Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhältnis zwischen Sachverhaltsaufklärungspflicht des FG und Mitwirkungspflicht der Beteiligten

 

Leitsatz (NV)

1. Die Grenze zwischen der dem FG obliegenden Sachverhaltsaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und der Mitwirkungspflicht der Beteiligten (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO) läßt sich nur im Einzelfall bestimmen.

2. Greift das FG kurz vor der mündlichen Verhandlung den Gesichtspunkt der möglicherweise eingetretenen Zahlungsverjährung auf, so obliegt es trotz der Mitwirkungspflicht des FA dem FG, wenn es schon nicht von sich aus den Termin aufheben bzw. verschieben will, entsprechende Nachforschungen in den ihm vorliegenden Steuerakten anzustellen.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Kl. hat im Jahr 1972 ein Grundstück erworben. Das FA nahm den Erwerbsvorgang zunächst antragsgemäß vorläufig gemäß § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG NW von der Besteuerung aus. Nachdem der Kl. im Jahre 1977 das Grundstück vor Durchführung des Bauvorhabens veräußert hatte, setzte das FA mit Bescheid vom 21. April 1978 gegen ihn . . . DM GrESt fest. Den vom Kl. mit Schreiben vom 22. Mai 1978 begehrten Erlaß der festgesetzten GrESt aus Billigkeitsgründen lehnte das FA mit Verfügung vom 9. Juni 1978 ab. Die Beschwerde wurde mit Beschwerdeentscheidung vom 6. November 1978 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der noch im Jahre 1978 erhobenen Klage hat der Kl. zunächst begehrt, das FA unter Aufhebung der ablehnenden Verwaltungsentscheidungen zum Erlaß der Steuer zu verpflichten. Das FG hat zum 23. Februar 1984 mündliche Verhandlung anberaumt. Am 20. Februar 1984 hat der Berichterstatter das FA telefonisch auf den möglicherweise eingetretenen Ablauf der Zahlungsverjährung hingewiesen und gleichzeitig aufgefordert, das Vorliegen verjährungsunterbrechender Handlungen zu überprüfen. In der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 1984 hat der Kl. die Hauptsache wegen Eintritts der Zahlungsverjährung für erledigt erklärt. Das FA hat Klageabweisung beantragt und zum Nachweis dafür, daß die Verjährung durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs unterbrochen worden sei, Fotokopie eines finanzbehördlichen Schreibens vom 28. Mai 1980 vorgelegt. Dieses Schreiben betrifft nach seinen Eingangsworten einen Antrag des Kl. auf Teilerlaß von USt und Nebenleistungen zur USt.

Das FG hat durch Urteil die Erledigung der Hauptsache festgestellt. Die Zahlungsverjährung habe mit Ablauf des Jahres 1978 begonnen und mit Ablauf des Jahres 1983 geendet. Der Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist sei nicht unterbrochen worden. Das vom FA vorgelegte Schreiben vom 28. Mai 1980 enthalte keine konkrete Zahlungsaufforderung hinsichtlich der GrESt-Forderung. Zwar sei diese in dem Schreiben angeführt; das sei jedoch nur im Rahmen der Argumentation zur Ablehnung des dort beschiedenen Antrags geschehen.

Mit der Revision beantragt das FA die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Es rügt Verletzung der Aufklärungspflicht des FG und verweist auf ein in den dem FG Anfang 1979 vorgelegten Steuerakten befindliches Schreiben an den Kl. vom 9. Februar 1979, mit dem er zur Zahlung der GrESt aufgefordert worden ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei sind die Beteiligten heranzuziehen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der Verlauf der Grenze zwischen der dem FG obliegenden Sachverhaltsaufklärungspflicht und der Mitwirkungspflicht der Beteiligten ist nur im Einzelfall zu bestimmen. Im vorliegenden Fall, in dem das FG von sich aus kurz vor der mündlichen Verhandlung den Gesichtspunkt der möglicherweise eingetretenen Zahlungsverjährung aufgegriffen hat, oblag es - trotz der Mitwirkungspflicht des FA - dem FG (wenn es schon nicht von sich aus den Termin aufheben bzw. verschieben wollte), sich durch Einblick in die ihm seit Jahren vorliegenden Akten des Steuerfalles zu vergewissern, ob in diesen zeitlich nach den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen nicht noch ein Schreiben des FA abgeheftet war, in dem der Kl. nach erfolgloser Durchführung des Beschwerdeverfahrens zur Zahlung aufgefordert worden war. Diesem Gebot ist das FG nicht nachgekommen.

Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414745

BFH/NV 1987, 722

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