Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Unterscheidung zwischen Leibrente und dauernder Last

 

Leitsatz (NV)

1. Haben die Vertragsparteien die Höhe einer Versorgungsrente von der Entwicklung der Kosten der Unterbringung des Rentenberechtigten in seinem Altersheim abhängig gemacht, so richtet sich die Höhe der Rente nicht wie im Falle einer Wertsicherungsklausel nach den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen, sondern nach der Bedürftigkeit des Rentenberechtigten mit der Folge, daß die Rentenleistungen mangels Gleichmäßigkeit in voller Höhe als dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG abziehbar sind.

2. Eine auf einem besonderen Verpflichtungsgrund beruhende Leibrente oder dauernde Last kann bei nahen Familienangehörigen nur anerkannt werden, wenn eine klare und eindeutige Vereinbarung vorliegt und diese auch tatsächlich durchgeführt wird.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und der im Januar 1981 verstorbene frühere Kläger wurden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer für die Streitjahre 1969 und 1971 bis 1976 veranlagt. Die Klägerin ist die alleinige Erbin ihres Ehemannes.

Ihr Ehemann erhielt aufgrund notariellen Vertrags vom 5. Dezember 1968 von seiner Mutter in vorweggenommener Erbfolge deren Kommanditanteil an einer KG, deren persönlich haftender Gesellschafter er war, übertragen. Sein Bruder H. erhielt von ihr ein Grundstück und sein Bruder G. 50 000 DM. Der Ehemann der Klägerin versprach seiner Mutter eine lebenslängliche ,,Unterhaltsrente" von 1 200 DM monatlich. Die Vertragsparteien verzichteten auf eine Wertsicherungsklausel. Die Mutter erhielt jedoch das Recht, eine Erhöhung ihrer Rente verlangen zu können, wenn das für sie in Aussicht genommene Altersheim seine Unterbringungskosten erhöht. Außerdem verpflichtete er sich, ihr die auf die Rentenbezüge entfallende Einkommensteuer und Kirchensteuer zu erstatten und ihr auf die von ihr seinem Bruder G. zugewendeten 50 000 DM lebenslänglich 8 v.H. Zinsen zu zahlen.

Der Ehemann der Klägerin zahlte an seine Mutter auf die ,,Unterhaltsrente" im Jahre 1969 14 400 DM, im Jahre 1971 16 392 DM, im Jahre 1972 17 076 DM, im Jahre 1973 17 700 DM, im Jahre 1974 14 303 DM, im Jahre 1975 7 200 DM und im Jahre 1976 14 825 DM. Seine Zinsersatzleistungen an seine Mutter betrugen im Jahre 1971 8 000 DM, im Jahre 1975 1 000 DM und im Jahre 1976 1 119,64 DM. Für die Jahre 1969, 1972, 1973 und 1974 fehlen tatsächliche Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zur Höhe der Zinsersatzleistungen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte als Sonderausgaben die Zahlungen auf die ,,Unterhaltsrente" bis zur Höhe von 1 200 DM monatlich und die Zinsersatzleistung als Leibrenten mit dem Ertragsanteil. Als vollen Umfangs als Sonderausgaben abziehbare dauernde Lasten sah das FA die Beträge an, die der Ehemann über die monatlichen 1 200 DM hinaus infolge Erhöhung der Unterbringungskosten gezahlt hatte, soweit sie sich nicht auf Jahre mit Zahlungen unter 1 200 DM monatlich verteilen ließen. Außerdem erkannte es als dauernde Last die Erstattungen der auf die Rentenbezüge entfallenden Steuern der Mutter an.

