Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhte Absetzungen für einen Schutzraum; Anscheinsbeweis für die private Nutzung eines zum Betriebsvermögen gehörigen Pkw eines Rechtsanwalts

 

Leitsatz (NV)

1. Erhöhte Absetzungen für Schutzräume nach §§ 7, 12 Abs. 3 SBauG setzen die Vorlage der Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde voraus, daß der Schutzraum den Erfordernissen der §§ 2-4 SBauG entspricht.

2. Nach den Regeln des Anscheinsbeweises kann davon ausgegangen werden, daß der zum Betriebsvermögen gehörige Pkw eines Rechtsanwalts als einziger Pkw innerhalb seiner Familie zumindest zu 20 v.H. privat genutzt wird.

 

Normenkette

AO 1977 § 162; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4; FGO § 96; SBauG §§ 2-4, 7, 12 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1978 bis 1980 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger (Ehemann) ist selbständig als Rechtsanwalt und Notar tätig.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung setzt der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen der Kläger für 1978 bis 1980 den Gewinn des Klägers aus selbständiger Arbeit und die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung in mehreren Punkten höher an als von den Klägern erklärt; von diesen Punkten blieben im Klageverfahren noch folgende streitig:

a) Die Aufwendungen des Klägers für ein im zweiten Halbjahr 1980 erworbenes Computer-Programm in Höhe von 16 440 DM, die der Kläger bei der Ermittlung seines Gewinns für 1980 in voller Höhe als Betriebsausgaben abgezogen hatte, beurteilte das FA als Anschaffungskosten für ein abnutzbares Wirtschaftsgut mit einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von fünf Jahren und ließ demgemäß nur die halbe Jahres-Absetzung für Abnutzung (AfA) zum Abzug zu.b) Den Privatanteil der Kfz-Kosten des Klägers erhöhte das FA von 10 v.H. auf 20 v.H.

c) Die als Werbungskosten abgezogenen Aufwendungen für die Planung eines Einfamilienhauses in Höhe von 12 777 DM behandelte das FA als Teil der Herstellungskosten des von den Klägern errichteten und selbst bewohnten Zweifamilienhauses.

d) Auf die Herstellungskosten für einen im Zusammenhang mit dem Zweifamilienhaus errichteten atomsicheren Kugelbunker in Höhe von 70 549 DM ließ das FA im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nur die AfA nach § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG), nicht jedoch die beantragten erhöhten Absetzungen nach dem Schutzbaugesetz (SBauG) zu, weil die hierfür erforderliche amtliche Bescheinigung fehle.

Die beantragte Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1978 bis 1980 lehnte das FA ab.

Die Kläger erhoben Klage sowohl gegen die Einkommensteuerbescheide als auch gegen die Weigerung des FA, die Vollziehung diese Bescheide auszusetzen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der Revision beantragten die Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer entsprechend den abgegebenen Steuererklärungen für 1978 auf 8 816 DM und für 1979 und 1980 auf jeweils 0 DM herabzusetzen sowie die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide auszusetzen. Die Kläger rügen Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. EDV-Programm

Ein EDV-Programm ist ein (immaterielles, eventuell auch materielles) Wirtschaftsgut (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Dezember 1982 III R 132/81, BFHE 138, 126, BStBl II 1983, 647), das der Abnutzung unterliegt und dessen Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt. Das Programm ist demgemäß mit den Anschaffungskosten, vermindert um die AfA nach § 7 EStG anzusetzen; ist der Teilwert niedriger, kann dieser angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 7 EStG). Für den Zeitpunkt des Erwerbs und für die folgenden Abschlußstichtage gilt die Vermutung, daß der Teilwert den Anschaffungskosten entspricht; diese Vermutung ist um so stärker, je kürzer der zeitliche Abstand zwischen der Anschaffung und dem Abschlußstichtag ist; desto größer sind auch die ,,an den Nachweis einer Teilwertminderung zu stellenden Anforderungen" (BFH-Urteil vom 17. Januar 1978 VIII R 31/75, BFHE 124, 441, BStBl II 1978, 335).

Im Streitfall hat der Kläger nur in allgemeiner Form behauptet, die Erwartungen, die er an die Anschaffung geknüpft habe, hätten sich nicht erfüllt, das im zweiten Halbjahr 1980 erworbene Programm sei zum 31. Dezember 1980 wertlos gewesen. Trotz Aufforderung durch das FG hat der Kläger jedoch keine konkreten Tatsachen dargelegt, die - ihre Erweislichkeit unterstellt - den Schluß rechtfertigen könnten, zum 31. Dezember 1980 habe der Teilwert des Programms unter den Anschaffungskosten einschließlich anteiliger AfA gelegen. Insbesondere konnte dem Sachvortrag des Klägers nicht konkret entnommen werden, daß der Erwerb des Programms eine Fehlmaßnahme war. Dagegen spricht, daß der Kläger das Programm in 1981 tatsächlich genutzt hat.

2. Private Kfz-Nutzung

Wird ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens vorübergehend privat genutzt, werden die Nutzungen entnommen. Der Teilwert der in der Privatnutzung verbundenen Wertabgabe entspricht den anteiligen Selbstkosten (z.B. BFH-Urteil vom 26. Juli 1979 IV R 170/74, BFHE 129, 315, BStBl II 1980, 176).

