Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen des Sonderfalles einer Leistung im Sinne des § 8 UStDB, wenn die Auftraggeber einem Unternehmer Gold zur Verfügung stellen und Goldschmuck zurückerhalten.

Werden in einem solchen Falle die Voraussetzungen des § 8 UStDB verneint, so ist kein Raum für die Annahme einer nicht steuerbaren Beistellung.

 

Normenkette

UStG § 3 Abs. 2, § 3/4; UStDB § 8; UStG § 3/9; UStDB § 9; UStG § 3/12

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.) betreibt den Großhandel mit Schmuckwaren und Edelsteinen; sie stellt unter anderem auch Broschen, Anhänger, Uhrgehäuse unter Verwendung von Brillanten, Farbsteinen usw. in eigener Fabrikation her, ferner Kolliers, Armbänder und feine Damenuhren, wobei sie die verschiedenen Halbfabrikate bezieht, die sie in eigener Fabrikationsstätte zu verkaufsfähigen Endprodukten verarbeitet. Der Streitfall bezieht sich jedoch auf die Fälle, in denen sie an Juweliere und ähnliche Einzelhandelsgeschäfte solche Schmuckwaren veräußert hat, bei denen wertmäßig das verarbeitete Gold im Verhältnis zum Werklohn (Fassonpreis) überwiegend im Vordergrund steht. Es handelt sich hierbei um goldene Kolliers, Armbänder, Armreifen und Ansatzbänder. Diese Artikel läßt die Stpfl., wie sie selbst im Berufungsverfahren erklärt hat, "aus rationellen Gründen bei verschiedenen anderen Fabriken im Werklohn für sich herstellen". Die Stpfl. stellt ihren Lieferanten zur Anfertigung der Schmuckstücke das erforderliche Gold zur Verfügung und verlangt ihrerseits das benötigte Gold von ihren Abnehmern (Auftraggeber der Stpfl.). Die Auftraggeber stellen hierbei in der Mehrzahl der Fälle das Material in der Form von Feingold zur Verfügung; im Jahre 1955 sind 50,03 % über eine Bank, 17,36 % über eine Scheideanstalt, 29,28 % unmittelbar als Feingold der Kunden und nur 2,79 % Bruchgold bei der Stpfl. angeliefert worden. Dieses Gold gibt die Stpfl. ohne Rücksicht auf die Herkunft im Einzelfalle an die Fabrikationsbetriebe weiter, wo das Gold im Werklohn zu rein goldenen Schmuckstücken verarbeitet wird. Die Aufträge an die Fabriken werden von der Stpfl. im Interesse einer möglichst reibungslosen Abwicklung des Saisongeschäfts überwiegend schon dann vergeben, bevor die Aufträge der Besteller vorliegen, wobei die Stpfl. sowohl Gold aus ihren eigenen Vorräten als auch Gold der Kunden, für die ein Goldgewichtskonto geführt wird, zur Verfügung gestellt hat. Die Preisberechnung der Stpfl. gegenüber den Auftraggebern geschieht in der Weise, daß das Feingold zu einem festen Verrechnungspreis von 3,50 DM je Gramm angesetzt wird, ein Aufschlag von 20 bis 40 % jedoch auch auf das Material, also auf Fasson zuzüglich Feingold, gemacht wird. Das Ergebnis der Berechnung wird nach Absetzung des festen Verrechnungspreises für das Gold den Auftraggebern gegenüber als Fassonpreis bezeichnet.

Die Stpfl. hat in der Annahme, daß auch sie ihren Auftraggebern gegenüber im Werklohn arbeite, in den streitigen Fällen nur den Fassonpreis mit 4 % versteuert, während das Finanzamt das Umsatzgeschäft zwischen der Stpfl. und ihren Auftraggebern als Werklieferung ansieht und das Material (Feingold) in den Leistungsaustausch einbezieht. Nach Auffassung des Finanzamts sind weder die Voraussetzungen des § 8 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 noch die einer nicht steuerbaren Materialbeistellung gegeben.

