Leitsatz (amtlich)

1. Steuernachzahlungen an Betriebssteuern, die sich aufgrund der Feststellungen einer nach dem maßgebenden Feststellungszeitpunkt durchgeführten Betriebsprüfung ergeben, sind an dem zurückliegenden Feststellungszeitpunkt als unverzinsliche befristete Schulden abzuziehen.

2. Steuernachzahlungen, die sich aufgrund verspätet abgegebener Steuererklärungen ergeben, können nur ausnahmsweise als befristet behandelt werden, wenn nach den Verhältnissen des maßgebenden Feststellungszeitpunkts die Abgabe über die allgemeinen Erklärungsfristen hinaus aufgeschoben war.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 14 Abs. 3; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62b; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 66 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin machte in ihrer Vermögensaufstellung zum 31. Dezember 1963 Steuerschulden geltend, und zwar Körperschaftsteuer 1948 bis 1962, Gewerbesteuer 1948 bis 1962, Notopfer 1949 bis 1957 sowie nachträgliche Erhöhungen von Vermögensteuer 1963 und Gewerbesteuer 1963. Die Schulden für 1948 bis 1962 beruhen darauf, daß die Klägerin ihre Umstellungsrechnung in wesentlichen Punkten erst im Jahr 1964 erstellte, die Schulden für 1963 auf einer im Anschluß an die Abgabe der endgültigen Umstellungsrechnung durchgeführten Betriebsprüfung.

Das FA (Beklagter und Revisionskläger) berücksichtigte die Steuerschulden der Klägerin bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1964 nur mit dem abgezinsten Betrag, da die Schulden erst in den Jahren 1967 und 1968 fällig wurden. Der Einspruch gegen die Wertfeststellung hatte keinen Erfolg.

Auf die Klage ließ das FG die Steuerschulden mit dem Nennwert zum Abzug vom Rohvermögen zu.

Die Revision des FA rügt, das FG habe es zu Unrecht abgelehnt, die Steuerschulden der Klägerin nach Teilwertgesichtspunkten zu bewerten. Da die Tilgung der Steuerschulden hinausgeschoben sei, belasteten die Schulden das Unternehmen nur mit einem geringeren Betrag als dem Nennwert. Soweit die Steuerschulden für die zurückliegende Zeit auf der Betriebsprüfung beruhten, müßte außerdem davon ausgegangen werden, daß sie am Feststellungszeitpunkt aufschiebend bedingt gewesen seien. Darüber hinaus rechtfertige auch § 14 Abs. 1 BewG die Abzinsung der Forderung. Die Gründe der späteren Steuerfestsetzung bei der Klägerin seien besondere Umstände im Sinn dieser Vorschrift, die im Zusammenwirken mit der Unverzinslichkeit zu einer Bewertung unter dem Nennwert führen müßten. Schließlich müßten Erkenntnisse nach dem Feststellungszeitpunkt, nämlich die Steuernachholung durch eine Betriebsprüfung, insgesamt auf den Stichtag zurückbezogen werden. Wenn man die Steuerschulden aufgrund einer Betriebsprüfung zurückbeziehe, müsse auch die Erkenntnis über den Zeitpunkt der Durchführung der Betriebsprüfung und die daran anschließende Fälligkeit berücksichtigt werden. Deshalb seien die Steuerschulden der Klägerin auch unverzinsliche und befristete Schulden im Sinn des § 14 Abs. 3 BewG.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.

