die Besteuerung der Arbeitseinkünfte vom 22. Dezember 1952, GBl DDR I Nr. 182, 1413, einerseits, §§49, 50, 50a des Einkommensteuergesetzes -- EStG -- andererseits). Damit steht es in Einklang, daß das FG die Höhe des Steueranspruchs gegen den Kläger ausdrücklich in die Urteilstenorierung mit aufgenommen hat (" ... Soweit sich die Bescheide 1985 bis 1989 gegen den Kläger richten, haben sie in der Höhe Bestand, in der aufgrund der beschränkten Steuerpflicht des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland eine Einkommensteuerschuld entstanden ist ... "). Das Urteil ergeht mithin insoweit zwar (zunächst) nur über vorgreifliche Rechtsfragen, die jedoch die Streitfragen über die Höhe beeinflussen und in gewisser Weise vorwegnehmen. Damit sind diese Rechtsfragen einer Entscheidung durch Grundurteil nach §99 Abs. 1 FGO aber nicht zugänglich (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1989 IV R 71/88, BFH/NV 1990, 228; H. F. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., §99 FGO Rz. 19).

c) Da das angefochtene Urteil des FG zweifelsfrei als Grundurteil ergangen ist, braucht der Frage, ob es ggf. (ganz oder teilweise) als Zwischenurteil i.S. von §99 Abs. 2 FGO zulässig gewesen wäre, nicht nachgegangen zu werden. Der erkennende Senat ist an die Entscheidung des FG gebunden. Ihm ist es versagt, das so ergangene Urteil in ein solches anderer Art umzudeuten (vgl. auch zur vergleichbaren Rechtslage gemäß §304 der Zivilprozeßordnung BGH-Urteil vom 18. Januar 1991 V ZR 11/90, Neue Juristische Wochenschrift 1991, 1048; Zöller/Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., §304 Anm. 3 und 18a). Daran ändert nichts, daß die Wirkungen eines Grundurteils i.S. von §99 Abs. 1 FGO und eines Zwischenurteils i.S. von §99 Abs. 2 FGO weitgehend übereinstimmen mögen. Gleichwohl bestehen beträchtliche Unterschiede. Diese betreffen den Gegenstand der Entscheidung und -- daraus folgend -- die Tenorierung (vgl. auch dazu H. F. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., §99 FGO Rz. 40), vor allem aber den Umstand, daß den Beteiligten beim Ergehen eines Zwischenurteils anders als eines Grundurteils ein Widerspruchsrecht zusteht, auf das sie u.U. vom Gericht auch zuvor hinzuweisen sind (H. F. Lange, a.a.O., §99 FGO Rz. 35, m.N.; ferner Urteil vom 9. September 1993 IV R 14/91, BFHE 173, 40, BStBl II 1994, 250). Die Möglichkeit, dieses Recht wahrzunehmen, würde eingeschränkt, wenn das Gericht ein Grundurteil erläßt, das aber wahlweise auch als Zwischenurteil aufgefaßt werden dürfte.

2. Mit der Aufhebung des Grundurteils befindet sich der Rechtsstreit wieder in der Lage, wie er vor dem Erlaß der Vorentscheidung bestanden hatte. Einer förmlichen Zurückverweisung bedarf es deshalb nicht.

