Leitsatz (amtlich)

Beim Grund und Boden, der gemäß § 55 Abs. 1 und 7 EStG 1971 mit dem Zweifachen des nach den Abs. 2 bis 4 zu ermittelnden Ausgangsbetrages als Einlage anzusetzen war, ist gemäß Abs. 6 Satz 2 eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert auch dann ausgeschlossen, wenn für die Minderung des Wertes des Grund und Bodens eine Entschädigung gezahlt und diese als Betriebseinnahme erfaßt wird.

 

Normenkette

EStG 1971 §§ 4, 52, 55

 

Tatbestand

Für die Veranlagungszeiträume 1970 und 1971 ist streitig, ob bei land- und forstwirtschaftlichen Betriebsgrundstücken, die nach § 55 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1971 (EStG) bewertet worden sind, einer Teilwertabschreibung § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG entgegensteht.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist buchführender Landwirt. Er gestattete dem Zweckverband... durch Verträge vom 30. März 1971, auf zwei Parzellen Streifen von 605 m und 1 240 m Länge und einer Breite von jeweils 5 m dauernd zur Einrichtung einer Wassertransportleitung zu benutzen und zu diesem Zweck eine Rohrleitung im Boden zu verlegen und in Betrieb zu halten. Für dieses Recht wurden zugunsten des Zweckverbandes beschränkt persönliche Dienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen, durch die der Kläger zusätzlich verpflichtet wurde, die Leitungsachse nicht zu bebauen und mit jedem Bauwerk 2,5 m von ihr entfernt zu bleiben. Der Zweckverband verpflichtete sich zur Zahlung einmaliger Abfindungen von 10 DM je Meter Streifenlänge, also 6 050 DM und 12 400 DM. Durch diese Zahlungen sollten auch alle Schäden aus der Verlegung abgegolten sein. Entsprechend einem dem Betriebsprüfer vorgelegten Protokoll über die Leitungsverhandlung sind die Zahlungen zu 60 v. H. als Entschädigung für den Minderwert des Grund und Bodens und zu 40 v. H. als Nutzungsentschädigung anzusehen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erhöhte zunächst aufgrund der Betriebsprüfung in einem nach § 225 der Reichsabgabenordnung (AO) endgültigen Einkommensteuerbescheid für 1970 und in einem erstmaligen endgültigen Einkommensteuerbescheid für 1971 die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft des Wirtschaftsjahres 1970/71 um die gesamten Abfindungsbeträge von 18 450 DM. In der Einspruchsentscheidung folgte das FA dem Standpunkt des Klägers hinsichtlich der Nutzungsentschädigung; es minderte deshalb den Gewinn des Wirtschaftsjahres 1970/71 um einen als Rückstellung bezeichneten Passivposten von 7 380 DM und erhöhte andererseits die Gewinne der Wirtschaftsjahre 1970/71 und 1971/72 (und 1972/73) um je 410 DM durch die jährliche Auflösung des Passivpostens.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, die Entschädigung für den Bodenminderwert von 11 070 DM (60 v. H. von 18 450 DM) sei im Ergebnis außer Ansatz zu lassen. Zwar liege eine Betriebseinnahme vor; diese werde jedoch durch eine Teilwertabschreibung vom zweifachen Ausgangsbetrag in gleicher Höhe ausgeglichen. § 55 Abs. 6 EStG, der nur für den Stichtag 30. Juni 1970 gelte, stehe der Teilwertabschreibung nicht entgegen. Entschädigungszahlung und Wertminderung des Grund und Bodens müßten einheitlich gesehen werden. Hilfsweise sei ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden, der in 25 Jahren aufzulösen sei.

