Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerrechtliche Benutzung von Auslandsanhängern

 

Leitsatz (NV)

1. Die Auslandszulassung eines Anhängers, der seinen regelmäßigen Standort im Inland erhält, führt nur für die Dauer eines Jahres zur Befreiung von der Zulassungspflicht und Nichtbesteuerung der Fahrzeugverwendung mit Kraftfahrzeugsteuer. Nach Fristablauf ist die Fahrzeugverwendung ohne Inlandszulassung widerrechtlich im kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinne (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Zur Frage der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Bindungswirkung einer verkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung.

 

Normenkette

KraftStG 1972 § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 2 Nr. 1, § 4 Nr. 4, § 5 Nr. 3; KraftStG 1979 § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3, §§ 6, 7 Nr. 3; AO 1977 § 176 Abs. 2; StVZO § 23 Abs. 1, § 70 Abs. 1, 3a; IKVO § 1 Abs. 1, § 5 Buchst. b; 24. AusnV/StVZO § 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger, ein Transportunternehmer, benutzte von seiner Niederlassung in X aus zwei in den Niederlanden zugelassene, von ihm längerfristig gemietete Sattelauflieger im grenzüberschreitenden Güterverkehr, und zwar in der Zeit vom 21. September 1976 bis 18. Januar 1981 bzw. vom 19. April 1979 bis 25. Januar 1981. Danach wurden die Fahrzeuge im Inland zugelassen. Mit Bescheiden . . . setzte das beklagte und revisionsbeklagte Finanzamt (FA) gegen den Kläger Kraftfahrzeugsteuer wegen widerrechtlicher Benutzung der Fahrzeuge während der vorbezeichneten Zeiträume fest. Die Klage hatte nur hinsichtlich der Besteuerung für das jeweils erste Jahr ab Beginn der Verwendung Erfolg. Zur Begründung der Klageabweisung im übrigen führte das Finanzgericht (FG) im Anschluß an die Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 14. Mai 1986 VII R 173/83, BFHE 147, 184, BStBl II 1986, 765) aus, nach Ablauf eines Jahres nach erstem Grenzübertritt seien die Fahrzeuge widerrechtlich, nämlich ohne die erforderliche Inlandszulassung, benutzt worden (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes - KraftStG - 1972/1979). Der Inlandszulassung hätte es bedurft, weil die Fahrzeuge nach dem ersten Grenzübertritt von Anfang an ihren regelmäßigen Standort im Inland gehabt hätten. Der standortbegründende Einsatzmittelpunkt sei die Niederlassung in X gewesen, von dort aus sei über den Einsatz einschließlich der Ruhezeiten - allein durch den Kläger als Mieter - bestimmt worden. Eine Steuerbefreiung nach ,,§ 3 Nr. 1 KraftStG 1972/1979" greife nicht ein. Zwar sei dem Kläger vom Regierungspräsidenten A eine bis zum 30. April 1978 geltende Ausnahmegenehmigung (vom 22. April 1975) gemäß § 70 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) mit der Erlaubnis erteilt worden, für mit einer bestimmten, im Inland zugelassenen Sattelzugmaschine gebildete Sattelkraftfahrzeuge außerhalb des Geltungsbereichs der StVZO zugelassene Sattelanhänger mitzuführen, ohne daß die letzteren ,,durch Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens für Anhänger von einer deutschen Zulassungsstelle zum Verkehr zugelassen sind". Diese Genehmigung habe jedoch keine Bindungswirkung. Sie sei zudem mangels Zuständigkeit der Genehmigungsbehörde für eine - hier erforderliche - bundeseinheitliche Regelung rechtswidrig gewesen. Die Steuerfestsetzung widerspreche auch nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben. Ein Verhalten des FA dem Kläger gegenüber, das einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätte, sei nicht ersichtlich. Die Genehmigungsbehörde und die obersten Finanzbehörden, auf deren Erlasse der Kläger sich berufe, seien nicht Partner des konkreten Steuerrechtsverhältnisses. Der Vertrauensschutz, den der Kläger insoweit beanspruche, könne allenfalls eine Billigkeitsmaßnahme begründen. Ein Fall von § 176 der Abgabenordnung (AO 1977) liege nicht vor.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, die Ausnahmegenehmigung habe keine Auswirkung auf andere Bundesländer gehabt, die Genehmigungsbehörde sei mithin zuständig gewesen. Unabhängig davon habe er - Kläger - sich auf die Genehmigung verlassen können, ebenso auf - allgemeine - Ministerialerlasse betreffend die generelle Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr eingesetzte, von einer deutschen Zugmaschine gezogene Anhänger mit Auslandszulassung. Insoweit sei auch § 176 Abs. 2 AO 1977, der einer Aufrollung abgeschlossener Fälle entgegenstehe, zu berücksichtigen. Er - Kläger - sei nicht Eigentümer oder Halter der Fahrzeuge und mithin zum Betreiben einer Inlandszulassung weder berechtigt noch verpflichtet gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat jedenfalls im Ergebnis richtig erkannt, daß die angefochtenen Steuerfestsetzungen rechtmäßig sind.

