Leitsatz (amtlich)

Werden langfristige Bankdarlehen dem Steuerpflichtigen in der Weise zur Verfügung gestellt, daß er mit den Beträgen belastet wird und zu ihrer Verzinsung verpflichtet ist, so liegen Dauerschulden i. S. von § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG vor. Eine Minderung um Zinsen und Guthaben aus Festgeldkonten, die bei derselben Bank für die noch nicht benötigten Beträge eingerichtet sind, findet nicht statt.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) schloß im Jahre 1969 mit zwei Banken Verträge über die Gewährung von Schuldscheindarlehen in Höhe von insgesamt 33 Mio. DM. Die Darlehen dienten der Finanzierung bestimmter Investitionen der Klägerin. Ein Teilbetrag von 20,5 Mio. DM wurde im Jahre 1969, der Rest im Jahre 1970 in der Weise zur Verfügung gestellt, daß die Klägerin mit diesen Beträgen belastet wurde. Da sie die Darlehensbeträge noch nicht in voller Höhe für den Kreditzweck benötigte, wurden bei den Banken Festgeldkonten eingerichtet. Diese Konten wurden entsprechend dem Investitionsfortschritt aufgelöst; die Beträge wurden nur auf entsprechenden Verwendungsnachweis hin ausgezahlt. Die Klägerin will von der Hinzurechnung der Zinsen und Guthaben aus den Festgeldkonten absehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) setzte jedoch die endgültigen Gewerbesteuermeßbeträge für die Jahre 1969 bis 1971 durch Bescheide vom 15. Januar 1974 unter Hinzurechnung der streitigen Zinsen und Guthaben fest.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG, dessen Urteil in EFG 1975, 434 veröffentlicht ist, führte aus, die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 des GewStG sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Darlehensbetrag erst zu einem späteren Zeitpunkt zufließe. So seien z. B. auch langfristige Schadensersatz- und Steuerverbindlichkeiten als Dauerschulden anzusehen. Tatsächlich sei der Klägerin jedoch mit der Belastung für die Darlehensbeträge ein Gegenwert zugeflossen. Unerheblich sei, daß sie in der Verfügung über die Festgelder beschränkt gewesen sei. Vielmehr reiche aus, daß sie die Art und Weise der Zwischenanlage habe bestimmen können. Schließlich könnten die Darlehensverbindlichkeiten auch nicht um die Festgeldguthaben gemindert werden. Die Rechtsprechung habe Saldierungen mehrerer Konten nur ausnahmsweise dann zugelassen, wenn es sich um ein einheitliches Dauerschuldverhältnis mit gleichartigen, regelmäßigen Kreditverträgen bei derselben Bank gehandelt habe, oder der eine Kredit an die Stelle des anderen getreten sei. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor.

Mit der Revision rügt die Klägerin in formeller Hinsicht ungenügende Sachaufklärung, unrichtige Beweiswürdigung und Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten. Infolge dieser Verstöße sei das Gericht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. So sei der Klägerin tatsächlich mit der Belastung für die Darlehensschuld kein Gegenwert zugeflossen. Die sogenannten Festgeldkonten hätten noch nicht zu einem Guthaben der Klägerin geführt. Entgegen der Annahme des FG sei es nicht die Klägerin gewesen, die die nicht benötigten Gelder angelegt habe. Zu rügen sei in diesem Zusammenhang auch, daß das FG nicht den angebotenen Beweis durch Vernehmung von Vertretern der beteiligten Banken erhoben habe. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zusätzlich vorgetragen, daß die Bundesrepublik Deutschland die Bürgschaft für die Schuldscheindarlehen übernommen habe. Nach den Vergabebedingungen sei es nicht möglich gewesen, die Darlehensaufnahme auf die zunächst benötigten Beträge zu beschränken; sie habe sogleich in voller Höhe erfolgen müssen.

In materieller Hinsicht sei fehlerhafte Auslegung und Anwendung der § 8 Nr. 1 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG zu rügen. Eine Verstärkung des Betriebskapitals liege nicht vor, soweit die Darlehensbeträge auf den Festgeldkonten gutgeschrieben worden seien. Wirtschaftlich lägen die Verhältnisse nicht anders, als wenn die Klägerin auch formal einen zugesagten Kredit nur entsprechend dem Investitionsfortschritt habe in Anspruch nehmen können. Wie die Schreiben der Banken vom 13. Februar 1974 bestätigten, habe es sich bei dem Abwicklungsmodus lediglich um banktechnische Vorgänge gehandelt, denen materiell keine entscheidende Bedeutung zukomme.