Das Finanzgericht (FG) hielt die Klage für begründet. Es führte in seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 23 (EFG 1978, 23) veröffentlichten Entscheidung vom 14. September 1977 I 244/75 (IV) aus, das FA ziehe nicht in Zweifel, daß der nachzubuchende Einlagewert für die beiden Geländestreifen in Höhe von 37 208 DM (dem zweifachen Ausgangsbetrag), gemindert um die Bodenwertentschädigungen, dem verbliebenen Teilwert der Geländestreifen nach Abschluß der Gestattungsverträge entspreche. Seine Meinung, eine steuerrechtliche Berücksichtigung der Teilwertabschreibung sei jedoch im Hinblick auf § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG unzulässig (vgl. hierzu Felsmann in Inf/A 1972 S. 1 f., insbesondere S. 8; Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen - BMWF - vom 29. Februar 1972 F/IV B 2 - S 2000 - 5/72, Abschn. 5 Abs. 1, BStBl I 1972, 102; Söffing, Inf/A 1972, 121, 134; Urteil des FG Münster vom 18. November 1975 VI 1352/75 E, EFG 1976, 290), treffe nicht zu. Es sei schon zweifelhaft, ob der Streitfall an der Verlustausschlußklausel des § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG zu messen sei. Würden dingliche Rechte als Eigentumsausschnitte angesehen (so Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. März 1974 VIII R 120/69, BFHE 112, 162, BStBl II 1974, 424), dann sei der Abschluß des Gestattungsvertrages als entgeltliche Aufgabe eines Eigentumsanteils des Klägers an dem Geländestreifen zu werten und einer Veräußerung i. S. des § 55 Abs. 6 Satz 1 EStG gleichzustellen; in diesem Fall müsse der Buchwert des aufgegebenen Eigentumsanteils zwingend bis zur Höhe der Bodenwertentschädigung abzüglich der Veräußerungskosten aufgelöst werden. Beurteile man aber den Streitfall anhand des § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG, so seien die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt. Der Steuerpflichtige solle durch sie nicht zum Ausweis eines nichtrealisierten Gewinns gezwungen werden. Wie im Falle des Abs. 6 Satz 1 ein Veräußerungserlös (gleiches gelte für einen Entnahmewert) unbesteuert bleibe, wenn er nur die Veräußerungskosten und den Buchwert des veräußerten Grund und Bodens erbringe, so müsse eine Bodenwertentschädigung unbesteuert bleiben, wenn sie nur die Aufwendungen für den Vertragsabschluß und den auf die Grundstücksbeeinträchtigung entfallenden Buchwert erbringe.

Mit der Revision beantragt das FA sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Nach § 55 Abs. 1 EStG seien auch mit einer Grunddienstbarkeit belastete Grundstücke mindestens mit dem Zweifachen des Ausgangsbetrages nach § 55 Abs. 2 bis 4 EStG zu bilanzieren. Dem Steuerpflichtigen stehe kein Wahlrecht zu, einen niedrigeren Betrag anzusetzen. Damit sei im Gesetz eindeutig bestimmt, daß ein Unterschreiten des Zweifachen des Ausgangsbetrages in jedem Falle unzulässig sei. Zudem könne die Einräumung einer Grunddienstbarkeit nicht der Veräußerung eines Grundstückes gleichgesetzt werden. Buchungstechnisch und bilanzmäßig könne sich die Entschädigung für Wertminderung des Grund und Bodens nicht auf dem Konto Grund und Boden niederschlagen. Nach dem BMWF-Schreiben vom 29. Februar 1972 (a. a. O.) seien dementsprechend Entschädigungen für Wertminderungen bei Grund und Boden bei der Gewinnermittlung als Betriebseinnahmen zu erfassen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er weist u. a. darauf hin, daß die Einschränkung von Grundeigentum durch Grunddienstbarkeiten gegen Entgelt eine sogenannte Eigentumsaufsplitterung darstelle, die einer Veräußerung i. S. des § 55 Abs. 6 Satz 1 EStG gleichkomme.

 

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassene Revision des FA ist begründet.