1. Zur Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebsvermögens sind vom Rohvermögen die mit dem Betrieb im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Schulden abzuziehen (§ 62 Abs. 1 BewG). Voraussetzung für den Abzug einer Schuld ist, daß sie an dem maßgebenden Feststellungszeitpunkt schon entstanden und noch nicht getilgt ist, und daß der Schuldner ernstlich damit rechnen muß, in Anspruch genommen zu werden (Entscheidung des BFH III 9/54 S vom 5. November 1954, BFH 59, 447, BStBl III 1954, 381). Das Erfordernis der wirtschaftlichen Belastung für den Schuldenabzug ergibt sich aus § 1 Abs. 2 und 3 StAnpG. Danach ist bei der Beurteilung von Tatbeständen die wirtschaftliche Bedeutung der Steuergesetze zu berücksichtigen. Unter dem Tatbestand im Sinn des § 1 Abs. 3 StAnpG ist der Lebenssachverhalt zu verstehen, auf den die Steuergesetze anzuwenden sind. Die wirtschaftliche Bedeutung der Substanzbesteuerung durch das BewG sowie des auf den Einheitswert des gewerblichen Betriebsvermögens in erster Linie anzuwendenden GewStG und VStG verbieten, daß nur formalrechtlich bestehende Schulden zu einer Vermögensminderung führen, da sie für den Schuldner keine ernst zu nehmende Belastung sind. Die Fälligkeit der Schuld ist dagegen für den Abzug ohne Bedeutung.

2. Noch nicht fällige Schulden aus laufend veranlagten Steuern sind bei der Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebsvermögens vom Rohvermögen grundsätzlich nur abzuziehen, wenn sie für einen Zeitraum erhoben werden, der spätestens im maßgebenden Feststellungszeitpunkt geendet hat (§ 62b Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BewG). Für den Schuldenabzug laufend veranlagter Steuern wird damit über die allgemeinen Erfordernisse des Schuldenabzugs hinaus verlangt, daß die Steuerschulden für einen bestimmten Zeitraum erhoben werden oder auf einen bestimmten Zeitraum entfallen (vgl. § 62 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BewG). Diese Sonderregelung bedeutet nicht, daß Schulden aus laufend veranlagten Steuern auch zu berücksichtigen seien, wenn sie den Schuldner wirtschaftlich nicht belasten. Das ergibt sich aus dem BFH-Urteil III 353/57 S vom 3. April 1959 (BFH 69, 97, BStBl III 1959, 300), in dem der erkennende Senat eine formalrechtlich bestehende Steuerschuld nicht abziehen ließ, weil am Feststellungszeitpunkt mit Sicherheit anzunehmen war, daß die Schuld nicht erfüllt werden müsse. Der allgemeine Grundsatz des StAnpG, daß Voraussetzung für den Schuldenabzug bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auch eine am maßgebenden Stichtag ernst zu nehmende Belastung ist, gilt vielmehr auch für Steuerschulden (BFH-Entscheidung III R 53/70 vom 7. Mai 1971, BFH 102, 553, BStBl II 1971, 681). Soweit Maaßen (DB 1969, 459) die Auffassung vertritt, die gesetzliche Regelung des Abzugs von Schulden auslaufend veranlagten Steuern stelle eine Durchbrechung dieses Grundsatzes dar, folgt ihm der Senat aus den oben dargelegten Gründen nicht. Auf das Urteil des BFH III 107/40 vom 7. November 1940 (RStBl 1941, 63) kann Maaßen jedenfalls seine Auffassung nicht stützen; denn der RFH hat in dieser Entscheidung eine wirtschaftliche Belastung des Schuldners mit den sich aus einer Betriebsprüfung ergebenden Steuernachholungen gerade auch schon an Feststellungszeitpunkten bejaht, die vor Durchführung der Betriebsprüfung liegen.

