Leitsatz (amtlich)

Auch die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann unter § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG fallen, wenn sich aus dem Wegfall der Geschäftsgrundlage die Verpflichtung zur Rückübereignung des Grundstücks ergibt.

 

Normenkette

GrEStG § 17 Abs. 2 Nr. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin veräußerte durch notariell beurkundeten Kauf/Rentenvertrag vom 29. August 1958 (Vertrag I) ein Grundstück an Frau Sch, die sich verpflichtet hatte, der Klägerin als Gegenleistung eine monatliche Rente bis zu deren Lebensende zu zahlen. Die Rentenforderung der Klägerin wurde durch eine Grundschuld und durch eine Bürgschaft einer GmbH gesichert, da das Grundstück der GmbH dienen sollte, deren Geschäftsführer der Ehemann der Käuferin war. Im Range vor der Grundschuld wurde eine Grundschuld zugunsten einer Spar- und Darlehnskasse zur Sicherung eines von der Käuferin aufgenommenen Kredits bestellt. Nach Entrichtung der Grunderwerbsteuer wurde die Käuferin im Grundbuch eingetragen.

Die Käuferin befand sich seit November 1962 mit der Zahlung der monatlichen Rente im Verzug. Über das Vermögen der GmbH war der Konkurs eröffnet worden. Die Käuferin erklärte sich auf Grund des Vermögensverfalls der GmbH zu weiteren Rentenzahlungen außerstande. Auf Antrag der Spar- und Darlehnskasse war die Zwangsversteigerung des Grundstücks angeordnet worden. Als der Zwangsversteigerungstermin kurz bevorstand, vereinbarten die Vertragsparteien durch notarielle Urkunde vom Oktober 1963 (Vertrag II) die Rückgängigmachung des Vertrags I und die Rückübereignung des Grundstücks.

Die Klägerin beantragte aus abgetretenem Recht Erstattung der auf Grund des Vertrags I von der Käuferin entrichteten Grunderwerbsteuer. Das FA - Beklagter - lehnte den Antrag ab.

Auch Einspruch und Berufung, mit denen die Klägerin ihr Erstattungsbegehren außer auf § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG noch auf § 131 AO stützte, waren erfolglos. Das FG vertrat die Auffassung, daß der Vertrag I nicht auf Grund eines Rechtsanspruchs, sondern durch freiwillige Vereinbarung rückgängig gemacht worden sei. Ein Rücktrittsrecht habe der Klägerin nicht zugestanden, da sie den Kaufpreis gestundet habe (§§ 326, 454 BGB).

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - ist begründet.

Das FG geht offenbar davon aus, daß ein Erstattungsanspruch gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG in jedem Falle bereits dann ausgeschlossen sei, wenn die Rückgängigmachung auf einer "freiwilligen Vereinbarung" beruhe, und daß als möglicher Rechtsanspruch im Sinne dieser Vorschrift nur das Rücktrittsrecht aus § 326 BGB in Betracht komme. Dem vermag der Senat sich in dieser allgemeinen Form der Aussage nicht anzuschließen.

Zwar muß das Rechtsgeschäft wegen Nichterfüllung von Vertragsbedingungen ("deshalb") "auf Grund eines Rechtsanspruchs" rückgängig gemacht werden. Der Veräußerer muß also diesen Rechtsanspruch haben und auch geltend machen. Nicht erforderlich - wenn auch vielleicht die Regel - ist aber, daß dies durch einseitige Willenserklärung geschieht. Der Erwerbsvorgang kann vielmehr auch im Einvernehmen aller Beteiligten durch Vereinbarung rückgängig gemacht werden (vgl. Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 8. Aufl., § 17, Tz. 72 zu dem entsprechenden § 17 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG), sei es durch entsprechende ausdrückliche Erklärung, sei es aber auch durch eine bloß aus den Umständen zu entnehmende Anerkennung des Rechts zur Rückgängigmachung des Vertrags wegen Nichterfüllung von Vertragsbedingungen (vgl. Urteil des Senats II 194/57 U vom 21. Dezember 1960, BFH 72, 444, 449, BStBl III 1961, 163, 165 linke Spalte).