Mit ihrer Klage machten die Klägerin und ihr Ehemann geltend, seine sämtlichen Leistungen an seine Mutter stellten dauernde Lasten dar. Die Barleistungen von 1 200 DM monatlich einschließlich der Erhöhungsbeträge seien eine einheitliche Leistung zum Zwecke des Unterhalts der Mutter. Von den ursprünglichen 1 200 DM sollten nach den Vorstellungen der Vertragsparteien ca. 500 DM auf die Unterbringung im Altersheim und ca. 700 DM auf Krankenkassenbeiträge und persönliche Aufwendungen der Mutter entfallen. Als diese Ende des Jahres 1973 einen Schlaganfall erlitten habe und dadurch pflegebedürftig geworden sei, seien die Rentenzahlungen auf den ursprünglichen Betrag von 1 200 DM monatlich zurückgeführt worden. Denn die Krankenkasse habe bis zum Juli 1974 die Krankenhauskosten voll getragen. Außerdem seien infolge ihrer Pflegebedürftigkeit Aufwendungen für ihre persönlichen Bedürfnisse entfallen.

Das FG wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 617 veröffentlichten Urteil ab. In seinem am 31. März 1982 verkündeten Urteil behandelte es als Kläger noch die Klägerin sowie ihren damals bereits verstorbenen Ehemann.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Regeln über die Auslegung von Verträgen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das angefochtene Urteil war aufzuheben, weil es § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG verletzt.

1. Das FG ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß die wiederkehrenden Leistungen des Ehemanns der Klägerin an seine Mutter, deren Abzug sie als dauernde Last begehrt, auf einem privaten Vermögensübertragungsvertrag in vorweggenommener Erbfolge beruhen. Auch hat es die einzelnen Leistungen des Ehemannes im Einklang mit den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84 (BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610) jeweils daraufhin überprüft, ob es sich dabei um eine Leibrente oder eine dauernde Last handelt. Es hat demgemäß zutreffend zwischen den Barleistungen auf die ,,Unterhaltsrente", die Zinsersatzleistungen von 8 v.H. auf die von der Mutter dem Bruder G. zugewendeten 50 000 DM und die Erstattung der Steuern der Mutter auf ihre wiederkehrenden Bezüge unterschieden.

Dem FG ist auch darin zu folgen, daß sich eine einheitliche Leistung, die sich aus einem Mindestbetrag und Erhöhungen zusammensetzt, nicht in einen gleichmäßigen Sockelbetrag als ,,Mindestleibrente" und Erhöhungsbeträge als dauernde Last aufspalten läßt. Dies hat bereits der VI. Senat des BFH in seinem Urteil vom 30. Mai 1980 VI R 153/77 (BFHE 130, 524, BStBl II 1980, 575) entschieden. Der erkennende Senat schließt sich dem an. Eine Aufspaltung einer einheitlichen Leistung widerspräche dem bürgerlichen Recht, auf das sich die Unterscheidung zwischen Leibrente und dauernder Last gründet.

Demgemäß hat das FG - entgegen der Auffassung des FA - die Barleistungen von 1 200 DM und die Erhöhungen infolge Steigerung der Unterbringungskosten des Altenheims in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als eine einheitliche Leistung gewertet. Diese Barleistungen dienen einheitlich dem Unterhalt der Mutter. Dieser Zweck läßt sich aus der von den Vertragsparteien in dem notariellen Vertrag vom 5. Dezember 1968 verwendeten Bezeichnung als ,,Unterhaltsrente" entnehmen. Zudem waren die Kosten der Heimunterbringung der Mutter schon in dem Mindestbetrag von 1 200 DM enthalten.

2. Das angefochtene Urteil des FG war jedoch deswegen aufzuheben, weil es die Barleistungen einschließlich der Erhöhungsbeträge rechtsfehlerhaft als Leibrente mit gleichmäßig wiederkehrenden Leistungen beurteilt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil des erkennenden Senats in BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610) ist zwar davon auszugehen, daß die Gleichmäßigkeit von Rentenleistungen nicht schon dadurch ausgeschlossen ist, daß die Vertragsparteien in dem Übertragungsvertrag eine Wertsicherungsklausel vereinbart haben. Entgegen der Auffassung des FG ist jedoch in der Abrede, die Mutter könne eine Erhöhung der Barleistungen verlangen, wenn das Altenheim seine Unterbringungskosten erhöht, keine Wertsicherungsklausel, sondern eine Bemessung der Barleistungen nach Maßgabe der Bedürftigkeit der Mutter zu sehen.