In der Berufung hatte die Stpfl. Erfolg. Das Finanzgericht hat zwar gleichfalls durch Zwischenurteil einen Sonderfall der Leistung nach § 8 UStDB 1951 verneint, jedoch eine nicht steuerbare Beistellung des Feingoldes bejaht.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

I. Der erkennende Senat hat sich in seinem Urteil V 110/55 S vom 17. Januar 1957 (BStBl 1957 III S. 82, Slg. Bd. 64 S. 215) ausführlich mit der Bedeutung des § 8 UStDB befaßt, dessen alleiniger Zweck es hiernach ist, reine Arbeitsleistungen zu begünstigen. Da die Versteuerung nach § 8 UStDB auf Grund wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Gegensatz zur bürgerlich- rechtlichen Gestaltung, die sich in den Formen eines Tausches mit Baraufgabe vollzieht, nur einen Werklohn als Entgelt des erzielten Arbeitserfolges voraussetzt, ist es unerläßlich, daß die Voraussetzungen des § 8 UStDB einwandfrei festgestellt werden können (vgl. auch das Urteil des Bundesfinanzhofs V 157/55 U vom 17. Januar 1957, BStBl 1957 III S. 92, Slg. Bd. 64 S. 241). Der § 8 UStDB ist der gesetzgeberische Niederschlag der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Die Grenzen, die er in der gesetzlichen Formulierung entsprechend der vorangegangenen Rechtsprechung gefunden hat, können deshalb nicht ihrerseits im Wege der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausgedehnt werden. Dabei ist unbeachtlich, wenn sich, wie die Stpfl. in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, die Verhältnisse bei dem Ausgangstatbestand der Umtauschmüllerei, die immer mehr zugunsten der Handelsmühlen zurückgedrängt werde, geändert haben sollten; denn für die Auslegung des § 8 a. a. O. müssen diejenigen wirtschaftlichen Verhältnisse zugrunde gelegt werden, die die Rechtsprechung und später der Verordnungsgeber als maßgeblich und typisch unterstellt hat.

Der Streitfall läßt jedoch, auch wenn man die Sachdarstellung der Stpfl. zugrunde legt, an jeder der für die Anwendung des § 8 UStDB zu fordernden Voraussetzungen erhebliche Zweifel offen; denn nach der in der Berufungsbegründung, auch nach der im Rechtsbeschwerdeverfahren späterhin gegebenen Darstellung, stellt die Stpfl. unbeschadet des Umfangs ihrer sonstigen Fabrikation gerade die hier in Streit befangenen Gegenstände nicht selbst her, sondern vergibt sie an andere Fabriken; insoweit ist sie für die Anwendung des § 8 UStDB wie ein Händler anzusehen, für den diese Vorschrift nach ihrer Zweckbestimmung nicht gedacht ist. Der Grundsatz des § 12 Abs. 2 UStDB, auf den sich die Stpfl. beruft, ist wohl ein allgemeiner Grundsatz des Umsatzsteuerrechts, wie der Senat an anderer Stelle ausgesprochen hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 59/52 S. vom 30. Juni 1953, BStBl 1953 III S 274, Slg. Bd. 57 S. 720); aber gerade im Falle des § 8 UStDB spricht es gegen die Anwendbarkeit dieser Vorschrift, wenn der Unternehmer die Herstellung nicht selbst ausführt.

Auch die Berechnung des Entgelts läßt nicht mit Sicherheit auf die bloße Vereinbarung eines Werklohns schließen. Zwar erscheinen in der Kalkulation stets gleichbleibende Materialpreise, doch enthält eine Kalkulation, die Aufschläge auch auf den Materialaufwand macht, der gerade bei rein goldenen Schmuckstücken stark ins Gewicht fällt, auch handelsmäßige Momente, wie die Rechtsbeschwerde nach Auffassung des Senats überzeugend dargelegt hat. Hinzu kommt, daß der sogenannte Fassonpreis, wie ihn der von der Stpfl. beauftragte Fabrikant dieser in Rechnung stellt und wie ihn die Stpfl. ihrerseits ihren Abnehmern unter Hinzurechnung eines Aufschlags sowohl auf den Fassonpreis des Fabrikanten als auch auf das Material berechnet, außer dem Aufwand für Nebenstoffe (Silber, Kupfer) auch den Unternehmergewinn des Fabrikanten umfaßt. Das Ergebnis der Berechnung der Stpfl. kann demnach niemals ein reiner Fassonpreis, mithin kein bloßer Werklohn sein.

