Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des § 10e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Begriff der erhöhten Absetzungen i.S. von § 10e Abs. 4 Satz 3 EStG umfasst auch die nach § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG wie Sonderausgaben abziehbaren Beträge (Anschluss an BFH-Urteil vom 4. Oktober 1990 X R 54/90, BFHE 163, 36, BStBl II 1991, 221).

2. Gegen den Ausschluss der gleichzeitigen Förderung zweier in räumlichem Zusammenhang belegener Objekte in § 10e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG bestehen (zumindest) dann keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die zur Einkommensteuer zusammen veranlagten Ehegatten die Wohnungen jeweils als Miteigentümer erwerben.

 

Normenkette

EStG § 10e Abs. 4 S. 2, § 52 Abs. 21 S. 4; GG Art. 6

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (EFG 1997, 219; LEXinform-Nr. 0139838)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Sie erwarben im Jahre 1983 eine im Erdgeschoss eines Zweifamilienhauses gelegene Eigentumswohnung (ETW I) und machten in den Jahren 1983 bis 1986 erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend; ab dem Jahre 1987 zogen sie für die ETW I die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge gemäß § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG wie Sonderausgaben ab. Im Jahre 1988 erwarben die Kläger auch die im Obergeschoss des Zweifamilienhauses gelegene Eigentumswohnung (ETW II). Die Wohnungen verfügten über eigene, von der anderen Wohnung räumlich getrennte Eingänge. Der im Erdgeschoss befindliche Flur und Treppenaufgang zur ETW II war durch eine Wand von dem Wohnzimmer der ETW I getrennt. Die Kläger ließen dort einen Durchbruch machen und nutzten beide ETW als eine Wohnung.

In den Streitjahren (1989 und 1990) beantragten die Kläger für die ETW I gemäß § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG die Berücksichtigung der den erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG entsprechenden Beträge; für die ETW II machten sie Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 EStG geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) gewährte lediglich die Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 EStG für die ETW II. Die gleichzeitige Förderung auch der ETW I komme gemäß § 10e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG nicht in Betracht, da beide ETW in räumlichem Zusammenhang zueinander stünden.

Der hiergegen nach erfolglosem Einspruch gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) statt: § 10e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG sei in verfassungskonformer Auslegung dahin gehend einzuschränken, dass die Vorschrift nur Anwendung finde, wenn der Steuerpflichtige zur Verdoppelung der Förderbeträge eine an sich einheitliche Baumaßnahme auf zwei Objekte aufteile und die geltend gemachten Abzugsbeträge den Höchstbetrag des § 10e Abs. 1 EStG überschritten. Beides sei im Streitfall zu verneinen. Deshalb seien den Klägern Förderbeträge nicht nur ―wie das FA meine― für die ETW II, sondern auch für die ETW I zu gewähren. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 219 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 10e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Das FA hat für die Streitjahre am 24. August 1999 und am 18. April 2000 Änderungsbescheide erlassen, die die Kläger jeweils zum Gegenstand des Verfahrens gemacht haben (§§ 68, 121, § 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Die Vorentscheidung verletzt § 10e Abs. 4 Satz 2 EStG. Das FG hat zu Unrecht neben den im Verlaufe des Veranlagungsverfahrens für die ETW II berücksichtigten Abzugsbeträgen nach § 10e Abs. 1 EStG noch für die ETW I die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge (§ 7b EStG i.V.m. § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG) gewährt.

a) Gemäß § 10e Abs. 4 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 und 2 EStG nur für eine Wohnung oder für einen Ausbau oder für eine Erweiterung abziehen. Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen, können die Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 und 2 EStG für insgesamt zwei der in § 10e Abs. 4 Satz 1 EStG bezeichneten Objekte abziehen, jedoch nicht gleichzeitig für zwei in räumlichem Zusammenhang belegene Objekte, wenn bei den Ehegatten im Zeitpunkt der Herstellung oder Anschaffung der Objekte die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen (§ 10e Abs. 4 Satz 2 EStG). Den Abzugsbeträgen stehen die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG gleich (§ 10e Abs. 4 Satz 3 EStG). Die Gleichsetzung von Abzugsbeträgen und erhöhten Absetzungen bezieht sich nicht nur auf den in § 10e Abs. 4 Satz 1 EStG angeordneten Objektverbrauch (so aber z.B. Meyer in Herrmann/Heuer/ Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 10e EStG Anm. 323; Stephan in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 10e EStG Rn. 109a), sondern auch auf das Verbot der gleichzeitigen Förderung von in räumlichem Zusammenhang belegenen Objekten gemäß § 10e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG; denn § 10e Abs. 4 Satz 3 EStG enthält insoweit keine Einschränkung (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 4. Oktober 1990 X R 54/90, BFHE 163, 36, BStBl II 1991, 221; Handzik, Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG, Köln 1990, S. 118 f.; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 31. Dezember 1994 IV B 3 -S 2225 a- 294/94, BStBl I 1994, 887, Tz. 28). Das Verbot der gleichzeitigen Förderung gilt auch, wenn zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten für eines der in räumlichem Zusammenhang belegenen Objekte die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge gemäß § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG wie Sonderausgaben abziehen. Zwar sind in § 10e Abs. 4 Satz 3 EStG nur die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG genannt. Die Vorschrift ist jedoch dahin auszulegen, dass sie auch die (für Veranlagungszeiträume nach 1987) den erhöhten Absetzungen entsprechenden, gemäß § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG wie Sonderausgaben abziehbaren Beträge umfasst (z.B. BFH-Urteil in BFHE 163, 36, BStBl II 1991, 221).