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Zulassung der beiden Fahrzeuge zum vorübergehenden Verkehr auf Grund der maßgebenden verkehrsrechtlichen Vorschriften nur für die Dauer eines Jahres galt, mit der Folge, daß nur insoweit eine zur Kraftfahrzeugbesteuerung führende widerrechtliche Benutzung auszuschließen, Steuerpflicht mit Entstehung der Steuer in der Person des Klägers jedoch für die anschließenden Zeiträume gegeben war (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Nr. 4, § 5 Nr. 3 KraftStG 1972; § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 6, § 7 Nr. 3 KraftStG 1979). Die Vorentscheidung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (grundlegend BFHE 147, 184; zuletzt Urteil vom 21. November 1989 VII R 59/87, BFH/NV 1990, 602; dort weitere Nachweise). Nach den Feststellungen der Vorinstanz, die mangels entsprechender Verfahrensrügen den Senat binden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung), ist für die Fahrzeuge nach ihrer Zulassung in den Niederlanden und dem erstmaligen Grenzübertritt der regelmäßige Standort (Heimatort) in X begründet worden. Der Kläger war - auch als Mieter - ,,Verfügungsberechtigter" i. S. von § 23 Abs. 1 StVZO (vgl. auch BFH/NV 1990, 602, 604); ihm oblag es somit, die Inlandszulassung zu erwirken. Da dies bis Anfang 1981 nicht geschehen war, war die Benutzung der Fahrzeuge für die Zeiträume ab 21. September 1977 bzw. 19. April 1980 bis zu der 1981 erfolgten Inlandszulassung ,,widerrechtlich".

Zuzustimmen ist auch der Auffassung der Vorinstanz, daß die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen weder in Hinblick auf § 176 AO 1977 noch unter Berücksichtigung des Vertrauensgrundsatzes in Zweifel gezogen werden kann. § 176 AO 1977 schützt nicht das Vertrauen in die Gesetzgebung, die höchstrichterliche Rechtsprechung oder - § 176 Abs. 2 AO 1977 - in allgemeine Verwaltungsvorschriften oberster Behörden, sondern das Vertrauen in die Bestandskraft der Steuerfestsetzung (Klein/Orlopp, AO, 4. Aufl. 1989, § 176 Anm. 1); die Vorschrift setzt eine Steuerfestsetzung - ggf. Freistellung - voraus, die hier gerade nicht erfolgt war. Die Ministerialerlasse, auf die der Kläger sich beruft (zu ihnen BFHE 147, 184, 186), waren mangels Bestehens eines konkreten Steuerrechtsverhältnisses ihrer Art nach nicht geeignet, ein ggf. rechtserhebliches Vertrauen des Klägers zu begründen (vgl. auch Senat, Urteile vom 18. März 1986 VII R 55/83, BFHE 146, 294, 297, und vom 13. Mai 1987 VII R 37/84, BFHE 150, 108, 112, BStBl II 1987, 606). Die Frage, ob mit Rücksicht auf die (später aufgehobenen) Ministerialerlasse Anlaß zu einer Billigkeitsregelung gegeben sein könnte (vgl. Kühn / Kutter / Hofmann, AO/FGO, 16. Aufl. 1990, Bem. 1 a. E. zu § 176 AO 1977; Förster in Koch, Abgabenordnung 1977, 3. Aufl., § 176 Rz. 12), ist nicht zu entscheiden.

Jedenfalls im Ergebnis richtig ist die Vorentscheidung auch insoweit, als sie - nur für das vor dem 30. April 1978 verwendete Fahrzeug in Betracht kommend - eine Steuerbefreiung nach ,,§ 3 Nr. 1 KraftStG 1972/1979" - richtig: § 2 Nr. 1 KraftStG 1972 - verneint (vgl. auch § 2 Abs. 5 Satz 2 KraftStG 1979; wegen der früheren Rechtslage Egly, KraftStG, 2. Aufl. 1964, Abschn. 10 b = S. 121).

