Entscheidungsstichwort (Thema)

(Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 5 Abs.2 GrEStG 1983: von vornherein geplantes Ausscheiden bzw. Verringern der Beteiligung des einbringenden Gesamthänders als rückwirkendes Ereignis, Abgrenzung zu bisheriger BFH-Rechtsprechung)

 

Leitsatz (amtlich)

Besteht zum Zeitpunkt der Einbringung eines Grundstücks in eine GbR durch einen Gesellschafter die Abrede, daß sich in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang damit die vermögensmäßige Beteiligung des einbringenden Gesamthänders an der GbR verringern soll, so ist die dann planmäßig erfolgende tatsächliche Verringerung der Beteiligung kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit i.S. des § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AO 1977.

 

Orientierungssatz

Die Steuervergünstigung nach § 5 Abs.2 GrEStG 1983 kann nicht gewährt werden, wenn der Einbringende entsprechend einem in Einbringungszeitpunkt bereits bestehenden Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf eine Gesamthand seine Gesellschafterstellung auf einen anderen übertragen soll bzw. sich durch eine beabsichtigte Neuaufnahme von Gesellschaftern die vermögensmäßige Beteiligung verringern soll. Dem tatsächlichen Vollzug eines solchen Plans kommt keine eigene tatbestandsbegründende Bedeutung zu. Soweit dem Leitsatz zum BFH-Urteil vom 16.1.1991 II R 38/87 bzw. dem BFH-Urteil vom 6.9.1995 II R 76/92 eine andere Rechtsauffassung zu entnehmen sein sollte, folgt dem der erkennende Senat nicht.

 

Normenkette

AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 2, § 173 Abs. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; GrEStG 1983 § 5 Abs. 2

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, erwarb durch Kaufvertrag vom 29. Mai 1985 von der ... GmbH (GmbH) ein Grundstück. Der Kaufpreis betrug 978 850 DM. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags war die GmbH mit 95 v.H. an der Klägerin beteiligt. Nach dem schriftlichen Gesellschaftsvertrag der Klägerin i.d.F. vom 23. Mai 1985 war Zweck der Klägerin der Erwerb dieses Grundstücks, dessen Bebauung im öffentlich geförderten steuerbegünstigten Wohnungsbau mit einem Mehrfamilienhaus sowie die anschließende Vermietung bzw. Verpachtung des Objekts. Die Gründungsgesellschafter bekundeten im Gesellschaftsvertrag ihre Absicht, das für die Realisierung des Bauvorhabens erforderliche Eigenkapital durch Aufnahme weiterer Gesellschafter aufzubringen. Der Geschäftsführer wurde bevollmächtigt, alle im Zusammenhang mit der Neuaufnahme von Gesellschaftern erforderlichen Geschäfte abzuschließen und Erklärungen abzugeben. Die beabsichtigte Höhe des Eigenkapitals ging aus dem Gesellschaftsvertrag nicht hervor. Dieser Vertrag war dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) bekannt. Durch Bescheid vom 26. September 1985 setzte das FA gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 979 DM fest. Dabei ließ das FA die Steuer zu 95 v.H. unerhoben.

Durch Übersendung einer notariellen Beurkundung vom 26. März 1986 wurden dem FA in der Zeit vom 3. Januar 1986 bis zum 22. März 1986 erfolgte Gesellschafterbeitritte zu der Klägerin angezeigt. Diese führten dazu, daß von den Gründungsgesellschaftern nur noch die GmbH mit einem Anteil von 0,9058 v.H. am Gesellschaftsvermögen der Klägerin verblieb. Den Gesellschafterbeitritten lag eine Neufassung des Gesellschaftsvertrags vom 4. Juni 1985 zugrunde, die eine Konzeption für das Neubauvorhaben in der Organisationsform eines Bauherrenmodells mit der Festlegung eines Eigenkapitals von 2 760 000 DM bei einem Gesamtinvestitionsvolumen von 7 824 000 DM vorsah.

Daraufhin änderte das FA durch Bescheid vom 17. Februar 1987 den ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheid dahingehend, daß es nunmehr Grunderwerbsteuer in Höhe von 150 674 DM gegen die Klägerin festsetzte. Es ließ die Grunderwerbsteuer nur noch in Höhe von 0,9085 v.H. nach § 5 Abs.2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) unerhoben. Als Gegenleistung sah das FA den Gesamtaufwand für Erwerb und Bebauung des Grundstücks in Höhe von 7 824 000 DM an, von dem es lediglich die Entgelte für Mietgarantie und Erstvermietung, Steuerberatung sowie Vermittlung der Endfinanzierung absetzte. Die Änderung war auf § 173 Abs.1 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützt.

