Leitsatz (amtlich)

1. Zum Nachlaß gehören auch diejenigen Grundstücke, welche die Erbengemeinschaft gemäß § 2041 BGB zum Nachlaß erworben hat.

2. Der Erwerb eines zum Nachlaß gehörigen Grundstücks durch einen Miterben zur Teilung des Nachlasses ist auch dann von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn das ererbte Grundstück bereits durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft aus dem Nachlaß ausgeschieden war, hernach aber von dem Ersteher an die zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Erbengemeinschaft mit der Wirkung zurückgegeben worden war, daß das Grundstück wieder zum Nachlaß gehörte.

 

Normenkette

GrEStG § 3 Nr. 3

 

Tatbestand

Die Eltern des Klägers waren je zur unabgeteilten Hälfte Eigentümer eines Grundstücks. Die Mutter des Klägers wurde Erbin seines Vaters; sie selbst wurde von ihren Kindern beerbt. Auf Antrag eines Miterben wurde das Grundstück zwecks Aufhebung der Gemeinschaft zwangsversteigert. Den Zuschlag erhielt eine Schwägerin des Klägers. Diese hat, da die Auseinandersetzung als unbefriedigend empfunden wurde, das Grundstück an die Erbengemeinschaft zurückübertragen. Bei deren Auseinandersetzung wurde das Grundstück dem Kläger zugewiesen, der seine Geschwister abzufinden hatte.

Wegen des letzterwähnten Vorgangs hat das FA (Beklagter) gegen den Kläger Grunderwerbsteuer festgesetzt. Dieser ist der Ansicht, der Erwerb sei gem. § 3 Nr. 3 GrEStG befreit. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des Klägers ist begründet.

Der Erbauseinandersetzungsvertrag unterliegt der Grunderwerbsteuer als ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch des Klägers auf Übereignung des Grundstücks begründet hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Dieser Erwerb ist jedoch gemäß § 3 Nr. 3 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. § 3 Nr. 3 GrEStG befreit den "Erwerb eines zum Nachlaß gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses". Er stellt also drei Voraussetzungen auf:

1. daß das Grundstück zum Nachlaß gehört;

2. daß das Grundstück durch einen Miterben erworben wird;

3. daß der Erwerb zur Teilung des Nachlasses erfolgt.

Davon ist die zweite Voraussetzung offenbar erfüllt; der Kläger ist Miterbe nach seiner Mutter. Auch die beiden anderen Voraussetzungen sind gegeben.

Allerdings war das Grundstück mit dem Zuschlag aus dem Nachlaß ausgeschieden (§§ 89, 90 des Zwangsversteigerungsgesetzes - ZVG -). Dieser war damit aber noch nicht auseinandergesetzt. Zum Nachlaß gehört zumindest noch der Anspruch auf Auskehrung des Versteigerungserlöses oder dieser selbst; dieser ist nicht unter die Erben verteilt worden. Die Erbengemeinschaft war demnach noch nicht aufgelöst; sie bestand fort.

Die Miterben waren daher noch in der Lage, das Grundstück zur gesamten Hand der Erbengemeinschaft (§§ 2032, 2033, 2038 BGB) zurückzuerwerben. Das ist geschehen. Denn was als Ersatz für die Entziehung eines Nachlaßgegenstandes oder durch ein Rechtsgeschäft erworben wird, das sich auf den Nachlaß bezieht, gehört zum Nachlaß (§ 2041 Satz 1 BGB). Die Miterben waren, wie das FG ausdrücklich feststellt, der Auffassung, daß die Zwangsversteigerung des Grundstücks keinen geeigneten Weg zur Auseinandersetzung darstelle. Sie haben also das Grundstück - gewissermaßen als Ersatz seiner selbst - durch ein auf den Nachlaß bezügliches Rechtsgeschäft erworben. Das Grundstück gehörte also - wenn auch jetzt nicht mehr als ererbtes, sondern als erworbenes - wieder zum Nachlaß.

Der Nachlaß war, wie bereits ausgeführt, in seiner Gesamtheit noch nicht geteilt. Die Auseinandersetzung (§ 2042 BGB) derart, daß der Kläger das Grundstück erwarb und seine Geschwister abfand, diente der Teilung des Nachlasses.

