Leitsatz (amtlich)

Eine Rückgängigmachung des Grundstückskaufvertrages im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG liegt nicht vor, wenn der vom Verkäufer durch notarielle Vollmacht ermächtigte Käufer zu notarieller Urkunde die Aufhebung des Vertrages erklärt und gleichzeitig namens des Verkäufers das Grundstück an einen von ihm ausgewählten neuen Interessenten verkauft.

 

Normenkette

GrEStG § 17 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Zu notarieller Urkunde vom 3. März 1965 unterbreitet der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) im eigenen Namen sowie im Namen weiterer Personen einer Kommanditgesellschaft (KG) das Angebot zum Abschluß eines in dieser Urkunde im einzelnen formulierten Grundstückskaufvertrages. Zu notarieller Urkunde vom 4. März 1965 wurde dieses Angebot ergänzt und von der Angebotsempfängerin, vertreten durch deren einzelvertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter angenommen. Nach diesen Urkunden erwarb der Kläger 2841/10000 eines Grundstücks in Berlin. Die übrigen Personen erwarben den Rest dieses Grundstücks. Als Kaufpreis für das Gesamtgrundstück waren X DM vereinbart. Hiervon mußte der Kläger entsprechend seinem Anteil Y DM entrichten. Durch notariellen Vertrag vom 13. April 1965 wurde der Vertrag vom 3./4. März 1965 "im Einvernehmen von Verkäuferin und Käufern" aufgehoben, soweit er den Anteil des Klägers betraf. Bei Errichtung dieser Urkunde war allein der Kläger anwesend. Er handelte auch namens der KG aufgrund einer von dieser erteilten Vollmacht vom 5. April 1965. Zur selben Urkunde wurde der nach dem Vertrag vom 3./4. März 1965 auf den Kläger entfallende Anteil "von der Verkäuferin" (KG) an mehrere andere, vom Kläger vertretene Personen verkauft. Nach dem Wortlaut dieser Urkunde traten die Erwerber "im übrigen in den Kaufvertrag vom 3. bzw. 4. März 1965 mit allen Rechten und Pflichten..." ein. Dieser Kaufvertrag sollte "in allen sonstigen Vereinbarungen unverändert" bleiben. Außerdem erfolgten die Auflassungen an die neu in den Vertrag eingetretenen sowie an die anderen Personen, die laut dem Kaufvertrag vom 3./4. März 1965 erwerben sollten. Auch diese Auflassungserklärungen gab der gemäß § 181 BGB vom Verbot des Selbstkontrahierens befreite Kläger allein namens aller beteiligten Personen ab.

Das revisionsführende FA (Beklagter) erblickte in der Aufhebung des Vertrages vom 3./4. März 1965 einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 6 StAnpG. Durch Bescheid setzte es die Grunderwerbsteuer (einschließlich der Zuschläge) gegenüber dem Kläger fest. Der Steueranspruch wurde damit begründet, daß der Kläger seinen Grundstücksanteil ohne Bebauungsabsicht erworben habe, zumindest aber die Bebauungsabsicht durch Weiterveräußerung aufgegeben habe. In dem Vertrag vom 13. April 1965, insbesondere in der unmittelbaren Veräußerung des für den Kläger vorgesehenen Grundstücksanteils an andere Personen sei ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 6 StAnpG zu erblicken, weshalb § 17 GrEStG nicht angewendet werden könne.

Nach erfolglosem Einspruch des Klägers hob das FG die Einspruchsentscheidung und den angefochtenen Steuerbescheid auf. Es bejahte die Anwendbarkeit des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und hielt eine Steuerumgehung im Sinne des § 6 StAnpG nicht für gegeben.

Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Gerügt wird insbesondere die Verletzung des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sowie des § 6 StAnpG. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 25. September 1963 II 185/60, HFR 1964, 47, sowie vom 9. Oktober 1963 II 44/62, HFR 1964, 456) sei § 17 GrEStG wegen Steuerumgehungsabsicht dann nicht anwendbar, wenn der bisherige Käufer "irgendwie am weiteren Schicksal des Grundstücks interessiert" bleibe. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt, denn der Kläger habe selbst die neuen Käufer beigebracht und von ihnen sogar eine Provision erhalten.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er hebt hervor, daß gerade nach der neueren Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 20. Oktober 1965 II 119/62 U, BFHE 83, 545, BStBl III 1965, 697, und vom 21. Dezember 1966 II 149/63, BFHE 87, 458, BStBl III 1967, 189) der Ausnahmecharakter des § 6 StAnpG eine sorgfältige Prüfung erfordere, ob im Einzelfall ein Gestaltungsmißbrauch zum Zwecke der Steuerumgehung vorliege. Der Beklagte habe den ihm obliegenden Beweis, daß eine Steuerumgehung vorliege, nicht erbracht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Gemäß § 17 Abs. 1 GrEStG wird unter bestimmten Voraussetzungen die Grunderwerbsteuer nicht erhoben, wenn der Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist. Die Rückgängigmachung im Sinne dieser Vorschrift muß derart sein, daß die Beteiligten, auch der Veräußerer, aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen werden und daß der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wieder erlangt (vgl. Urteil vom 6. Mai 1969 II 141/64, BFHE 96, 326, BStBl II 1969, 630). Dieser Tatbestand wurde durch den Vertrag vom 13. April 1965 nicht erfüllt. Der Erwerbsvorgang vom 3./4. März 1965 wurde nicht in diesem Sinne rückgängig gemacht. Zwar enthält die Urkunde vom 13. April 1965 die Formulierung, der Vertrag vom 3. April 1965 werde hinsichtlich des vom Kläger erworbenen Anteils aufgehoben. Dadurch wurde indes die KG nicht in dieselbe rechtliche Lage zurückversetzt, in der sie sich vor Abschluß des Vertrages vom 3./4. März 1965 befand; insbesondere erhielt sie nicht die Möglichkeit zurück, ein für sie erfüllbares beliebig neues Verpflichtungsgeschäft über diesen Grundstücksanteil abzuschließen. Die "Vertragsaufhebung" stand vielmehr in einem unmittelbaren von der Veräußerin und von dem Kläger gewollten Zusammenhang mit dem Eintritt der neuen Erwerber in die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag. Denn durch die dem Kläger am 5. April 1965 erteilte Vollmacht, den Anteil an andere Personen zu verkaufen bzw. diese Personen in die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag einrükken zu lassen, begab sich die KG von vornherein der Möglichkeit, wieder auf das Grundstück einwirken und dieses nach Belieben anderweitig verwerten zu können. Der Kläger erhielt darüber hinaus die Gelegenheit, aus den von der KG in seine Hand gelegten Verkäufen finanzielle Vorteile in Form von Provisionen zu erzielen. Der Vertrag vom 13. April 1965 ist daher grunderwerbsteuerrechtlich keine Rückgängigmachung des Kaufvertrages nach § 17 GrEStG, sondern eine Übertragung der Käuferrechte und -pflichten, welche der Kläger in Ausübung der ihm belassenen Befugnis zum Abschluß von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften über das Grundstück vornahm.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71057

BStBl II 1974, 771

BFHE 1975, 311

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