3. Nach den unangefochtenen Feststellungen des FG werden die von der Klägerin geltend gemachten Steuerschulden für einen Zeitraum erhoben, der am maßgebenden Feststellungszeitpunkt geendet hatte. Diese Schulden waren nicht bis zur Aufdeckung des Steuertatbestandes durch die Betriebsprüfung aufschiebend bedingt. Denn für die rechtliche Entstehung der Steuerschuld genügt allein die Verwirklichung des Steuertatbestandes. Ohne Einfluß ist, ob das FA von dieser Verwirklichung Kenntnis hat, ob es die Steuer festgesetzt hat und ob die Steuerschuld fällig ist (§ 3 Abs. 1 und 2 StAnpG). Der Senat teilt auch die Auffassung, daß diese Schulden an Feststellungszeitpunkten vor Durchführung der Betriebsprüfung für den Schuldner schon eine wirtschaftliche Belastung waren, obwohl man hierüber unterschiedlicher Meinung sein könnte. So hat der IV. Senat des BFH mit Urteil IV 51/62 vom 13. Januar 1966 (BFH 84, 517, BStBl III 1966, 189) für die Steuerbilanz eine Rückstellung für Steuernachholungen aufgrund einer am Bilanzstichtag noch nicht durchgeführten aber zu erwartenden Betriebsprüfung abgelehnt, weil am Stichtag keine hinreichend konkreten Sachverhalte vorlagen, aufgrund deren ernsthaft mit einer Inanspruchnahme für zu wenig gezahlte Betriebssteuern gerechnet werden könne; für eine Rückstellung genüge nicht die allgemeine Erfahrung, daß Betriebsprüfungen zu Beanstandungen und mehr oder weniger hohen Steuernachzahlungen zu führen pflegten. Dagegen hat der RFH im Urteil III 107/40 vom 7. November 1940 (a. a. O.) die allgemeine Erfahrung, daß ein Betriebsinhaber schon vor Durchführung der nächsten Betriebsprüfung damit rechnen müsse, daß daraus eine weitere Steuerbelastung entstehen werde, für ausreichend erachtet, um für Steuerschulden, die erst durch eine nach dem Feststellungszeitpunkt durchgeführte Betriebsprüfung aufgedeckt wurden, an Feststellungszeitpunkten vor der Betriebsprüfung eine wirtschaftliche Belastung anzuerkennen. Die Auffassung des RFH erscheint nicht frei von Widersprüchen; denn danach wird, obwohl vor Durchführung der Betriebsprüfung eine zur Bildung einer Rückstellung berechtigende konkrete wirtschaftliche Belastung abgelehnt wird, mit der Durchführung der Betriebsprüfung diese wirtschaftliche Belastung als rückwirkend entstanden behandelt. Im Hinblick darauf, daß die Rechtsauffassung des RFH in den letzten Jahrzehnten von der Verwaltung praktiziert und auch von den Gerichten nicht beanstandet wurde, hält der Senat an dieser Auffassung fest. Denn der BFH hat wiederholt ausgesprochen, es entspreche dem Gebot der Rechtssicherheit, eine langjährige feste Rechtsprechung nicht aufzugeben, wenn nicht schwerwiegende neue Gesichtspunkte dafür sprechen (vgl. BFH-Entscheidung III 189/63 vom 20. Mai 1966, BFH 86, 488 [501], mit weiteren Nachweisen). Die aufgezeigten Bedenken erscheinen dem Senat nicht gewichtig genug, um die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich aufzugeben. Festzuhalten bleibt aber, daß bezüglich der wirtschaftlichen Belastung durch Steuernachholungen aufgrund einer erst nach dem Feststellungszeitpunkt durchgeführten Betriebsprüfung das Stichtagsprinzip modifiziert wird.