1. Das FG geht davon aus, daß der Einlagewert für die beiden Geländestreifen in Höhe von 37 208 DM (als dem zweifachen Ausgangsbetrag), gemindert um die Bodenwertentschädigungen, dem verbliebenen Teilwert der Geländestreifen nach Abschluß der Gestattungsverträge entspreche. Dieser Ausgangspunkt ist nur dann nicht zu beanstanden, wenn man - wie das FG - unterstellt, daß die angesetzte Bodenwertentschädigung der tatsächlichen Werteinbuße der betreffenden Parzellen entspricht und daß diese Werteinbuße eines Teilstückes zu einer Wertminderung des Grund und Bodens des Klägers in gleicher Höhe geführt hat. Ob diese Gleichstellung möglich ist, kann aus den Gründen zu 2. und 3. offenbleiben. Eine nachgewiesene Wertminderung des Grund und Bodens berechtigt zu einer Teilwertabschreibung in gleicher Höhe, wenn der Buchwert dem bisherigen Teilwert entspricht. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Urteil vom 11. Juli 1961 I 311/60 S, BFHE 73, 537, BStBl III 1961, 462) besteht eine Vermutung dafür, daß sich der Teilwert von nicht abnutzbaren Anlagegütern mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten deckt. Ein niedrigerer Teilwert kommt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG dann in Betracht, wenn zwischen dem Anschaffungs- oder Herstellungszeitpunkt und dem Bilanzstichtag Umstände eintreten, die die Annahme rechtfertigen, daß am Bilanzstichtag die Wiederbeschaffungskosten des Wirtschaftsgutes unter den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegen.

Die Vermutung, daß sich der Teilwert des Grund und Bodens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten deckt, gilt nach Auffassung des Senats auch für die fiktiven Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die nach § 55 Abs. 1 EStG ab 1. Juli 1970 für den Grund und Boden anzusetzen sind, der zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehört, wenn der Steuerpflichtige nicht gemäß § 55 Abs. 5 EStG nachweist, daß der Teilwert höher ist (vgl. BFH-Urteil vom 10. Januar 1963 IV 214/58 S, BFHE 76, 713, BStBl III 1963, 261, bezüglich der fiktiven Anschaffungs- oder Herstellungskosten in der DM-Eröffnungsbilanz). Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 EStG, nach dem das Zweifache des nach den Abs. 2 bis 4 zu ermittelnden Ausgangsbetrages "als Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 4 Abs. 3 Satz 4 und § 6 Abs. 1 Ziff. 2 Satz 1 EStG) gilt". Im übrigen wurde der Ansatz von fiktiven Anschaffungs- oder Herstellungskosten gerade deshalb zugelassen, damit auf die schwierige Feststellung des tatsächlichen Teilwertes des Grund und Bodens verzichtet werden konnte.

2. Das FG unterliegt aber einem Rechtsirrtum, wenn es meint, die Voraussetzungen des Ausschlusses der steuerrechtlichen Berücksichtigung dieses Abschreibungsverlustes nach § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG lägen hier nicht vor.