Schließlich ist auch die dritte Voraussetzung, wonach das Gold zur Herstellung eines Gegenstandes, nicht zu dessen Bezahlung übergeben sein muß, nach Abwägung aller Umstände des Streitfalles nicht einwandfrei dargetan. Auch nach der im Rechtsbeschwerdeverfahren gegebenen Sachdarstellung steht fest, daß die Stpfl. ihre Aufträge an die Fabriken schon in Zeitpunkten vergeben hat, in denen sie noch kein Gold von den Auftraggebern erhalten hatte, und daß sie eigenes Gold von ihrem Lager zur Verfügung gestellt hat, das lediglich später wieder durch das Gold der Kunden aufgefüllt worden ist. Auch aus den Erklärungen der Kunden kann mit Sicherheit nur entnommen werden, daß es diesen auf einen günstigeren Preis ankam, nicht auf die Verformung ihres Goldes. Die Hälfte der Kunden lieferte das Gold denn auch erst über eine Bank an, weil sie selbst über genügend Gold gar nicht verfügte. Die Stpfl. weist ferner selbst auf den stabilen Goldpreis der letzten Jahre hin. Insoweit wird auf das obenangeführte Urteil V 110/55 S vom 17. Januar 1955 hingewiesen, das die Anwendbarkeit des Urteils II 13/51 U vom 24. August 1951 (BStBl 1952 III S. 97, Slg. Bd. 56 S. 246) auf die Zeit vor der Währungsreform einschränkt; aber selbst nach diesem Urteil muß es den Auftraggebern überwiegend darauf ankommen, daß das von ihnen selbst hingegebene Gold durch den Unternehmer in eine bestimmte Form gebracht wird. Gold ist heute, wie auch im Streitjahre 1955, in genügender Menge frei auf dem Markt zu haben. Um das Anwendungsgebiet des § 8 UStDB als einer Ausnahme auf Grund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise dem Sinne dieser Vorschrift entsprechend abzugrenzen, wird immer wieder auf den Grundtatbestand der Umtauschmüllerei hinzuweisen sein, bei welcher der Charakter des Umsatzgeschäfts als reiner Werkauftrag klar zutage tritt. Im Streitfalle wickeln sich die Geschäfte aber so ab, daß nach Herstellung der Musterstücke für die neue Saison schon Aufträge an die Fabriken entsprechend dem voraussichtlich möglichen Absatz vergeben werden, aus diesen Aufträgen das Lager aufgefüllt wird und die Aufträge zumindest teilweise vom Lager ausgeführt werden. Vor allem wird das von den Auftraggebern beizubringende Gold weitgehend kreditiert, wie es handelsmäßiger übung, nicht aber der eines Herstellerbetriebes im Sinne des § 8 UStDB, entspricht. Es mag der Interessenlage der Stpfl. entsprechen, immer genügend Gold auf Lager zu haben. Dies erreicht sie auch, wenn sie, wie geschehen, ihre Werkslieferungsverträge als Tauschgeschäfte mit Baraufgabe abwickelt. Es ist aber kein einleuchtender Grund dafür ersichtlich, aus welchem die Kunden das Hauptgewicht auf die Verarbeitung ihres Goldes, das sie sich überwiegend erst selbst beschaffen mußten, gelegt haben sollen. Bei dieser Abwicklung der Geschäfte wird auch die Verkehrsauffassung nicht einen Leistungsaustausch von Werklohn gegen Arbeit annehmen. Dem Vorbringen der Stpfl. in der mündlichen Verhandlung ist entgegenzuhalten, daß es dabei nicht so sehr auf bloße subjektive Vorstellungen der Beteiligten ankommt als auf die objektive Interessenlage, wie sie sich bei vernünftiger Würdigung aller wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Umstände darstellt. Es ist deshalb auch nicht angebracht, gemäß dem Begehren der Stpfl. jedes einzelne Geschäft gesondert zu prüfen, da es selbst dann, wenn einmal ein Besteller Wert auf die Verformung seines Goldes gelegt haben sollte, an den anderen Voraussetzungen des § 8 UStDB fehlen würde. Im Ergebnis ist deshalb der Vorentscheidung, soweit sie die Anwendbarkeit des § 8 UStDB verneint, beizutreten.