3. Rein vorsorglich und allein aus prozeßwirtschaftlichen Gründen bemerkt der Senat allerdings noch das folgende:

Die Veranlagung der Steuern im Beitrittsgebiet für die Streitjahre erfolgte nach Maßgabe der Verordnung über die Berechnung von Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung sowie über die Entrichtung von Abschlagszahlungen -- Selbstberechnungsverordnung --, ursprünglich vom 19. Januar 1961 (GBl DDR II Nr. 9, 35), später vom 27. Juni 1990 (GBl DDR I 1990, 616; BStBl I 1990, 808). Die einschlägigen Regelungen in den Einzelsteuergesetzen (z.B. §§35 bis 42 EStG DDR; §§23 bis 26 des Gewerbesteuergesetzes der DDR; §§16 bis 19 des Vermögensteuergesetzes der DDR) wurden hierdurch ersetzt. Die Verordnung vom 27. Juni 1990 war für Besitz- und Verkehrsteuern, die vor dem 1. Januar 1991 entstehen, weiterhin anzuwenden (Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 EinigVtr). Danach werden die in §1 der Selbstberechnungsverordnung genannten Steuerarten von den Steuerpflichtigen selbst ermittelt, die Ergebnisse sodann zu einer Steuerrate zusammengefaßt und dem FA gegenüber erklärt. Bei der Steuererklärung handelt es sich um eine Steueranmeldung (vgl. §150 Abs. 1 Satz 2 AO 1977), die gemäß §168 Satz 1 AO 1977 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Seinem Regelungsgehalt nach richtet sich diese Steuerfestsetzung auf die Festsetzung der Steuerrate. Zugleich beinhaltet sie allerdings die Festsetzung der jeweiligen Einzelsteuern, die rechnerisch in der Steuerrate zusammengefaßt werden. Dazu hat der BFH entschieden, daß es sich auch insoweit grundsätzlich um selbständige Verwaltungsakte (§118 Satz 1 AO 1977) und nicht um bloß unselbständige Besteuerungsmerkmale handelt (Urteile vom 15. März 1994 XI R 10/93, BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813, 816; vom 14. September 1994 I R 136/93, BFHE 175, 406, BStBl II 1995, 382).

Es ist deshalb zu bezweifeln, daß es möglich sein soll, der Festsetzung der Steuerrate, durch die die vorgenannten Einzelsteuern rechnerisch zusammengefaßt werden, Festsetzungen über gänzlich andere Steueransprüche und aus anderen Steuerschuldverhältnissen -- wie das FG meint -- "saldierend" zu unterschieben. Letzten Endes werden auf diese Weise nicht einzelne Besteuerungsmerkmale miteinander saldiert, vielmehr läuft ein derartiges Vorgehen auf die Konsumtion unterschiedlicher Steueransprüche hinaus. Das System der Steuerselbstberechnung und Steuerfestsetzung nach der Selbstberechnungsverordnung ist auf die Erfassung von Steueransprüchen, die aus den unbeschränkten und beschränkten (oder einer damit vergleichbaren) Steuerpflichten voneinander verschiedener Gebietskörperschaften und Steuerhoheiten als Steuergläubiger resultieren, aber nicht zugeschnitten (vgl. zu den insoweit seinerzeit bestehenden Besonderheiten im Verhältnis zwischen der ehemaligen DDR und der Bundesrepublik auch BFH-Urteil vom 21. Januar 1983 VI R 87/79, BFHE 137, 352, BStBl II 1983, 224; Raupach, Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht 1990, 169, m.w.N.). Mit dem historischen Vorgang der Vereinigung zwischen der seinerzeitigen DDR und der Bundesrepublik hat dies nichts zu tun.

Darüber hinaus wird vom Kläger zu Recht angemerkt, daß für die Verwaltung und Festsetzung der Einkommensteuer aus einer ggf. bestehenden beschränkten Steuerpflicht in der Bundesrepublik eine von dem beklagten FA (vgl. Art. 97a §1 EGAO 1977) abweichende Finanzbehörde zuständig gewesen ist (vgl. einerseits Nr. 5 der Anlage zu der Verwaltungsanordnung über die Bestimmung von Bezeichnung, Sitz und Bezirk der Finanzämter im Lande Berlin vom 8. März 1993, BStBl I 1993, 301, andererseits Nr. 9.1 der Anlage zu §2 der Verordnung über besondere Zuständigkeitsregelungen im Bereich der Finanzverwaltung des Landes Berlin -- Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung -- vom 8. März 1993, BStBl I 1993, 303). Überdies bleiben die Auswirkungen zu berücksichtigen, die aus der -- bestandskräftigen -- Aufhebung der Steuerbescheide über die beschränkte Steuerpflicht durch das seinerzeitig zuständige FA für Erbschaftsteuer und Verkehrsteuern in Berlin herrühren. Die Rechtswirkungen dieser Aufhebungsbescheide (vgl. §124 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) sind nicht nur von den Finanzbehörden zu respektieren, sondern auch von den Finanzgerichten. Auf die Frage nach der Anwendbarkeit der Änderungsvorschriften in §§130, 131 oder §§172 ff. AO 1977 kommt es bereits deshalb nicht an, weil die Festsetzung der Steuerraten sich nicht als Änderungsbescheid zu einem vorgängigen Steuerbescheid über die beschränkte Steuerpflicht darstellt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67615

BFH/NV 1998, 1197

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