Die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluß vom 11. Mai 1970 1 BvL 17/67 (BVerfGE 28, 227, BStBl II 1970, 579) festgestellte Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) durch die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG, wonach bei der Gewinnermittlung nach § 4 EStG der Wert des zum Anlagevermögen gehörenden Grund und Bodens außer Ansatz blieb, wurde durch die Streichung dieser Vorschrift durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1971 (BGBl I 1971, 1266, BStBl I 1971, 373) in § 52 Abs. 5 EStG beseitigt, Stichtag war der 30. Juni 1970. Der wertmäßige Ansatz des unter den bisherigen § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG fallenden Grund und Bodens sollte demnach zum 1. Juli 1970 erfolgen. Die gesetzliche Regelung enthielt der neugeschaffene § 55 EStG, der im einzelnen bestimmt, mit welchen Werten dieser Grund und Boden einzulegen ist (§ 55 Abs. 7 EStG). Wie in der Begründung zum Zweiten Steueränderungsgesetz 1971 (s. Deutscher Bundestag, 6. Wahlperiode, Drucksache VI/1901, Begründung, Abschn. B, zu Art. 1 Nrn. 1 a und 11, und den Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags z u Drucksache VI/2350 - neu - Abschn. I Bodengewinnungsbesteuerung) ausgeführt ist, wurde - wie § 55 EStG selbst zeigt - mit den nach § 55 Abs. 1 bis 4 EStG anzusetzenden Werten das Ziel verfolgt, Wertsteigerungen steuerlich nicht zu erfassen, die vor dem 1. Juli 1970 bei bisher unter § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG fallenden Grund und Boden entstanden sind. Deshalb mußte grundsätzlich festgelegt werden, daß bei der ab 1. Juli 1970 erforderlichen Bilanzierung dieses Grund und Bodens nicht die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen sind, sondern dessen Teilwert zum 1. Juli 1970. Allein dadurch blieben im Falle der Veräußerung oder der Entnahme solcher Grundstücke Wertsteigerungen vor dem 1. Juli 1970 steuerlich unberücksichtigt.

Da es aber dem Gesetzgeber verwaltungsmäßig nicht durchführbar erschien, für jede in Betracht kommende Grundstücksparzelle den Teilwert zum 1. Juli 1970 festzustellen, entschloß er sich aus Gründen der Verwaltungsökonomie, von pauschalen Werten auszugehen, die so bemessen wurden, daß sie in der überwiegenden Zahl von Fällen über dem tatsächlichen Teilwert zum 1. Juli 1970 lagen. Im Einzelfall konnte aber der Steuerpflichtige in einem besonderen Feststellungsverfahren auch einen höheren Teilwert nachweisen (§ 55 Abs. 5 EStG). Durch den hohen Ansatz der pauschalen Ausgangswerte wurde einerseits erreicht, daß nicht allzu viele Steuerpflichtige ein besonderes Verfahren zur Feststellung höherer Teilwerte nach § 55 Abs. 5 EStG beantragten. Andererseits hatte der hohe Ansatz zugunsten der Land- und Forstwirte zur Folge, daß im Falle der Veräußerung oder der Entnahme solcher Grundstücke die tatsächlichen Bodengewinne steuerlich nur sehr maßvoll, d. h. in den überwiegenden Fällen gar nicht oder zumindest nur teilweise erfaßt wurden. Diese mit den ab 1. Juli 1970 einzubuchenden hohen Ausgangswerten gewollte steuerliche Vergünstigung durfte aber andererseits nicht dazu führen, daß bei einer späteren Veräußerung oder Entnahme zu einem unter dem Ausgangswert liegenden Wert als Folge der hohen Ausgangswerte ein steuerlich zu berücksichtigender Verlust geltend gemacht werden konnte. Aus diesem Grunde wurde durch § 55 Abs. 6 EStG die Berücksichtigung von Verlusten, die sich bei der Veräußerung oder Entnahme von Grund und Boden durch die hohe Ausgangsbewertung ergeben, generell ausgeschlossen. Entsprechendes soll bei einer Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG gelten.

§ 55 Abs. 6 EStG stellt offensichtlich wiederum eine aus Gründen der Verwaltungsökonomie getroffene Pauschalregelung des Verbotes dar, Verluste, die durch den zu hohen Ansatz der pauschalen Ausgangswerte bei Veräußerung, Entnahme oder Absinken des Teilwertes entstehen können, steuerlich zu berücksichtigen. Dem Sinn und Zweck der Regelung entsprechend hätte die Bestimmung genaugenommen dahin gehend lauten müssen, daß Verluste, die bei der Veräußerung oder Entnahme oder einer Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert entstehen, bei der Ermittlung des Gewinns in Höhe des Betrages nicht berücksichtigt werden dürfen, um den der nach § 55 Abs. 1 EStG angesetzte Wert (das Zweifache des Ausgangsbetrages) den tatsächlichen Teilwert übersteigt. Wenn aber beim Bilanzansatz des Grund und Bodens nach § 55 Abs. 1 EStG wegen der schwierigen Durchführbarkeit darauf verzichtet wurde, die tatsächlichen Teilwerte zu ermitteln, war es folgerichtig, aus demselben Grund auch zum späteren Zeitpunkt der Veräußerung, Entnahme oder Teilwertabschreibung darauf zu verzichten und sich mit einer pauschalen Verlustausschlußklausel zu begnügen, die ebenfalls von den pauschalen Ausgangswerten als Berechnungsgrundlage ausgeht.

