Leitsatz (amtlich)

Der Steuergegenstand ist im SpielkStG rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechend hinreichend festgelegt. § 1 Abs. 1 SpielkStG ist daher rechtsgültig.

 

Normenkette

SpielkStG vom 3. Juni 1961 § 1 Abs. 1-2, § 14 Nr. 1; SpielkStDB vom 3. Juni 1961 § 1 Abs. 1-2

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 30.01.1970; Aktenzeichen 2 BvR 531/69)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die von der Klägerin im Jahre 1963 aus Frankreich eingeführten 5 434 Exemplare des Gesellschaftsspiels „1 000 km” der Spielkartensteuer unterliegen.

Das Spiel besteht aus 106 Kartenblättern, die mehrfarbige Bilder aus dem Bereich des Straßenverkehrs zeigen. Die Bedeutung des Bildes ist auf den meisten Karten in deutscher und französischer Sprache erläutert. Bei den Karten lassen sich vier Arten unterscheiden, die verschiedene Bedeutung für das Spielgeschehen haben, nämlich: Etappen mit verschiedenem Kilometerwert, die den Spieler vorwärts bringen, dann Angriffe, Paraden und Trümpfe. Das Spielziel besteht darin, daß der Spieler vor sich so viele Etappen auslegt, daß genau 1 000 km erreicht werden. Zum Spiel gehören auch einige Zubehörgegenstände.

Das Hauptzollamt (HZA) erhob bei der Einfuhr der Kartenspiele neben Zoll und Ausgleichsteuer Spielkartensteuer, und zwar durch vorläufigen Bescheid vom 20. März 1963 (für endgültig erklärt am 8. April 1963) 1 500 DM, und durch vorläufigen Bescheid vom 17. April 1963 (für endgültig erklärt am 8. Mai 1963) 2 575,50 DM.

Die Sprungberufungen (Klagen), mit denen die Klägerin geltend machte, daß das Spielkartensteuergesetz (SpielkStG) verfassungswidrig sei und daß die Kartenblätter des in Rede stehenden Spiels keine Spielkarten seien, hatten keinen Erfolg.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin in erster Linie, die Sache dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen, in zweiter Linie, die Vorentscheidung und die Steuerbescheide vom 20. März (8. April 1963) und 17. April (2. Mai) 1963 aufzuheben, soweit Spielkartensteuer erhoben wurde.

Die bloße Bemerkung des Finanzgerichts (FG), nach seiner „Ansicht” sei § 1 SpielkStG nicht verfassungswidrig, sei keine ordnungsmäßige Urteilsbegründung, es fehlten die in § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO zwingend vorgeschriebenen Entscheidungsgründe. Die Vorentscheidung müsse daher schon aus diesem Grunde aufgehoben werden (§ 119 Nr. 6 FGO).

§ 1 Abs. 1 SpielkStG werde den rechtsstaatlichen Anforderungen hinsichtlich der Bestimmtheit des Steuertatbestandes nicht gerecht, weil er lediglich einen Rahmen aufstelle. Das SpielkStG sage nur, daß eine Gattung der Steuer unterliegen solle, die Regelung der Frage, welche Spielkarten steuerbar seien, sei den Durchführungsbestimmungen überlassen. Es fehle eine hinreichend konkrete Regelung. Das zeige § 1 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Spielkartensteuergesetz (SpielkStDB), wo bestimmte Spielkarten von der Steuer ausgenommen seien. Diese Ausnahmen hingen vom Ermessen der Verwaltung ab, wodurch für den Staatsbürger hinsichtlich der Entstehung der Spielkartensteuerschuld eine Unsicherheit bestehe. In § 1 SpielkStG fehle also die rechtsstaatlich zu fordernde Bestimmtheit.

§ 1 Abs. 2 und § 14 Nr. 1 SpielkStG entsprächen nicht den Anforderungen des Art. 80 des Grundgesetzes (GG), weshalb sie nichtig seien. Der Gesetzgeber müsse selbst die grundlegende Regelung treffen, während der Exekutive allein abgeleitete Maßnahmen überlassen blieben. An Ermächtigungsnormen seien besonders strenge Anforderungen zu stellen. Die Dienstanweisung zum SpielkStG sei eine rein verwaltungsinterne Vorschrift.