4. Die Höhe des Schuldenabzugs bestimmt § 14 BewG. Nach § 66 Abs. 1 BewG gilt für das Betriebsvermögen zwar der Grundsatz der Bewertung mit dem Teilwert. Für Geldforderungen und Geldschulden besteht keine ausdrückliche Ausnahme von dieser Regel. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß sich bei Geldforderungen und Geldschulden der Nennwert und der Teilwert grundsätzlich decken (vgl. BFH-Entscheidung III 133, 134/55 S vom 26. August 1955, BFH 61, 207, BStBl III 1955, 278). Dies ist darin begründet, daß der Wert einer Forderung, die auf sofortige oder alsbaldige Leistung eines bestimmten Geldbetrags gerichtet ist, ohne Rücksicht darauf, zu welcher Vermögensmasse diese Forderung gehört, durch den Geldbetrag bestimmt wird, der aufgrund der Forderung vom Schuldner verlangt werden kann (vgl. auch BFH-Entscheidung III 235/64 vom 5. April 1968, BFH 93, 316, BStBl II 1968, 768). Der Wert einer Geldforderung wird deshalb durch die Zugehörigkeit zu einem Betriebsvermögen grundsätzlich nicht beeinflußt. Denn der zu fordernde Geldbetrag ist im Rahmen des Betriebsvermögens nicht mehr oder weniger wert als außerhalb des Betriebsvermögens. Der gedachte Erwerber, dessen Überlegungen für die Ermittlung des Teilwerts zu berücksichtigen sind, obwohl Forderungen nicht zur Veräußerung bestimmt sind, würde deshalb grundsätzlich im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das Unternehmen den Geldbetrag ansetzen, den er aufgrund der Forderungen einziehen kann. Gleiches gilt für Geldschulden. Aus diesem Grund kann der Senat der Auffassung von Maaßen (a. a. O.) nicht folgen, soweit er auf der Grundlage von Teilwertüberlegungen zu einer von § 14 BewG abweichenden Bewertung kommt. Das Urteil des BFH III 85/65 vom 8. März 1968 (BFH 92, 339, BStBl II 1968, 575) bedeutet entgegen der Meinung von Maaßen keine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung; denn Forderungen aus halbfertigen Arbeiten auf fremdem Grund und Boden hat der Senat deshalb nicht als Geldforderungen im Sinne des § 14 BewG angesehen, weil sie mit der Verpflichtung zur Vollendung der halbfertigen Arbeiten belastet sind.

a) Nach § 14 Abs. 1 BewG sind Geldforderungen (Kapitalforderungen) grundsätzlich mit dem Nennwert anzusetzen. Ausnahmsweise werden sie mit einem höheren oder niedrigeren Betrag als dem Nennwert bewertet, wenn besondere Umstände dies begründen. Unter welchen Voraussetzungen besondere Umstände im Sinn dieser Vorschrift anzunehmen sind, hat das Gesetz nicht bestimmt. Es enthält jedoch in § 14 Abs. 3 BewG eine Regelung für einen Einzelfall eines besonderen Umstandes. Danach werden unverzinsliche und befristete Forderungen mit dem abgezinsten Wert angesetzt, d. h. mit dem Wert, der sich ergibt, wenn vom Nennwert die Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen auf der Grundlage eines Zinssatzes von 5,5 v. H. bis zur Fälligkeit abgezogen werden. Aus dieser Regelung eines einzelnen besonderen Umstandes im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG kann entnommen werden, daß der Gesetzgeber eine Geldforderung oder eine Geldschuld dann nicht für vollwertig hält, wenn die Leistung aufgrund der bestehenden Rechtslage nicht sofort oder wenigstens alsbald bewirkt werden muß und für den Leistungsaufschub eine Gegenleistung nicht zu erbringen ist.

b) Entgegen der Auffassung von Bachmayr (DB 1968, 631, BB 1970, 295) hat der Ausdruck "befristet" in § 14 Abs. 3 BewG nicht einen durch das bürgerliche Recht vorgegebenen Inhalt. Das bürgerliche Recht spricht in § 163 BGB nicht von einer Befristung, sondern von einem Anfangs- oder Endtermin für die Wirkung eines Rechtsgeschäfts. Soweit eine solche Terminierung vorliegt, verweist § 163 BGB auf die Vorschriften über Bedingungen. Hieraus folgert Bachmayr, die Befristung im Sinn des § 14 Abs. 3 BewG müsse rechtsgeschäftlicher Art sein, weil in der Rechtsprechung des BFH anerkannt sei, daß der Begriff der Bedingung, wie er in den §§ 4 bis 7 BewG gebraucht werde, denselben Inhalt habe wie der gleiche bürgerlich-rechtliche Begriff. Danach ist eine Bedingung eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung, nach der die Wirkungen eines Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängen sollen. Diese Rechtsauslegung Bachmayrs wird nach Auffassung des Senats indessen weder durch den Wortlaut noch durch den Sinnzusammenhang getragen, in den § 14 Abs. 3 BewG hineingestellt ist. Denn aus § 4 StAnpG, der von bedingten Steuerschulden handelt, ergibt sich zunächst, daß der Begriff der Bedingung im Steuerrecht sich nicht durchwegs auf rechtsgeschäftliche Vereinbarungen beschränken kann, sonst wären bedingte Steuerschulden undenkbar, weil in bezug auf öffentlich-rechtliche Abgaben rechtsgeschäftliche Vereinbarungen über ihre Wirkung nicht in Betracht kommen. Wenn aber im Steuerrecht schon unterschiedliche Inhalte des Begriffs der Bedingungen möglich sind, dann können aus der Verwendung des Ausdrucks "Befristung" in der Überschrift zu § 8 BewG und der Verweisung auf die Vorschriften der §§ 4 bis 7 BewG über Bedingungen keinerlei Folgerungen für die Qualität einer Befristung im Sinne des § 14 Abs. 3 BewG in bezug auf Steuerschulden gezogen werden. Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß eine Befristung als Voraussetzung für die Abzinsung einer Geldforderung oder Geldschuld nicht zwangsläufig rechtsgeschäftlicher Art sein muß. Denn auch eine Steuerstundung würde, ohne daß hierüber Streit bestände, als Befristung in diesem Sinn angesehen, obwohl sie in bezug auf eine Steuerforderung keine rechtsgeschäftliche Vereinbarung ist.