Das FG hat eine Bindungswirkung der dem Kläger erteilten Ausnahmegenehmigung verneint und sich hierbei auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. September 1981 II R 56/78 (BFHE 134, 367, 369, BStBl II 1982, 82) berufen. In diesem Urteil hat der BFH erkannt, daß mit der Zulassung eines Fahrzeugs nicht mit bindender Wirkung über die Zulassungspflicht entschieden sei, und dies mit der Erwägung begründet, die Zulassung oder Nichtzulassung sei keine tatbestandliche Voraussetzung der Steuerbefreiung nach § 2 Nr. 1 KraftStG 1972 (§ 3 Nr. 1 KraftStG 1979). Daraus kann indessen nichts für den Fall einer Einzelbefreiung von der Zulassungspflicht (§ 70 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 3 a StVZO) entnommen werden. Ist sie erteilt, so ist der Tatbestand der Steuerbefreiung vielmehr erfüllt (BFHE 147, 184, 188; Egly/Mößlang, KraftSt, 3. Aufl. 1981, Abschn. 4 c = S. 96 f.). Im Streitfall liegt jedoch keine Ausnahmegenehmigung vor, die mittelbar zur Kraftfahrzeugsteuerbefreiung hinsichtlich des einen Anhängers des Klägers für die Zeit vom 21. September 1977 bis 30. April 1978 geführt hätte. Nach ihrem Wortlaut gilt die Genehmigung nur für ein aus einer bestimmten, im Inland zugelassenen Sattelzugmaschine und einem Sattelanhänger gebildetes ,,Sattelkraftfahrzeug", nicht für (bestimmte) Anhänger. Zwar wird gleichwohl anzunehmen sein, daß die Genehmigung eine Befreiung von Auslandsanhängern bezweckt - nur insoweit macht sie Sinn -, doch erscheint zweifelhaft, ob dies auch Verfügungsinhalt geworden ist. Wäre dies zu verneinen, so wären Steuerbehörden und -gerichte an die in der Genehmigung zum Ausdruck gelangende Rechtsauffassung der Genehmigungsbehörde nicht gebunden (keine ,,erweiterte Feststellungswirkung"; BFHE 134, 367, 369). Wäre dagegen von einer (ggf. bindenden) Befreiung - auch - des betreffenden Anhängers des Klägers sowie weiter davon auszugehen, daß diese Befreiung ungeachtet der später in Kraft getretenen normativen Regelung über die Zulassung ausländischer Anhänger zum vorübergehenden Verkehr - § 1 der 24. Ausnahmeverordnung zur StVZO (AusnV) vom 9. September 1975 (BGBl I 1975, 2508) - ihre Bedeutung behielt, so müßte beachtet werden, daß die Genehmigung ,,für den grenzüberschreitenden Güterverkehr" erteilt worden ist (Nr. 11 der Genehmigungsurkunde). Damit ist auf § 1 Abs. 1, § 5 Buchst. b der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr vom 12. November 1934 (BGBl III Gliederungsnummer 9232-4) - IKVO - verwiesen mit der Folge, daß ein vorübergehender Verkehr - nur - für die Dauer eines Jahres ab Grenzübertritt ermöglicht wurde. Wie der Senat bereits entschieden hat (BFH/NV 1990, 602 f. - Nr. 1 -), sicherten auch die vor Inkrafttreten der AusnV erteilten Einzelgenehmigungen, ebenso wie später die AusnV selbst, lediglich eine der IKVO entsprechende Behandlung. Dies bedeutet, daß auch eine dem Kläger etwa erteilte Befreiung hinsichtlich seines vor dem 30. April 1978 verwendeten Anhängers nur eine Zulassung des Fahrzeugs zum vorübergehenden Verkehr für die Dauer eines Jahres, beginnend mit dem der Standortbegründung im Inland vorangegangenen Grenzübertritt, bewirkt hätte. Diesen Zeitraum hat das FG jedoch berücksichtigt. Auf seine Erwägungen zur Frage der Zuständigkeit der Genehmigungsbehörde und Folgerungen, die sich im Falle der Unzuständigkeit ergeben könnten, braucht nicht eingegangen zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417983

BFH/NV 1992, 565

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