§ 1 SpielkStG stünde nur dann im Einklang mit der Verfassung, wenn der Begriff der Spielkarten im engen Sinne des Gesetzes betreffend den Spielkartenstempel vom 3. Juli 1878 (RGBl 133) verstanden würde, durch welches man der Spielleidenschaft habe begegnen wollen. Das in Rede stehende Spiel sei diesem Spielkartentyp nicht zuzurechnen. Es beruhe auf Eigengesetzlichkeit und lasse sich nicht auf das übliche System mit vier Reihen zurückführen. Das Spiel habe außerdem erzieherischen Wert für Kinder.

Die Klägerin hat ein Rechtsgutachten des ordentlichen Professors X vorgelegt, in dem sie eine Bestätigung für die Richtigkeit ihrer Ausführungen sieht.

Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es trägt vor, daß das SpielkStG nicht verfassungswidrig sei. Der Begriff Spielkarten sei im Gesetz hinreichend bestimmt. Er könne nicht losgelöst vom Zusammenhang betrachtet werden, sondern müsse im Rahmen des SpielkStG gesehen werden. Schon aus § 2 des Gesetzes ergebe sich Näheres. Sinn und Zweck des Gesetzes seien offenkundig. Die Spielleidenschaft sollte fiskalisch nutzbar gemacht werden. Es seien hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben, um mit genügender Sicherheit feststellen zu können, was besteuert werden solle. Man dürfe die Anforderungen an den Gesetzgeber nicht überspannen. Es könne also nicht gesagt werden, daß der Gesetzgeber es dem Verordnungsgeber überlassen habe, das Wesentliche für die Besteuerung zu bestimmen.

Durch § 14 Nr. 1 SpielkStG sei dem Verordnungsgeber lediglich überlassen, den im Gesetz verwendeten Begriff in rechtsverbindlicher Weise zu erläutern. Das sei mit Art. 80 GG vereinbar. Die Ermächtigungsnorm, auf die sich § 1 SpielkStDB stütze, sei hiernach wirksam und ebenso wirksam sei auch § 1 SpielkStDB, weil er sich im Rahmen der Ermächtigungsnorm halte. Da § 1 SpielkStDB schon durch § 14 Nr. 1 SpielkStG gedeckt sei, könne die Ermächtigung des Bundesministers der Finanzen (BdF) in § 1 Abs. 2 SpielkStG außer Betracht bleiben.

Die in Rede stehenden Karten stellten sich als Spielkarten im Sinne des SpielkStG dar, weil mit ihnen ein Spiel gespielt werden könne, dessen Ausgang mit von Zufälligkeiten abhänge, die in der Zuteilung und Aufnahme von Karten lägen. Es käme für die Besteuerung nicht darauf an, ob ein herkömmliches Spiel, das nach dem Vierersystem angelegt sei, gespielt werden könne. § 1 SpielkStDB enthalte keine derartige Einschränkung, eine solche könne auch aus dem Gesetz nicht hergeleitet werden. Auch neu aufkommende Spiele sollten von der Steuer erfaßt werden. Das in Rede stehende Spiel diene nicht nur zur Unterhaltung von Kindern, wie aus den Spielregeln zu ersehen sei. Der Fall des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) VII 80/58 vom 29. April 1959 sei mit der vorliegenden Sache nicht vergleichbar.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

1. Der Einwand der Klägerin, die Vorentscheidung müsse gemäß § 19 Nr. 6 FGO aufgehoben werden, weil die bloße Bemerkung des FG, nach seiner „Ansicht” sei § 1 SpielkStG nicht verfassungswidrig, keine ordnungsmäßige Urteilsbegründung sei, also die in § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO zwingend vorgeschriebenen „Entscheidungsgründe” fehlten, kann nicht durchgreifen. In der Vorentscheidung ist gesagt, daß das FG im Gegensatz zur Klägerin der Ansicht ist, daß der Steuergegenstand des SpielkStG im Gesetz selbst hinreichend deutlich bezeichnet ist, jedenfalls in der für den Streitfall maßgebenden Fassung. Das FG hat zufolge seiner Auffassung dahingestellt sein lassen, wie die Ermächtigungsvorschrift des § 1 Abs. 2 SpielkStG rechtlich zu beurteilen ist. Damit hat das FG seine Auffassung zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 1 SpielkStG hinreichend begründet. Im übrigen ist es nicht erforderlich, daß das FG auf alle Rechtsausführungen der Beteiligten eingeht und sie im einzelnen wiederlegt.

