Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur personellen Verflechtung bei Betriebsaufspaltung

 

Leitsatz (NV)

1. Eine personelle Verflechtung im Sinne der Betriebsaufspaltung liegt nicht vor, wenn die das Betriebsunternehmen beherrschende Person oder Personengruppe an einer Besitz-GbR zwar mehrheitlich beteiligt ist, aber nach dem Gesellschaftsvertrag die Gesellschafterbeschlüsse einstimmig gefaßt werden müssen; denn in einem solchen Fall reicht die Stimmrechtsmacht der an beiden Unternehmen beteiligten Person oder Personengruppe nicht aus, um im Besitzunternehmen ihren einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen zu können.

22. Aus der Tatsache, daß eine Gesellschafterin möglicherweise gleichgerichtete Interessen wie die beherrschende Personengruppe hatte, kann nicht geschlossen werden, daß sie ,,im Interesse" der beherrschenden Personengruppe handelte. Sie hat vielmehr im eigenen Interesse gehandelt, wobei ihr Interesse lediglich mit dem der beherrschenden Personengruppe in der Vergangenheit möglicherweise identisch war.

 

Normenkette

GewStG § 2; EStG § 15

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind als Gesellschafter an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt, und zwar der Kläger zu 1 (A. Z.) mit 7/12, der Kläger zu 2 (B. Z.) mit 1/12, die Klägerin zu 3 (C. Z.) mit 3/12 und die Klägerin zu 4 (D. X.) mit 1/12. Die GbR hatte in den Streitjahren (1976 und 1977) den ihr gehörenden Betrieb der früheren Firma Z.-OHG an die . . . & Söhne GmbH & Co. KG (KG) verpachtet. Die KG und die GbR waren 1971 durch Aufspaltung der OHG entstanden. An der KG waren in den Streitjahren beteiligt als persönlich haftende Gesellschafter die . . . & Söhne GmbH (GmbH), als Kommanditisten Frau C. Z. und Frau E. Z. je zu 1/2 und als stille Gesellschafter Frau C. Z., B. Z., A. Z. und Frau D. X. Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH waren A. Z. und B. Z. Bei einer Änderung von Geschäftsführerverträgen und beim Abschluß und der Veränderung von Pachtverträgen mußten die Kommanditistinnen mitwirken.

Nach einer Betriebsprüfung nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) für die Streitjahre zwischen der KG und der GbR Betriebsaufspaltung an. Es erließ die angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide.

Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Es hat das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung (sachliche und personelle Verflechtung) bejaht.

Im Streitfall sei eine Beherrschungsidentität auf gesellschaftsrechtlicher und faktischer Grundlage anzunehmen. Allerdings sei eine faktische Beherrschung nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Eine solche Ausnahme sei im Streitfall jedoch gegeben.

B. Z. und A. Z. seien in den Streitjahren die alleinigen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gewesen. Als solche hätten sie den Geschäftsbetrieb der KG bestimmt, auch wenn sie am Festkapital der KG nicht beteiligt gewesen seien. Gesellschaftsrechtlich (als Geschäftsführer der die Geschäfte führenden GmbH) und tatsächlich (als Fachleute) seien sie die beherrschenden Personen gewesen.

Dafür spräche auch, daß die Kommanditistinnen bei außergewöhnlichen Geschäften zunächst kein Mitspracherecht nach § 116 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) gehabt hätten.

Der Beherrschung der KG durch B. Z. und A. Z. stehe nicht entgegen, daß die Kommanditistinnen in den Streitjahren ein Stimmrecht bei der Beschlußfassung über den Abschluß und die Veränderung von Geschäftsführerverträgen und Pachtverträgen gehabt hätten und für außergewöhnliche Geschäfte ein Gesellschafterbeschluß erforderlich gewesen sei.

Im übrigen sei noch von Bedeutung, daß Frau C. Z. in der KG über eine von drei Stimmen verfügt habe, so daß sie mit den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern der GmbH eine Personengruppe gebildet habe, die in der KG alle Anordnungen treffen konnte. Diese Personengruppe, die an der GbR mit 1/12 beteiligt gewesen sei, habe auch in dieser Gesellschaft das Geschehen bestimmen können, wobei die unter den Gesellschaftern der GbR vereinbarte Einstimmigkeit ohne Bedeutung sei. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. November 1983 I R 174/79 (BFHE 140, 90, BStBl II 1984, 212) stehe dem nicht entgegen; denn der BFH habe in dem Urteil - über den apodiktisch formulierten Leitsatz hinaus - angedeutet, daß etwas anderes gelten könne, wenn der nicht an der Betriebsgesellschaft beteiligte Besitzgesellschafter die Ausübung seines Stimmrechts mit den anderen Gesellschaftern abgestimmt oder seine Gesellschafterstellung in anderer Weise im Interesse der anderen Gesellschafter wahrgenommen habe. Im Streitfall liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß Frau D. X. dies getan habe: Sie sei in die GbR nur auf Grund ihrer Stellung als Miterbin gelangt. Es sei nicht ersichtlich, daß sie ein abweichendes Interesse hinsichtlich der Geschäftspolitik habe. Es lägen keine Tatsachen vor, aus denen entnommen werden könne, daß Frau D. X. auf die Vornahme geschäftlicher Handlungen in einem von der beherrschenden Personengruppe abweichenden Sinn hingewirkt habe. Frau D. X. habe an der Verpachtung des . . .werks an die KG die gleichen Interessen gehabt wie die beherrschende Personengruppe, nämlich Einnahmen zu erzielen. Der Vortrag der Kläger, für Frau D. X. habe keine Veranlassung bestanden, ihre Gesellschafterstellung im Interesse der übrigen Beteiligten wahrzunehmen, sei eine durch keine Tatsachen bestätigte Behauptung.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klagestattgabe (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz unterhält die GbR in den Streitjahren auf Grund der Betriebsaufspaltungs-Rechtsprechung als Besitzunternehmen keinen Gewerbebetrieb. Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung liegen nicht vor; denn zwischen den Klägern als Gesellschafter der GbR und den Mitunternehmern der Betriebs-KG besteht keine personelle Verflechtung.