5. Steuernachholungen aufgrund einer Betriebsprüfung sind unverzinslich (vgl. § 4 StSäumG). Der Senat ist weiter der Auffassung, daß bei Berücksichtigung vorstehender Überlegungen diese Steuernachholungen befristet sind (vgl. § 20 Abs. 2 GewStG, § 18 Abs. 4 UStG 1967, § 13 Abs. 3 UStG 1951). Dabei geht der Senat von folgenden Erwägungen aus:

a) Der Steueranspruch entsteht rechtlich, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Steuer knüpft (§ 3 Abs. 1 StAnpG). Das ist bei den laufend veranlagten Steuern regelmäßig das Ende des Kalenderjahres, für das die Steuer erhoben wird (vgl. § 3 Abs. 5 StAnpG). Voraussetzung für den Steuerschuldenabzug ist neben dem Entstehen der Steuer, daß die Steuerschuld an dem Feststellungszeitpunkt, zu dem der Abzug begehrt wird, eine wirtschaftliche Belastung ist (vgl. oben unter 2.). Aufgrund eines bewertungsrechtlich nicht unbedenklichen modifizierten Stichtagsprinzips, das der Senat, wie oben ausgeführt, auch weiterhin anerkennt, werden mit der Aufdeckung von Steuerschulden durch eine Betriebsprüfung die in der Vergangenheit rechtlich zwar entstandenen, aber weder dem Steuerzahler noch dem Steuergläubiger der Höhe nach bekannten, jedenfalls aber nicht festgesetzten Schulden als wirtschaftliche Belastung des Steuerschuldners an den vor Durchführung der Betriebsprüfung liegenden Feststellungszeitpunkten anerkannt. Wenn aber das aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise für den Schuldenabzug erforderliche Tatbestandsmerkmal der ernsthaften Belastung mit Steuerschulden aufgrund von Vorgängen anerkannt wird, die erst nach dem Feststellungszeitpunkt liegen, dann muß zwangsläufig auch die damit im Zusammenhang entstehende Kenntnis über die Fälligkeit der Nachzahlung aufgrund desselben modifizierten Stichtagsprinzips berücksichtigt werden. Damit werden nicht Fragen des Entstehens und Fragen der Fälligkeit einer Schuld in unzulässiger Weise miteinander vermengt, sondern vielmehr die wirtschaftlich verwandten Fragen der ernsthaften Belastung mit einer Schuld und der Höhe dieser Belastung einheitlich beurteilt. Der Senat ist der Auffassung, daß unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen zum Stichtagsprinzip allein diese Auslegung des Begriffs "befristet" in bezug auf Steuernachholungen aufgrund einer Betriebsprüfung dem § 14 Abs. 3 BewG gerecht wird. Dies ergibt sich auch aus dem Sinnzusammenhang, in den diese Vorschrift gestellt ist.

