Leitsatz (amtlich)

Ein Landwirt, der nur Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebes ist, kann ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG Nordrhein-Westfalen steuerfrei erwerben.

 

Normenkette

GrEStAgrG Nordrhein-Westfalen vom 29. März 1966 i.d.F. vom 21. Mai 1970 § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der nach seinem Vortrag Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebes ist, kaufte mit Vertrag vom 6. Oktober 1972 das Grundstück in O zur unabgeteilten Hälfte als Miteigentümer zusammen mit einem Dritten. Er beantragte Grunderwerbsteuerfreiheit nach dem nordrheinwestfälischen Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Siedlung (GrEStAgrG) vom 29. März 1966 in der Fassung vom 21. Mai 1970 (BStBl I 1970, 820). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) entsprach dem Antrag nicht. Das FA setzte Grunderwerbsteuer fest.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung der Klageabweisung aus, § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG setze für die Gewährung der Grunderwerbsteuerbefreiung voraus, daß der Erwerber Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes sei. Der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung gebiete eine dahin gehende Auslegung; denn die Verbesserung der im Gesetz näher bezeichneten Betriebe durch Verbesserung der Agrarstruktur lasse sich sachbezogen grundsätzlich nur durch die Vergrößerung eines dem Erwerber eines Grundstücks schon gehörenden Betriebes erreichen. Nur auf diese Weise werde eine Zersplitterung landwirtschaftlichen Grundbesitzes vermieden.

Zur Begründung seiner Revision trägt der Kläger vor, er sei Landwirt im Hauptberuf und als solchem müßte ihm die Vergünstigung des § 1 Abs. 1 GrEStAgrG über den Anwendungsbereich der Nr. 4 der Vorschrift hinaus gewährt werden, ohne daß darauf abzustellen sei, ob die bislang von ihm bewirtschafteten Flächen in seinem Eigentum stünden; andernfalls sei Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verletzt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und die Steuerfestsetzung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Zutreffend hat das FG entschieden, daß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG für die Steuerfreiheit des Erwerbs eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks durch einen Landwirt voraussetzt, daß dieser Eigentümer der in seinem Betrieb landwirtschaftlich genutzten Flächen ist, da nur auf diese Weise nachhaltig die Agrarstruktur verbessert und die Zersplitterung landwirtschaftlichen Grundbesitzes verhindert werden kann. Diese Auslegung ist in erster Linie, wie das FG dargelegt hat, durch den Zweck des Gesetzes geboten. Sie wird auch durch seine Entstehungsgeschichte bestätigt; denn nach der Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes sollte die Neubildung landwirtschaftlicher Betriebe außerhalb behördlicher Siedlungsverfahren nicht gefördert werden. Eine Ausnahme wurde insoweit nur für den Fall des Erwerbs eines Betriebes mit den zugehörigen landwirtschaftlichen Flächen im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes zugelassen (Landtag Nordrhein-Westfalen, V. Wahlperiode, Band 5, Drucksache Nr. 887 vom 12. Oktober 1965 S. 10). Darüber hinaus ist in den in der Begründung des Regierungsentwurfs zur Erläuterung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG aufgeführten Beispielen jeweils ersichtlich vorausgesetzt, daß der Landwirt Eigentümer der zu seinem Betrieb gehörenden landwirtschaftlichen Flächen ist (Drucksache Nr. 887, a. a. O., S. 8).

Die Regelung des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Siedlung verstößt in dieser Auslegung auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Pächter landwirtschaftlicher Betriebe sind zwar durch die Beschränkung auf die Möglichkeit, einen landwirtschaftlichen Familienbetrieb gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStAgrG grunderwerbsteuerfrei nur im ganzen erwerben zu können, insoweit gegenüber anderen Landwirten benachteiligt. Die gesetzliche Regelung beruht aber auf einer zutreffenden Abwägung zwischen dem Bedürfnis, eine gesunde und leistungsfähige Agrarstruktur zu schaffen bzw. zu erhalten, und dem Interesse einzelner als Landwirte tätiger Personen, einen eigenen Betrieb aufzubauen; denn die Beschränkung der Vergünstigung auf den Erwerb bereits bestehender Betriebe mit ausreichenden landwirtschaftlichen Flächen vermeidet die Gefahr der Zersplitterung landwirtschaftlichen Grundbesitzes durch Einzelverkäufe, die bei einer weitergehenden Begünstigung dieses Personenkreises gegeben wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73345

BStBl II 1980, 27

BFHE 1980, 78

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