Eine solche ist nur dann gegeben, wenn die Person oder Personengruppe, die ein Besitzunternehmen beherrscht, ihren einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen auch im Betriebsunternehmen durchsetzen kann (vgl. u. a. BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Hiervon ausgehend hat der I. Senat des BFH in seinem Urteil in BFHE 140, 90, BStBl II 1984, 212 entschieden, daß keine personelle Verflechtung im Sinne der Betriebsaufspaltung vorliegt, wenn die das Betriebsunternehmen beherrschende Person oder Personengruppe an einer Besitz-GbR zwar mehrheitlich beteiligt ist, aber nach dem Gesellschaftsvertrag die Gesellschafterbeschlüsse einstimmig gefaßt werden müssen; denn in einem solchen Fall reicht die Stimmrechtsmacht der an beiden Unternehmen beteiligten Person oder Personengruppe nicht aus, um im Besitzunternehmen ihren einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen zu können.

2. Im Streitfall haben die Gesellschafter der GbR für Gesellschafterbeschlüsse Einstimmigkeit vereinbart. Nicht alle Gesellschafter der GbR gehörten zu der Personengruppe, die auch an der Betriebs-KG beteiligt waren. Die an der GbR mit 1/12 beteiligte Frau D. X. war an der Betriebs-KG nicht beteiligt.

3. In dem Urteil des I. Senats in BFHE 140, 90, BStBl II 1984, 212 ist folgender Satz enthalten: ,,Dafür, daß Frau MS die Ausübung ihres Stimmrechts mit den Erben P abgestimmt oder daß sie in anderer Weise ihre Gesellschafterstellung im Interesse der Erben P wahrgenommen hat, liegen . . . keine Anhaltspunkte vor." Das FG meint, der I. Senat habe damit entschieden, daß bei vereinbarter Einstimmigkeit das Vorhandensein von nur Besitzgesellschaftern unschädlich sei, wenn diese die Ausübung ihres Stimmrechts mit der beherrschenden Personengruppe abgestimmt oder in anderer Weise ihre Gesellschafterstellung im Interesse der beherrschenden Gesellschafter wahrgenommen hätten.

Nach Auffassung des Senats ist dieser Schluß nicht möglich, weil sich die Äußerung des I. Senats lediglich auf das Nichtvorliegen bestimmter Tatsachen bezieht und allein daraus kein Schluß auf bestimmte, in dem Urteil nicht erwähnte Rechtsfolgen möglich ist, die beim Vorliegen dieser Tatsachen sich ergeben könnten.

Darüber hinaus reichen die vom FG angeführten Argumente nicht aus, um annehmen zu können, Frau D. X. habe die Ausübung ihres Stimmrechts mit der beherrschenden Personengruppe abgestimmt oder sie habe ihre Gesellschafterstellung im Interesse der beherrschenden Personengruppe wahrgenommen. Insbesondere kann aus der Tatsache, daß Frau D. X. möglicherweise gleichgerichtete Interessen wie die beherrschende Personengruppe hatte, nicht geschlossen werden, daß sie ,,im Interesse" der beherrschenden Personengruppe handelte. Sie hat vielmehr im eigenen Interesse gehandelt, wobei ihr Interesse lediglich mit dem der beherrschenden Personengruppe in der Vergangenheit möglicherweise identisch war. In diesem Zusammenhang ist das Urteil des X. Senats vom 12. Oktober 1988 X R 5/86 (BFHE 154, 566, BStBl II 1989, 152) zu beachten, wonach jahrelanges konfliktfreies Zusammenarbeiten innerhalb einer Gesellschaft nicht ausreicht, um eine faktische Beherrschung annehmen zu können.

4. Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß es das FG unterlassen hat, das Erfordernis der Einstimmigkeit in bezug auf die Betriebs-KG zu prüfen. An dieser Gesellschaft war in den Streitjahren Frau E. Z. beteiligt, die ihrerseits an der GbR nicht beteiligt war. Nach dem Revisionsvorbringen war auch bei der KG für Gesellschafterbeschlüsse Einstimmigkeit vereinbart.

Der Senat braucht dieser Frage jedoch nicht weiter nachzugehen, weil bereits nach den Ausführungen unter 1. bis 3. keine Betriebsaufspaltung anzunehmen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63601

BFH/NV 1992, 551

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