Die pauschale Verlustausschlußklausel des § 55 Abs. 6 EStG stellt also die konsequente Ergänzung der pauschalen Wertermittlung des Grund und Bodens nach § 55 Abs. 1 EStG dar; die genannten Pauschalregelungen sind somit ein zusammengehöriges Ganzes, das rechtlich, vor allem auch verfassungsrechtlich, nur einheitlich beurteilt werden kann. Für den Fall der individuellen Teilwertermittlung nach § 55 Abs. 5 EStG kann danach die Anwendung der pauschalen Verlustausschlußklausel des § 55 Abs. 6 EStG nicht in Betracht kommen. Unter diesem Gesichtspunkt der Zusammengehörigkeit mit § 55 Abs. 1 EStG können rechtliche Bedenken gegen § 55 Abs. 6 EStG schon deshalb nicht geltend gemacht werden, weil sich diese Pauschalregelungen insgesamt in den überwiegenden Fällen und vom Gesetzgeber gewollt zugunsten der betreffenden Gruppe von Steuerpflichtigen auswirken und darüber hinaus die Feststellung der tatsächlichen Teilwerte in allen Einzelfällen einen unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand erfordert hätte. Eine Ermittlung der tatsächlichen Teilwerte wäre nach Ansicht des Senats in vielen Fällen auch sehr schwierig und mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren belastet gewesen. Wenn durch den Verzicht auf eine individuelle Wertermittlung außerhalb des Feststellungsverfahrens nach § 55 Abs. 5 EStG nachweisbare Werteinbußen unberücksichtigt bleiben, so kann das in Einzelfällen hingenommen werden. Dieser Nachteil in relativ wenigen Einzelfällen ist das notwendige Gegenstück zu dem Regelfall, daß durch die hohen pauschalen Ausgangswerte als Anschaffungs- oder Herstellungskosten die tatsächlichen Bodengewinne bei ihrer Realisierung ganz oder teilweise nicht erfaßt werden (vgl. dazu das BFH-Urteil vom 1. Februar 1971 II 25/65, BFHE 101, 438 [bes. 444 f.], BStBl II 1971, 343, zur ambivalenten Auswirkung des Einheitswertes bei der Grunderwerbsteuer). Die Nachteile im Einzelfall sind in bezug auf die betreffenden Steuerpflichtigen nicht willkürlich, sondern ergeben sich zwangsläufig aus der pauschalen Wertermittlung, die eine mit gewissen Härten im Einzelfall verbundene Typisierung zur Folge hat, auf die aber Steuergesetze aus Gründen der Durchführbarkeit in derartigen und ähnlichen Sonderfällen nicht verzichten können. Sie sind daher sachlich gerechtfertigt. Bei derartigen notwendig typisierenden Regelungen für einen bestimmten von der Rechtslage her ungewöhnlichen Sachbereich einer Personengruppe darf der Gesetzgeber Besonderheiten des Einzelfalles außer acht lassen, ohne dadurch den Gleichheitssatz zu verletzen. Es ist nicht zu vermeiden, daß solche typisierenden Regelungen in Einzelfällen mit Härten verbunden sind, die aber alle Personen der betreffenden Gruppe in gleicher Weise treffen, wenn der Härtefall bei ihnen eintritt. Durch Art. 3 Abs. 1 GG ist der Gesetzgeber nicht gehindert, Sonderregelungen für derartige Sachbereiche zu erlassen und dabei bestimmte Einzeltatbestände unberücksichtigt zu lassen, wenn die besonderen Verhältnisse, vor allem auch Gründe der Praktikabilität, es erfordern (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 3 Rdnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung des BVerfG). Der erkennende Senat hält daher § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG nicht für verfassungswidrig (anderer Auffassung Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 55 EStG Anm. 110; Meyding, Inf/A 1978, 289, insbesondere S. 294, 295).