Der Kläger hat somit zumindest den buchstäblichen Wortlaut (zum Ausdruck vgl. § 133 BGB) des Gesetzes für sich. Denn § 3 Nr. 3 GrEStG befreit nicht den Erwerb eines Miterben zur Aufhebung der Gemeinschaft über ein ererbtes Grundstück, sondern den Erwerb eines zum Nachlaß gehörigen Gundstücks zur Teilung des Nachlasses; der Wortlaut des GrEStG gibt keinen Anhalt, daß der Begriff des Nachlasses nur im Sinne der §§ 1922, 2032 Abs. 1 BGB, nicht aber auch im Sinne des § 2041 BGB zu verstehen ist. Trotzdem hat die Erwägung des FG Gewicht, der Schutzgedanke des § 3 Nr. 3 GrEStG greife nicht mehr Platz, wenn die Erben eine bereits vollzogene Teilungsmaßnahme rückgängig machten (ohne daß eine rückwirkende Anfechtung vorläge). Der Beklagte sieht den Sinn des § 3 Nr. 3 GrEStG nur darin, die Auflösung der durch den Tod des Erblassers erzeugten gesamthänderischen Bindung, nicht aber die einer von den Erben freiwillig eingegangenen Bindung zu erleichtern; die Befreiung des § 3 Nr. 3 GrEStG könne nicht für dasselbe Grundstück bezüglich desselben Nachlasses zweimal gewährt werden.

Geht man von § 2041 Satz 1 BGB aus, liegt der letztgenannte Gesichtspunkt neben der Sache. Denn aus dem Kreise der kraft Gesetzes auf die Erben übergegangenen Gegenstände (§§ 1922, 2032. Abs. 1 BGB) war das Grundstück in jedem Falle ausgeschieden; für die Anwendung des § 2041 Satz 1 BGB kommt es aber nicht darauf an, ob es zuvor zum Nachlaß gehört hatte. Nicht die zweimalige Befreiung in bezug auf dasselbe Grundstück ist also die entscheidende Frage, sondern die, ob § 3 Nr. 3 GrEStG sich nur auf solche Grundstücke bezieht, welche bereits dem Erblasser gehört hatten, oder auch auf solche, welche erst von den Erben zum Nachlaß erworben wurden (§ 2041 Satz 1 BGB).

So gesehen ist es nicht möglich, den klaren Wortlaut des Gesetzes zu Lasten des Steuerpflichtigen einengend zu interpretieren. Zwar mag dann § 2041 BGB Personen, welche zufällig in einer Erbengemeinschaft verbunden sind, ermöglichen, ein Grundstück zur gesamten Hand zu erwerben, um es später steuerbefreit (§ 3 Nr. 3 GrEStG) auf irgendeinen von ihnen übergehen zu lassen, ohne daß stets eine Steuerumgehung (§ 6 Abs. 1 StAnpG) vorläge oder diese nachweisbar wäre. Das wäre nur ein Grenzfall, der nicht zu Lasten anderer Fälle für die Auslegung entscheidend sein darf. Es wird bereits dadurch begrenzt, daß ein Erwerb der Miterben nur dann in den Nachlaß fällt, wenn eine der Voraussetzungen des § 2041 BGB erfüllt ist. Andernfalls haben sie - wenn überhaupt (vgl. §§ 306, 154, 140 BGB, aber auch den Rechtsgedanken des § 5 Abs. 3 StAnpG) - zu Miteigentum nach Bruchteilen (§ 1008 BGB) erworben (§§ 432, 741 ff. BGB), auch wenn sie sich als Erbengemeinschaft bezeichnet hatten, oder muß ein Erwerb zum Gesamthandvermögen (§ 718 BGB) einer zwischen ihnen bestehenden Gesellschaft (§§ 705 ff. BGB) angenommen werden.