Mit der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Grunderwerbsteuer auf 19 400 DM herab. Als Gegenleistung sah es nur noch den Kaufpreis für das Grundstück an. Entgegen der Auffassung der Klägerin ließ es jedoch die sich daraus ergebende Grunderwerbsteuer weiterhin nur in Höhe von 0,9058 v.H. der Steuer unerhoben.

Mit der dagegen gerichteten Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter, daß die Grunderwerbsteuer in Höhe von 95 v.H. der Steuer nicht zu erheben sei. Die Voraussetzungen für eine Änderung des Bescheids vom 26. September 1985 nach § 173 Abs.1 Nr.1 AO 1977 hätten nicht vorgelegen.

Das FA beantragte, die Klage abzuweisen. Es räumte ein, daß keine Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs.1 Nr.1 AO 1977 bestanden habe, stützte aber nunmehr den angefochtenen Bescheid auf § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AO 1977.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Nach § 5 Abs.2 GrEStG 1983 werde die Grunderwerbsteuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der erwerbenden Gesamthand beteiligt sei. Die Vorschrift des § 5 Abs.2 GrEStG 1983 sei einschränkend dahingehend durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ausgelegt worden, daß die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung u.a. dann nicht vorlägen, wenn und soweit der Veräußerer des Grundstücks entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand seine Gesellschafterstellung auf einen anderen übertrage. Die sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen für eine einschränkende Anwendung des § 5 Abs.2 GrEStG 1983 seien im Streitfall erfüllt. Die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 173 Abs.1 Satz 1 Nr.1 AO 1977 seien allerdings nicht gegeben. Zutreffend berufe sich das FA jedoch auf § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AO 1977. Die Gesellschafterbeitritte in der Zeit vom 3. Januar 1986 bis zum 22. März 1986 seien ein nachträgliches Ereignis i.S. des § 175 AO 1977. Dem stehe es nicht entgegen, daß der Beitritt nur im Zusammenhang mit einem schon ursprünglich verwirklichten Tatbestandsmerkmal --dem vorgefaßten Plan-- grunderwerbsteuerrechtlich relevant geworden sei. Das nachträglich eingetretene Ereignis müsse auch als rückwirkend auf den Entstehungszeitpunkt der Steuerschuld gerichtet beurteilt werden. Die Anwendung des § 175 AO 1977 sei auch gesetzessystematisch geboten, da andernfalls keine verfahrensrechtliche Möglichkeit für das FA ersichtlich sei, die Einschränkung der Steuervergünstigung in Fällen wie dem Streitfall durchzusetzen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Gerügt wird Verletzung materiellen Rechts. Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Grunderwerbsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben. Es liege kein nachträgliches Ereignis i.S. von § 175 AO 1977 vor. Bereits aus dem schriftlichen Gesellschaftsvertrag ergebe sich eindeutig, daß die Klägerin zur Finanzierung des geplanten Bauvorhabens eine Kapitalerhöhung durchführen wollte und hierzu beabsichtigte, weitere Gesellschafter aufzunehmen. Dies sei dem FA bei Erlaß des Grunderwerbsteuerbescheids am 26. September 1985 bekannt gewesen. Damit habe das für den Wegfall der Steuerbegünstigung nach § 5 Abs.2 GrEStG 1983 maßgebliche Tatbestandsmerkmal des vorgefaßten Plans bereits bei Erlaß des ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheids vorgelegen. Bei sachgerechter Prüfung der von der Klägerin eingereichten Unterlagen hätte das FA die Möglichkeit gehabt, den ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheid hinsichtlich des Umfangs der Steuerbefreiung mit einem Vorläufigkeitsvermerk zu versehen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids und der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung.

Zu Unrecht hat das FG angenommen, daß das FA den ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheid vom 26. September 1985 ändern konnte.

1. Entgegen der Auffassung des FG liegen die Voraussetzungen für eine Änderung des ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheids nach § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AO 1977 nicht vor; der Beitritt weiterer Gesellschafter stellt kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit dar.

Nach § 5 Abs.2 GrEStG 1983 wird die Steuer beim Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Die Steuervergünstigung beruht auf der Erwägung, daß trotz des durch den Einbringungsvorgang herbeigeführten Rechtsträgerwechsels eine Besteuerung in dem Umfang unterbleiben soll, in dem sich die Berechtigung des einbringenden Gesamthänders an dem Grundstück fortsetzt, weil die Änderung der Rechtszuständigkeit wirtschaftlich zu keiner Veränderung führt, soweit der bisherige (das Grundstück in die Gesamthand einbringende) Gesamthänder über seine Gesamthandsberechtigung auch weiterhin am Grundstückswert beteiligt bleibt (vgl. Senatsurteile vom 6. Oktober 1982 II R 92/80, BFHE 137, 87, BStBl II 1983, 138; vom 20. November 1982 II R 38/78, BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429, und vom 16. Januar 1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374).