Der Senat hält aus den angeführten Gründen auch eine Auslegung des § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG für unzulässig, die entgegen dem Wortlaut der Vorschrift tatsächliche Minderungen des Wertes des Grund und Bodens durch Teilwertabschreibungen berücksichtigen möchte, weil es sich insoweit nicht um bloße Buchverluste handle, die durch die hohen fiktiven Anschaffungs- oder Herstellungskosten ganz oder teilweise bedingt seien. Ob eine tatsächliche Minderung des Wertes des Grund und Bodens vorliegt, könnte - wie gerade der vorliegende Fall zeigt - im Zweifel nur durch Ermittlung der tatsächlichen Teilwerte festgestellt werden. Außerdem würde es in der Praxis bei einer derartigen Auslegung kaum Fälle geben, in denen eine Teilwertabschreibung nicht mit der Behauptung verknüpft würde, es läge - zumindest teilweise - ein "echter" und nicht nur ein buchmäßiger Verlust vor. Es müßte also in den meisten derartigen Fällen eine Ermittlung der tatsächlichen Teilwerte nachgeholt werden; gerade das wollte aber der Gesetzgeber wegen der Schwierigkeit und auch wegen der Unsicherheit einer solchen Ermittlung der tatsächlichen Werte vermeiden. Daraus ergibt sich, daß die Auslegung des § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG nach seinem Wortlaut dem Willen des Gesetzgebers entspricht und für eine Auslegung entgegen diesem Wortlaut ein durchschlagender Rechtfertigungsgrund fehlt.

3. Eine nicht zutreffende Auslegung des § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG stellt auch die Auffassung des FG dar, das im Falle der Zahlung einer Bodenwertentschädigung die Abschreibung des Buchwertes in Höhe der Wertminderung und die Entschädigungszahlung im Wege der Kompensation neutralisieren möchte (vgl. Kleeberg, Der Betriebs-Berater 1976 S. 879). Der Rechtsirrtum des FG beruht zunächst darauf, daß es die Bodenwertentschädigung mit einem Grundstücksveräußerungserlös vergleicht. Es ist zwar richtig, daß die Belastung eines Grundstücks mit einer Dienstbarkeit in Fällen, in denen diese Belastung die Herrschaftsgewalt des Eigentümers faktisch endgültig ausschließt, der Übertragung von wirtschaftlichem Eigentum steuerrechtlich gleichgestellt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 18. August 1977 VIII R 7/74, BFHE 123, 176, BStBl II 1977, 796). Grunddienstbarkeiten der vorliegenden Art aber, durch die ein Grundstücksteil nur zu einem bestimmten beschränkten Gebrauchszweck für längere, aber nicht unbegrenzte Zeit überlassen oder belastet wird, sind steuerrechtlich als Nutzungsrechte zu behandeln, für die ein Nutzungsentgelt gezahlt wird, von dem die Entschädigung wegen einer möglichen Wertminderung des betreffenden Grundstückes zu unterscheiden ist. Diese Bodenwertentschädigung ist daher im vorliegenden Fall eines Betriebsgrundstücks mit einem Veräußerungserlös aus der Veräußerung eines Betriebsgrundstücks nicht vergleichbar. Sie ist kein Entgelt für ein aus dem Betriebsvermögen ausscheidendes Wirtschaftsgut. Der Veräußerungserlös tritt an die Stelle des Wertes des Grundstücks, das mit der Veräußerung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet; diese Folge ergibt sich zwangsläufig aus der Veräußerung. Dagegen bedingen sich die Teilwertabschreibung eines Grundstücks wegen Wertminderung und die Behandlung der Bodenwertentschädigung für diese Wertminderung als Betriebseinnahme nicht in dieser Weise. Sie sind vielmehr selbständig zu beurteilende Vorfälle, die ebenso getrennt eintreten können.