2. Nach § 1 Abs. 1 SpielkStG in der Fassung vom 3. Juni 1961 unterliegen Spielkarten der Spielkartensteuer. Durch § 1 Abs. 2 SpielkStG ist der BdF ermächtigt, den Kreis der der Spielkartensteuer unterliegenden Erzeugnisse näher zu bestimmen; § 14 Nr. 1 SpielkStG enthält die weitere Ermächtigung für den BdF, die Begriffe des § 1, also auch den Begriff Spielkarten, zu erläutern. In dem zu § 1 SpielkStG ergangenen § 1 SpielkStDB vom 3. Juni 1961 ist in Abs. 1 gesagt, daß Spielkarten im Sinne des Gesetzes Kartenblätter sind, mit denen ein Kartenspiel gespielt werden kann. Nach § 1 Abs. 2 SpielkStDB sind keine Spielkarten

  1. Karten mit einer Breite bis zu 27 mm und einer Länge bis zu 35 mm.
  2. Karten, mit denen nur Spiele gespielt werden können, die zur Unterhaltung von Kindern dienen sollen (Kinderspielkarten).
  3. altertümliche Originalspielkarten für Sammlungen.

Wenn es in § 1 Abs. 1 SpielkStDB heißt, daß Spielkarten im Sinne des Gesetzes Kartenblätter sind, mit denen ein Kartenspiel gespielt werden kann, so ist damit nichts anderes gesagt, als was sich schon aus dem Gesetz, nämlich aus § 1 Abs. 1 und § 2 SpielkStG ergibt. In § 1 Abs. 1 SpielkStG ist von Spielkarten die Rede, in § 2 SpielkStG von Kartenspiel und Blättern. Aus diesen beiden Bestimmungen geht hervor, daß Spielkarten Blätter (Kartenblätter) sind, daß ein Kartenspiel aus mehreren Blättern besteht und – wie aus dem Wort „Kartenspiel” zu ersehen ist – die Kartenblätter dazu dienen sollen, ein Kartenspiel zu spielen. Damit ist aber der Steuergegenstand im SpielkStG selbst im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG ausreichend umschrieben (vgl. Urteil 2 BvL 18/56 vom 5. März 1958, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 7 S. 282 – BVerfGE 7, 282 –). Der Erläuterung des Begriffs „Spielkarten” in § 1 Abs. 1 SpielkStDB, die sich auf § 14 Nr. 1 SpielkStG gründet, hätte es also eigentlich nicht bedurft. Wenn der Gesetzgeber der Auffassung war, daß der Begriff „Spielkarten” noch zu erläutern ist, was aus der Erteilung der Ermächtigung in § 14 Nr. 1 SpielkStG geschlossen werden könnte, besagt das nicht, daß der Steuergegenstand im Gesetz nicht selbst dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit entsprechend hinreichend festgelegt ist.

Wenn nach dem Vorstehenden der Steuergegenstand in § 1 Abs. 1 SpielkStG ausreichend umschrieben ist und damit diese Vorschrift verfassungskonform ist, kann die Ermächtigung zur Erläuterung des Begriffs „Spiekarten” nicht die Bedeutung haben, daß das für die Erhebung der Steuer Wesentliche in den SpielkStDB anzuordnen sei. Daher kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob die Ermächtigung in § 14 Nr. 1 SpielkStG den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinsichtlich Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung entspricht und § 1 Abs. 1 SpielkStDB sich im Rahmen der Ermächtigung hält.