Zu Unrecht habe das FG auch die Saldierung von Festgeldguthaben und Darlehensbeträgen abgelehnt. Nach der Rechtsprechung sei eine einheitliche Beurteilung von Guthaben und Schuld möglich, wenn - wie hier - der Aufteilung in einzelne Konten nur formale Bedeutung zukomme. Wirtschaftlich hätten Darlehenskonten und Festgeldguthaben in unlösbarem Zusammenhang gestanden. Denn wenn z. B. die eingeräumten Darlehen gekürzt worden wären, so wären auch die entsprechenden Festgeldguthaben fortgefallen. Eine rechtliche und wirtschaftliche Trennung von Darlehen und Festgeld sei von den Beteiligten nicht gewollt gewesen, weil man keine voneinander getrennten Geschäftsbeziehungen habe schaffen wollen.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Abänderung der angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag

für 1969 auf 433 303 DM,

für 1970 auf 286 347 DM und

für 1971 auf 157 348 DM

festzusetzen, und hilfsweise, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

1. Zu Recht ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß die streitigen Darlehensverbindlichkeiten der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals i. S. der § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG dienten.

a) Das FG hat die Entstehung der Darlehensverbindlichkeiten daraus hergeleitet, daß die Banken die Klägerin entsprechend belastet haben. Es kann dahinstehen, ob daraus allein schon auf den Abschluß entsprechender, die Rückzahlungsverpflichtung begründender Darlehensverträge geschlossen werden konnte (§ 607 BGB). Als entscheidender weiterer Umstand kommt aber hinzu, daß die Klägerin von Anfang an für die vollen Beträge Zinsen zahlen mußte und auch gezahlt hat. Folgerichtig geht ihr Begehren nicht dahin, von der Hinzurechnung der Zinsen schlechthin abzusehen; sie will nur die hinzuzurechnenden Zinsen für die Gesamtbeträge um die Zinsen aus den Festgeldern mindern. Die Klägerin räumt damit selbst ein, daß es sich nicht nur um eine Kreditbereitstellung handelte, sondern daß der Kredit bereits gewährt worden war. Sie meint lediglich, das FG habe den tatsächlich gewährten Kredit wie einen bereitgestellten behandeln müssen.

b) Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen sind nicht geeignet, die sofortige Entstehung der Darlehensverbindlichkeiten in Zweifel zu ziehen. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Rügen ordnungsgemäß erhoben wurden, und weiter unterstellt, daß die rechtliche Gestaltung tatsächlich aus banktechnischen Gründen und zur Erlangung der erforderlichen Bundesbürgschaften gewählt wurde, wird dadurch die Annahme, die Darlehensverbindlichkeiten seien sogleich in voller Höhe begründet worden, nicht in Frage gestellt. In den Schreiben vom 13. Februar 1974, auf deren Berücksichtigung die Klägerin besonderen Wert legt, erklären die beteiligten Banken, daß die Einräumung der Darlehen formal in einer Tranche erfolgte. Dies schließt die Begründung der Darlehensverbindlichkeiten nicht aus, sondern bestätigt sie; denn Anhaltspunkte dafür, daß die gewählte Gestaltung von den Beteiligten nicht wirklich gewollt war, liegen nicht vor. Die von den Banken ferner bestätigte Zweckbindung ist unstreitig. Sie kommt auch sonst in Darlehensverträgen vor und dient üblicherweise auch den Sicherungsinteressen der Kreditgeber.

c) Der Klägerin kann auch darin nicht gefolgt werden, daß die im Streitfall gewählte Gestaltung bei Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen Gehalts wie die Bereitstellung eines - nach dem Investitionsbedürfnis abzurufenden - Kredits angesehen werden müßte. Bei der Besteuerung von Vorgängen, die im Bereich des Privatrechts gestaltet wurden, ist an die von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen anzuknüpfen, sofern diese eindeutig, ernstlich gewollt und tatsächlich durchgeführt sind (Urteil des BFH vom 10. Juli 1974 I R 187/72, BFHE 113, 263, BStBl II 1974, 779). Die wirtschaftliche Betrachtungsweise (§ 1 Abs. 3 StAnpG), auf die sich die Klägerin berufen hat, gebietet es, den wirtschaftlichen Inhalt der Vertragsregelung zu erfassen; sie gestattet es aber nicht, die gewählte bürgerlich-rechtliche Form beiseite zu schieben (BFH-Urteil vom 29. November 1966 I 216/64, BFHE 88, 370, BStBl III 1967, 392). Es kommt nicht darauf an, wie die Parteien ihre Beziehungen hätten gestalten können, entscheidend ist, wie sie sie gestaltet haben. Im Streitfall haben die Parteien die sofortige Gewährung der Darlehen vereinbart und durchgeführt.