II. Das Finanzgericht ist jedoch zu dem von der Stpfl. erstrebten Ergebnis auf Grund der Annahme einer nicht steuerbaren Materialbeistellung gekommen. Insoweit unterliegt die Vorentscheidung der Aufhebung wegen Rechtsirrtums.

Eine Materialbeistellung liegt vor, wenn der Auftraggeber dem Hersteller einen Teil des Stoffes zur Verfügung stellt, aus dem das Werk hergestellt werden soll. Dieser Teil kann selbst eine Hauptsache sein, die Beistellung kann sich aber auch nur auf Nebenstoffe oder sonstige Beistellungen (Arbeitskräfte) beziehen. Im Streitfalle besteht Einigkeit darüber, daß die Auftraggeber der Stpfl. und diese den Fabriken den gesamten Hauptstoff zur Verfügung gestellt haben. Die Zuschläge an Silber oder Kupfer, die die Fabriken noch hinzufügen mußten, sind unstreitig nur Zutaten. Es liegt demnach eine totale Materialgestellung seitens des Auftraggebers vor. Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend hervorhebt, kann solchenfalls eine reine Werkleistung vorliegen; wickelt sich das Geschäft aber wie im Streitfalle in der Form von Lieferung und Gegenlieferung ab, so kann ein Fall des § 8 UStDB vorliegen. Da die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorstehend verneint worden sind, ist kein Raum für die Annahme einer nicht steuerbaren Beistellung; denn die Ausführungen unter I. ergaben, daß eine Lieferung der Stpfl. an ihre Auftraggeber vorliegt, bei der das Entgelt teils in Geld, teils in dem zur Verfügung gestellten Gold besteht (Tausch mit Baraufgabe). Somit ist der beigestellt Hauptstoff in den Leistungsaustausch einzubeziehen. Die Annahme einer nicht steuerbaren Materialbeistellung besagt aber nichts anderes, als daß der beigestellte Stoff aus dem Leistungsaustausch auszuscheiden hat. Diese Frage ist mithin bereits nach den Ausführungen unter I. beantwortet (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs V 25/56 U vom 17. Januar 1957, BStBl 1957 III S. 83, Slg. Bd. 64 S. 219).

Nach Aufhebung der Vorentscheidung kann der Senat auch das tatsächliche Vorbringen würdigen und im Streitfalle die an sich gebotene Zurückverweisung der Sache wegen nicht ausreichender tatsächlicher Feststellungen vermeiden; der vom Finanzgericht seinen Gründen vorangestellte Tatbestand erlaubt der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht eine vollständige rechtliche Würdigung. Es ist der Vorentscheidung auch nicht zu entnehmen, inwieweit nach dem Ende der mündlichen Verhandlung der Tatbestand als unstreitig angesehen werden konnte. Der Senat kommt jedoch auf Grund des Akteninhalts und unter Zugrundelegung der Sachdarstellung der Stpfl., soweit sie nicht dem klaren Inhalt der Akten widerspricht, zu der obigen rechtlichen Würdigung.

Hiernach liegen nach Auffassung des Senats weder die Voraussetzungen des § 8 UStDB vor, noch kann eine nicht steuerbare Materialbeistellung angenommen werden. Das von den Auftraggebern gestellte Gold ist in den Leistungsaustausch einzubeziehen; die streitigen Lieferungen sind deshalb als Werklieferungen zu versteuern.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409493

BStBl III 1959, 435

BFHE 1960, 469

BFHE 69, 469

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