Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Vergleichbarkeit von Rohgewinn- und Umsatztantiemen

 

Leitsatz (NV)

Entsprechen die Roherträge einer Kapitalgesellschaft infolge deren konkreter Kostenstruktur weitgehend den Umsatzerlösen, unterfällt eine Rohgewinntantiemevereinbarung, die die Gesellschaft mit ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer schließt, den besonderen einschränkenden Voraussetzungen, die für die steuerliche Anerkennung von Umsatztantiemen verlangt werden (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 25. Oktober 1995 I R 9/95, BFHE 179, 270, BStBl II 1997, 703).

 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln (EFG 1998, 902)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die seit 1979 oder 1980 die Geschäfte einer später auf sie umgewandelten KG übernommen hat, deren persönlich haftende Gesellschafterin sie war. Unternehmensgegenstand der Klägerin sind Erdbewegungsarbeiten, Straßen- und Tiefbau, Sand- und Kiesverkauf sowie Abbrucharbeiten.

Ihre Gesellschafter waren seit dem 30. Dezember 1980 und damit auch im Streitjahr 1986 je zur Hälfte die Brüder A und B, zuvor war dies deren Mutter. A und B waren bereits seit dem 1. Dezember 1978 auch die alleinigen Geschäftsführer der Klägerin., Als Vergütung war dafür neben einem monatlichen Bruttogehalt von damals je 4176 DM die Zahlung einer Tantieme vereinbart. Im einzelnen heißt es dazu gleichlautend in den Anstellungsverträgen: "Die Tantieme beläuft sich auf 1 % des Rohertrages eines Geschäftsjahres. Maßgeblich für die Berechnung der Tantieme ist der Rohertrag gem. §157 Abs. 1, Ziff. 6 Aktiengesetz, wie er sich aus dem von einem Wirtschaftsprüfer testierten Jahresabschluß ergibt. Durch die Tantieme dürfen der Gesellschaft keine handelsrechtlichen Verluste entstehen. Daher ist die Tantieme insoweit zu kürzen." -- Der Tantiemesatz wurde später -- am 23. Dezember 1979 -- auf 3 v. H. des Rohertrages angehoben.

Daraus errechneten sich für das Streitjahr unter Zugrundelegung eines Rohertrages von 7 899 485 DM Tantiemen von 473 970 DM, die sich nach Berücksichtigung eines Verlustvortrages von 415 599 DM auf maximal 76 623,55 DM reduzierten, für die die Klägerin im Streitjahr eine Rückstellung von 70 000 DM bildete. Im Folgejahr wurden sodann jeweils 36. 000 DM an A und B ausbezahlt. Sie hatten im Streitjahr überdies Festgehälter von jeweils 104 736 DM erhalten. Das Betriebsergebnis vor Tantieme und Steuern belief sich auf 636 800 DM, der danach verbleibende Jahresüberschuß auf 422 200 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) behandelte die Tantiemen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) und setzte die Körperschaftsteuer entsprechend fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 902, abgedruckt.

Die Klägerin stützt ihre Revision auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben, die angefochtenen Bescheide zu ändern und die Körperschaftsteuer 1986 unter Abzug der Tantiemen als Betriebsausgaben festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Unter einer vGA i. S. des §8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626).

2. Der erkennende Senat pflichtet der vom FG vertretenen Rechtsauffassung bei, daß die im Streitfall in Rede stehenden, am Rohertrag orientierten Tantiemen aus der Sicht des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht vereinbart worden wären.

a) Zwar bedeutet das Anknüpfen an einen Rohertrag das Einbeziehen von Aufwandspositionen in die Bemessungsgrundlage der Vergütung (§276 i. V. m. §275 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 bzw. Abs. 3 Nr. 1 bis 3 und 6 des Handelsgesetzbuches, §157 Abs. 1 des Aktiengesetzes a. F.). Es besteht deswegen im Ausgangspunkt ein wesentlicher Unterschied zu einer reinen Umsatztantieme (vgl. auch Senatsurteil vom 25. Oktober 1995 I R 9/95, BFHE 179, 270, BStBl II 1997, 703). Wie das FG jedoch eingehend dargelegt hat, tritt dieser Unterschied aufgrund der getroffenen tatsächlichen Feststellungen im Streitfall zurück:

Die von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen überwiegen den getätigten Wareneinsatz hiernach bei weitem. Der Rohertrag belief sich im Streitjahr auf über 74 v. H. und im Folgejahr 1987 auf über 77 v. H. der Umsätze, wohingegen die erzielten Jahresüberschüsse infolge der besonderen Kostenstruktur im Unternehmen der Klägerin lediglich 3,99 v. H. bzw. 0,38 v. H. der Umsätze betrugen. Diese Gegenüberstellung spricht für sich; sie kann keinen wirklichen Zweifel daran belassen, daß bei den als Geschäftsführervergütungen versprochenen Rohertragtantiemen in annähernd vergleichbarer Weise wie bei reinen Umsatztantiemen die Gefahr einer Gewinnabsaugung bestand. Der von der Klägerin vorgebrachte Einwand, die Erhöhung der Roherträge habe sich nur dann tantiemesteigernd auswirken können, wenn es den Geschäftsführern zugleich gelungen wäre, den erforderlichen Materialeinsatz und die in Anspruch genommenen Fremdleistungen niedrig zu halten, verfängt demgegenüber nicht. Zwar schlägt sich in dem Abzug der fremdbezogenen Einsatzstoffe und Leistungen bei betriebswirtschaftlicher Betrachtung in etwa die Wertschöpfung, also der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens nieder. Gerade daran erweist sich indes, daß die von der Klägerin erzielten Roherträge infolge der konkreten Kostenstruktur den Umsatzerlösen in weitaus höheren Maße entsprechen als den Reinerträgen. Denn je größer der so verstandene wirtschaftliche Erfolg ist, weil es den Geschäftsführern gelingt, die Material- und Fremdkosten zu senken, desto stärker nähern sich Umsatzerlöse und Roherträge im Ergebnis an.

b) Unter diesen Umständen sind im Streitfall die besonderen einschränkenden Voraussetzungen zu beachten, die der Senat für die steuerliche Anerkennung von Umsatztantiemen verlangt, in erster Linie also die Begrenzung durch Revisionsklauseln oder zeitliche Beschränkungen und durch die Festlegung von Höchstbeträgen (z. B. Senatsurteil vom 19. Mai 1993 I R 83/92, BFH/NV 1994, 124; Senatsbeschluß vom 30. August 1995 I B 114/94, BFH/NV 1996, 265, jew. m. w. N.). Wie die Vorinstanz festgestellt hat, sind diese Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt. Insbesondere befand sich die Klägerin im Streitjahr -- rund sieben Jahre nach ihrer Umwandlung von einer KG in eine GmbH im Rahmen der Generationennachfolge -- nach Lage der Dinge nicht mehr in einer Aufbau- oder Umstellungsphase. Daß die positiven Betriebsergebnisse erst in den Folgejahren spürbar anzogen, läßt eine gegenteilige Annahme nicht zu; zumindest hat die Klägerin keine plausible Erklärung dafür angegeben, die eine solche Annahme rechtfertigen könnte. Abgesehen davon unterlagen die Tantiemevereinbarungen ohnehin nicht, wie aber erforderlich, einer zeitlichen Beschränkung auf die Anlauf- oder Umstellungsphase.

Die Rohertragstantiemen sind auch nicht deswegen steuerlich anzuerkennen, weil sie unter dem Vorbehalt von Verlustklauseln standen. Dadurch wurde lediglich vermieden, daß sie auch in Verlustsituationen zu zahlen waren; der Gefahr der Absaugung der erwirtschafteten Gewinne wurde indes nicht vorgebeugt.

c) Schließlich kann die Klägerin nichts daraus herleiten, daß die Tantiemevereinbarungen zu Zeitpunkten vereinbart bzw. erhöht worden waren, als weder A noch B an ihr beteiligt gewesen sind. Da bei Abschluß der Tantiemevereinbarung die Mutter von A und B die alleinige Gesellschafterin der Klägerin war, stand dieser Umstand der Annahme von vGA nicht entgegen. Der unmittelbaren Zuwendung an einen Gesellschafter steht die an einen Dritten gleich, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn dieser Dritte eine einem Gesellschafter nahestehende Person ist (z. B. Senatsurteil vom 18. Dezember 1996 I R 139/94, BFHE 182, 184, BStBl II 1997, 301). Im Streitfall ist nichts dafür ersichtlich, daß diese Vermutung der gesellschaftlichen Veranlassung widerlegen könnte.

Zutreffend hat das FG in diesem Zusammenhang überdies darauf hingewiesen, daß die Klägerin bei Abschluß der Geschäftsführerverträge mit A und B noch als Komplementär-GmbH der früheren KG fungierte und daß deshalb das den Rohgewinntantiemen im Streitjahr immanente Risiko seinerzeit möglicherweise noch nicht bestanden habe. In Anbetracht dessen hätte ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter im Zuge der gesellschaftlichen Umstrukturierungen, insbesondere der Übernahme des zuvor von der KG geführten Betriebes, darauf gedrungen, die bisherigen Vergütungs- und Tantiemevereinbarungen mit den Geschäftsführern an die neue Situation anzupassen, jedenfalls aber die Rohertragtantiemen zeitlich zu begrenzen. Dies aber ist vorliegend unterblieben.

d) Auf die Frage danach, ob die vereinbarten Rohertragtantiemen ihrer Höhe nach als angemessen anzusehen waren, kam es angesichts dessen nicht mehr an. Sie sind steuerlich bereits als solche -- dem Grunde nach -- nicht anzuerkennen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 56276

BFH/NV 1999, 829

DStRE 1999, 142

HFR 1999, 479

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