Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitlicher Betrieb bei mehreren räumlich getrennten Betriebsstätten

 

Leitsatz (NV)

Ob mehrere räumlich voneinander getrennte Betriebsstätten einen einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bilden, ist auf Grund einer Gesamtbetrachtung der betrieblichen Verhältnisse zu entscheiden. Dabei ist auch die Entfernung zwischen den Betriebsstätten zu berücksichtigen. Eine feste Grenze für die höchstzulässige Entfernung gibt es nicht.

 

Normenkette

EStG § 13 Abs. 1 Nr. 1; BewG § 51a Abs. 1 S. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bewirtschaftete in den Streitjahren 1988 bis 1990 als Nebenerwerbslandwirt einen Ackerbaubetrieb in B; seinen Wohnsitz hatte der Kläger in M. An etwa 20 Tagen jährlich hielt er sich zur Bewirtschaftung der Flächen in B auf. Die Nächte verbrachte er dabei in einem Gasthaus, da das zum Betrieb gehörende Bauernhaus unbewohnbar war. Maschinen und Geräte waren nur in Mindestausstattung vorhanden, so daß die Arbeiten zum Teil durch den Maschinenring ausgeführt wurden. Auf den Flächen baute der Kläger im Fruchtwechsel Futterweizen (2 Jahre) und Raps (im 3. Jahr) an.

Außerdem war der Kläger an einer KG beteiligt, die Hähnchenmast betreibt. Mit Vertrag vom 31. März 1986 pachtete der Kläger von der KG jährlich einen Mastdurchgang in einem Maststall in E (82 Straßenkilometer von B entfernt) an. Während eines Mastdurchgangs von durchschnittlich fünf Wochen mästete der Kläger jeweils etwa 120 000 Hähnchen. Die Pachtaufwendungen betrugen dafür ca. 17 000 DM. Fütterung und Aufzucht ließ der Kläger von eigens dafür angestellten Aushilfskräften durchführen.

Den gesamten in B erzeugten Weizen verfütterte der Kläger an die Masthähnchen und deckte damit 25 v. H. des Futterbedarfs, während der Raps an ein landwirtschaftliches Lagerhaus verkauft wurde. Den anfallenden Hähnchenmist (pro Mastdurchgang etwa 120 Tonnen) brachte der Kläger als Naturdünger auf dem Ackerland in B aus.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) hatte für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß gesonderte Feststellungen über Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erlassen, die sowohl Ackerbau als auch Hähnchenmast umfaßten. Nach einer Außenprüfung schloß sich das FA der Auffassung des Prüfers an, daß zwei getrennte Betriebe anzunehmen seien, und erließ geänderte Gewinnfeststellungsbescheide, in denen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für den Ackerbaubetrieb und Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die Hähnchenmast festgestellt wurden.

Im Einspruchsverfahren änderte das FA die Feststellungsbescheide erneut und stellte nur noch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für den Ackerbaubetrieb fest. Das hatte seinen Grund darin, daß der Kläger mitgeteilt hatte, die Leitung seiner gesamten betrieblichen Tätigkeit erfolge von seinem Wohnsitz aus. Die Einsprüche hatten nur insoweit Erfolg, als das FA die festgestellten Einkünfte für 1988 auf . /. ... DM und für 1989 auf . /. ... DM reduzierte, bzw. für 1990 auf ... DM erhöhte. Es folgte damit den Berechnungen des Klägers, nach denen der Hähnchenmastbetrieb anstelle eines prozentualen Anteils am einheitlich ermittelten Verlust bzw. Gewinn jährlich 3 000 DM Überschuß erwirtschaftet hatte.

Die anschließend erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 1028 veröffentlichten Urteil ab.

Mit der Revision macht der Kläger weiter geltend, es handele sich um einen einheitlichen landwirtschaftlichen Betrieb.

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkünfte aus dem landwirtschaftlichen Betrieb und der Hähnchenmast einheitlich als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gesondert festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzu weisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FG hat zutreffend Ackerbau und Hähnchenmast als selbständige Betriebe angesehen und demzufolge die Einbeziehung der auf die Hähnchenmast entfallenden Gewinne in die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft abgelehnt.

1. Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) neben den Einkünften aus dem Betrieb der Landwirtschaft auch die Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung, wenn die Tierbestände bestimmte in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG angegebene Grenzen nicht übersteigen. Sind die Grenzen überschritten, so ist die Tierzucht oder Tierhaltung gewerblich; die daraus erzielten Einkünfte unterliegen den Beschränkungen des § 15 Abs. 4 EStG. Zu land- und forstwirtschaftlichen Einkünften aus Tierzucht oder Tierhaltung kann es deshalb nur kommen, wenn die Tiere zu einem einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören.

a) Was als Betrieb i. S. des § 13 EStG zu verstehen ist, regelt die Vorschrift nicht ausdrücklich. Es kann statt dessen auf das Bewertungsgesetz (BewG) zurückgegriffen werden, wonach Betrieb der Land- und Forstwirtschaft die wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist (§ 33 Abs. 1 BewG). Der Umfang einer wirtschaftlichen Einheit ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 BewG nach der Verkehrsanschauung zu bestimmen, wobei örtliche Gewohnheit, tatsächliche Übung und die Zweckbestimmung sowie wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen sind. Es ist deshalb für die Frage, was noch zu einem einheitlichen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft gehört, eine Gesamtwürdigung der betrieblichen Verhältnisse vorzunehmen. Diese Gesamtwürdigung obliegt dem Tatrichter. Sie ist vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob sie alle bedeutsamen Umstände unter Einbeziehung des Erfahrungswissens erfaßt und ohne Verstoß gegen Denkgesetze zustande gekommen ist (Senatsurteil vom 13. Oktober 1988 IV R 136/85, BFHE 154, 442, BStBl II 1989, 7).

