Entscheidungsstichwort (Thema)

Altkleidersammlungen als wirtschaftliche Geschäftsbetriebe

 

Leitsatz (NV)

1. Altkleidersammlungen eines gemeinnützigen Vereins, bei denen das Sammelgut zur Mittelbeschaffung weiterveräußert wird, sind steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe (§§ 14, 64 AO 1977).

2. Die gesammelten Altkleiderspenden sind wirtschaftliche Vorteile, die durch eine selbständige nachhaltige Tätigkeit i. S. von § 14 AO 1977 erzielt werden.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 14, 64; KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 9; GewStG § 3 Nr. 6

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1978 bis 1983 ein eingetragener Verein und als gemeinnützig anerkannt. Seine Ausgaben finanzierte er durch Mitgliedsbeiträge, Spenden, Zuweisung von Bußgeldern und durch Erlöse aus Altkleidersammlungen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte die Sammlung und Verwertung der Altkleider als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers i. S. des § 14 der Abgabenordnung (AO 1977) und setzte in den Streitjahren auf Grund der eingereichten Jahresabschlüsse Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermeßbeträge fest. Ferner stellte er den Einheitswert des Betriebsvermögens des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs auf den 1. Januar 1980 im Wege der Schätzung fest und erließ einen Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1980. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage führte zur Aufhebung der angefochtenen Steuerbescheide und Einspruchsentscheidungen.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 14 AO 1977

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das Finanzgericht (FG) hat zu Unrecht einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers in den Streitjahren verneint. Mit der Sammlung und Weiterveräußerung von Altkleidern übte der Kläger eine selbständige nachhaltige Tätigkeit aus, durch die er Einnahmen und andere wirtschaftliche Vorteile erzielte und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausging (§ 14 AO 1977).

1. Nach der Rechtsprechung des Senats setzt eine selbständige Tätigkeit i. S. des § 14 AO 1977 voraus, daß diese vom steuerbegünstigten Wirkungskreis abgrenzbar ist (vgl. Urteil vom 18. Januar 1984 I R 138/79, BFHE 140, 463, BStBl II 1984, 451, m. w. N.).

Die Sammlung und Veräußerung von Altmaterial (Altkleider, Altpapier) ist in diesem Sinne selbständig, weil sie über die Verwendung der erwirtschafteten Gewinne hinaus keinen weiteren Bezug zur gemeinnützigen Tätigkeit des Klägers aufweist. Sie setzt einen besonderen Einsatz ehrenamtlicher Helfer und die Bereitstellung von Fahrzeugen und Lagerplätzen außerhalb der eigentlichen satzungsmäßigen Tätigkeit des Klägers voraus, welche das zulässige Maß einer bloß unselbständigen (Hilfs-)Tätigkeit im steuerbegünstigten Bereich überschreitet. Es kann dahinstehen, ob etwas anderes gilt, wenn einzelne Sachspenden ohne einen entsprechenden Aufruf der gemeinnützigen Körperschaft zugewendet und von dieser zur Beschaffung liquider Mittel veräußert werden oder wenn z. B. gelegentlich Altmaterial, welches in der Geschäftsstelle einer solchen Körperschaft anfällt, verkauft wird. Ein solcher Fall ist nicht gegeben, weil der Kläger in geschäftsmäßiger Form die Sammlungen und die nachfolgende Veräußerung organisierte und durchführte.

Die Sammlung und Weiterveräußerung der Altkleider bilden auch eine einheitliche selbständige Tätigkeit i. S. des § 14 AO 1977. Beides - Sammlung und Veräußerung - bedingen einander wirtschaftlich und sind damit untrennbare Bestandteile eines Geschäftsbetriebs im Sinne dieser Vorschriften. Erst die Ansammlung größerer Mengen und Einheiten von Altmaterial schafft die Voraussetzung für eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung und ermöglicht eine Weiterveräußerung an entsprechende Großabnehmer. Die Tätigkeit des Klägers unterscheidet sich insofern entgegen der Auffassung des FG nicht von der gewerblicher Altmaterialhändler, zu denen der Kläger mit seiner Tätigkeit - konkret oder potentiell - in Wettbewerb tritt.

2. Die Tätigkeit des Klägers ist auch nachhaltig. Es ist eine Mehrzahl von Tätigkeiten gegeben, die von dem Entschluß getragen sind, sie zu wiederholen und daraus eine ständige Erwerbsquelle zu machen, und die auch tatsächlich wiederholt wurden (ständige Rechtsprechung vgl. Urteil vom 21. August 1985 I R 60/80, BFHE 145, 33, BStBl II 1986, 88 - 90 -, m. w. N.).