b) Wie oben unter 4a) ausgeführt, besteht der im Wortlaut des § 14 BewG zum Ausdruck kommende Sinn darin, daß eine Geldforderung oder eine Geldschuld, die nicht sofort oder alsbald erfüllt werden muß, ohne daß dem Zahlungsaufschub eine andere Leistung gegenübersteht, nicht vollwertig ist. Steuernachzahlungen aufgrund einer Betriebsprüfung müssen aus der Sicht des Feststellungszeitpunktes, der vor der Prüfung liegt, nicht sofort oder alsbald gezahlt werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn in bezug auf diese Nachzahlungen ein Leistungsgebot vorläge. Das ist jedoch nicht möglich, weil diese Schulden weder dem Steuergläubiger noch dem Steuerschuldner bis zur Durchführung der Betriebsprüfung bekannt sind. Aus diesem Grund können die formalrechtlich entstandenen Steuern nicht jederzeit gefordert werden; sie sind an sich bis zum Erlaß des Leistungsgebots befristet. Obwohl der Senat den gezogenen Vergleich mit § 271 BGB nicht für durchschlagend hält, so ist doch zu sagen, daß die Interessenlage vor Aufdeckung der Steuernachforderungen durch die Betriebsprüfung ähnlich ist wie im Falle des § 271 Abs. 2 BGB: Der Schuldner kann zu jeder Zeit vor Aufdeckung der unbekannten Steuerschulden die Zahlung höherer als der festgesetzten Steuern verweigern. Der Senat hat keine Bedenken, wenn das Ende der Befristung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung zugunsten des Steuerschuldners typisiert auf den Beginn des Halbjahres festgelegt wird, in dem dem geprüften Unternehmen der schriftliche Prüfungsbericht übersandt wird (§ 15 Abs. 2 BpO(St).

Die Entscheidungen des BFH III 2/60 U vom 10. März 1961 (BFH 72, 616, BStBl III 1961, 224) und III 216/64 vom 12. Juli 1968 (BFH 93, 332, BStBl II 1968, 837) betrachtet der Senat für die Entscheidung der vorstehenden Fragen nicht als präjudiziell, weil sie Sondersachverhalte aus dem Lastenausgleichsrecht betreffen, nämlich die Auswirkung eines Rückerstattungsvergleichs auf die Vermögensabgabeschuld und die Vermögensteuerveranlagung eines Angehörigen der Vereinten Nationen, der bei der Vermögensabgabeveranlagung die rückwirkende Vergünstigung des Überleitungsvertrages in Anspruch genommen hatte.

6. Anders verhält es sich dagegen mit Steuerschulden, die aufgrund der Erklärung des Steuerpflichtigen für die Verwaltung offengelegt sind. Hier kann der Steuerschuldner mit der Abgabe der Erklärung damit rechnen, daß die Zahlung von ihm alsbald aufgrund eines Leistungsgebots verlangt werden wird. Verzögerungen in der verwaltungsmäßigen Bearbeitung stehen nicht einer Befristung im Sinn des § 14 Abs. 3 BewG gleich. Eine Befristung könnte aus der Sicht des zurückliegenden Feststellungszeitpunkts nur ausnahmsweise und insoweit angenommen werden, als die Abgabe der Steuererklärung nach den am Feststellungszeitpunkt bestehenden Verhältnissen hinausgeschoben war, und zwar über die allgemeine Erklärungsfrist und die damit im Zusammenhang stehenden Verlängerungen für steuerberatende Berufe, bestimmte Unternehmensgruppen usw. hinaus.

7. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung war deshalb aufzuheben.

Die Sache ist nicht spruchreif, weil bezüglich der Steuernachzahlungen aufgrund der endgültigen Erklärungen der Klägerin nicht feststeht, ob für die sich daraus ergebenden Steuernachzahlungen nach vorstehenden Grundsätzen an dem maßgebenden Feststellungszeitpunkt ausnahmsweise eine Befristung angenommen werden muß.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413246

BStBl II 1972, 688

BFHE 1972, 96

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