2.a) Handelte es sich nach alledem nicht um bereitgestellte, sondern um tatsächlich gewährte Kredite und sind diese auch so zu behandeln, so war eine entsprechende Verstärkung des Betriebskapitals der Klägerin eingetreten. Die Verstärkung war nicht nur vorübergehend, da die Darlehen langfristig gewährt worden sind.- Grundsätzlich stellt jede Schuldaufnahme für den Betrieb eine Verstärkung des Betriebskapitals dar, ohne daß es auf die tatsächliche Verwendung der Mittel im Betrieb ankommt (vgl. Müthling, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 12 Anm. 7). Offenbleiben kann, ob eine Verstärkung des Betriebskapitals schon wegen der bloßen Absicht betrieblicher Verwendung der Schuld eintritt oder ob der Gegenwert der Schuld dem Betrieb tatsächlich zugeflossen sein muß (vgl. auch BFH-Urteil vom 11. August 1959 I 197/57 S, BFHE 69, 447, BStBl III 1959, 428). Im Streitfall ist die Verstärkung jedenfalls eingetreten, weil die Darlehensbeträge für den Betrieb aufgenommen und auch dem vorgesehenen Zweck entsprechend verwendet worden sind. Mit der Belastung floß der Klägerin bereits ein Gegenwert zu. Sie erlangte nicht nur die Möglichkeit, die Beträge auf Festgeldkonten zu ihren Gunsten anzulegen, sondern sie wurde auch instandgesetzt, die beabsichtigten Investitionen fortlaufend zu finanzieren.

Der Einwand der Klägerin, die Festgeldkonten hätten keine echten Guthaben ausgewiesen, ist unerheblich, da ihr die anfallenden Zinsen tatsächlich gutgeschrieben worden sind. Aus diesem Grunde können die auch insoweit erhobenen Verfahrensrügen ebenfalls keinen Erfolg haben. Für den Ausgang des Rechtsstreits kommt es nicht darauf an, daß der Klägerin nach ihrer Auffassung kein Gegenwert zugeflossen ist, entscheidend ist vielmehr, daß ihr die Zinserträge tatsächlich zugutekamen. Unerheblich ist auch, wer die nicht benötigten Gelder angelegt hat.

II.

1. Zu Recht hat das FG ferner die Saldierung von Festgeldguthaben und Darlehensbeträgen abgelehnt. Im Urteil vom 6. Juni 1973 I R 257/70 (BFHE 109, 465, BStBl II 1973, 670) hat der erkennende Senat die von der Rechtsprechung für die Zusammenrechnung mehrerer bei einer Bank unterhaltener Konten aufgestellten Grundsätze zusammengestellt und gebilligt. Danach ist eine Zusammenfassung nicht schon deshalb möglich, weil die Konten ohne einander nicht denkbar sind. Eine einheitliche Betrachtung kann aber bei Einheitlichkeit, Regelmäßigkeit oder gleichbleibender Zweckbestimmung der Kreditgeschäfte, bei regelmäßiger Verrechnung der Konten oder dann in Betracht kommen, wenn der über ein Konto gewährte Kredit jeweils zur Abdeckung der aus dem anderen Konto ausgewiesenen Schuld verwendet wird. Für eine Saldierung der hier in Frage stehenden Art scheidet die erstgenannte Gruppe schon deshalb aus, weil es im Verhältnis von Darlehenskonten zu Festgeldkonten an der Gleichartigkeit fehlt. Auch eine regelmäßige tatsächliche Verrechnung der Konten zur Verminderung der Darlehensschuld oder eine Umschichtung des Kredits haben nicht stattgefunden. Die Festlegung der Beträge hatte vielmehr keinerlei Auswirkung auf die Höhe der in Anspruch genommenen Darlehen; sie schuf nur den wirtschaftlichen Rahmen für die frühzeitige Darlehensgewährung.

2. Unerheblich ist auch der Vortrag der Klägerin, die Vertragspartner hätten keine getrennten Geschäftsbeziehungen aufbauen und deshalb eine Trennung von Darlehen und Festgeldern vermeiden wollen. Entscheidend ist, wie die Parteien ihre vertraglichen Beziehungen tatsächlich geregelt und durchgeführt haben. Auf ihre Motive kommt es nicht an (vgl. auch BFH-Urteil vom 4. Juli 1969 VI R 276/66, BFHE 96, 535, BStBl II 1969, 712).

III.

Gegen die rechnerische Ermittlung der Hinzurechnungen hat die Klägerin keine Einwendungen erhoben; Fehler sind insoweit auch nicht zu erkennen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72175

BStBl II 1977, 165

BFHE 1977, 545

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