b) Aus den mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ergibt sich, dass die Kläger die ETW I und II nicht baulich zu einer Wohnung zusammengefasst, sondern nur den Zugang von der ETW I zur ETW II durch einen Durchbruch erleichtert haben. Da es sich um die Erd- und Obergeschosswohnung eines Zweifamilienhauses handelt, liegen sie jedoch in räumlichem Zusammenhang i.S. von § 10e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG (allgemeine Auffassung, z.B. BFH-Urteil vom 23. Juli 1997 X R 121/94, BFH/NV 1998, 159; Meyer, a.a.O., Anm. 320, m.w.N.).

c) Der Senat kann offen lassen, ob § 10e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes einer den Wortlaut einschränkenden Auslegung bedarf, weil die Vorschrift zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten gegenüber zusammen lebenden Ledigen benachteiligt und deshalb gegen Art. 6 des Grundgesetzes (GG) verstößt. Eine solche Benachteiligung kann allenfalls dann eintreten, wenn jeder der beiden Ehegatten eines der in räumlichem Zusammenhang belegenen Objekte als Alleineigentümer erwirbt (vgl. dazu Handzik, a.a.O., S. 128 f.). Zusammen lebende Ledige könnten in diesem Fall für jedes der in räumlichem Zusammenhang belegenen Objekte die Förderung beanspruchen, zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten nach dem Wortlaut des § 10e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG nicht. Ein solcher Sachverhalt ist im Streitfall jedoch nicht gegeben. Die Kläger sind Miteigentümer der ETW I und II. Ihr Anteil an den beiden Wohnungen steht jeweils einer Wohnung gleich (§ 10e Abs. 5 Satz 1 erster Halbsatz EStG, § 7b Abs. 6 Satz 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG) und gilt als ein Objekt (§ 10e Abs. 5 Satz 2 EStG, § 7b Abs. 6 Satz 2 EStG, jeweils i.V.m. § 26 Abs. 1 EStG). Erwerben Ledige als Miteigentümer Wohnungen, können sie ―wegen des eintretenden Objektverbrauchs― jeder nur für den Miteigentumsanteil an einer Wohnung die Förderung beanspruchen (vgl. § 10e Abs. 5 Satz 1 erster Halbsatz EStG i.V.m. § 10e Abs. 4 Satz 1 EStG, § 7b Abs. 6 Satz 1 EStG i.V.m. § 7b Abs. 5 Satz 1 EStG und § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG). Die Kläger verlieren damit wegen des räumlichen Zusammenhangs der Wohnungen (und nur in Bezug auf diese) lediglich die durch § 10e Abs. 4 Satz 2 erster Halbsatz EStG für zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten gewährte Begünstigung der Förderung eines zweiten Objektes. Eine gegen Art. 6 GG verstoßende Benachteiligung im Vergleich zu Unverheirateten ist bei der im Streitfall zu beurteilenden Sachverhaltsgestaltung nicht ersichtlich. Für eine den Wortlaut einschränkende Auslegung des § 10e Abs. 4 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG ist schon unter diesem Gesichtspunkt kein Raum.

2. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Kläger können in den Streitjahren nur entweder die Abzugsbeträge gemäß § 10e Abs. 1 EStG für die ETW II oder die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge nach § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG für die ETW I geltend machen. Zur Ausübung dieses Wahlrechts (vgl. dazu BMF vom 31. Dezember 1994, a.a.O., Tz. 28; Meyer, a.a.O., Anm. 319) ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 508577

BFH/NV 2001, 366

BStBl II 2001, 277

BFHE 193, 322

BFHE 2001, 322

BB 2001, 350

DB 2001, 463

DStRE 2001, 295

HFR 2001, 342

StE 2001, 80

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