Darüber hinaus liegt der Auffassung des FG ein Denkfehler zugrunde. Der zentrale Satz der Entscheidungsgründe des FG-Urteils lautet: "So, wie im Falle des [§ 55 Abs. 6] Satzes 1 [EStG] ein Veräußerungserlös... unbesteuert bleibt, wenn er nur die Veräußerungskosten und den Buchwert des veräußerten Grund und Bodens erbringt, muß eine Bodenwertentschädigung unbesteuert bleiben, wenn sie nur die Aufwendungen für den Vertragsabschluß (hier nicht angefallen) und den auf die Grundstücksbeeinträchtigung entfallenden Buchwert erbringt."

§ 55 Abs. 6 Satz 1 EStG betrifft nicht den Fall, daß ein Veräußerungserlös nur die Veräußerungskosten und den Buchwert des veräußerten Grund und Bodens erbringt und deshalb ohne Auswirkung auf den Gewinn ist. Diese Folge ist selbstverständlich und bedarf keiner gesetzlichen Regelung. § 55 Abs. 6 Satz 1 EStG betrifft vielmehr den Fall, daß ein Veräußerungserlös nach Abzug der Veräußerungskosten den hohen Buchwert (zweifacher Ausgangsbetrag nach § 55 Abs. 1 EStG) nicht erreicht und dadurch ein buchmäßiger Verlust entsteht. Dieser Verlust muß steuerrechtlich unberücksichtigt bleiben. Ebenso muß nach § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG ein Verlust steuerrechtlich unberücksichtigt bleiben, der durch eine Teilwertabschreibung des Buchwertes entsteht, die der Höhe nach auf der Differenz zwischen dem überhöhten Buchwert nach § 55 Abs. 1 EStG und dem neuen Teilwert aufgrund der eingetretenen Wertminderung beruht.

Da sich die Teilwertabschreibung wegen Wertminderung und der Ansatz der Entschädigung für die Wertminderung als Betriebseinnahme nicht gegenseitig bedingen, hat die steuerrechtliche Nichtberücksichtigung des Verlustes aus der Teilwertabschreibung nicht zwangsläufig zur Folge, daß auch die Entschädigungszahlung steuerrechtlich unberücksichtigt bleiben muß. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, so hätte er es ausdrücklich vorschreiben müssen. Er hätte damit aber die Verlustausschlußklausel des § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG in derartigen Entschädigungsfällen wieder außer Kraft gesetzt. Außerdem hätte er vor der nicht zu unterschätzenden Schwierigkeit gestanden, zu bestimmen, welche Entschädigungen und in welcher Höhe sie unberücksichtigt bleiben sollen. Auf die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung allein hätte die Regelung nicht abgestellt werden können. Wenn sich daher der Gesetzgeber nicht zu einer solchen Sonderregelung in Fällen der Bodenwertentschädigung entschlossen hat, so können dagegen aus den dargelegten Gründen keine rechtlichen Bedenken erhoben werden. Besonderen sachlichen Härten, die sich dadurch im Einzelfall ergeben können, kann daher die Verwaltung nur im Wege des § 131 AO abhelfen.

Da das FG § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG unrichtig ausgelegt und aus diesem Grunde der Klage stattgegeben hat, müssen die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72980

BStBl II 1979, 103

BFHE 1979, 191

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