b) Von einer Gesamtwürdigung kann nicht deshalb abgesehen werden, weil unabhängig von den übrigen Umständen des Einzelfalls Betriebsteile, die weiter als 40 km voneinander entfernt liegen, keinen einheitlichen Betrieb bilden könnten. Eine solche absolute Grenze findet sich zwar in § 51 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG, betrifft aber eine andere Fallgestaltung. Eine gemeinschaftliche Tierzucht oder Tierhaltung kann danach nicht zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören, wenn die einzelnen Betriebe der Beteiligten mehr als 40 km von der gemeinschaftlichen Produktionsstätte entfernt liegen. Entgegen einer in Literatur und FG-Rechtsprechung vertretenen Meinung (Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl. 1996, § 13 Rz. 81; Niedersächsisches FG, Urteil vom 7. September 1993 I 183/88, EFG 1994, 83, rkr.) kann diese Regelung auch nicht analog für die Beantwortung der Frage angewendet werden, ob mehrere voneinander entfernte Produktionsstandorte zu einem einheitlichen Betrieb gehören. Bei Schaffung des § 51 a BewG ist der Gesetzgeber nämlich nicht davon ausgegangen, die Grenze von 40 km sei für die Zusammengehörigkeit einer wirtschaftlichen Einheit von Bedeutung, etwa im Hinblick auf die seinerzeitige Verkehrsanschauung. Argument für die Einführung der Entfernungsgrenze war vielmehr ausschließlich der Gedanke, daß eine Ausweitung der Kooperation in ihrem Tätigkeitsbereich über allzu große Gebiete verhindert und für die Finanzverwaltung eine gewisse Übersichtlichkeit gewährleistet werden sollte (vgl. Bericht des Finanzausschusses zu BTDrucks VI/2334 S. 3). Diese Gesichtspunkte sind für die Frage, ob ein einheitlicher Betrieb besteht, nicht von Bedeutung.

2. Die vom FG vorgenommene Würdigung der von ihm festgestellten Tatsachen ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger im Revisionsverfahren Tatsachen zur Ergänzung oder Richtigstellung vorträgt, können diese mangels einer entsprechenden Verfahrensrüge nicht berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 2 FGO).

a) Insbesondere hat die Vorentscheidung zu Recht die Entfernung zwischen Ackerbau- und Mastbetrieb in die Gesamtwürdigung mit einbezogen. Es mag sein, daß ein einheitlicher Betrieb anzunehmen wäre, wenn sich im Streitfall der Mastbetrieb in einem auf der Hofstelle des Ackerbaubetriebs oder auf einem unmittelbar benachbarten Grundstück errichtete Stall befunden hätte. Nach der Verkehrsanschauung und auch im Hinblick auf organisatorische Erschwernisse ist aber die räumliche Entfernung ein Umstand, der in die Gesamtwürdigung ein zubeziehen ist. Ihm kommt um so weniger Gewicht zu, je intensiver der Leistungs austausch zwischen den Betriebsteilen und deren organisatorische und sachliche Verzahnung ist. Umgekehrt steigen mit zunehmender Entfernung die Anforderungen an die Intensität der Verknüpfung der Betriebsteile. Der strukturelle Wandel der Landwirtschaft, die nicht mehr vom Leitbild des arrondierten Hofes geprägt ist, läßt es dabei im Einzelfall auch denkbar erscheinen, daß über 10 km oder 40 km hinausgehende Entfernungen das Gesamtbild eines einheit lichen Betriebs nicht hindern. So hat der erkennende Senat auch in seinem Urteil vom 27. Oktober 1983 IV R 217/81 (BFHE 139, 530, BStBl II 1984, 364) der Entfernung von ca. 10 km nur die Bedeutung eines von mehreren zu berücksichtigenden Umständen beigemessen. Eine feste Grenze für die höchstzulässige Entfernung gibt es nicht (a. A. wohl Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 18. September 1986 II 150/83, EFG 1987, 117, rkr.; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., Anm. A 23).

b) Im übrigen hat das FG in seine Gesamtbetrachtung alle Umstände einbezogen, die Anhaltspunkte für den organisatorischen, wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenhang beider Betätigungen bieten können. Zutreffend sind auch Feststellungen dazu getroffen worden, wie groß die Abhängigkeit beider Betriebe von der wechselseitigen Abnahme der Produkte war und ob auch Geschäfte mit Dritten ohne weiteres möglich und wirtschaftlich nicht sinnlos gewesen wären. Daß die Vorentscheidung bei der Würdigung all dieser Umstände zu dem Ergebnis gekommen ist, ein einheitlicher Betrieb liege nicht vor, verstößt weder gegen die Denkgesetze noch Erfahrungssätze. Das wird auch von der Revision nicht geltend gemacht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422245

BFH/NV 1997, 749

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