Dem eben erwähnten Grenzfall steht als anderer gegenüber, daß das ererbte Grundstück nicht schon dem Erblasser, sondern erst den Erben gegenüber enteignet wird und sie als Ersatz für dieses (§ 2041 Satz 1 BGB) ein anderes Grundstück erhalten. Es wäre mit dem Schutzzweck des § 3 Nr. 3 GrEStG nicht zu vereinbaren und offenbar unbillig, dem Miterben, der dieses im Enteignungsverfahren oder Umlegungsverfahren zugewiesene Grundstück später in der Auseinandersetzung (§ 2042 BGB) erwirbt, die Vergünstigung des § 3 Nr. 3 GrEStG zu versagen. Nicht anders wäre es aber, wenn die Erben das Grundstück zur Vermeidung der Enteignung vertauscht oder freiwillig hingegeben und als Ersatz ein anderes Grundstück gekauft hätten. Der Schutzzweck des § 3 Nr. 3 GrEStG bleibt auch dann erhalten, wenn die Erben das Grundstück zur besseren Gestaltung von Bauland austauschen (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b GrEStG) und sich erst über das neue Grundstück auseinandersetzen. Von diesen Beispielen ausgehend lassen sich weitere bilden, bei denen die Anwendung des § 3 Nr. 3 GrEStG bei der Auseinandersetzung über das für den Nachlaß hinzuerworbene Grundstück dessen Schutzzweck zumindest nicht zuwiderläuft. Damit ist aber nicht mehr zu belegen, daß der Sinn des § 3 Nr. 3 GrEStG eine einschränkende Auslegung seines Wortlauts erfordert.

Das zeigt auch der vorliegende Fall. Er ist zwar nicht von der Art, daß die Anwendung des § 3 Nr. 3 GrEStG von dessen Zweck her zwingend geboten wäre. Er ist aber auch nicht derart, daß die Anwendung des § 3 Nr. 3 GrEStG dessen Zweck zuwiderliefe. Immerhin beseitigt der Erwerb des Klägers das zuvor bestehende Gesamthandeigentum der Erbengemeinschaft; die auch sonst (§ 86 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FGG -) im öffentlichen Interesse geförderte Auseinandersetzung unter den Erben (§ 2042 BGB) ist also - jedenfalls insoweit - bewirkt. Daß es in gewissem Sinne doch die zweite Auseinandersetzung ist, braucht der grunderwerbsteuerrechtlichen Vergünstigung nicht entgegenzustehen. § 17 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zeigt, auch wenn er einen wesentlich anderen Fragenkreis betrifft, doch, daß die Grunderwerbsteuer, obschon auf den Rechtsverkehr als solchen gelegt, nicht bezweckt, einen Steuerpflichtigen unter allen Umständen an den steuerrechtlichen Konsequenzen unbedachter Maßnahmen festzuhalten (vgl. Urteil II R 123/68 vom 25. März 1969, BFH 96, 283, BStBl II 1969, 602), mag auch im Einzelfall das Eintreten der Steuerpflicht unausweichlich sein (vgl. Urteil II 112/65 vom 19. November 1968, BFH 94, 156 [159], BStBl II 1969, 92).

Hier geht es nicht darum, ob ein zu Lasten des Steuerpflichtigen eindeutiger Wortlaut um eines engeren Zwecks der Vorschrift willen und um ein unbilliges Ergebnis zu vermeiden, nicht doch in einem dem Steuerpflichtigen günstigen Sinne ausgelegt werden kann (vgl. Urteil II R 29/66 vom 5. Februar 1969, BFH 95, 287, BStBl II 1969, 400). Vielmehr spricht - wie eingangs ausgeführt - der klare Wortlaut der Vorschrift für den Kläger. Sie könnte also im Rahmen eines hier immerhin möglichen (vgl. § 2032 Abs. 1 BGB) engeren Wortsinns (vgl. Urteile II 110/62 vom 28. November 1967, BFH 91, 132 [135], BStBl II 1968, 216; II 94, 95/63 vom 10. Juli 1968, BFH 93, 388 [391], BStBl II 1968, 829) nur dann zu dessen Lasten ausgelegt werden, wenn das Ergebnis sinnwidrig wäre und deshalb angenommen werden müßte, daß es dem wahren Willen des Gesetzgebers widerspreche (vgl. Urteil II 164/64 vom 14. Februar 1967, BFH 88, 96 [98], BStBl III 1967, 296). Das ist aber nicht der Fall, da - wie dargelegt - die wortlautgemäße Auslegung nur in wenigen Fällen problematisch sein kann, in einer weitaus größeren Anzahl von Fällen dagegen dringend geboten ist, und da allgemein gesehen diese Auslegung mit Sinn und Zweck der Vorschrift vereinbar ist.

Demnach waren das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung und der angefochtene Steuerbescheid aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1, § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 69376

BStBl II 1971, 251

BFHE 1971, 133

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