Zwar trifft die Auffassung des FG zu, daß bei Übereignung eines Grundstücks unter Gewährung von Ratenzahlungen - also gegen Stundung des Kaufpreises - auf Grund der Sondervorschrift des § 454 BGB das Rücktrittsrecht aus § 326 BGB und aus § 325 Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist, ebenso nach herrschender Meinung bei Veräußerung gegen Gewährung einer Leibrente, weil in diesen Fällen der Erwerber seine Verpflichtung bereits mit Einräumung des Rentenstammrechts erfüllt hat (RGZ 106, 93; Hans. Oberlandesgericht (OLG) Hamburg 2 U 91/63 vom 17. Februar 1963, Monatsschrift für Deutsches Recht 1964 S. 414 - MDR 1964, 414 -; vgl. noch Soergel/Ballerstedt, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Aufl., § 454, Tz. 2; Soergel/Erdsiek/Mühl, a. a. O., Vorbem. vor § 759, Tz. 9; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 28. Aufl., § 759 Anm. 1 zu e; vgl. jedoch auch Fischer im Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, 11. Aufl., § 759 Anm. 8 und Brändl bei Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10./11. Aufl., Vorbem. 15 vor § 759, die ein Rücktrittsrecht wegen Teilverzuges mit einzelnen Rentenleistungen zumindest - wenn möglich - ein Teilrücktrittsrecht bejahen).

Eine Rückgängigmachung im Sinn des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG ist aber nicht nur gegeben im Falle der Ausübung eines Rücktrittsrechts (vgl. auch die unterschiedlichen Fassungen des § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG - mit der ausdrücklichen Erwähnung des Rücktrittsrechts - gegenüber dessen Nr. 2, die wiederum dem § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG entspricht). So kann z. B. nach dem Urteil des Senats II 286/55 U vom 23. Februar 1956 (BFH 62, 356, BStBl III 1956, 131) in dem Rückkauf eines zum Straßenausbau bestimmt gewesenen, wegen Änderung der Straßenfluchtlinie nicht mehr benötigten Grundstücks eine Rückgängigmachung im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG zu erblicken sein. Deshalb kann es als eine solche Rückgängigmachung auch dann angesehen werden, wenn die Wirkungen eines Rechtsgeschäfts auf andere Weise, aus einem anderen Rechtsgrund, etwa wegen eines (in den §§ 325, 326 BGB z. B. dem Rücktritt gleichgestellten) Schadenersatzanspruches rückgängig gemacht werden. Das o. a. Urteil II 194/57 U steht dem nicht entgegen, betont vielmehr (BFH 72, 447 Abs. 2, BStBl III 1961, 164 linke Spalte vorletzter Absatz), daß lediglich im damaligen Rechtsstreit nur ein Rücktrittsrecht aus § 326 BGB in Betracht gekommen war.

Der Vertrag I, durch den der Klägerin als Gegenleistung eine monatliche Rente bis zu deren Lebensende (nach deren Tod mit gewisser Ermäßigung deren Ehemann auf dessen Lebenszeit) eingeräumt war, bezweckte eindeutig, den Lebensunterhalt der Klägerin (und ihres Ehemannes) sicherzustellen. Dieser Zweck war nach der Zahlungsunfähigkeit der Käuferin nicht mehr erreichbar. Hierdurch war die Grundlage für das Rechtsgeschäft weggefallen, so daß der Klägerin ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten war. Da der Käuferin die Erfüllung des Vertrags I nicht mehr möglich war, mußten die Parteien sich wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage das Empfangene zurückerstatten (vgl. auch RGZ 106, 93; Hans. OLG Hamburg, MDR 1964, 414, dort unter Bezugnahme auf § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB; ferner Urteil des Senats II 286/55 U, a. a. O.). Dabei waren die Leistungen, die die Käuferin bereits erbracht hatte, mit der zugunsten der Spar- und Darlehnskasse eingetragenen Grundschuld, die die Klägerin jetzt gegen sich gelten lassen mußte, zu verrechnen.

Der Vertrag I ist somit im Sinn des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG in vollem Umfang rückgängig gemacht worden.

Daraus folgt, daß der Anspruch auf Erstattung der entrichteten Grunderwerbsteuer gerechtfertigt ist. Demgemäß waren das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung und der die Steuererstattung ablehnende Bescheid des Beklagten aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die vor Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 unter altem Recht (AO a. F.) als Berufung erhobene Klage stellt sich nunmehr als Verpflichtungsklage im Sinn des § 40 Abs. 1 FGO dar. Da die Sache spruchreif ist, war gemäß § 121, § 101 Satz 1 FGO die Verpflichtung des Beklagten auszusprechen, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, d. h. die Erstattung der seinerzeit auf Grund des Vertrags I von der Käuferin entrichteten, an die Klägerin abgetretenen (§ 159 AO) Grunderwerbsteuer anzuordnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68603

BStBl II 1969, 559

BFHE 1969, 76

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