3. Durch die Tätigkeit wurden auch Einnahmen und wirtschaftliche Vorteile erzielt. Zum einen wurden die Altkleider gegen Entgelt weiterveräußert. Zum anderen erzielte der Kläger durch seine Sammlungen wirtschaftliche Vorteile in Form der von den Haushalten bereitgestellten Altkleider. Der Senat vermag dem FG nicht darin zu folgen, daß das Sammelgut zunächst in den gemeinnützigen Bereich gelangte. Für die Einnahmeerzielung i. S. des § 14 AO 1977 ist entscheidend, daß die Einnahmen oder wirtschaftlichen Vorteile durch die selbständige nachhaltige Tätigkeit veranlaßt sind. Dabei ist davon auszugehen, daß die Weiterveräußerung und die Sammlung eine einheitliche selbständige Tätigkeit bilden. Da die Bereitstellung von Altkleidern seitens der Bevölkerung durch eben diese Tätigkeit ausgelöst wurde, ist der wirtschaftliche Vorteil durch den Geschäftsbetrieb veranlaßt. Altkleiderspenden sind wirtschaftliche Vorteile, die durch eine selbständige nachhaltige Tätigkeit erzielt werden (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 30. Juni 1981 I 174/77 K, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1982, 203; Tipke / Kruse, § 14 AO 1977 Rz. 7; § 64 AO 1977 Rz. 2; Scholtz / Koch, § 64 AO 1977 Rz. 4/3; Schleder, Der Betrieb - DB - 1988, 1132; anderer Ansicht Rader, ABC der Gemeinnützigkeit, 2. Aufl. 1987, S. 33). Diese Sichtweise liegt auch dem § 64 Abs. 5 AO 1977 zugrunde, der für die Verwertung von Altmaterial außerhalb einer ständig dafür vorgesehenen Verkaufsstelle eine Gewinnschätzung nach dem branchenüblichen Reingewinn gewerblicher Altmaterialhändler zuläßt.

Entgegen der Ansicht des FG steht der steuerlichen Behandlung der Sammlung und Verwertung von Altmaterial als wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb auch nicht entgegen, daß die Haushalte dem Kläger die Altkleider als sog. Kleiderspenden, d. h. unentgeltlich, überließen. Denn auch bei der Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften ist jeweils zu prüfen, ob eine unentgeltliche Zuwendung durch die steuerbegünstigte Tätigkeit oder durch den Geschäftsbetrieb veranlaßt ist. Die Unentgeltlichkeit als solche schließt jedenfalls die Veranlassung durch den Geschäftsbetrieb ebensowenig aus wie die Tatsache, daß der zuwendende Haushalt die Finanzkraft der empfangenden Körperschaft stärken will. Der wirtschaftliche Erfolg einer großen Zahl steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe beruht ganz oder überwiegend gerade auf der besonderen Unterstützungsbereitschaft, welche die Bevölkerung diesen Veranstaltungen wegen der geplanten Verwendung des Erlöses für gemeinnützige Zwecke entgegenbringt. Eine solche Mitveranlassung vermag jedoch die betriebliche Veranlassung der Einnahmen aus Vereinsfesten, Basaren etc. nicht auszuschließen, die sich aus der Einordnung dieser Tätigkeiten als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ergibt. Dieses Ergebnis trägt auch dem Sinn und Zweck der §§ 64 ff. AO 1977, dem Gedanken der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung, Rechnung. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Ansicht des FG für den Fall gefolgt werden kann, daß die steuerbegünstigte Körperschaft einen Vermögensgegenstand empfängt, den sie in der Folgezeit in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verwertet, ohne daß die Zuwendung von vornherein für diesen Bereich der Körperschaft bestimmt gewesen ist.

4. Die Tätigkeit des Klägers ging auch über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinaus. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird der Bereich der Vermögensverwaltung überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von vorhandenem Vermögen im Sinne einer Fruchtziehung aus den zu erhaltenden Substanzwerten in den Vordergrund tritt (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 1987 VIII R 46/84, BFHE 151, 74, BStBl II 1988, 65). Der Kläger nutzte durch die geschäftsmäßige Sammlung und Verwertung von Kleiderspenden kein vorhandenes Vermögen, sondern nutzte durch Umschichtung der gesammelten Altkleider substantielle Werte aus und betätigte sich unternehmerisch.

5. Die Sammlung und Veräußerung von Altkleidern kann auch nicht als Zweckbetrieb (§ 65 AO 1977) von der Besteuerung ausgenommen werden.

Der Geschäftsbetrieb diente nicht der Verwirklichung satzungsmäßiger gemeinnütziger Aufgaben des Klägers, sondern der Beschaffung zusätzlicher Mittel für seine Tätigkeit. Die Einschränkung der Steuervergünstigung soll aber gerade die Fälle treffen, in denen sich steuerbegünstigte Körperschaften Mittel zur Erfüllung ihrer Zwecke durch wirtschaftliche Geschäftsbetriebe beschaffen (vgl. Urteil vom 21. August 1985 I R 3/82, BFHE 145, 40, BStBl II 1986, 92). Dabei kann dahinstehen, ob etwas anderes gilt, wenn eine gemeinnützige Körperschaft Altkleider ausschließlich zur Weitergabe an bedürftige Bevölkerungskreise sammelt und lediglich die gleichwohl anfallenden unbrauchbaren Stücke weiterveräußert. Denn bei den Sammlungen des Klägers stand nicht die Weitergabe, sondern der Weiterverkauf im Vordergrund, wie bereits im Aufruf zur Sammlung deutlich gemacht wurde.

Der Senat verkennt bei seiner Entscheidung nicht, daß der Kläger zur Erfüllung seiner Zwecke Geld benötigte und daß es nahegelegen haben mag, sich das Geld mit Hilfe des Sammelns und des Verkaufs von Altkleidern zu beschaffen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb i. S. des § 65 Nr. 2 AO 1977 das einzige Mittel gewesen wäre, um den steuerbegünstigten Zweck zu erreichen. Der Kläger hätte auch jede andere Tätigkeit i. S. des § 14 AO 1977 ausüben können, wenn sie nur die von ihm benötigten Geldmittel abgeworfen hätte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418538

BFH/NV 1992, 839

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