Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer Arbeitsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Die Heranziehung der Umsätze eines total kriegsgeschädigten Wiederaufbaubetriebes zur Umsatzsteuer begründet keinen Verstoß gegen das GG.

 

Normenkette

UStG § 1/1, § 2/1; GG Art. 2, 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.), der eine Drogerie betreibt, erkennt die Anwendung des Umsatzsteuergesetzes auf die Umsätze seines total kriegsgeschädigten Wiederaufbaubetriebes in den Veranlagungszeiträumen II/1948 bis 1950 nicht an. Finanzamt und Finanzgericht haben die Umsatzsteuerpflicht seiner der Höhe nach unstreitigen Umsätze in diesen Veranlagungszeiträumen bejaht. Das Finanzgericht hat ausgeführt, daß die Nichtaufnahme einer Befreiungsvorschrift für total kriegsgeschädigte Wiederaufbaubetriebe nicht, wie der Bf. annimmt, verfassungswidrig sei.

 

Entscheidungsgründe

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) kann keinen Erfolg haben.

Die Vorentscheidung läßt einen Rechtsirrtum, auf den nach der Sachlage allein die Rb. gestützt werden könnte, nicht erkennen; insbesondere ist nicht erfindlich, inwiefern durch die Heranziehung des Bf. zur Umsatzsteuer die in der Rb. angeführten Art. 1 Abs. 3, 2 Abs. 1, 3, 19 Abs. 2 und 20 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) verletzt sein sollten. Vor Inkrafttreten des GG ist, wie die Vorentscheidung zutreffend ausführt, das Umsatzsteuergesetz 1934 durch die Gesetzgebung der Alliierten Besatzungsmächte als damaligem obersten Gesetzgeber für das Deutsche Reich mit erhöhten Steuersätzen aufrechterhalten worden; für die Veranlagung der hier streitigen Veranlagungszeiträume, die nach dem Inkrafttreten des GG erfolgte, ist durch dieses selbst die Weitergeltung der Steuergesetze des Deutschen Reichs durch Art. 123 ausdrücklich bestimmt worden. Es ist also nicht so, wie der Bf. in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, daß nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 jedes staatliche Leben erloschen ist und bis zum Inkrafttreten des GG und der Konstituierung der Bundesorgane ein gesetzloser Zustand bestanden hat. Die Auffassung des Bf. würde dazu führen, daß für einen Zeitraum von mehr als vier Jahren jeder gesetzlichen Regelung, nicht nur auf steuerlichem Gebiet, die staatsrechtliche Grundlage entzogen wäre.

Es bleibt zu prüfen, ob das Umsatzsteuergesetz inhaltlich eines der gemäß Art. 1 Abs. 3 GG auch die Gesetzgebung bindenden Grundrechte verletzt. Auch dies hat die Vorentscheidung zutreffend verneint. Der erkennende Senat hat in dem Urteil V 69/53 S vom 25. September 1953 (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1953 III S. 332) ausgeführt, daß sich nach dem Wesen der Umsatzsteuer eine Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit, des Familienstandes und sonstiger persönlicher Verhältnisse verbiete, und daß selbst die Heranziehung zur Umsatzsteuer, ohne sie - was im Streitfalle nicht näher dargelegt ist - auf den Abnehmer überwälzen zu können, keine Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz bedeutet. Nach erneuter Prüfung der Rechtslage muß der Senat in vollem Umfang bei der im vorgenannten Urteil V 69/53 vertretenen Auffassung verbleiben. Denn durch die Umsatzsteuer wird lediglich die wirtschaftliche Kraft besteuert, die sich darin ausdrückt, daß eine Ware Absatz findet. Dies ist bei einem total geschädigten Betrieb in Höhe der erzielten Umsätze genau so der Fall wie bei jedem anderen Unternehmer, mag er mit hohem oder niedrigem Gewinn oder sogar mit Verlust arbeiten. Deshalb findet sich auch in dem vom Bundestag verabschiedeten Umsatzsteuergesetz 1951 keine Befreiungsvorschrift der vom Bf. geforderten Art. Die Berücksichtigung der Ertragslage wie der persönlichen Verhältnisse überhaupt muß denjenigen Steuern vorbehalten bleiben, die hierfür nach ihrem System geeignet sind. Darauf, daß der Gesetzgeber in solchen Steuergesetzen die Berücksichtigung von Kriegsschäden nicht außer Acht gelassen hat, hat die Vorentscheidung zutreffend hingewiesen. Wenn der Bf. in der mündlichen Verhandlung hierzu noch vorgetragen hat, die Rechtsprechung habe die Gesetzgebungsorgane des Bundes zu einer stärkeren Berücksichtigung kriegsgeschädigter Betriebe zu veranlassen, weil die bisherige Steuergesetzgebung der Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Sinne des Art. 72 Ziff. 3 GG nicht gerecht werde, so verkennt er die Aufgabe der Rechtsprechung und die ihr gesetzten Grenzen.

Nach alledem vermag der Senat die Auffassung der Rb., daß das Umsatzsteuergesetz verfassungswidrig sei, nicht zu teilen. Es besteht deshalb keine Veranlassung, das Verfahren auszusetzen, wie der Bf. in der mündlichen Verhandlung erneut beantragt hat, und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen (vgl. hierzu insbesondere Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz 1953 Anm. 3 zu Art. 100 S. 539, sowie Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 1952 I BvL 12/51 in Juristen-Zeitung 1952 S. 269). Der Vorentscheidung ist nach alledem beizutreten und die Rb. als unbegründet zurückzuweisen. Die Kosten der Rb. fallen gemäß § 307 der Reichsabgabenordnung (AO) dem Bf. zur Last. Der Senat hat, nachdem der Bf. durch die obersten Verwaltungsbehörden und zuletzt durch ein unabhängiges Gericht ausführlich über die Rechtslage aufgeklärt worden ist, keinen Anlaß, den in der Vorentscheidung gemäß § 319 AO gewährten Erlaß der Rechtsmittelkosten für die Vorinstanzen auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren auszusprechen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407951

BStBl III 1954, 238

BFHE 1955, 77

BFHE 59, 77

StRK, UStG:1/1 R 26

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