In welchem Umfang ein Wirtschaftsgut, im Streitfall ein zum Betriebsvermögen gehöriger Pkw privat genutzt worden ist, muß der Tatrichter feststellen.

Nach den Regeln des Anscheinsbeweises durfte das FG in Übereinstimmung mit Abschn. 118 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) davon ausgehen, daß der Pkw des Klägers - es handelt sich offensichtlich um den einzigen Pkw in der Familie des Klägers - auch, und zwar zumindest 20 v.H., privat genutzt wurde, denn dies entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Zur Widerlegung dieses Anscheinsbeweises reicht der Sachvortrag nicht aus, der Kläger sei ein stark in Anspruch genommener Rechtsanwalt und Notar, der jeden Werktag bis 19.00 Uhr Sprechstunde habe. Der Sachvortrag läßt außer acht, daß eine Privatnutzung erfahrungsgemäß vor allem an Wochenenden und im Urlaub stattfindet.

Inwieweit Aufzeichnungen für spätere Jahre indiziellen Wert für die Höhe der Privatnutzung in Streitjahren beizumessen sein könnte, kann offenbleiben, weil der Kläger solche Aufzeichnungen nicht vorgelegt hat.

3. Vergebliche Planungskosten

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteil vom 29. November 1983 VIII R 173/81, BFHE 140, 212, BStBl II 1984, 306) gehören zu den Herstellungskosten eines Gebäudes ,,auch die Kosten für die ursprüngliche Planung, wenn die Errichtung eines für bestimmte Zwecke vorgesehenen Gebäudes aufgrund der zunächst beabsichtigten Planung nicht durchführbar wird, dann aber doch ein die beabsichtigten Zwecke erfüllendes Gebäude erstellt wird. Die Kosten für nicht verwirklichte Baupläne gehören nur dann nicht zu den Herstellungskosten des Gebäudes, wenn es sich bei dem ursprünglich geplanten Gebäude und bei dem errichteten Gebäude nach Zweck und Bauart um zwei völlig verschiedene Bauwerke handelt (z.B. anstelle eines ursprünglich geplanten Wohngebäudes wird eine Fabrikhalle errichtet) und die erste Planung in keiner Weise der Errichtung des neuen Gebäudes dient".

Danach hat das FG die Kosten für die Planung eines Einfamilienhauses schon deshalb zu Recht als Teil der Herstellungskosten des tatsächlich errichteten Zweifamilienhauses behandelt, weil das ursprünglich geplante und das später errichtete Gebäude zwar nicht ,,identisch", aber nach Zweck und Bauart weitgehend gleichartig waren. Im Hinblick auf diese Gleichartigkeit spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Kosten der ursprünglichen Planung eines Einfamilienhauses wertbestimmend in das später errichtete Zweifamilienhaus eingegangen sind. Zur Widerlegung dieser Vermutung reicht die bloße Erklärung des Klägers nicht aus, er stelle in Abrede, daß die ursprüngliche Planung in irgendeiner Form der Errichtung des Gebäudes gedient habe.

4. Erhöhte AfA für einen Schutzraum

Für Schutzräume, die den Erfordernissen der §§ 2 bis 4 SBauG vom 9. September 1965 (BGBl I, 1232, BStBl I, 543) entsprechen, können anstelle der nach § 7 EStG zu bemessenden AfA erhöhte Absetzungen vorgenommen werden (§§ 7, 12 Abs. 3 SBauG). Das Vorliegen der Erfordernisse der §§ 2 bis 4 SBauG ist durch eine Bestätigung der zuständigen Behörde nachzuweisen (§ 9 SBauG). Zuständige Behörde in diesem Sinne ist die nach Landesrecht für die Baugenehmigungen zuständige Behörde (§ 33 Abs. 1 SBauG).

Zu Recht haben das FA und das FG dem Kläger die erhöhte AfA für einen Schutzraum für die Streitjahre versagt. Denn der Kläger hat bis zum Abschluß der Tatsacheninstanz keine Bescheinigung der für die Baugenehmigung für sein Zweifamilienhaus zuständigen Behörde des Landes Niedersachsen vorgelegt, daß der Schutzraum den Erfordernissen der §§ 2 bis 4 SBauG entspricht. Der Kläger hat allerdings einen Prüfbericht der Baubehörde der Stadt Hamburg und eine Bescheinigung des Wohnungsbauministeriums vorgewiesen, nach der gegen die vorläufige Verwendung des ,,Atomschutz-Kugelbunkers . . . als Schutzraum des Grundschutzes bis zu 10 Personen" keine Bedenken bestünden. Die reicht jedoch für die Inanspruchnahme der erhöhten AfA in den Streitjahren nicht aus, weil damit noch nicht behördlich nachgewiesen ist, daß der Schutzraum des Klägers in Übereinstimmung mit den örtlichen Bauvorschriften nach Maßgabe der Erfordernisse der §§ 2 bis 4 SBauG errichtet worden ist und demgemäß steuerlich förderungswürdig ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414642

BFH/NV 1987, 27

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