Auch aus § 1 Abs. 2 SpielkStG ist nicht herzuleiten, daß in Abs. 1 a. a. O. der Steuergegenstand nicht hinreichend bestimmt sei. Abs. 2 kann bei verfassungskonformer Auslegung nicht dahin verstanden werden, daß der BdF den Steuergegenstand erst zu bestimmen hätte, sondern nur dahin, daß er, wie insbesondere aus dem Wort „näher” zu ersehen ist, befugt ist, den Kreis der steuerbaren Erzeugnisse im einzelnen abzugrenzen, insbesondere einschränkend klarzustellen, welche Erzeugnisse keine steuerbaren Spielkarten sind. Im übrigen kann der Begriff „Spielkarten” nach dem offenkundigen Sinn und Zweck des SpielkStG, die Neigung zum Kartenspielen fiskalisch nutzbar zu machen, nur dahin verstanden werden, daß er lediglich nur solche Spielkarten umfaßt, mit denen unter gewöhnlichen Umständen von Erwachsenen ein Kartenspiel gespielt werden kann. Daraus ergibt sich aber von selbst, daß die in § 1 Abs. 2 SpielkStDB ausgeführten Spielkarten nicht darunter fallen.

3. Zu Recht hat die Vorinstanz im Streitfall die eingeführten Erzeugnisse als Spielkarten im Sinne des SpielkStG angesehen.

Zutreffend hat sie ausgeführt, daß es zum Wesen des Kartenspiels gehört, daß der Ausgang des mit den Kartenblättern gespielten Spiels auch von Zufälligkeiten, d. h. von Ereignissen, auf deren Eintritt der Spieler keinen Einfluß hat, abhängig ist, und daß diese Zufälligkeit in der Zuteilung oder in der Aufnahme von Kartenblättern liegt (vgl. Urteil IV A 264/25 vom 21. April 1926, Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Bd. 19 S. 36 – RFH 19, 36 –). Mit den in Rede stehenden Kartenblättern kann, wie die Vorinstanz zutreffend feststellt, ein derartiges Kartenspiel gespielt werden. Nach den Spielregeln werden zu Beginn des Spiels die gemischten Karten in der Weise ausgegeben, daß jeder Spieler Jedesmal nur eine Karte bekommt. Wenn alle Beteiligten sechs Karten in der Hand haben, so nimmt im weiteren Verlauf des Spiels der Spieler, der an der Reihe ist, vom Kartenkasten die oberste Karte (mit dem Bild nach unten). Richtig hat die Vorinstanz daraus gefolgert, daß es dadurch dem Zufall überlassen ist, welche Arten von Karten jeder Spieler erhält, und daß es von der Zuteilung der Karten abhängt, welchen Spielweg der Spieler für den Verlauf des Spieles in Aussicht nehmen kann.

Der Senat pflichtet der Vorinstanz auch darin bei, daß Spielkarten im Sinne des SpielkStG auch dann vorliegen können, wenn das Spiel nicht auf das Vierersystem abgestellt ist, d. h., daß es sich nicht um ein System mit vier verschiedenen Zeichen unterschiedlichen Wertes handeln muß, mögen die landläufigen Spielkarten auch jeweils in vier Farben oder Reihen eingeteilt sein. Es kann auch nicht darauf ankommen, ob es sich um ein schon übliches Spiel oder um ein völlig neues Kartenspiel handelt (vgl. Buchmann, Zollpraxis 1961, S. 158, 160). Richtig weist die Vorinstanz auch darauf hin, daß das nichtveröffentlichte Urteil des BFH VII 80/58 vom 29. April 1959 für die Entscheidung im Streitfall nicht maßgebend sein kann, weil diesem ein tatsächlich und rechtlich anders gelagerter Fall zugrunde lag.

Die Vorinstanz hat die Auffassung vertreten, daß im Streitfalle keine Kinderspielkarten vorliegen. Der Senat tritt dieser Auffassung im Hinblick auf die Spielregeln bei, in denen übrigens auch gesagt ist, daß es sich um ein „intelligentes Spiel für intelligente Leute” handelt. Spiele für Erwachsene verlangen größere Geschicklichkeit und mehr Kombinationsvermögen als solche für Kinder. Das braucht nicht auszuschließen, daß auch Kinder das in Rede stehende Spiel „1 000 km” – im Rahmen kindlicher Fähigkeit – spielen können, während umgekehrt auch Erwachsene in gewissem Umfang leichte Spiele, etwa Quartett, Spielen, die gewöhnlich der Unterhaltung von Kindern dienen. Daß derartige Spiele entsprechend der Dienstanweisung zum SpielkStG und den SpielkStDB nicht zur Spielkartensteuer herangezogen werden, beschwert die Klägerin nicht.

4. Demnach war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514800

BFHE 1969, 230

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