Ist deshalb die (formal bestehende) gesamthänderische Mitberechtigung des grundstückseinbringenden Gesamthänders im maßgeblichen Zeitpunkt der Einbringung des Grundstücks durch Vereinbarungen oder Absprachen mit der Gesamthand bzw. den Gesamthändern so eingeschränkt, daß in wirtschaftlicher Hinsicht eine weitere Beteiligung dieses Gesamthänders am Grundstückswert nicht besteht, ist § 5 GrEStG 1983 nicht anwendbar. Denn in solchen Fällen ist der grundstückseinbringende Gesamthänder nicht in einer Weise (vollwertig) am Vermögen der Gesamthand beteiligt, an die das Gesetz die Steuervergünstigung knüpft.

Die Voraussetzungen der Steuervergünstigung nach § 5 Abs.2 GrEStG 1983 liegen deswegen u.a. in den Fällen nicht vor, in denen --wie im Streitfall-- der Einbringende entsprechend einem im Einbringungszeitpunkt bereits bestehenden Plan im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand seine Gesellschafterstellung auf einen anderen übertragen bzw. sich durch eine beabsichtigte Neuaufnahme von Gesellschaftern die vermögensmäßige Beteiligung verringern soll (vgl. zuletzt BFH-Urteile in BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374, sowie vom 16. Januar 1991 II R 44/87, BFH/NV 1992, 132, und vom 13. Mai 1992 II R 123/89, BFH/NV 1993, 50). Denn der einbringende Gesellschafter verfügt dann bereits im Zeitpunkt der Einbringung über keine vollwertige gesamthänderische Mitberechtigung an dem eingebrachten Grundstück, weil sich bei einem nur kurzfristigen Verbleiben in der Gesamthand die mit dem Grundeigentum verbundenen wirtschaftlichen Risiken und Chancen weder regelmäßig verwirklichen, noch üblicherweise von den Beteiligten auch nur wertmäßig ermittelt werden (vgl. Senatsurteil in BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374).

Dem tatsächlichen Vollzug eines solchen Plans, d.h. dem tatsächlichen Ausscheiden bzw. der tatsächlichen Verringerung der Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesellschafters kommt keine eigene tatbestandsbegründende Bedeutung zu. Soweit dem Leitsatz der Entscheidung in BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374 bzw. dem Urteil vom 6. September 1995 II R 76/92 (BFHE 178, 235, BStBl II 1995, 799) eine andere Rechtsauffassung zu entnehmen sein sollte, folgt dem der erkennende Senat nicht. Nach dem Einbringungsvorgang eintretende Ereignisse können nur indizielle Bedeutung haben und Hinweise auf die Vorstellungen und Absichten (den Plan) der Beteiligten im Einbringungszeitpunkt geben. Sie sind mithin auch keine Ereignisse mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit, die eine Änderung des ursprünglichen Steuerbescheids nach § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AO 1977 rechtfertigen könnten.

2. Die Änderung des ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheids konnte im Streitfall auch nicht nach § 173 Abs.1 AO 1977 erfolgen, weil das FA bereits beim Erlaß des ursprünglichen Steuerbescheids die Umstände kannte, die der Steuervergünstigung nach § 5 Abs.2 GrEStG 1983 entgegenstanden, bzw. zumindest Anlaß gehabt hätte, insoweit weitere Ermittlungen anzustellen. Dem FA lagen zum Zeitpunkt des Ergehens des ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheids der Grundstückskaufvertrag und der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag vor, aus denen sich eindeutig die geplante wirtschaftliche Gesamtkonzeption ergab, insbesondere auch die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung, zur Beschaffung des notwendigen Eigenkapitals weitere Gesellschafter aufzunehmen und damit die vermögensmäßige Beteiligung des einbringenden Gesellschafters zu verringern. Damit aber waren die wesentlichen Umstände, die einer uneingeschränkten Steuervergünstigung nach § 5 Abs.2 GrEStG 1983 entgegenstanden, dem FA bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt.

3. Die von anderen Grundsätzen ausgehende Entscheidung des FG ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 1988 sowie der Änderungsbescheid vom 24. Februar 1987 sind aufzuheben, weil --wie sich aus den Ausführungen oben zu 1. und 2. ergibt-- die Voraussetzungen für die Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 26. September 1985 nicht gegeben waren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66077

BFH/NV 1996, 311

BStBl II 1996, 533

BFHE 180, 251

BFHE 1997, 251

BB 1996, 1926 (Leitsatz)

DB 1996, 2062 (Leitsatz)

DStR 1997, 268 (Leitsatz)

DStZ 1996, 742-743 (Kurzwiedergabe)

HFR 1996, 810-811 (Leitsatz)

StE 1996, 595 (Kurzwiedergabe)

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