Eine Anpassungsmöglichkeit nach Maßgabe der Bedürftigkeit des Rentenberechtigten entsprechend § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) führt aber zu einer dauernden Last mit wiederkehrenden Leistungen in schwankender Höhe (so zuletzt BFH-Urteil vom 28. Januar 1986 IX R 12/80, BFHE 146, 68, BStBl II 1986, 348). Entgegen der Auffassung des FG hat der BFH eine dauernde Last nicht nur dann bejaht, wenn die Höhe der Rentenleistungen von der Bedürftigkeit des Rentenberechtigten und der Leistungsfähigkeit des Rentenverpflichteten bestimmt wird. Vielmehr fehlt nach der Rechtsprechung des BFH das Merkmal der Gleichmäßigkeit schon dann, wenn die Leistungen von den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen des Gebers oder des Empfängers oder von variablen Bemessungsgrundlagen (z.B. Umsatz oder Gewinn) abhängen (so bereits Urteil vom 20. Mai 1980 VI R 108/77, BFHE 130, 520, BStBl II 1980, 573).

Die Vertragsparteien haben in dem Übertragungsvertrag vom 5. Dezember 1968 ausdrücklich auf eine Wertsicherungsklausel verzichtet. Sie haben eine Erhöhung der Rentenleistungen nicht von einer allgemeinen Bezugsgröße wie etwa einen Lebenshaltungskostenindex oder durchschnittlichen Altersheimkosten abhängig gemacht. Sie haben vielmehr auf die Unterbringungskosten der Mutter in ihrem Altersheim und damit auf deren individuelle Bedürftigkeit abgestellt. Die Unterbringungskosten bildeten einen wesentlichen Teil ihres Unterhaltsaufwands. Ihre Höhe hing auch von dem jeweiligen Gesundheitszustand der Mutter ab. Die übrigen Aufwendungen, die mit den Barleistungen gedeckt werden sollten, unterlagen ebenfalls in ihrer Höhe Schwankungen. Dies gilt sowohl für die Krankenversicherungsbeiträge als auch für die persönlichen Aufwendungen der Mutter, die nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin mit den Barleistungen ebenfalls zu bestreiten waren.

3. Das angefochtene Urteil konnte darüber hinaus auch deswegen keinen Bestand haben, weil darin tatsächliche Feststellungen des FG dazu fehlen, ob die Vertragsparteien den Übergabevertrag vom 5. Dezember 1968 tatsächlich durchgeführt haben. Davon hängt nicht nur ein Abzug der Barleistungen als dauernde Last, sondern auch eine Berücksichtigung der Zinsersatzleistungen von gleichbleibend 8 v.H. auf 50 000 DM auf Lebenszeit der Mutter als Leibrente ab.

Vereinbarungen zwischen nahen Familienangehörigen müssen, um einkommensteuerrechtlich anerkannt werden zu können, nicht nur klar und eindeutig vereinbart, sondern auch tatsächlich durchgeführt worden sein. Nur unter dieser Voraussetzung können wiederkehrende Leistungen als auf einem besonderen Verpflichtungsgrund beruhende Renten oder dauernde Lasten i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG beurteilt werden. Hingegen stellen sie freiwillige Zuwendungen i.S. von § 12 Nr. 2 EStG dar, wenn es unter Familienangehörigen tatsächlich dem Belieben des Rentenverpflichteten überlassen bleibt, ob und in welcher Höhe er an den Rentenberechtigten zahlt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414592

BFH/NV 1987, 26

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